Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Okt. 2011 - IX ZB 124/11

bei uns veröffentlicht am04.10.2011
vorgehend
Landgericht Darmstadt, 8 O 155/10, 11.01.2011
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 13 W 15/11, 21.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 124/11
vom
4. Oktober 2011
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
Möhring
am 4. Oktober 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2011 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung von vereinnahmten Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch. Das Landgericht hat gemäß § 17a GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für begründet erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das örtlich zuständige Sozialgericht verwiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
3
1. Im Vorabentscheidungsverfahren über die Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 17a GVG steht den Beteiligten die Beschwerde gegen einen Beschluss des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluss zugelassen worden ist (§ 17 Abs. 4 Satz 4 GVG). Dies war hier nicht der Fall. Das Oberlandesgericht hat in seiner Entscheidungsformel die "weitere Beschwerde" ausdrücklich "nicht zugelassen". Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung sieht das Gesetz nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1998 - VIII ZR 269/97, NJW 1999, 651, 652; BAG, NJW 2003, 1069).
4
2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sein Rechtsmittel auch nicht als außerordentliche Beschwerde statthaft.
5
a) Eine solche, früher in Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit, insbesondere bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten anerkannte Rechtsschutzmöglichkeit ist seit der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz nicht mehr gegeben (BGH, Beschluss vom 7. März 2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133, 135 f; vom 21. April 2004 - XII ZB 279/03, NJW 2004, 2224, 2225 f).
6
b) Die Beurteilung der Rechtswegfrage selbst verletzt den Kläger entgegen seiner Ansicht nicht in seinem Recht auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG). Hierfür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus; selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muss mithin in krasser Weise verkannt worden sein (BVerfGE 89, 1, 14; BVerfG NJW 1999, 207, 208; BGH, Beschluss vom 25. November 1999 - IX ZB 95/99, NJW 2000, 590). Dies ist hier nicht der Fall. Das Beschwerdegericht hat sich bei der Beurteilung des Rechtswegs für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Sozialversicherungsträger an der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (GmS-OGB 1/09, NJW 2011, 1211) orientiert. Dies war nicht unvertretbar, auch wenn der erkennende Senat die Rechtswegfrage zwischenzeitlich anders entschieden hat (BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 36/09, NJW 2011,

1365).


7
c) Eine willkürliche Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter liegt allerdings möglicherweise darin, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, obwohl die Rechtssache im Zeitpunkt seiner Entscheidung - kurz vor dem anders lautenden Senatsbeschluss vom 24. März 2011 - von grundsätzlicher Bedeutung war. Die Prüfung dieser Frage ist dem Senat jedoch in Ermangelung eines zulässigen Rechtsmittels verwehrt. Sie kann nur im Rahmen einer auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützten Verfassungsbeschwerde erfolgen.
Kayser Raebel Gehrlein
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 11.01.2011 - 8 O 155/10 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 21.03.2011 - 13 W 15/11 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17


(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht w

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2011 - IX ZB 36/09

bei uns veröffentlicht am 24.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 36/09 vom 24. März 2011 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GVG § 13 Für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Sozialversicherungsträger ist der Rechtsweg zu den ordentl

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2004 - XII ZB 279/03

bei uns veröffentlicht am 21.04.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 279/03 vom 21. April 2004 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO §§ 574 Abs. 1 und 2, 707 Abs. 2 Satz 2, 769 Abs. 1, 793 Gegen eine einstweilige Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO

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(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 279/03
vom
21. April 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Gegen eine einstweilige Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO ist weder die sofortige
Beschwerde noch eine außerordentliche Beschwerde statthaft.
BGH, Beschluß vom 21. April 2004 - XII ZB 279/03 - OLG Stuttgart
AG Ulm
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. November 2003 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: bis 150 €

Gründe:


I.

