Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2002 - II ZR 197/01

bei uns veröffentlicht am04.03.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 197/01
vom
4. März 2002
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 4. März 2002 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, den Wert der Beschwer auf über 60.000,00 DM festzusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Kläger haben die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 4. Juni 1998 gefaßten Beschlüsse zu sechs Tagesordnungspunkten (Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für die Geschäftsjahre 1995 und 1996 sowie Feststellung des Bilanzverlustes für diese beiden Geschäftsjahre) angefochten und die Feststellung begehrt, daß ein weiterer (siebter) Beschluß über die Bestellung eines Sonderprüfers gefaßt worden sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Im Einverständnis der Parteien hat das Landgericht den Gegenstandswert gemäß § 247 Abs. 1 AktG auf insgesamt 35.000,00 DM (je Einzelantrag 5.000,00 DM) festgesetzt; in gleicher Höhe hat das Berufungsgericht den Streitwert für die zweite Instanz und den Wert der Beschwer für die Be-
klagte bemessen. Die Beklagte, die Revision eingelegt hat, beantragt die Heraufsetzung der Beschwer auf einen 60.000,00 DM übersteigenden Betrag.
II. Der Antrag ist nicht begründet.
Dem Berufungsgericht ist bei der Festsetzung der Beschwer in Anlehnung an seine Streitwertfestsetzung gemäû §§ 247 Abs. 1 AktG, 3 ZPO kein bewertungsrelevanter Ermessensfehler unterlaufen. Nachdem bereits das Landgericht unter Hinweis auf § 247 Abs. 1 AktG im Einverständnis der Parteien den Gesamtstreitwert auf 35.000,00 DM (5.000,00 DM für jeden Antrag) festgesetzt hatte, bestand für das Oberlandesgericht zu einer abweichenden Bemessung - auch bezüglich der Beschwer der Beklagten - keine Veranlassung. Daû die einzelnen Beschluûgegenstände für die Beklagte entgegen i hren eigenen vorinstanzlichen Wertvorstellungen eine weitergehende Bedeutung haben könnten, hat sie nicht glaubhaft gemacht. Dazu reicht ihr jetziges Vorbringen, die Beschwer habe für jeden Einzelantrag ohne weiteres auch auf 10.000,00 DM (entsprechend 1/10 des Grundkapitals) festgesetzt werden können , nicht aus. Die Nichtigerklärung der betreffenden Beschlüsse beruht (lediglich ) darauf, daû diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unter Verletzung von Informationspflichten der Beklagten zustande gekommen sind. Insoweit ist hier die Tragweite der angefochtenen Entscheidung für die Beklagte nicht maûgeblich aus abstrakten Parametern wie Grundkapital, Bilanzsumme und Verlustausgleich usw. ableitbar. Ein bedeutsamer Ansehensverlust der Beklagten als Folge der Aufhebung der Beschlüsse ist weder konkret dargetan und noch sonst ersichtlich. Die Beklagte ist nicht börsennotiert; ihre Aktionärsstruktur setzt sich - wie die Kläger unwidersprochen vorgetragen haben - überwiegend aus ehemaligen LPG-Mitgliedern der Ortschaft K. zu-
sammen. Insoweit ist eine nennenswerte Auûenwirkung des angefochtenen Urteils über den Kreis der Anteilseigner hinaus nicht erkennbar. Soweit die Beklagte hinsichtlich des Feststellungsantrags eine höhere Beschwer mit den angeblich erheblichen Kosten einer Sonderprüfung zu rechtfertigen versucht, fehlt es an einer hinreichenden Konkretisierung. Selbst wenn derartige Kosten entsprechend den jetzigen Vorstellungen der Beklagten um 5.000,00 DM oder gar 10.000,00 DM höher lägen als vom Berufungsgericht angenommen, wäre damit die Erwachsenheitssumme des § 546 Abs. 1 Satz 1 ZPO insgesamt bei weitem nicht erreicht.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2002 - II ZR 197/01

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2002 - II ZR 197/01

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2002 - II ZR 197/01 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Aktiengesetz - AktG | § 247 Streitwert


(1) Den Streitwert bestimmt das Prozeßgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen. Er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Ze

Referenzen

(1) Den Streitwert bestimmt das Prozeßgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen. Er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als 500.000 Euro beträgt, 500.000 Euro nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist.

(2) Macht eine Partei glaubhaft, daß die Belastung mit den Prozeßkosten nach dem gemäß Absatz 1 bestimmten Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Prozeßgericht auf ihren Antrag anordnen, daß ihre Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepaßten Teil des Streitwerts bemißt. Die Anordnung hat zur Folge, daß die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat. Soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten. Soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, kann der Rechtsanwalt der begünstigten Partei seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben.

(3) Der Antrag nach Absatz 2 kann vor der Geschäftsstelle des Prozeßgerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Später ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert durch das Prozeßgericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.