Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2010 - II ZB 7/09

bei uns veröffentlicht am22.11.2010
vorgehend
Oberlandesgericht Stuttgart, 20 Kap 1/08, 22.04.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 7/09
vom
22. November 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
WpHG § 13 Abs. 1; Richtlinie 2003/6/EG Art. 1 Abs. 1; Richtlinie 2003/124/EG Art. 1
Abs. 1 und 2
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen vorgelegt:

a) Ist bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem über mehrere Zwischenschritte
ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt
werden soll, für die Anwendung von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie
2003/6/EG, Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG nur darauf abzustellen, ob
dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis als präzise Information nach
diesen Richtlinienbestimmungen anzusehen ist, und demgemäß zu prüfen, ob
man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass dieser
künftige Umstand oder das künftige Ereignis eintreten wird, oder können bei einem
solchen zeitlich gestreckten Vorgang auch Zwischenschritte, die bereits existieren
oder eingetreten sind und die mit der Verwirklichung des künftigen Umstands
oder Ereignisses verknüpft sind, präzise Informationen im Sinn der genannten
Richtlinienbestimmungen sein?

b) Verlangt hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinn von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie
2003/124/EG eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung mit überwiegender oder
hoher Wahrscheinlichkeit, oder ist unter Umständen, bei denen mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit von ihrer zukünftigen Existenz, oder Ereignissen, die mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werden, zu verstehen, dass
das Maß der Wahrscheinlichkeit vom Ausmaß der Auswirkungen auf den Emittenten
abhängt und es bei hoher Eignung zur Kursbeeinflussung genügt, wenn
der Eintritt des künftigen Umstands oder Ereignisses offen, aber nicht unwahrscheinlich
ist?
BGH, Beschluss vom 22. November 2010 - II ZB 7/09 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2010
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann und die Richterin Caliebe sowie
die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über InsiderGeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (ABl. L 96 vom 12. April 2003 S. 16) und der Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG (ABl. L 339 vom 24. Dezember 2003 S. 70) vorgelegt: 1. Ist bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem über mehrere Zwischenschritte ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, für die Anwendung von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/EG, Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG nur darauf abzustellen, ob dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis als präzise Information nach diesen Richtlinienbestimmungen anzusehen ist, und demgemäß zu prüfen , ob man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis eintreten wird, oder können bei einem solchen zeitlich gestreckten Vorgang auch Zwischenschritte, die bereits existieren oder eingetreten sind und die mit der Verwirklichung des künftigen Umstands oder Ereignisses verknüpft sind, präzise Informationen im Sinn der genannten Richtlinienbestimmungen sein? 2. Verlangt hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinn von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung mit überwiegender oder hoher Wahrscheinlichkeit , oder ist unter Umständen, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihrer zukünftigen Existenz , oder Ereignissen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werden, zu verstehen, dass das Maß der Wahrscheinlichkeit vom Ausmaß der Auswirkungen auf den Emittenten abhängt und es bei hoher Eignung zur Kursbeeinflussung genügt, wenn der Eintritt des künftigen Umstands oder Ereignisses offen, aber nicht unwahrscheinlich ist?

Gründe:

