Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Okt. 2011 - IX ZB 124/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung von vereinnahmten Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch. Das Landgericht hat gemäß § 17a GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für begründet erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das örtlich zuständige Sozialgericht verwiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 2
- Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
- 3
- 1. Im Vorabentscheidungsverfahren über die Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 17a GVG steht den Beteiligten die Beschwerde gegen einen Beschluss des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluss zugelassen worden ist (§ 17 Abs. 4 Satz 4 GVG). Dies war hier nicht der Fall. Das Oberlandesgericht hat in seiner Entscheidungsformel die "weitere Beschwerde" ausdrücklich "nicht zugelassen". Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung sieht das Gesetz nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1998 - VIII ZR 269/97, NJW 1999, 651, 652; BAG, NJW 2003, 1069).
- 4
- 2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sein Rechtsmittel auch nicht als außerordentliche Beschwerde statthaft.
- 5
- a) Eine solche, früher in Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit, insbesondere bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten anerkannte Rechtsschutzmöglichkeit ist seit der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz nicht mehr gegeben (BGH, Beschluss vom 7. März 2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133, 135 f; vom 21. April 2004 - XII ZB 279/03, NJW 2004, 2224, 2225 f).
- 6
- b) Die Beurteilung der Rechtswegfrage selbst verletzt den Kläger entgegen seiner Ansicht nicht in seinem Recht auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG). Hierfür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus; selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muss mithin in krasser Weise verkannt worden sein (BVerfGE 89, 1, 14; BVerfG NJW 1999, 207, 208; BGH, Beschluss vom 25. November 1999 - IX ZB 95/99, NJW 2000, 590). Dies ist hier nicht der Fall. Das Beschwerdegericht hat sich bei der Beurteilung des Rechtswegs für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Sozialversicherungsträger an der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (GmS-OGB 1/09, NJW 2011, 1211) orientiert. Dies war nicht unvertretbar, auch wenn der erkennende Senat die Rechtswegfrage zwischenzeitlich anders entschieden hat (BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 36/09, NJW 2011,
1365).
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- c) Eine willkürliche Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter liegt allerdings möglicherweise darin, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, obwohl die Rechtssache im Zeitpunkt seiner Entscheidung - kurz vor dem anders lautenden Senatsbeschluss vom 24. März 2011 - von grundsätzlicher Bedeutung war. Die Prüfung dieser Frage ist dem Senat jedoch in Ermangelung eines zulässigen Rechtsmittels verwehrt. Sie kann nur im Rahmen einer auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützten Verfassungsbeschwerde erfolgen.
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 11.01.2011 - 8 O 155/10 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 21.03.2011 - 13 W 15/11 -
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(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.
(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.
(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.
(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.
(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.
(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.
(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.