Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2006 - KVZ 1/06
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die Beteiligte zu 1 meldete beim Bundeskartellamt die Übernahme von 76,67 % der Stammaktien und 13,39 % der (stimmrechtslosen) Vorzugsaktien der Beteiligten zu 2 an, die von zwei Familienstämmen (den Beteiligten zu 3 und 4) gehalten wurden. Die Beteiligte zu 5 und Beschwerdeführerin , die 19,76 % der Stammaktien und 52,71 % der Vorzugsaktien (insgesamt 33 % des gezeichneten Kapitals) hielt, wandte sich gegen die Freigabe. Aufgrund eines öffentlichen Übernahmeangebots der Beteiligten zu 1 verkaufte die Beschwerdeführerin noch während des Laufs des kartellbehördlichen Verfahrens ihre Anteile an die Beteiligte zu 1 bis auf einen Restbestand von 216 Aktien, die eine Beteiligung von noch 0,046 % am gezeichneten Kapital der Beteiligten zu 2 ausmachten. Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 28. April 2005 den angemeldeten Zusammenschluss freigegeben. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 5 mit ihrer Beschwerde. Das Oberlandesgericht hat diese als unzulässig verworfen, weil der Beschwerdeführerin das Rechtsschutzinteresse fehle. Sie sei aufgrund des Verkaufs der Anteile durch den Zusammenschluss materiell nicht mehr beschwert. Eine Beein- trächtigung auf dem nachgelagerten Markt der Herstellung von Transportbeton könne die Beschwerdeführerin nicht geltend machen, weil es insoweit an einer Beiladung nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB fehle. Die Rechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beteiligten zu 5.
- 2
- II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Sie zeigt grundsätzliche Fragen im Verhältnis von Beteiligung und Beiladung auf. Da die Beschwerdeführerin auch eine Beeinträchtigung ihrer Stellung auf dem nachgelagerten Markt für die Herstellung von Transportbeton geltend gemacht hat, stellt sich die Frage, ob ein Beteiligter nach § 54 Abs. 2 Nr. 2 GWB sich nur auf die mit seiner Beteiligtenstellung verbundenen Interessen berufen kann. Dies hätte zur Folge, dass für die Geltendmachung anderer wirtschaftlicher Interessen trotz der formalen Stellung als Beteiligter eine Beiladung durch die Kartellbehörde erforderlich wäre. Daran knüpft sich gegebenenfalls die weitere Frage, ob jedenfalls dann der Beteiligte - wie jeder Dritte, dessen Interessen berührt sind - einer Beiladung bedarf, wenn die materiellen Voraussetzungen seiner Beteiligtenstellung mittlerweile entfallen sind.
Raum Strohn
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.11.2005 - VI-Kart 11/05 (V) -
Rechtsmittelbelehrung
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts ist
binnen einer Frist von einem Monat, die mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses
beginnt (§ 75 Abs. 5 Satz 2 GWB), schriftlich bei dem Beschwerdegericht
einzulegen (§ 76 Abs. 3 GWB). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen
(§§ 76 Abs. 5, 66 Abs. 3 GWB). Die Frist von zwei Monaten für die Einreichung
der Begründung beginnt mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses und
kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert
werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten
, inwieweit der Beschluss des Beschwerdegerichts angefochten und seine
Abänderung oder Aufhebung beantragt wird (§§ 76 Abs. 5, 66 Abs. 4 Nr. 1
GWB). Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung müssen von einem bei
einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies
gilt nicht für eine von der Kartellbehörde eingereichte Rechtsbeschwerdeschrift
und Rechtsbeschwerdebegründung (§§ 76 Abs. 5, 66 Abs. 5 GWB).
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Referenzen - Gesetze
(1) Die Kartellbehörde leitet ein Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag ein. Die Kartellbehörde kann auf entsprechendes Ersuchen zum Schutz eines Beschwerdeführers ein Verfahren von Amts wegen einleiten. Soweit sich nicht aus den besonderen Bestimmungen dieses Gesetzes Abweichungen ergeben, sind für das Verfahren die allgemeinen Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden.
(2) An dem Verfahren vor der Kartellbehörde ist oder sind beteiligt:
- 1.
wer die Einleitung eines Verfahrens beantragt hat; - 2.
Kartelle, Unternehmen, Wirtschafts- oder Berufsvereinigungen, gegen die sich das Verfahren richtet; - 3.
Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Kartellbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat; Interessen der Verbraucherzentralen und anderer Verbraucherverbände, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, werden auch dann erheblich berührt, wenn sich die Entscheidung auf eine Vielzahl von Verbrauchern auswirkt und dadurch die Interessen der Verbraucher insgesamt erheblich berührt werden; - 4.
in den Fällen des § 37 Absatz 1 Nummer 1 oder 3 auch der Veräußerer.
(3) An Verfahren vor obersten Landesbehörden ist auch das Bundeskartellamt beteiligt.
(4) Fähig, am Verfahren vor der Kartellbehörde beteiligt zu sein, sind außer natürlichen und juristischen Personen auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen.
(1) Das Beschwerdegericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen.
(2) Der oder die Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(3) Das Beschwerdegericht kann den Beteiligten aufgeben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist über aufklärungsbedürftige Punkte zu äußern, Beweismittel zu bezeichnen und in ihren Händen befindliche Urkunden sowie andere Beweismittel vorzulegen. Bei Versäumung der Frist kann nach Lage der Sache ohne Berücksichtigung der nicht beigebrachten Beweismittel entschieden werden.
(4) Wird die Anforderung nach § 59 Absatz 5 oder die Anordnung nach § 59a Absatz 5 mit der Beschwerde angefochten, hat die Kartellbehörde die tatsächlichen Anhaltspunkte glaubhaft zu machen. § 294 Absatz 1 der Zivilprozessordnung findet Anwendung. Eine Glaubhaftmachung ist nicht erforderlich, soweit § 20 voraussetzt, dass Unternehmen von Unternehmen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen.
(5) Der Bundesgerichtshof kann in Verfahren nach § 73 Absatz 5 eine Stellungnahme der Monopolkommission einholen.
(1) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluss darf nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Das Beschwerdegericht kann hiervon abweichen, soweit Beigeladenen aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, Akteneinsicht nicht gewährt und der Akteninhalt aus diesen Gründen auch nicht vorgetragen worden ist. Dies gilt nicht für solche Beigeladene, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
(2) Hält das Beschwerdegericht die Verfügung der Kartellbehörde für unzulässig oder unbegründet, so hebt es diese auf. Hat sich die Verfügung vorher durch Zurücknahme oder auf andere Weise erledigt, so spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Verfügung der Kartellbehörde unzulässig oder unbegründet gewesen ist, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(3) Hat sich eine Verfügung nach den §§ 32 bis 32b oder § 32d wegen nachträglicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder auf andere Weise erledigt, so spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, ob, in welchem Umfang und bis zu welchem Zeitpunkt die Verfügung begründet gewesen ist.
(4) Hält das Beschwerdegericht die Ablehnung oder Unterlassung der Verfügung für unzulässig oder unbegründet, so spricht es die Verpflichtung der Kartellbehörde aus, die beantragte Verfügung vorzunehmen.
(5) Die Verfügung ist auch dann unzulässig oder unbegründet, wenn die Kartellbehörde von ihrem Ermessen fehlsamen Gebrauch gemacht hat, insbesondere, wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder durch die Ermessensentscheidung Sinn und Zweck dieses Gesetzes verletzt hat. Die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung ist hierbei der Nachprüfung des Gerichts entzogen.
(6) Der Beschluss ist zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung den Beteiligten zuzustellen.