1
I. Der Musterkläger verlangt von der Musterbeklagten Schadensersatz wegen verspäteter Ad-hoc-Mitteilung über das vorzeitige Ausscheiden ihres Vorstandsvorsitzenden Prof. S.
2
Nach der Hauptversammlung der Musterbeklagten vom 6. April 2005 trug sich Prof. S. zunehmend mit dem Gedanken, vor Ablauf seiner bis 2008 reichenden Bestellung als Vorstandsvorsitzender auszuscheiden. Seine Ehe- frau, die als Führungskraft sein Büro betreute, weihte er in diese Überlegungen ein. Am 17. Mai 2005 erörterte er seine Absicht mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden K. . Am 1. Juni 2005 wurden die Aufsichtsratsmitglieder W. und L. über die Pläne informiert, spätestens am 15. Juni 2005 setzte Prof. S. das Vorstandsmitglied Dr. Z. , der sein Nachfolger als Vorstandsvorsitzender werden sollte, in Kenntnis. Am 6. Juli 2005 wurde die Chefsekretärin B. informiert, ab dem 10. Juli 2005 arbeiteten der Kommunikationschef S. , Frau S. und Frau B. an einer Pressemitteilung, einem externen Statement und einem Brief an die Mitarbeiter der Musterbeklagten.
3
Am 13. Juli 2005 wurde zu einer Aufsichtsratssitzung auf den 28. Juli 2005 eingeladen. Die Einladung enthielt ebenso wie die Einberufung des Präsidialausschusses des Aufsichtsrats auf den 27. Juli 2005 keinen Hinweis auf einen möglichen Wechsel in der Person des Vorstandsvorsitzenden. Am 18. Juli 2005 verständigten sich Prof. S. und der Aufsichtsratsvorsitzende K. darauf, in der Aufsichtsratssitzung vom 28. Juli 2005 das vorzeitige Ausscheiden von Prof. S. zum Ende des Jahres und die Bestimmung von Dr. Z. zum Nachfolger vorzuschlagen. Am 25. Juli 2005 erörterte Prof. S. mit dem Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzenden des Konzernund Gesamtbetriebsrats Kl. den Wechsel. Ob Kl. bereits am 11. Juli 2005 telefonisch über den beabsichtigten Wechsel informiert wurde, ist streitig. Kl. besprach die Personalfrage mit den übrigen Arbeitnehmervertretern, führte Gespräche mit Dr. Z. kündigte und am 27. Juli 2005 Prof. S. an, dass die Arbeitnehmerbank für den Wechsel stimmen werde.
4
Am 27. Juli 2005 wurden die beiden weiteren Mitglieder des Präsidialausschusses Dr. Kl. und Dr. S. informiert, bevor um 17.00 Uhr die Sitzung des Präsidialausschusses begann. Der Präsidialausschuss beschloss, dem Aufsichtsrat am Folgetag vorzuschlagen, dem vorzeitigen Ausscheiden von Prof. S. zum Jahresende und der Bestellung von Dr. Z. zu seinem Nachfolger zuzustimmen. Prof. S. informierte um 18.30 Uhr das Vorstandsmitglied Dr. C. , das in der Öffentlichkeit als möglicher Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden gegolten hatte, und um 19.00 Uhr die beiden weiteren Vorstandsmitglieder Dr. G. und U. von dem beabsichtigten Wechsel. Um 19.30 Uhr fand ein Abendessen der Anteilseignervertreter unter den Aufsichtsratsmitgliedern statt, bei dem die Empfehlung des Präsidialausschusses Gesprächsthema war.
5
Am 28. Juli 2005 beschloss der Aufsichtsrat der Musterbeklagten gegen 9.50 Uhr, dass Prof. S. zum Jahresende aus dem Amt ausscheiden und Dr. Z. neuer Vorstandsvorsitzender werden sollte. Eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung sandte die Musterbeklagte an die Geschäftsführungen der Börsen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorab um 10.02 Uhr, um 10.32 Uhr wurde die Ad-hoc-Mitteilung in der Meldungsdatenbank der Deutschen Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität veröffentlicht. Der an diesem Tag bereits nach der Veröffentlichung der Ergebnisse des zweiten Quartals 2005 angestiegene Kurswert der Aktien der Musterbeklagten stieg nach der Mitteilung über den Wechsel im Amt des Vorstandsvorsitzenden deutlich an.
6
Mehrere Anleger, die Aktien der Musterbeklagten vor diesem Zeitpunkt verkauft hatten, haben wie der Musterkläger Klage gegen die Musterbeklagte erhoben, mit der sie Schadensersatz wegen der ihrer Ansicht nach verspäteten Ad-hoc-Mitteilung verlangen. Das Landgericht Stuttgart hat das Oberlandesgericht Stuttgart um die Entscheidung zu mehreren, für die Verfahren entscheidungserheblichen Feststellungen nach § 4 KapMuG gebeten. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Musterentscheid vom 15. Februar 2007 festgestellt, dass eine Insider-Information im Sinne des § 37b Abs. 1 WpHG erst am 28. Juli 2005 um ca. 9.50 Uhr entstanden sei und dass die Musterbeklagte diese unverzüglich veröffentlicht habe. Der Bundesgerichtshof hat diesen Musterentscheid mit Beschluss vom 25. Februar 2008 (II ZB 9/07, ZIP 2008, 639) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen. Am 22. April 2009 hat das Oberlandesgericht Stuttgart einen Musterentscheid mit folgendem Inhalt erlassen: 1. Es wird festgestellt, dass in der Zeit vom 17. Mai 2005 bis zur Beschlussfassung des Aufsichtsrats der Musterbeklagten am 28. Juli 2005 keine Insider-Information des Inhalts entstanden ist, dass Prof. S. gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden die einseitige Amtsniederlegung erklärt hat, 2. Es wird festgestellt, dass am 27. Juli 2005 nach 17.00 Uhr mit der Beschlussfassung des Präsidialausschusses des Aufsichtsrats der Musterbeklagten eine Insider-Information entstanden ist, dass der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 28. Juli 2005 über den Vorschlag des Präsidialausschusses beschließen wird, der vorzeitigen Aufhebung der Bestellung von Prof. S. zum Vorstandsvorsitzenden zum 31. Dezember 2005 zuzustimmen, 3. Es wird festgestellt, dass die Musterbeklagte von der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung dieser Information nicht bis zur Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat am 28. Juli 2005 gem. § 15 Abs. 3 WpHG befreit war.
a) Die Musterbeklagte wäre von der Pflicht zur Veröffentlichung bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats am 28. Juli 2005 nach § 15 Abs. 3 WpHG bei Vorliegen der dort geregelten Voraussetzungen kraft Gesetzes und unabhängig von einer bewussten Entscheidung über diesen Aufschub befreit gewesen.
b) Es wäre für den berechtigten Aufschub nicht darauf angekommen , ob die Gründe für diese Befreiung an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitgeteilt worden sind.
c) Die Voraussetzungen für den Aufschub waren nur teilweise gegeben. aa) Der Schutz der berechtigten Interessen der Musterbeklagten erforderte den Aufschub der Veröffentlichung. bb) Eine Irreführung der Öffentlichkeit durch den Aufschub war nicht zu besorgen. cc) Die Vertraulichkeit der Insider-Information war nicht gewährleistet, weil die Musterbeklagte ein Aufsichtsratsmitglied nicht ausreichend über die insiderrechtlichen Pflichten und Sanktionen aufgeklärt hat. 4. Es wird festgestellt, dass die Musterbeklagte auch bei Erforderlichkeit einer bewussten Entscheidung über den Aufschub nach § 15 Abs. 3 WpHG und trotz der fehlenden Belehrung des Aufsichtsratsmitglieds nicht nach § 37b WpHG auf Schadensersatz wegen Unterlassens einer unverzüglichen Veröffentlichung der unter 2 genannten Insider-Informationen haftet, weil sie sich darauf berufen kann, dass der geltend gemachte Schaden gleichermaßen eingetreten wäre, wenn sie eine bewusste Entscheidung über den Aufschub getroffen sowie das mit den Insiderregeln hinreichend vertraute Aufsichtsratsmitglied noch einmal belehrt und damit rechtmäßig gehandelt hätte.
7
Dagegen hat der Musterkläger Musterrechtsbeschwerde eingelegt, der zwölf weitere Kläger beigetreten sind.
8
II. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Es lasse sich nicht feststellen, dass am 17. Mai 2005 oder später eine Insider-Information entstanden sei, Prof. S. lege sein Amt unabhängig von der Zustimmung des Aufsichtsrats einseitig zum Jahresende 2005 nieder. Erst mit der Beschlussfassung des Präsidialausschusses am 27. Juli 2005 nach 17.00 Uhr sei eine Insider-Information des Inhalts entstanden, dass der Aufsichtsrat auf seiner Sitzung am folgenden Tag über den Vorschlag des Präsidialausschusses entscheiden werde. Die Absicht oder Überlegung des Vorstandsvorsitzenden , vorzeitig, aber im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat aus dem Amt auszuscheiden, könne kursrelevant sein. Für solche zukunftsbezogenen Umstände als Insider-Information komme es aber darauf an, ob die Verwirklichung der Absicht oder des Vorhabens hinreichend wahrscheinlich sei. Einzelne Zwischenschritte als Insider-Informationen anzusehen sei überflüssig, weil es auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts des künftigen angestrebten Ereignisses ankomme. Wenn man jeden eingetretenen Zwischenschritt im Fall seiner Kursrelevanz als Insider-Information ansehen wolle, führe das zu denselben Ergebnissen, weil solche Umstände aus der Sicht eines verständigen Anlegers nur kursrelevant sein könnten, wenn das künftige Ereignis hinreichend wahrscheinlich eintreten werde.
10
Die Zustimmung des Aufsichtsrats zum vorzeitigen Rücktritt von Prof. S. , die der maßgebende kursrelevante künftige Umstand sei, sei vor der Verabschiedung des Beschlussvorschlags durch den Präsidialausschuss am 27. Juli 2005 nach 17.00 Uhr nicht hinreichend wahrscheinlich gewesen. Aus der Sicht eines verständigen Anlegers sei sie hinreichend wahrscheinlich , wenn eine Vorabstimmung erfolgt sei. Erst mit der einstimmigen Ab- stimmung im paritätisch besetzten Präsidialausschuss sei erkennbar gewesen, dass der Vorschlag, dem Rücktritt von Prof. S. zuzustimmen und Dr. Z. zu seinem Nachfolger zu bestimmen, gleichermaßen bei Arbeitnehmer - wie Anteilseignervertretern Rückhalt gefunden habe. Außerdem habe erst damit festgestanden, dass der Aufsichtsratsvorsitzende K. die Personalie auf die Tagesordnung des Aufsichtsrats setzen würde.
11
Die Voraussetzungen für einen Aufschub der Veröffentlichung der Insider -Information bis zum folgenden Tag hätten zwar nicht vorgelegen, weil das Aufsichtsratsmitglied La. nicht über seine insiderrechtlichen Pflichten und Sanktionen belehrt gewesen sei und so die formalen Anforderungen zur Gewährleistung der Vertraulichkeit nicht gewahrt gewesen seien. Der von den Klägern behauptete Schaden wäre aber auch eingetreten, wenn der Zeuge La. belehrt gewesen wäre und sich die Musterbeklagte bewusst für einen Aufschub entschieden hätte.
12
III. Die Entscheidung über die Musterrechtsbeschwerde hängt von der Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/EG, Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG ab.
13
1. Nach nationalem deutschen Recht ist ein Emittent von Finanzinstrumenten , die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, einem Dritten unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zum Ersatz des durch die Unterlassung entstandenen Schadens verpflichtet, wenn er es unterlässt, unverzüglich eine Insider-Information zu veröffentlichen (§ 37b Abs. 1 WpHG). Nach § 15 Abs. 1 WpHG muss ein Inlandsemittent Insider-Informationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG definiert eine Insider-Information als eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren - das sind u.a. Finanzinstrumente, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen sind - oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen - oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Eine solche Eignung ist gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde (§ 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Als Umstände nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG gelten auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG). § 13 Abs. 1 WpHG beruht auf Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG und auf Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/124/EG, die deshalb bei der Auslegung der nationalen Vorschrift zu berücksichtigen sind.
14
2. Die Entscheidung über die Musterrechtsbeschwerde hängt davon ab, ob bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem über mehrere Zwischenschritte ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, für die Anwendung von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/EG, Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG nur darauf abzustellen ist, ob dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis als präzise Information nach diesen Richtlinienbestimmungen anzusehen ist, und demgemäß zu prüfen ist, ob man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis eintreten wird, oder ob bei einem solchen zeitlich gestreckten Vorgang auch Zwischenschritte, die bereits existieren oder eingetreten sind und die mit der Verwirklichung des künftigen Umstands oder Ereignisses verknüpft sind, präzise Informationen im Sinn der genannten Richtlinienbestimmungen sein können.
15
a) Die Musterrechtsbeschwerde hat Erfolg, wenn auch die bereits realisierten Zwischenschritte eines zeitlich gestreckten Vorgangs auf ihre Kursrelevanz zu untersuchen sind. Das Oberlandesgericht hat zur Kursrelevanz der Zwischenschritte - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen getroffen. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass eine InsiderInformation im Sinn von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG) im Hinblick auf den künftigen Umstand, dass mit dem Aufsichtsratsbeschluss das Ausscheiden von Prof. S. zum Jahresende sicher war, erst entstand, als dieser Aufsichtsratsbeschluss hinreichend wahrscheinlich war. Die vorgelagerten Einzelstufen des Entscheidungs- und Vorbereitungsprozesses als bereits existierende Umstände - wie etwa die Äußerung der Rücktrittsabsicht gegenüber K. , das Einverständnis des Aufsichtsratsvorsitzenden , die Information und die Bereitschaftserklärung von Dr. Z. - hat es nicht selbständig auf ihre Eignung zur Beeinflussung des Börsenkurses der Insiderpapiere untersucht. Es hat sie nur darauf geprüft, ob deshalb mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen war, dass der künftige Umstand eintreten werde. Dagegen ist das Oberlandesgericht Frankfurt (NJW 2009, 1520, 1521) im Bußgeldverfahren davon ausgegangen, dass die Verknüpfung mehrerer eigenständiger Umstände zu einer einheitlichen Gesamtentscheidung dem Wortlaut der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG und den Vorgaben der Richtlinien 2003/6/EG sowie 2003/124/EG widerspreche. Daher komme es nicht darauf an, ab wann die endgültige Aufsichtsratsentscheidung getroffen worden sei. Die Publizitätspflicht beginne vielmehr bereits dann, wenn der Bereich interner Willensbildung sich zu einer konkreten Tatsache verdichtet habe und das Ergebnis dieses Willensbildungsprozesses gegenüber einem Entscheidungsträger des Unternehmens als konkrete Tatsache objektiv nach außen zu Tage trete (z.B. Mitteilung gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied, das Amt niederlegen zu wollen).
16
Beide Auffassungen führen nicht etwa deshalb zum selben Ergebnis, weil - wie das Oberlandesgericht Stuttgart meint - Zwischenschritte eines gestreckten Vorgangs nur dann kursrelevant sind, wenn das künftige Ereignis, auf das sie inhaltlich gerichtet sind, hinreichend wahrscheinlich eintreten wird. Die Kursrelevanz eines bereits eingetretenen Umstandes oder Ereignisses hängt nicht stets davon ab, ob ein damit verknüpfter künftiger Umstand oder verknüpftes künftiges Ereignis hinreichend wahrscheinlich eintreten wird. Eine Eignung, im Fall der öffentlichen Bekanntmachung einer Insider-Information den Börsenkurs erheblich zu beeinträchtigen oder spürbar zu beeinflussen (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/EG, Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG), ist gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG) oder wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde (Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG). Auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts künftiger Umstände wird nicht abgestellt. Zwar mag ein verständiger Anleger im Hinblick auf künftige Ereignisse seine Anlageentscheidungen insbesondere davon abhängig machen, inwieweit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt eines Ereignisses ausgegangen werden kann. Ein Anleger wird bei seiner Anlageentscheidung aber auch in seine Überlegungen einbeziehen, dass ein Entscheidungsprozess mit offenem Ausgang im Gang ist. So kommt, wenn bei einem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden wie hier eher mit steigenden Kursen zu rechnen ist, selbst bei offenem Ausgang als Anlageentscheidung in Betracht, Aktien jedenfalls bis zur Entscheidung zu halten. Schließlich muss ein verständiger Anleger die Insider-Information über einen bereits existierenden Zwi- schenschritt nicht nur im Hinblick auf das inhaltlich angestrebte Ziel und damit die Wahrscheinlichkeit des angestrebten Ereignisses bei seiner Anlageentscheidung bewerten. Vielmehr kann die Insider-Information über das angestrebte Ziel auch im Hinblick auf andere Umstände von Bedeutung und damit kursrelevant sein. So kann gegebenenfalls bereits aus der Absicht des Vorstandsvorsitzenden , im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat aus dem Amt zu scheiden, auf seine Amtsmüdigkeit geschlossen werden und damit darauf, dass er eine bestimmte, mit ihm verknüpfte Geschäftspolitik - unabhängig von der Dauer seines Verbleibs im Amt - nicht mehr fortführen will.