Die Parteien streiten um Abänderung eines Titels über Kindesunterhalt. Mit gerichtlichem Vergleich vom 1. Dezember 1998 verpflichtete sich der Kläger , an den Beklagten, seinen Sohn aus geschiedener Ehe, Unterhalt in Höhe von 170 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Mit der vorliegenden Klage begehrt er Herabsetzung des Kindesunterhalts auf 114 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes. Auf den Antrag des Klägers hat das Amtsgericht die Zwangsvollstrekkung aus dem Vergleich einstweilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des sonst vollstreckbaren Betrages eingestellt, soweit der Titel 150 % des Regelbe-
trages abzüglich des hälftigen Kindergeldes übersteigt. Das Oberlandesgericht hat die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen und wegen der Frage "der Anfechtungsmöglichkeiten gegen einen Beschluß nach § 769 ZPO" die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten ist unzulässig. 1. Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozeßreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887, 1902) kann der Bundesgerichtshof gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts, des Berufungsgerichts oder des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angerufen werden. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder das Berufungsgericht sie in dem angefochtenen Beschluß zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Gegen Beschlüsse, mit denen eine Beschwerde als unzulässig verworfen wurde, ist die Rechtsbeschwerde nicht generell statthaft. Insoweit unterscheidet sich das Beschwerderecht (§ 572 Abs. 2 ZPO) von der ausdrücklichen Regelung im Berufungsrecht (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Der Senat ist auch nicht an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht gebunden. Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz grundsätzlich statthaft ist. Sie wird aber nicht in den Fällen eröffnet, in denen
die Anfechtbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist (BGH Beschlüsse vom 12. September 2002 - III ZB 43/02 - NJW 2002, 3554 zur Prozeßkostenhilfe; vom 8. Oktober 2002 - VI ZB 27/02 - NJW 2003, 211 zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und vom 10. Dezember 2003 - IV ZB 35/03 - FamRZ 2004, 437 zur Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung des Beschwerdegerichts kann nicht durch dessen Ausspruch der Anfechtung unterworfen werden. Das gilt erst recht, wenn schon das Rechtsmittel zum Beschwerdegericht nicht zulässig war (vgl. BGH Beschluß vom 23. Oktober 2003 - IX ZB 369/02 - NJW 2004, 1112 m.w.N.). 2. Wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, ist gegen einstweilige Anordnungen nach § 769 Abs. 1 ZPO kein Rechtsmittel gegeben.
a) Gegen Entscheidungen des Prozeßgerichts nach § 769 Abs. 1 ZPO, in denen die Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise eingestellt wird, ist eine sofortige Beschwerde nicht statthaft. Das folgt aus einer Auslegung des § 769 Abs. 1 ZPO im Kontext der allgemeinen Vorschriften zur Zwangsvollstreckung, insbesondere der §§ 707 Abs. 2 Satz 2, 793 ZPO. Während eine Anfechtungsmöglichkeit in § 769 Abs. 1 ZPO nicht ausdrücklich geregelt ist, schließt § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Anfechtung einer Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Wiederaufnahme des Verfahrens ausdrücklich aus; § 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO verweist für die Fälle des Einspruchs oder der Berufung gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil auf diese Regelung. Im übrigen folgt aus § 793 ZPO, daß gegen Entscheidungen , die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, die sofortige Beschwerde stattfindet. Ob gegen eine Ent-
scheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO die allgemeine Beschwerdemöglichkeit nach § 793 ZPO eröffnet oder ob wegen der Vergleichbarkeit zu den abweichend geregelten Einzelfällen und einer planwidrigen Regelungslücke eine Analogie zu § 707 Abs. 2 ZPO geboten ist, muss deswegen eine Auslegung des § 769 Abs. 1 ZPO ergeben. Gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO spricht schon der Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Sie ermöglicht ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts, während im 1. Abschnitt des 8. Buches der Zivilprozeßordnung (§§ 704 ff. ZPO) nicht nur die Tätigkeit des Vollstreckungsgerichts, sondern auch das Verfahren des Prozeßgerichts geregelt ist. Gerade § 769 Abs. 1 ZPO ermöglicht es dem mit Einwendungen gegen das Urteil befaßten Prozeßgericht, die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einzustellen (vgl. Künkel MDR 1989, 309, 310). Insoweit ist das Verfahren mit den Verfahren nach § 707 ZPO vergleichbar , in denen ebenfalls ein schon vollstreckbarer Titel abgeändert werden soll. Wie in jenen Verfahren ist es auch hier geboten, die Entscheidung in der Hauptsache nicht durch Rechtsmittel gegen die Nebenentscheidung über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu verzögern. Entsprechend sind auch sonst die in einem Hauptsacheverfahren ergangenen einstweiligen Anordnungen regelmäßig nicht anfechtbar, wie sich aus § 620 c ZPO ergibt. Auch wegen der gleichen Interessenlage bei der Einstellungsmöglichkeit nach § 769 Abs. 1 ZPO zu jener nach § 707 ZPO ist es geboten, die Vorschrift des § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog anzuwenden. Nach der gesetzgeberischen Wertung kann das mit der Hauptsache befasste erstinstanzliche Gericht am besten beurteilen, ob und gegebenenfalls welche einstweilige Regelung erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 10/3054 S. 14). Seine Entscheidung in der
Hauptsache soll nicht durch eine vorläufige Entscheidung des Beschwerdegerichts beeinflußt werden (Stein/Jonas/Münzberg ZPO 22. Aufl. § 769 Rdn. 18). Dadurch wird der Rechtsschutz nicht entscheidend beeinträchtigt, denn die Anordnungen sind in jeder Instanz frei abänderbar, um der jeweiligen Prozeßlage gerecht zu werden (Stein/Jonas/Münzberg aaO.; Zöller/Herget ZPO 24. Aufl. § 707 Rdn. 18, 22). Zudem endet die einstweilige Maßnahme mit der Entscheidung in der Hauptsache. Deswegen spricht sich auch der überwiegende Teil der Rechtsprechung für eine analoge Anwendung des § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf § 769 Abs. 1 ZPO aus (aus der neueren Rechtsprechung vgl. z.B. neben dem hier angefochtenen Beschluß des OLG Stuttgart noch OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 140; OLG Karlsruhe, FamRZ 2003, 1676; OLG Koblenz OLGR 2003, 332; LG Magdeburg Beschluß vom 6. Oktober 2003 - 3 T 714/03 - veröffentlicht bei JURIS). Einer entsprechenden Anwendung des § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber die Frage trotz der in Rechtsprechung (vgl. insoweit die Aufstellung von Lemke, MDR 2000, 13, 18) und Literatur umstrittenen Rechtsfrage ungeregelt gelassen hat. Denn entgegen der Auffassung des LArbG Frankfurt (Beschluß vom 8. Mai 2003 - 16 Ta 172/03 - veröffentlicht bei JURIS) folgt daraus nicht, daß die Rechtsfrage im Sinne einer Anwendbarkeit der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO geregelt sein sollte. Der Gesetzgeber hat die zunächst aufgetretene unbewußte Regelungslücke vielmehr in Kenntnis der überwiegenden Auffassung zur Unanfechtbarkeit des Beschlusses nach § 769 Abs. 1 ZPO unverändert gelassen. Schon im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung vom 18. März 19 85 war eine Änderung des § 769 Abs. 3 ZPO vorgesehen, wonach auch gegen solche Beschlüsse keine Rechtsmittel zulässig sein sollten, um nicht das Verfahren der Hauptsache entgegen dem rechtsstaatlichen Gebot zur Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes unangemessen zu verzögern (BT-Drucks. 10/3054
