Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2008 - III ZR 7/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen.
Beschwerdewert: bis 30.000 €
Gründe:
- 1
- Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere ist die Klägerin nicht in ihrem Recht auf willkürfreie Behandlung und auf Wahrung ihres rechtlichen Gehörs verletzt worden.
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- 1. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden, dass der Emissionsprospekt im Hinblick auf die im Abschnitt "Risiken der Beteiligung" angeführte, als "worst-case-Szenario" bezeichnete "Restrisiko-Betrachtung" den Anleger nicht deutlich genug darauf hinweist, dass seine Beteiligung dem Risiko eines Totalverlustes und nicht lediglich eines begrenzten Verlustes unterliegt, und hat darin einen Prospektmangel gesehen (III ZR 300/05 - NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1504 f Rn. 14 f). Er hat ferner eine Haftung der mit der Erstellung des Prospektprüfungsgutachtens betrauten Beklagten nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für möglich gehalten, wenn sich der Anleger das Prospektprüfungsgutachten hat aushändigen lassen (III ZR 300/05 - aaO S. 1332 Rn. 21), und sie verneint, wenn der Anleger nur darauf vertraut, dass seinem Vermittler der Inhalt des Prüfberichts bekannt sei und dieser ihn über etwaige Unzulänglichkeiten des Prospekts aufklären werde, falls Beanstandungen in dem Gutachten enthalten seien (III ZR 125/06 - aaO S. 1507 Rn. 28 f). Der Senat hat diese Rechtsprechung in weiteren Entscheidungen dahin fortgeführt, zur Inanspruchnahme einer solchen Schutzwirkung sei es regelmäßig erforderlich, dass der Anleger den Bericht vor seiner Anlageentscheidung anfordere und von dessen Inhalt Kenntnis nehme (Beschlüsse vom 31. Oktober 2007 - III ZR 298/05 - NJW-RR 2008, 286, 287 Rn. 6, III ZR 297/05 Rn. 3, III ZR 258/05 Rn. 9; vom 20. Dezember 2007 - III ZR 306/06 Rn. 12, III ZR 23/07 Rn. 12, III ZR 25/07 Rn. 11, III ZR 26/07, III III ZR 27/07 jew. Rn. 12, III ZR 61/07 Rn. 12 f, III ZR 123/07 Rn. 9).
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- 2. Vor diesem Hintergrund genügte der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin nicht, eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu begründen. In der Klage wurde lediglich vorgetragen, das erstattete Prospektprüfungsgutachten, von dessen Inhalt und Existenz der Vermittler Kenntnis gehabt habe, sei maßgeblich dafür gewesen, dass er die Beteiligung seinen Kunden empfohlen habe. Nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung in Zweifel gezogen und bestritten hatte, dass die Klägerin das Gutachten vor ihrer Anlageentscheidung erhalten oder sonst davon in irgendeiner Weise Kenntnis erlangt habe, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. November 2006 (nur) vorgetragen, für eine Haftung des Prospektprüfers gegenüber dem Anleger sei es nicht erforderlich, dass dieser das Gutachten kenne; dass es ein beanstandungsfreies Gutachten gebe, habe ihr der Vermittler mitgeteilt. Hiernach konnte der weitere Vortrag der Klägerin, sie habe auf die im Gutachten enthaltenen Angaben vertraut, nur so verstanden werden, dass die Klägerin sich auf die Angaben des Vermittlers über das Gutachten verlassen hat.
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- In der Berufungsbegründung hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in Kenntnis der Senatsurteile vom 14. Juni 2007 ausgeführt, es liege hier keine der vom Senat behandelten Fallgruppen vor, sondern eine dritte - hier maßgebliche -, bei der dem Anleger das Gutachten nicht persönlich vorliege, der Vermittler aber - von der Klägerin jetzt als Anlageberater bezeichnet - hierüber berichte und der Anleger die Existenz eines beanstandungsfreien Gutachtens zur Voraussetzung für seine Anlageentscheidung mache. Sie hat ferner ihre Rechtsauffassung wiederholt, für eine Haftung sei es nicht erforderlich, dass der einzelne Anleger das Gutachten kenne; wie bereits vorgetragen, habe der Anlageberater berichtet, dass es ein beanstandungsfreies Gutachten gebe; dieses Gutachten habe der Berater bei dem Beratungsgespräch mitgenommen und der Klägerin vorgelegt. Dieser Vortrag, der zur Frage des Vorliegens des Gutachtens - auch für die Klägerin selbst erkennbar - nicht frei von Widersprüchen ist, kann nicht dahin verstanden werden, die Klägerin habe - wie in der angeführten Senatsrechtsprechung als Voraussetzung für eine Haftung bezeichnet - das Gutachten für ihre Zwecke angefordert und - was sich von selbst versteht - sich mit seinem Inhalt beschäftigt, um es auf diese Weise zur Grund- lage ihrer Anlageentscheidung zu machen. Es ist auch nicht vorgetragen, dass der Vermittler sich in ihrem Auftrag mit dem Inhalt des Gutachtens beschäftigt hätte.
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- Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, der Sachvortrag auf Seite 28 der Berufungsbegründung sei so zu verstehen, dass die Klägerin mit dem Berater das Gutachten zusammen durchgeblättert habe, nicht als eine Ergänzung oder Verdeutlichung bisherigen Vortrags, sondern als ein wesentliches neues Angriffsmittel angesehen hat, das es nach §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen hat. Denn "neu" ist jedenfalls die erstmalige Behauptung einer eigenen Beschäftigung der Klägerin mit dem Gutachten. Wollte man dies - wie die Beschwerde - anders sehen, genügt der erkennbar substanzlose Vortrag des "Durchblätterns" ebenfalls nicht, um ihm das Gewicht beizumessen, die Klägerin habe in einer - über typisiertes Vertrauen und die Angaben des Vermittlers hinausgehenden - Art und Weise aus dem Gutachten entnommen, dass sie mit ihrer Beteiligung nur ein begrenztes Risiko eingehe. Das Berufungsgericht war auch nicht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der Klägerin gehalten, ihr zu einem früheren Zeitpunkt einen Hinweis und Gelegenheit zu geben, ihr - erkennbar nicht widerspruchsfreies - Vorbringen in der Berufungs- begründung zu ergänzen. Hierzu bestand aus der Sicht der Klägerin schon im Hinblick auf die Berufungserwiderung hinreichender Anlass.
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 21.02.2007 - 30 O 20848/05 -
OLG München, Entscheidung vom 13.12.2007 - 23 U 4059/07 -
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Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.
(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.