17
b) Ob mit einem künftigen Umstand oder einem künftigen Ereignis verknüpfte , bereits realisierte Zwischenschritte eigenständige präzise Informationen sind oder die Verknüpfung mit künftigen Umständen oder Ereignissen die Bewertung der Zwischenschritte als kursrelevante präzise Informationen sperrt und sie nur für die Wahrscheinlichkeit, ob die künftigen Umstände oder Ereignisse eintreten, von Bedeutung sind, hängt von der Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG, Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/124/EG ab. Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG definiert eine Insider-Information als eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG ist eine Information dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf eine mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt. Von der Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG hängt ab, ob die oben genannte Frage dahingestellt bleiben kann, weil - wie das Oberlandesgericht meint - ein Zwischenschritt nur dann zur Kursbeeinflussung geeignet ist, wenn der angestrebte Umstand oder das angestrebte Ereignis hinreichend wahrscheinlich ist.
18
3. Die Entscheidung über die Musterrechtsbeschwerde hängt weiter davon ab, was unter einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG zu verstehen ist.
19
a) Das Oberlandesgericht hat - entsprechend einem rechtlich nicht bindenden Hinweis im Beschluss des Senats vom 25. Februar 2008 - seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass von dem künftigen Umstand des Aufsichtsratsbeschlusses , mit dem das Ausscheiden von Prof. S. zum Jahresende beschlossen wurde, erst mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Sinn des § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG) ausgegangen werden konnte, wenn aus der Sicht eines verständigen Anlegers die Entscheidung des Aufsichtsrats vorabgestimmt sei. Eine solche Vorabstimmung hat es mit der Sitzung des Präsidialausschusses am 27. Juli 2005 angenommen. Der Senat hat im Beschluss vom 25. Februar 2008 ausgeführt, dass offen bleiben könne, ob mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG) eine hohe oder nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gefordert werde. Zu dem einvernehmlichen Ausscheiden war ein Beschluss des Gesamtaufsichtsrats erforder- lich und nach der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats durfte bereits auf den Widerspruch eines Mitglieds hin kein Beschluss zu dem in der Tagesordnung nicht angekündigten Ausscheiden von Prof. S. gefasst werden. Daher sei, so der Senat, die Würdigung des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden, dass offen gewesen sei, ob der Aufsichtsrat sofort zu einer Entscheidung im Sinn des Vorschlags zum Ausscheiden von Prof. S. und der Bestellung von Dr. Z. als Nachfolger kommen oder sie vertagen würde. Anders sei dies ggf. bei einer definitiven Vorabstimmung des Aufsichtsratsbeschlusses zu beurteilen.
20
b) An dieser an einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung orientierten Auslegung , die mindestens eine überwiegende Wahrscheinlichkeit verlangt und zudem im Ergebnis bei Entscheidungen von mit mehreren Personen besetzten Gremien wie dem Aufsichtsrat hohe Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit stellt, sind dem Senat aufgrund des Urteils des Gerichtshofes vom 23. Dezember 2009 in der Rechtssache C-45/08 (Spector Photo Group NV und Chris Van Raemdonck gegen Commissie voor het Bank-, Financie- en Assurantiewezen , NZG 2010, 107) Zweifel gekommen. Danach besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Verbot von Insider-Geschäften und dem Begriff der Insider-Information in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG und damit mit den Vorteilen, die eine Insider-Information dem Insider verschafft (Rn. 50). Der Bezug des Begriffs der Insider-Information zu Insidergeschäften spricht dagegen , für künftige Umstände oder Ereignisse allein auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens abzustellen. Auch wenn der Eintritt eines künftigen Ereignisses offen ist, setzt sich ein Insider unter Umständen geringeren Marktrisiken aus als ein Anleger, dem noch gar nicht bekannt ist, dass die Absicht besteht, bestimmte Umstände oder Ereignisse herbeizuführen, und dass ein Entscheidungsprozess in Gang gesetzt ist. Erst recht gilt dies, wenn er die inneren Verhältnisse des Emittenten kennt und nach dem bisher üblichen Verlauf von Entscheidungsprozessen erwarten kann, dass der Umstand oder das Ereignis in Zukunft eintritt. Solche Informationen nicht schon als präzise anzusehen , kann dem Zweck des Insider-Handelsverbots widersprechen, zu verhindern , dass aus einer Information ungerechtfertigt ein Vorteil zum Nachteil Dritter , denen diese Information unbekannt ist, gezogen wird und infolgedessen die Integrität der Finanzmärkte sowie das Vertrauen der Investoren beeinträchtigt werden.
21
Zweifel bestehen an der Auslegung, dass für eine Insider-Information eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts künftiger Umstände oder eines künftigen Ereignisses erforderlich ist, auch aufgrund anderer sprachlicher Fassungen von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG, die den Begriff der Wahrscheinlichkeit nicht enthalten, wie in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG in der englischen Fassung ("a set of circumstances which … may reasonably be expected to come into existence" bzw. "an event which has occurred or may reasonably be expected to do so") oder in der französischen Fassung ("d’un ensemble de circonstances … dont on peut raisonnablement penser qu’il existera" bzw. "d’un événement … dont on peut raisonnablement penser qu’il se produira").
22
c) Die Auslegung ist für die Entscheidung über die Musterrechtsbeschwerde erheblich. Liegt eine präzise Information bereits vor, wenn der Eintritt künftiger Umstände oder Ereignisse offen ist, ohne unwahrscheinlich zu sein, war eine Insider-Information bereits entstanden, als Prof. S. den Aufsichtsratsvorsitzenden K. über seine Absicht informierte, zum Jahresende im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat vom Amt des Vorstandsvorsitzenden zurückzutreten, wenn außerdem festgestellt werden kann, dass ein verständiger Anleger diese Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung genutzt hätte. Wenn für das Maß der Wahrscheinlichkeit auf das Ausmaß der Auswirkungen beim Emittenten abzustellen ist, liegt es angesichts der tatsächlich erheblichen Kursbewegungen nach Bekanntwerden des Rücktritts von Prof. S. nahe, ein geringeres Maß der Wahrscheinlichkeit als die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen zu lassen.
Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
Vorinstanz:
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 22.04.2009 - 20 Kap 1/08 -