S. 14). Zwar ist diese Regelung letztlich nicht in das Gesetz übernommen worden. Das war bei gleich gebliebener gesetzgeberischer Intention, nämlich das Verfahren der Hauptsache nicht durch Rechtsmittel gegen Zwischen- und Nebenentscheidungen unvertretbar zu verzögern, allein auf die Auffassung zurückzuführen , die grundsätzliche Unanfechtbarkeit dieser Anordnungen und Maßnahmen sei "in der Rechtsprechung hinreichend anerkannt" (BTDrucks. 11/3621 S. 25, 26). Letztlich wollte der Gesetzgeber die Rechtsfrage also im Sinne einer Unanfechtbarkeit dieser Entscheidungen beantwortet lassen. Daran hat sich auch durch die späteren Reformen nichts geändert, weil diese Frage bei gleich gebliebener Motivation des Gesetzgebers ungeregelt geblieben ist (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 68, 122; so auch Musielak/Lackmann ZPO 3. Aufl. § 707 Rdn. 12; MünchKomm/Schmidt ZPO 2. Aufl. § 769 Rdn. 33; OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 140).
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch eine außerordentliche Beschwerde nicht für zulässig erachtet. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozeßreformgesetz Beschlüsse der Beschwerdegerichte ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angefochten werden können. Ein außerordentliches Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof ist auch dann nicht statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen greifbar gesetzwidrig ist. In einem solchen Fall ist die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf (fristgebundene ) Gegenvorstellung zu korrigieren. Wird ein Verfassungsverstoß nicht beseitigt, kommt allein eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht in Betracht (BGHZ 150, 133). Entsprechend ist durch das Zivilprozeßreformgesetz die Vorschrift des § 321 a ZPO eingeführt worden, die es dem Gericht erster Instanz ermöglicht, auf fristgebundene Rüge sein noch nicht rechtskräftiges Urteil abzuändern. So hat auch das Bundesverfassungsgericht
durch Plenarbeschluß vom 30. April 2003 (FamRZ 2003, 995) dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2004 eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall zu schaffen, daß ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Für den Fall, daß der Gesetzgeber keine rechtzeitige Neuregelung trifft, hat es angeordnet, daß das Verfahren auf Antrag einer beschwerten Partei von dem Gericht fortzusetzen ist, dessen Entscheidung wegen der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angegriffen wird. Auch das spricht dafür, selbst in Fällen fehlerhafter Ermessensausübung (vgl. insoweit noch OLG Celle WM 2002, 2453; OLG Schleswig Beschluß vom 18. August 2003 - 16 W 110/03 - veröffentlicht bei Juris; OLG Köln FF 2002, 175; OLG Frankfurt InVo 2003, 479) eine außerordentliche Beschwerde nicht mehr zuzulassen, zumal dem Ausgangsgericht die Möglichkeit eröffnet wird, greifbaren Verfahrensverstößen selbst abzuhelfen. Im übrigen darf das Gericht den Beschluß nach § 769 Abs. 1 ZPO schon nach der gegenwärtigen Rechtslage jederzeit ändern und die Zwangsvollstreckung
gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstellen oder aufheben und die Einstellung rückgängig machen (vgl. Zöller/Herget ZPO 24. Aufl. § 769 Rdn. 10).
Hahne Sprick Weber-Monecke Bundesrichter Prof. Dr. Wagenitz Dose kann urlaubsbedingt nicht unterzeichnen. Hahne

