Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2010 - II ZR 99/10

bei uns veröffentlicht am20.09.2010
vorgehend
Landgericht Berlin, 20 O 263/08, 25.03.2009
Kammergericht, 23 U 71/09, 03.05.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 99/10
vom
20. September 2010
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. September 2010
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Caliebe,
Dr. Drescher, Dr. Löffler und Born

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 3. Mai 2010 einstweilig einzustellen, wird abgelehnt.

Gründe:

1
Eine Einstellung gemäß § 719 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, weil die Beklagten in der Berufungsinstanz vor Schluss der mündlichen Verhandlung keinen Schutzantrag gemäß § 712 ZPO gestellt haben (st. Rspr. vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. November 1999 - XII ZR 69/99, NJW-RR 2000, 746; vom 13. März 2007 - VIII ZR 2/07, WuM 2007, 209 Rn. 4). Ohne Erfolg machen die Beklagten geltend, ihnen sei ein solcher Antrag nicht zumutbar gewesen, weil sie mit Rücksicht auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom 11. Januar 2010 auf den Erfolg ihrer Berufung hätten vertrauen dürfen. Nach ihrem eigenen Vortrag war ihnen in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2010 bewusst, dass das Berufungsgericht Bedenken gegen den Erfolg ihrer Berufung hatte. Sie hätten daher spätestens in der mündlichen Verhandlung unabhängig von der Frage eines Schriftsatznachlasses einen Antrag nach § 712 ZPO stellen können und müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - XI ZR 449/06, WuM 2008, 50). Deshalb scheidet die begehrte Einstellung der Zwangsvollstreckung unabhängig davon aus, dass die falsche Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels grundsätzlich ohnedies keine Rechtferti- gung für das Absehen von einem Vollstreckungsschutzantrag darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 1991 - I ZR 189/91, NJW-RR 1992, 189 f.; vom 23. Oktober 2007 aaO).
2
Angesichts dessen kommt es auf den Umstand nicht mehr an, dass die Beklagten einen ihnen durch die Vollstreckung drohenden, nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO auch nicht glaubhaft gemacht haben. Die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung stellt keinen solchen unersetzbaren Nachteil dar, sondern ist als normale Folge des ergangenen Urteils und seiner Vollstreckbarkeit hinzunehmen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn glaubhaft gemacht wird, dass mit der Abgabe die konkrete Gefahr des Existenzverlustes droht (MünchKommZPO/Krüger, 3. Aufl. § 707 Rn. 17). Die als Folge der Abgabe von den Beklagten - ohnehin nur vermuteten - wirtschaftlichen Nachteile für die von dem Beklagten zu 2 geführte GmbH, einer von ihnen verschiedenen (juristischen) Person, reichen zur Glaubhaftmachung eines sie persönlich bedrohenden Existenzverlustes nicht aus.
Goette Caliebe Drescher Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 25.03.2009 - 20 O 263/08 -
KG, Entscheidung vom 03.05.2010 - 23 U 71/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 719 Einstweilige Einstellung bei Rechtsmittel und Einspruch


(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung einges

Zivilprozessordnung - ZPO | § 712 Schutzantrag des Schuldners


(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläub

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(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.

(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.

(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.

4
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der Schuldner allerdings nur dann darauf berufen, die Zwangsvollstreckung bringe ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn er in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat dies der Schuldner versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht in Betracht (Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2004 - VIII ZR 215/04, Grundeigentum 2004, 1523, unter II m.w.N.; Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2005 - VIII ZR 208/05, WuM 2005, 735 = ZMR 2006, 33, unter II 1). Eine Ausnahme gilt jedoch unter anderem dann, wenn der Schuldner darauf vertrauen durfte, dass vor Rechtskraft des Urteils keine Vollstreckung erfolgen werde, weil der Gläubiger dies ausdrücklich erklärt hat (Senatsbeschluss vom 23. Mai 2006 - VIII ZR 28/06, NJW-RR 2007, 11, unter II 2 m.w.N.). So ist es hier. Ausweislich des Protokolls haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2006 - wie zuvor schon im Schriftsatz vom 17. November 2005 - durch ihren Prozessbevollmächtigten ausdrücklich erklären lassen, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens keine Vollstreckungshandlungen aus dem amtsgerichtlichen Urteil vor- genommen würden. Darauf durfte der Beklagte vertrauen. Dementsprechend hat der Beklagtenvertreter den im Schriftsatz vom 15. November 2005 angekündigten Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO nicht gestellt.

(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.

(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 449/06
vom
23. Oktober 2007
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Nobbe, den Richter Dr. Joeres,
die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und
Prof. Dr. Schmitt

beschlossen:
Der Antrag des Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 3. November 2006 einstweilen einzustellen , wird abgelehnt.

Gründe:


1
Eine Einstellung gemäß § 719 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, weil der Beklagte in der Berufungsinstanz keinen Schutzantrag gemäß § 712 ZPO gestellt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. November 1999 - XII ZR 69/99, NJW-RR 2000, 746 und vom 13. März 2007 - VIII ZR 2/07, WuM 2007, 209, Tz. 4). Ohne Erfolg macht er geltend, ihm sei ein solcher Antrag nicht zumutbar gewesen, weil er mit Rücksicht auf die vom Berufungsgericht am 9. Juni 2006 geäußerten Bedenken gegen die internationale Zuständigkeit bis zur mündlichen Verhandlung vom 3. November 2006 nicht damit habe rechnen müssen, der Hilfsantrag des Klägers werde Erfolg haben. Zum Einen hätte Veranlassung zu einem Antrag nach § 712 ZPO bereits vor dem Beschluss vom 9. Juni 2006 bestanden , weil das Berufungsgericht zuvor in der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2006 darauf hingewiesen hatte, dass es den Hilfsantrag für zulässig und begründet erachte. Zum Anderen hätte der Beklagte spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 3. November 2006 unabhängig von der Frage eines Schriftsatznachlasses einen Antrag nach § 712 ZPO stellen können und müssen. Die begehrte Einstellung der Zwangsvollstreckung scheidet daher unabhängig davon aus, dass die falsche Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels grundsätzlich ohnedies keine Rechtfertigung für das Absehen von einem Vollstreckungsschutzantrag darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 1991 - I ZR 189/91, NJW-RR 1992, 189 f.).
Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Schmitt
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 26.01.2005 - 81 O 20/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 03.11.2006 - 14 U 48/05 -

(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.