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Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 6 Absatz 1 bis 13 und den §§ 7 bis 10 und 54 Absatz 1 einschließlich der Androhung und der Festsetzung von Zwangsmitteln haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Musterverfahrensanträge, deren Feststellungsziele den gleichen zugrunde liegenden Lebenssachverhalt betreffen (gleichgerichtete Musterverfahrensanträge), werden im Klageregister in der Reihenfolge ihrer Bekanntmachung erfasst.

(2) Das Gericht, das die Bekanntmachung veranlasst, trägt die datenschutzrechtliche Verantwortung für die von ihm im Klageregister bekannt gemachten Daten, insbesondere für die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung, die Zulässigkeit ihrer Veröffentlichung und die Richtigkeit der Darstellung.

(3) Die Einsicht in das Klageregister steht jedem unentgeltlich zu.

(4) Die im Klageregister gespeicherten Daten sind nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens oder im Fall des § 6 Absatz 5 nach Zurückweisung des Musterverfahrensantrags unverzüglich zu löschen.

(5) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über Inhalt und Aufbau des Klageregisters, insbesondere über Eintragungen, Änderungen, Löschungen, Einsichtsrechte, Datensicherheit und Datenschutz zu treffen. Dabei sind Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Bekanntmachungen

1.
unversehrt, vollständig und aktuell bleiben sowie
2.
jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 9/07
vom
25. Februar 2008
in dem Musterverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
WpHG § 13 Abs. 1 Satz 3 (Fassung: 28. Oktober 2004); ZPO §§ 138 Abs. 3, 139,
286 A

a) Veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen i.S. von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG
können auch zukunftsbezogene Umstände, wie Pläne, Vorhaben und Absichten
einer Person sein, wenn die Tatsachen, auf die sie sich beziehen, sich zwar noch
nicht endgültig manifestiert haben, jedoch i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG hinreichend
präzise sind und ihre Verwirklichung hinreichend wahrscheinlich ist.

b) Das Tatbestandsmerkmal der hinreichenden Wahrscheinlichkeit i.S. des § 13
Abs. 1 Satz 3 WpHG ist jedenfalls dann erfüllt, wenn eine "überwiegende" Wahrscheinlichkeit
- d.h. eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 % - besteht.

c) Der Tatrichter darf bisher streitige Tatsachen nur dann als zugestanden ansehen,
wenn die betroffene Partei ihre Absicht, sie bestreiten zu wollen, unmissverständlich
fallen gelassen hat. Im Zweifel hat das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden
Erörterungs- und Fragepflicht eine eindeutige Prozesserklärung der betroffenen
Partei herbeizuführen.
BGH, Beschl. vom 25. Februar 2008 - II ZB 9/07 -OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Februar 2008
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Dr. Strohn, Dr. Reichart und Dr. Drescher

beschlossen:
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Musterklägers wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an den 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. II. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.481.666,92 €, der Wert der geltend gemachten Ansprüche des Musterklägers auf 6.036,00 € und derjenigen des beigetretenen Beigeladenen auf 59.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