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 36/09
vom
24. März 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Sozialversicherungsträger ist der
Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann und die Richter
Dr. Fischer und Dr. Pape
am 24. März 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Januar 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 6.508,23 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 21. April 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Er begehrt von der Beklagten, einer gesetzlichen Krankenkasse, im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO Rückzahlung von 19.524,68 €, die der Schuldner auf erhebliche Beitragsrückstände bei der Beklagten im Zeitraum vom 15. April 1999 bis 15. Dezember 2001 geleistet hat, sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.561,28 €, jeweils zuzüglich Zinsen.
2
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten gerügt. Das Landgericht hat durch Beschluss den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für zulässig erklärt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit festzustellen.

II.


3
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Der Bundesgerichtshof ist an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht gebunden (§ 17a Abs. 4 Satz 6 GVG). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO).
4
Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache unbegründet. Gemäß § 13 GVG ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Eine öffentlichrechtliche Streitigkeit nach § 51 SGG liegt nicht vor.
5
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört der Anfechtungsrechtsstreit als bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreit gemäß § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte. Für die Bestimmung des Rechtswegs ist die Natur des Rechtsverhältnisses entscheidend, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 29. Oktober 1987 - GmS - OGB 1/86, BGHZ 102, 280, 283). Ob der Insolvenzverwalter bestimmte Rechtshandlungen anfechten und daraus einen Rückgewähranspruch herleiten kann, ist nach den Rechtssätzen der Insolvenzordnung zu entscheiden. Dieser Rückgewähranspruch ist generell ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch, der die materiellen Ordnungsvorstellungen des Insolvenzrechts gegenüber sämtlichen Gläubigern nach Maßgabe der §§ 129 ff InsO durchsetzt. Er verdrängt grundsätzlich die außerhalb der Insolvenz geltenden allgemeinen Regelungen etwa im Sozialversicherungs-, Steuer- oder Abgabenrecht. Es handelt sich mithin nach der Rechtsnatur der zu beurteilenden Verhältnisse um einen Rechtsstreit im Sinne des § 13 GVG (BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - IX ZR 30/90, BGHZ 114, 315, 320 f; vom 21. September 2006 - IX ZR 89/05, ZIP 2006, 2234 Rn. 10; Beschluss vom 2. Juni 2005 - IX ZB 235/04, ZIP 2005, 1334, 1335; vom 2. April 2009 - IX ZB 182/08, ZIP 2009, 825 Rn. 10).
6
Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch ist von Ansprüchen aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis wesensverschieden und folgt eigenen Regeln. Er verdrängt in seinem Anwendungsbereich die allgemeineren Regeln der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse und eröffnet dem Insolvenzverwalter eine Rückforderungsmöglichkeit, die nach dem außerhalb der Insolvenz geltenden Rechte dem Verfügenden selbst verwehrt ist. Bei dem Rückgewähranspruch handelt es sich um einen originären gesetzlichen Anspruch, der mit Insolvenzeröffnung entsteht und der dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist, mit dessen Amt er untrennbar verbunden ist. Der Insolvenzverwalter handelt materiell-rechtlich wie prozessual im eigenen Namen und aus eigenem Recht, jedoch mit Wirkung für und gegen die Masse; er wird dabei in Erfüllung der ihm durch die Insolvenzordnung auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen tätig (BGH, Beschluss vom 2. April 2009 - IX ZB 182/08, aaO Rn. 13 mwN).
7
2. Soweit die Sozialgerichte sich bislang mit dieser Frage zu befassen hatten, haben sie den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben erachtet (LSG Rheinland-Pfalz, ZInsO 2003, 195). Derselben Meinung ist die sozialgerichtliche Literatur (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl. § 51 Rn. 39 Stichwort Insolvenz). Die Rechtsbeschwerde zeigt keine abweichende Entscheidung der Sozialgerichte oder abweichende Auffassungen in der Literatur auf.
8
3. Demzufolge werden in ständiger, bislang nicht in Frage gestellter Praxis die Insolvenzanfechtungsklagen der Insolvenzverwalter und Treuhänder gegen Sozialversicherungsträger von den ordentlichen Gerichten entschieden.
9
4. An dieser Beurteilung etwas zu ändern gibt die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 keinen Anlass. Dieser hat für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Arbeitnehmer auf Rückzahlung von Lohn die Arbeitsgerichte für zuständig erachtet (Beschluss vom 27. September 2010 - GmS - OGB 1/09, ZIP 2010, 2418, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Hieraus ergibt sich nichts für einen Rechtsweg zu den Sozialgerichten bei Anfechtungsklagen gegen Sozialversicherungsträger.
10
a) Der Gemeinsame Senat hat insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Arbeitnehmer als bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit angesehen und auf die bisherige Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats zur Abgrenzung öffentlich- und bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten Bezug genommen (Beschluss vom 27. September 2010 aaO Rn. 6). Danach richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, die Frage, ob eine Streitigkeit öffentlich oder bürgerlich-rechtlich ist, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS - OGB 1/85, BGHZ 97, 312, 313 f; vom 29. Oktober 1987 - GmS - OGB 1/86, BGHZ 102, 280, 283). Es kommt darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem ho- heitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich die Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihnen zugeordneten Rechtssätze des ordentlichen Rechts bedienen, oder ob sie den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt sind (Gemeinsamer Senat, Beschluss vom 10. April 1986 aaO; vom 29. Oktober 1987 aaO).