1
I. Der Musterkläger begehrt aus von seinem Vater abgetretenem Recht von der börsennotierten Musterbeklagten - die im hier maßgeblichen Zeitraum als "D. C. AG" firmierte - Schadensersatz wegen angeblich verspäteter Ad-hoc-Mitteilung über das vorzeitige Ausscheiden ihres damaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. S. .
2
Der Aufsichtsrat der Musterbeklagten beschloss in seiner Sitzung vom 28. Juli 2005 gegen 9.50 Uhr, dass Prof. S. zum 31. Dezember 2005 aus dem Amt des Vorstandsvorsitzenden ausscheide und Dr. Z. sein Amtsnachfolger werden solle. Hiervon informierte die Musterbeklagte die Geschäftsführungen der Börsen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) um 10.02 Uhr. Um 10.32 Uhr wurde die Ad-hoc-Mitteilung in der Meldungsdatenbank der Deutschen Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität (DGAP) veröffentlicht, nachdem zuvor um 9.30 Uhr die Unternehmensergebnisse der Musterbeklagten für das zweite Quartal 2005 in gleicher Form mitgeteilt worden waren. Nach der Mitteilung der Quartalszahlen stieg der Kurs der Aktien der Musterbeklagten zunächst auf 38,70 €, nach der Meldung über das Ausscheiden Prof. S. s noch am selben Tag auf 40,40 € und in der Folgezeit auf 42,95 €. Der Vater des Musterklägers hatte an jenem 28. Juli 2005 um 9.00 Uhr 800 Aktien der Musterbeklagten zum Kurs von 36,50 € und bereits vorher am 16. Mai 2005 100 Aktien der Musterbeklagten zum Kurs von 31,85 € verkauft.
3
Der Musterkläger trägt vor, Prof. S. habe bereits im Mai 2005 in einem Gespräch gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden K. erklärt, dass er sein Amt als Vorstandsvorsitzender vorzeitig, und zwar zum 31. Dezember 2005, "zur Verfügung stelle"; dies sei als einseitige Amtsniederlegung zu verstehen gewesen. Ein derartiges vorzeitiges Ausscheiden Prof. S. s habe auch schon im Mai 2005 zwischen diesem, K. und dessen Stellvertreter Kl. festgestanden. Ein wesentlicher Teil des Aufsichtsrats sei jedenfalls vor der Aufsichtsratssitzung vom 28. Juli 2005 informiert gewesen. Deshalb habe die Musterbeklagte eine kontroverse Diskussion in der Aufsichtsratssitzung nicht erwartet; insbesondere sei auch der Aufsichtsrat der Beschlussempfehlung seines Vorsitzenden K. bislang immer gefolgt. Demgegenüber behauptet die Musterbeklagte, der Aufsichtsrat als Gesamtgremium habe vor dem 28. Juli 2005 keine Kenntnis von den Überlegungen des Vorstandsvorsitzenden über dessen - einvernehmlich zu vereinbarendes - vorzeitiges Ausscheiden gehabt. Da Prof. S. noch bis zum Jahr 2008 bestellt gewesen sei, sei die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrats von dessen Ansinnen überrascht worden.
4
Auf Vorlagebeschluss des Landgerichts hat das Oberlandesgericht durch Musterentscheid vom 15. Februar 2007 (ZIP 2007, 481) festgestellt, dass "durch die Vorgänge im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Musterbeklagten, Prof. J. S. , eine Insiderinformation im Sinne des § 37 b Abs. 1 WpHG erst am 28. Juli 2005 um ca. 9.50 Uhr entstanden ist und dass die Musterbeklagte diese unverzüglich veröffentlicht hat". Angesichts dessen hat das Oberlandesgericht über die ihm vom Landgericht vorgelegten zehn weiteren - hilfsweise gestellten - Feststellungsanträge, die im Wesentlichen eine etwaige Selbstbefreiung der Musterbeklagten nach § 15 Abs. 3 WpHG sowie weitere Voraussetzungen des vom Musterkläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nach § 37 b WpHG betrafen, keine Entscheidung mehr getroffen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Musterkläger mit der Rechtsbeschwerde, welcher der Beigeladene L. M. beigetreten ist.
5
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Musterklägers, die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KapMuG kraft Gesetzes stets grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat, ist begründet, weil der angefochtene Musterentscheid in einem zentralen Streitpunkt auf verfahrensfehlerhaften Tatsachenfeststellungen beruht.
6
1. Das Oberlandesgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
7
Eine Insiderinformation über den Wechsel in der Führungsspitze der Musterbeklagten sei i. S. von §§ 13, 15, 37 b Abs. 1 WpHG erst mit der unverzüglich veröffentlichten Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat am 28. Juli 2005 entstanden, da bei verständiger Würdigung des unstreitigen Geschehensablaufs eine einvernehmliche sog. "gesamthafte" Aufhebung der Bestellung Prof. S. s mit gleichzeitiger Nachfolgeregelung gewollt gewesen und für diese Entscheidung ausschließlich der Gesamtaufsichtsrat der Musterbeklagten zuständig gewesen sei. Die einzelnen Vorgänge im Vorfeld dieser maßgebli- chen Beschlussentscheidung des Aufsichtsrats stellten nicht bereits - die Veröffentlichungspflicht begründende - Insiderinformationen dar, weil bei der erforderlichen Ex-ante-Prognose keine auch nur überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestanden habe, dass die vom Aufsichtsratsvorsitzenden K. vorgeschlagene "Gesamtlösung" durch das Gesamtorgan gebilligt würde. Das gelte insbesondere für die erstmals im Mai 2005 von Prof. S. an K. herangetragene Absicht, sein Amt vorzeitig zur Verfügung zu stellen. Die entsprechende Erklärung Prof. S. s vom 17. Mai 2005 sei nicht als einseitiger Rücktritt auszulegen, zumal der Musterkläger seine diesbezügliche Behauptung in seinem letzten Schriftsatz vom 1. Februar 2007 nicht aufrechterhalten habe. Selbst wenn man aber von einer Aufrechterhaltung der Behauptung einer einseitigen Amtsniederlegung ausgehe, fehle es insoweit an einem präzisen Sachvortrag des Musterklägers. Jedenfalls sei es diesem, nachdem die Musterbeklagte - entsprechend der sie treffenden sekundären Darlegungslast - die Umstände für eine beabsichtigte "gesamthafte" Nachfolgeregelung vorgetragen habe, möglich gewesen, die an dem Gespräch beteiligten Prof. S. und K. als Zeugen für den ihm obliegenden Nachweis zu benennen, dass diese Darstellung nicht wahr sei. Trotz gerichtlichen Hinweises auf diese Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht habe der Musterkläger jedoch keinen "Beweis für den behaupteten einseitigen Rücktritt" angeboten. Eine Beweisaufnahme sei auch nicht zu der Behauptung des Musterklägers im nachgereichten Schriftsatz vom 1. Februar 2007 erforderlich gewesen , Prof. S. habe gegenüber K. erklärt, er stelle sein Amt zur Verfügung , weil diese Äußerung Ausdruck des Bestrebens nach einem einvernehmlichen , nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats wirksamen Ausscheiden gewesen sei.
8
2. Diese Beurteilung des Oberlandesgerichts hält in dem zentralen Punkt der Einordnung der Äußerungen Prof. S. s gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden K. im Mai 2005 über die "Zurverfügungstellung seines Amtes" als unstreitige einvernehmliche Ausscheidensregelung der rechtlichen Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand. Sie beruht auf einem Fehlverständnis und einem dadurch bedingten verfahrensfehlerhaften Übergehen des diesbezüglichen entscheidungserheblichen (streitigen) Vorbringens des Musterklägers einschließlich seiner Beweisantritte (§ 286 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG).
9
a) Mit dem Musterfeststellungsantrag verfolgte der Musterkläger im Rahmen des Feststellungsziels die gerichtliche Feststellung, dass das vorzeitige Ausscheiden Prof. S. s bereits im Mai 2005 feststand und daher als Insidertatsache bereits zu diesem Zeitpunkt zu veröffentlichen gewesen wäre (GA II, 224 ff.). Schon dort behauptete er konkret, dass Prof. S. im Mai 2005 die Niederlegung seines Amtes zum Jahresende jedenfalls gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden K. erklärt habe, mit der Folge der Beendigung seines Organverhältnisses (GA II, 132). Dementsprechend hat das Landgericht in seinem Vorlagebeschluss vom 3. Juli 2006 bei der Darstellung der Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 KapMuG) korrekt als Streitpunkt zum Vorliegen einer Insiderinformation die Behauptung aller Kläger aufgeführt , "Prof. S. habe gegenüber Herrn K. definitiv erklärt, dass er zurücktrete"; umgekehrt bestreite die Beklagte den "einseitigen Rücktritt von Prof. S. gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden K. ".
10
b) Diese zentrale Behauptung zur einseitigen Rücktrittserklärung Prof. S. s hat der Musterkläger - entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts - zu keinem Zeitpunkt während des Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht fallengelassen. Von dem Streitigsein dieser Kerntatsache scheint auch das Oberlandesgericht zumindest noch im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2006 ausgegangen zu sein, da es dort - ausweislich der Beschlussgründe - den Musterkläger lediglich darauf hingewiesen hat, er habe "für den behaupteten einseitigen Rücktritt" keinen Beweis angeboten (was freilich auch unzutreffend war), obwohl es ihm möglich gewesen sei, die beteiligten Prof. S. und K. als Zeugen dafür zu benennen, dass die (gegenteilige) Darstellung der Musterbeklagten unwahr sei. Angesichts dessen ist die zur tragenden Grundlage des Musterentscheids gemachte Annahme des Oberlandesgerichts, der Musterkläger habe seine Behauptung des (einseitigen) Rücktritts mit dem - erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 1. Februar 2007 fallen gelassen, weil dort nur noch davon die Rede sei, S. habe "sein Amt vorzeitig … zur Verfügung gestellt", nicht haltbar. Schon dem Gesamtzusammenhang jenes nachgereichten Schriftsatzes ist unmissverständlich die Absicht des Musterklägers zu entnehmen, seinen bisherigen streitigen, nunmehr mit ergänzenden Beweismitteln versehenen Sachvortrag aufrechtzuerhalten (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO) und damit das in der mündlichen Verhandlung erörterte Vorhaben des Berufungsgerichts, die Sache ohne Beweisaufnahme "durchzuentscheiden", zu bekämpfen: So wurde bereits eingangs jenes Schriftsatzes hervorgehoben, die - nach Ansicht des Musterklägers erforderliche - Beweisaufnahme werde ergeben, dass Prof. S. sein Amt als Vorstandsvorsitzender einseitig wirksam vorzeitig zur Verfügung gestellt hat (GA OLG 63); die gegnerische Behauptung einer einvernehmlichen Gesamtlösung auch der Nachfolgefrage stelle eine - nach anwaltlicher Beratung im Vorfeld sorgfältig mit allen auf Beklagtenseite Beteiligten abgestimmte und synchronisierte - Schutzbehauptung dar, die die Beweisaufnahme "falsifizieren wird". Schon deshalb ist der nochmals konkretisierte Vortrag, Prof. S. habe in einem der Gespräche gegenüber K. ausdrücklich erklärt, dass er sein Amt als Vorstandsvorsitzender sowie als Vorstandsmitglied vorzeitig, und zwar zum 31. Dezember 2005, "zur Verfügung stellt" (Beweis: Zeugnis S. und K. ), ersichtlich nur als Aufrechterhaltung des dem Rechtsbegriff des "einseitigen Rücktritts" bzw. der "Amtsniederlegung" zugrunde liegenden Tatsachenkerns zu verstehen. Unübersehbar - aber vom Oberlandesgericht verkannt - zieht der Musterkläger anschließend das Resumee, dass "die Erklärung Herrn Prof. S. s und das Einverständnis Herrn K. s hiermit in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzenden nur als Amtsniederlegung Herrn Prof. S. s gewertet werden kann", die durch einseitige, empfangsbedürftige und formlose Erklärung gegenüber dem Aufsichtsrat habe erfolgen können.
11
Wenn das Oberlandesgericht gleichwohl gemeint hat, selbst zu diesen Behauptungen im Schriftsatz vom 1. Februar 2007 sei eine Beweisaufnahme nicht geboten gewesen, weil die dort wiedergegebene Äußerung S. s über eine Zur-Verfügung-Stellung seines Amtes als einvernehmliches Ausscheiden aus dem Amt auszulegen sei, so hat es damit den bereits zuvor begangenen Verfahrensfehler einer Fehlinterpretation des klägerischen Sachvortrags im Sinne eines vermeintlich unstreitig gewordenen Geschehensablaufs verfestigt und dadurch zugleich objektiv gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung verstoßen.
12
Angesichts des weiterhin streitigen Geschehensablaufs war die Erhebung der vom Musterkläger angebotenen Beweise - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts - prozessual geboten. Zu diesem Zweck hätte die mündliche Verhandlung zumindest nach § 156 ZPO wiedereröffnet werden müssen.
13
c) Soweit das Oberlandesgericht in einer Hilfsüberlegung von einer Aufrechterhaltung des Vortrags des Musterklägers bezüglich eines einseitigen Rücktritts Prof. S. s ausgegangen ist und gemeint hat, für diesen Fall fehle es an einem präzisen Sachvortrag des Musterklägers, ist dies nicht nur widersprüchlich, sondern schon im Ansatz verfehlt. Denn für einen schlüssigen Vortrag reichte es - wie das Oberlandesgericht an anderer Stelle seiner Entscheidung zutreffend angenommen hat - aus, dass der Kläger nicht nur den diesbezüglichen gegenteiligen Vortrag eines einvernehmlichen Ausscheidens Prof. S. s aus dem Amt bestritten, sondern zudem behauptet hat, dieser habe bei jener Gelegenheit das Gegenteil erklärt, nämlich eine einseitige ZurVerfügung -Stellung des Amtes im Sinne der Amtsniederlegung bzw. des Rücktritts , und zwar zum Jahresende.
14
d) Schließlich ist auch die weitere Hilfsüberlegung des Oberlandesgerichts , der Musterkläger habe im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2006 für den ihm obliegenden einseitigen Rücktritt keinen Beweis angeboten, schon insoweit unzutreffend, als dieser bereits in seiner Antragsschrift vor dem Landgericht durch Zeugnis des Aufsichtsratsvorsitzenden K. u.a. unter Beweis gestellt hat, dass bereits im Mai 2005 zwischen S. , K. und Kl. das vorzeitige Ausscheiden Prof. S. s festgestanden habe; dieses Vorbringen beinhaltete zugleich die weitergehende, an anderer Stelle des Musterfeststellungsantrags deutlicher aufgestellte Behauptung über die einseitige Amtsniederlegung Prof. S. s gegenüber K. im Mai 2005. Insoweit war der vom Berufungsgericht nach seiner Darstellung im Musterentscheid gegebene Hinweis gemäß § 139 ZPO auf die Rechtslage in der mündlichen Verhandlung sogar unzutreffend. Die ergänzende Benennung Prof. S. s als Zeugen neben dem bereits benannten K. im Schriftsatz vom 1. Februar 2007 war daher auch nicht unter dem Blickwinkel einer etwaigen Verspätung zu beanstanden. Vielmehr wäre selbst unter diesem Aspekt die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geboten gewesen.
15
3. Der aufgezeigte Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich, weil in dem Fall, dass die vom Musterkläger behauptete einseitige definitive Amtsniederlegung durch Prof. S. im Mai 2005 zum Ende jenes Jahres zutrifft, zweifellos bereits zu diesem Zeitpunkt eine Insiderinformation i. S. der §§ 13, 15 WpHG vorgelegen hat, deren unverzügliche Veröffentlichung die Musterbeklagte entsprechend dem Feststellungsantrag des Musterklägers nach § 37 b Abs. 1 WpHG unterlassen hätte.
16
III. 1. Aufgrund des Verfahrensfehlers ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Musterantrag an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO), damit es die zu Unrecht unterlassene Beweiserhebung zu der streitigen Äußerung Prof. S. s gegenüber dem Aufsichts- ratsvorsitzenden K. im Mai 2005 bezüglich der "Zur-Verfügung-Stellung seines Amtes" nachholen kann. In diesem Zusammenhang wird zugleich der für die umstrittene USA-Reise Prof. S. s und K. s im Mai 2005 zu Dr. Z. angebotene Beweis zu erheben sein, da diesem Umstand zumindest indizielle Bedeutung für die Beantwortung der Streitfrage einer einseitigen oder aber einverständlichen Amtsniederlegung mit anschließender Nachfolgeregelung zukommen kann.
17
2. Im Übrigen weist der Senat für die weitere Verhandlung auf Folgendes hin:
18
Sollte das Oberlandesgericht nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweisaufnahme nunmehr in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise wiederum zu der Überzeugung gelangen, dass zwischen den Beteiligten eine einvernehmliche Aufhebung der Bestellung, ggf. in Verbindung mit einer gleichzeitigen Nachfolgeregelung, beabsichtigt bzw. vereinbart war, die zur Wirksamkeit zwingend einer Beschlussfassung durch den gesamten Aufsichtsrat bedurfte, während eine einseitige Amtsniederlegung Prof. S. s weder im Mai noch in der weiteren Zeit bis zu der Aufsichtsratsentscheidung vom 25. Juli 2007 ausgesprochen wurde, so wäre das Oberlandesgericht aus Rechtsgründen nicht gehindert, den Musterentscheid wiederum mit der gleichlautenden inhaltlichen Feststellung wie in der angefochtenen Entscheidung vom 15. Februar 2007 zu treffen.
19
Denn entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde würde die bisherige rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts einer einvernehmlichen Regelung des Ausscheidens von Prof. S. , verbunden mit der gleichzeitigen Regelung der Rechtsnachfolge - im Falle ihrer verfahrensrechtlich einwandfreien Feststellung - nicht auf der Anlegung eines fehlerhaften rechtlichen Maßstabes im Hinblick auf den Begriff der Insiderinformation i. S. von § 13 WpHG, insbe- sondere hinsichtlich des Grades der Eintrittswahrscheinlichkeit (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG), beruhen.
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a) Das Oberlandesgericht hat nicht verkannt, dass bereits Pläne, Vorhaben und Absichten einer Person veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen i.S. von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG sein können (vgl. Assmann in Assmann/ Schneider, WpHG 4. Aufl. § 13 Rdn. 22 und 27; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2216; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1901). Zu Recht hat es jedoch im Hinblick auf § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG hier darauf abgestellt, dass es darauf ankommt, wann derartige Umstände hinreichend präzise und deren Verwirklichung hinreichend wahrscheinlich waren (vgl. Assmann aaO Rdn. 27; Tollkühn aaO; Harbarth aaO). Denn bei einer Absicht Prof. S. s, einvernehmlich aus dem Vorstand auszuscheiden, handelt es sich insiderrechtlich um eine zukunftsbezogene Information, die eine konkrete Information im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG und damit eine Insiderinformation nur dann sein kann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden darf, dass sie in Zukunft eintreten werde, und sie darüber hinaus als kurserheblich zu betrachten ist.
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aa) Zwar ist - mit dem Oberlandesgericht - die Kurserheblichkeit eines feststehenden Amtswechsels in der Leitungsposition eines Großunternehmens wie der Musterbeklagten ohne weiteres zu bejahen. Jedoch beruht - entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers - die weitere Würdigung des Oberlandesgerichts , es sei vor der Entscheidung des Aufsichtsrats am 28. Juli 2005 nicht hinreichend wahrscheinlich gewesen, dass dieser die angestrebte einvernehmliche Aufhebung mit Nachfolgeregelung mit tragen würde, keineswegs auf einer zu engen Sicht des Merkmals der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit".
22
bb) Weder der Gesetzeswortlaut des § 13 Abs. 1 WpHG selbst noch die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 (Abl. EU Nr. 339 v. 24. Dezember 2003, Seite 70) geben Auskunft darüber, was unter dem in hohem Maße einzelfalldeterminierten Begriff der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" zu verstehen ist.
23
Auch die Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (AnSVG; BT-Drucks. 15/3174, S. 34) führt zu § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG lediglich aus: "Satz 3 stellt klar, dass eine Insiderinformation auch dann vorliegt, wenn sie sich auf einen Umstand oder ein Ereignis in der Zukunft bezieht, sofern dessen Eintritt hinreichend wahrscheinlich ist. Hierzu ist ein bloßes Gerücht nicht ausreichend. Vielmehr müssen konkrete Tatsachen vorliegen, welche den Eintritt des Ereignisses oder des Umstandes voraussehbar erscheinen lassen".