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Für die Annahme einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit ist zwar noch nicht ausreichend, dass sich der Kläger auf eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage beruft. Maßgebend ist, dass der Parteivortrag - seine Richtigkeit unterstellt - Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergibt, für welche die Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht (Gemeinsamer Senat, Beschluss vom 10. April 1986 aaO S. 284).
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Die Rechtsfolge, die sich aus der insolvenzrechtlichen Anfechtung ergibt, ist gemäß § 143 Abs. 1 InsO der Rückgewähranspruch. Dabei handelt es sich - wie ausgeführt - um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters. Die Rückgewährpflicht hat ihre Grundlage nicht im Sozialversicherungsrecht , sondern allein im Insolvenzrecht. Die Insolvenzordnung eröffnet mit der Insolvenzanfechtung eine Rückforderungsmöglichkeit, die dem Schuldner selbst gerade verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Die zugrunde liegende Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner wird dadurch nicht umgestaltet. Die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind vielmehr an Verwaltungsakte, auch diejenigen der Sozialversicherungsträger, in den Grenzen ihrer Bestandskraft gebunden. Sie haben diese, selbst wenn sie fehlerhaft sind, zu beachten, solange sie nicht durch die zuständigen Behörden oder durch die zuständigen Gerichte aufgehoben worden sind. Sie haben sie folglich ihrer Entscheidungsfindung auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts zugrunde zu legen, ohne deren Rechtmäßigkeit zu prüfen (BGH, Urteil vom 21. September 2006 - IX ZR 89/05, ZIP 2006, 2234 Rn. 14 mwN). Deshalb kommt die insolvenzrechtliche Anfechtung von Verwaltungsakten (und Gerichtsurteilen), auch wenn sie von Insolvenzgläubigern erlassen wurden, nicht in Betracht.
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Das Insolvenzverfahren schafft jedoch zwischen den Verfahrensbeteiligten , insbesondere dem Schuldner, den Gläubigern und den Aus- und Absonderungsberechtigten , Rechtsbeziehungen, die bürgerlich-rechtlicher Natur sind. In der Gesamtvollstreckung gibt es keine Privilegierung von Hoheitsträgern; Gläubiger , die gegenüber dem Schuldner ihre Zahlungsansprüche in einem Über-/ Unterordnungsverhältnis durch öffentlich-rechtliche Leistungsbescheide selbst titulieren und außerhalb des Insolvenzverfahrens selbst vollstrecken können, verlieren im Insolvenzverfahren diese Befugnis (§ 89 InsO; Jaeger/Eckardt, InsO § 89 Rn. 13). Sie sind im laufenden Insolvenzverfahren den anderen Gläubigern gleichgestellt. Maßgebend für die Insolvenzfestigkeit der erfolgten Befriedigung von Insolvenzgläubigern ist allein die Insolvenzordnung.
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b) Nur für das Verhältnis zwischen den ordentlichen Gerichten und der Arbeitsgerichtsbarkeit hat der Gemeinsame Senat im Beschluss vom 27. September 2010 den anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch nicht als rechtswegbestimmend und die Rechtsnatur des Anfechtungsrechts für belanglos angesehen. Insoweit handele es sich um einen Streit aus einem Arbeitsverhältnis. Dies wird mit arbeitsrechtlichen Überlegungen, der schnelleren und kostengünstigeren Abwicklung der Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit, der Nutzung der Kenntnisse von im Arbeitsleben (nicht im Insolvenzrecht) erfahrenen Personen und mit dem geringeren Kostenrisiko vor den Arbeitsgerichten begründet. Auch dem Umstand, dass sich die Parteien kostenlos von volljährigen Familienangehörigen oder Gewerkschaftern (von letzteren in allen In- stanzen) vertreten lassen können, wird Bedeutung beigemessen. Zudem wird auf die Möglichkeit des § 11a Arbeitsgerichtsgesetz Bezug genommen, wonach einem beklagten Arbeitnehmer auch dann ein Rechtsanwalt beigeordnet werden kann, wenn seine Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg hat (Gemeinsamer Senat, aaO Rn. 10 ff). Diese Schutzbestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes zugunsten der Arbeitnehmer sollen vollen Umfangs auch für Insolvenzanfechtungsklagen gegen Arbeitnehmer aufrechterhalten werden (Gemeinsamer Senat aaO Rn. 13).
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c) Diese Argumente sind auf die Sozialgerichtsbarkeit - aber auch auf die anderen Gerichtsbarkeiten, die über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zu entscheiden haben - nicht übertragbar. Den Sozialversicherungsträgern ist durch die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes gegenüber den Beitragspflichtigen kein besonderer verfahrensrechtlicher Schutz eingeräumt, den es gegenüber dem Insolvenzverwalter, der im Interesse der Gläubigergleichbehandlung Anfechtungsansprüche geltend zu machen hat, zu erhalten gilt.
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5. Soweit der Kläger die außergerichtlich angefallene Vergütung seines Rechtsanwalts als Verzugsschaden geltend macht, wird von der Rechtsbe- schwerde nichts gegen die Annahme eingewandt, dass es sich hierbei um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt.
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.11.2008 - 16 O 63/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.01.2009 - I-12 W 76/08 -

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.