24
Der Emittentenleitfaden der BaFin befasst sich zwar mit der Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, stellt jedoch lediglich eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift dar (vgl. nur Fleischer, ZGR 2007, 401, 404 m.w.Nachw.).
25
cc) Ob hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass insoweit eine hohe Wahrscheinlichkeit zu verlangen ist, da erst in diesem Falle der Kreis möglicher zukünftiger Ereignisse und Umstände so eingeengt wird, dass er dem Wissen um ein existentes Ereignis oder einen eingetretenen Umstand (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG) nach dem Schutzzweck des WpHG vergleichbar ist (vgl. Assmann in Assmann/Schneider aaO), oder ob statt dessen eine niedrigere Schwelle anzusetzen und eine "überwiegende" Wahrscheinlichkeit - d.h. eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 % - ausreicht (vgl. Pawlik in Kölner Komm.z.WpHG, § 13 Rdn. 93), hat das Oberlandesgericht mit Recht offen gelassen. Denn die im vorliegenden konkreten Fall von ihm getroffene tatrichterliche Feststellung, dass erst mit dem Beschluss des Aufsichtsrats am 28. Juli 2005 auch im letztgenannten Sinne eine "überwiegende Wahrscheinlichkeit" gegeben gewesen sei, da es vor der Aufsichtsratssitzung bei der notwendigen Ex-ante-Prognose offen war, ob die vom Aufsichtsratsvorsitzenden K. vorgeschlagene Lösung gebilligt würde oder nicht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
26
Denn nur bei gegenseitigem Einvernehmen zwischen dem Gesamtaufsichtsrat und Prof. S. war dessen jederzeitiges Ausscheiden als Vorstandsmitglied , verbunden mit der Bestellung seines Amtsnachfolgers, ohne weiteres möglich; hierzu bedurfte es in jedem Fall eines zustimmenden Beschlusses des Gesamtaufsichtsrats nach § 108 AktG i.V.m. § 84 Abs. 1, 2 AktG (vgl. Hefermehl/Spindler in MünchKommAktG 2. Aufl. § 84 Rdn. 80, 125; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 84 Rdn. 37; vgl. auch BGHZ 79, 38, 43 f.). Rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats darauf abgestellt, dass bei Widerspruch auch nur eines einzigen Mitglieds des Aufsichtsrats eine Beschlussfassung zu diesem Tagesordnungspunkt zwingend nicht zuzulassen gewesen wäre. Deshalb ist auch die Würdigung des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden, dass ein verständiger Anleger zu dem Ergebnis gekommen wäre, es sei offen gewesen, ob der Aufsichtsrat sofort zu einer Entscheidung im Sinne des Vorschlags kommen würde - d.h., dass eine Vertagung der Entscheidung über das Ausscheiden Prof. S. s und über dessen Nachfolger genauso wahrscheinlich war wie eine Beschlussfassung.
27
Zwar ist der Aufsichtsrat nach dem unstreitigen Klagevorbringen zuvor immer den jeweiligen Beschlussempfehlungen seines Vorsitzenden K. gefolgt. Hieraus lässt sich jedoch kein Automatismus im Hinblick auf zukünftiges Abstimmungsverhalten herleiten. Die Unsicherheit einer hinreichend zuverlässigen Prognose wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass der Aufsichtsrat nur kurze Zeit nach seiner Entscheidung über das Ausscheiden Prof. S. s und die Berufung Dr. Z. s zu seinem Amtsnachfolger dem Gesuch des unterlegenen Nachfolgekonkurrenten Dr. C. um die vorzeitige Entbindung von seinem Vorstandsamt nicht entsprochen hat.
28
dd) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat sich das Oberlandesgericht mit dieser Einschätzung nicht in Widerspruch zu seiner weiteren Feststellung gesetzt, dass die Vorbereitung der Entscheidung des Aufsichtsrats "professionell" gewesen sei. Denn die Professionalität der Vorbereitung impliziert nicht zwingend, dass im Vorfeld bereits eine (definitive) Vorabstimmung erfolgt wäre.
29
ee) Eine definitive Vorabstimmung lässt sich auch nicht zwingend aus der von der Rechtsbeschwerde ins Feld geführten Pressemitteilung der Musterbeklagten vom 28. Juli 2005 entnehmen, der zufolge die Beschlüsse des Aufsichtsrats vom selben Tage "nach einem sorgfältigen Prozess im Vorfeld einstimmig gefasst" worden seien; dies gilt erst recht für den von der Rechtsbeschwerde genannten Bericht von "Spiegel-Online" vom 30. Juli 2005, nach dem der Führungswechsel sorgfältig vorbereitet worden sei. Auch der zusätzlich erwähnte Umstand, dass Prof. S. im Interview vom 1. August 2005 mit der Zeitschrift "Focus" erklärt habe, er habe schon seit einiger Zeit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden gesprochen und mit diesem als günstigsten Zeitpunkt für einen Führungswechsel das Ende des Jahres 2005 festgelegt, spricht ebenso wenig zwingend für eine Vorabstimmung im Aufsichtsrat wie der vom Musterkläger genannte weitere Umstand, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats unstreitig innerhalb von max. 30 Minuten getroffen wurde.
30
ff) In diesem Zusammenhang ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht der Musterbeklagten nicht aufgegeben hat, die Protokolle jener Aufsichtsratssitzung vorzulegen. Insoweit liegt - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - kein Verstoß gegen die §§ 142, 286 ZPO vor. Denn in der Tat liefe der entsprechende Antrag des Musterklägers auf eine unzulässige Ausforschung hinaus, da dieser keinen schlüssigen Vortrag dazu gehalten hat, dass bereits vor der maßgeblichen Aufsichtsratssitzung jedenfalls die erforderliche Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder eingeweiht und einverstanden gewesen sei. Eine solche unzulässige Ausforschung nimmt das Ober- landesgericht auch nicht "ohne Grundlage im Aktenstoff" an. Der Musterkläger hat ausweislich der tatsächlichen Feststellungen im Musterentscheid gerade nicht vorgetragen, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats am 28. Juli 2005 schon zuvor abgestimmt worden sei und dass nur dadurch die Entscheidung des 20-köpfigen Aufsichtsrats innerhalb eines Zeitraums von max. 30 Minuten habe herbeigeführt werden können. Er hat vielmehr die Vorlage verlangt, weil "dann vielleicht nachvollziehbar werden (könnte), wie in dem Zeitfenster von 9.20 Uhr bis 9.50 Uhr … ein 20-köpfiger Aufsichtsrat über die von der Beklagten als gesamthafte Nachfolgeregelung bezeichneten Personalentscheidungen beraten sowie abstimmen konnte". Die Folgerung des Berufungsgerichts, der Kläger habe damit keine Tatsache durch Vorlage des Protokolls unter Beweis gestellt , sondern Informationen hieraus erst gewinnen wollen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
31
gg) Zu Recht hat das Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Beschluss des Aufsichtsrats im ersten Wahlgang einer 2/3-Mehrheit in dem mit 20 Personen paritätisch aus Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat bedurfte, da die Musterbeklagte unstreitig dem Mitbestimmungsgesetz unterfällt. Deswegen war es aus Sicht eines verständigen Anlegers seinerzeit durchaus nicht selbstverständlich, dass der Aufsichtsrat den letztlich vorgeschlagenen Dr. Z. ohne weiteres akzeptieren und damit zugleich einer einvernehmlichen Ausscheidensregelung für Prof. S. , ohne dass ein Nachfolger bereits sicher bestimmt war, zustimmen würde. Entscheidend war insoweit, dass - so die rechtlich nicht zu beanstandende Würdigung des Oberlandesgerichts - aus Sicht des verständigen Anlegers ein isolierter - d.h. ein ohne die gleichzeitige Entscheidung zugunsten eines Nachfolgers gefasster - Beschluss, Prof. S. werde aus seinen Verpflichtungen entlassen, zumindest unrealistisch erschien.
32
hh) Dass zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem maßgeblichen Aufsichtsratsbeschluss mit "hinreichender" Wahrscheinlichkeit klar gewesen wäre, dass sich der Aufsichtsrat in jedem Fall auf irgendeinen Nachfolger einigen würde, ist bislang weder seitens des Musterklägers noch seitens des beigetretenen Beigeladenen vorgetragen worden und auch nach Aktenlage sonst nicht ersichtlich.
33
ii) Was schließlich die Äußerung Prof. S. s in der Veranstaltung vom 19. Juli 2005 betrifft, er habe demnächst etwas Wichtiges zu verkünden, so muss dies - worauf das Oberlandesgericht nachvollziehbar hingewiesen hat - keineswegs zwingend den Führungswechsel betroffen haben, sondern kann sich ebenso gut auf die positiven Ertragszahlen bezogen haben, die die Musterbeklagte am Tag der Aufsichtsratssitzung noch vor der Mitteilung der Entscheidung über den Wechsel im Vorstandsamt veröffentlicht hat und die eine noch höhere Steigerung des Aktienkurses (um 6 %) zur Folge hatte als die weitere Steigerung nach der Verkündung des Folgeereignisses.
Goette Kurzwelly Strohn Reichart Drescher Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 03.07.2006 - 21 O 408/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 15.02.2007 - 901 Kap 1/06 -

(1) Der Bundesanstalt stehen die Befugnisse nach Artikel 42 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 unter den dort genannten Voraussetzungen, mit Ausnahme der Voraussetzungen nach Artikel 42 Absatz 3 und 4 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014, entsprechend für Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes zu. Die Bundesanstalt kann Maßnahmen nach Satz 1 und Artikel 42 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 gegenüber jedermann treffen, soweit die Verordnung nicht unmittelbar anwendbar ist.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 1 und Artikel 42 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 haben keine aufschiebende Wirkung.

(3) Bei der Durchführung von Prüfungen nach Artikel 42 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 und nach Absatz 1 hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Produktinterventionsmaßnahme, kann sich die Bundesanstalt externer Wirtschaftsprüfer und anderer sachverständiger Personen und Einrichtungen bedienen.

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 6 Absatz 1 bis 13 und den §§ 7 bis 10 und 54 Absatz 1 einschließlich der Androhung und der Festsetzung von Zwangsmitteln haben keine aufschiebende Wirkung.