Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2002 - I ZB 30/01

published on 07/05/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2002 - I ZB 30/01
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 30/01
vom
7. Mai 2002
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 7. Mai 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. UngernSternberg
, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.925,13 ? (= 15.520,-- DM) festgesetzt.

Gründe:


I. Der Kläger hat gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts vom 24. November 1999, das ihm am 14. Dezember 1999 zugestellt worden ist, durch seine Prozeßbevollmächtigten am 14. Januar 2000 per Telefax Berufung eingelegt. Nach dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist teilte der stellver-
tretende Vorsitzende des Berufungssenats den Prozeûbevollmächtigten des Klägers mit, es sei beabsichtigt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden sei. Auf dieses am 14. März 2000 zugestellte Schreiben hin beantragte Rechtsanwalt Dr. A. für den Kläger mit am 24. März 2000 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, wobei er zugleich einen Abdruck der in seinen Akten befindlichen Berufungsbegründung vorlegte. Zur Begründung trug er vor, man habe, nachdem die Berufungsbegründung bereits am 7. Februar 2000 fertiggestellt und am 9. Februar 2000 geändert worden sei, in der Kanzlei zugewartet, ob der Kläger noch Änderungswünsche gehabt habe. Da dies bis zum Dienstende der Sekretariatsmitarbeiter am Tag des Fristablaufs nicht der Fall gewesen sei, habe er, Dr. A., soweit erinnerlich, die Berufungsbegründung an diesem Tag auf dem Nachhauseweg in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Die Richtigkeit dieser Angabe werde an Eides Statt versichert.
II. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe die Frist zur Berufungsbegründung versäumt, weil der entsprechende Schriftsatz erst am 24. März 2000 bei Gericht eingegangen sei, die Berufungsbegründungsfrist aber schon am 14. Februar 2000 geendet habe. Der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers sei unbegründet, weil sich aus seinem Vortrag nicht hinreichend ergebe, daû eine unverschuldete Fristversäumung vorliege. Der Zusatz "soweit erinnerlich" in dem auffallend knappen Vorbringen seines Prozeûbevollmächtigten weise eine deutliche Einschränkung des Vorbringens auf. Offen bleibe insbesondere, ob sich der Prozeûbevollmächtigte an den geltend gemachten Vorgang mit der für eine
Wiedereinsetzung notwendigen Gewiûheit erinnere. Auûerdem gehe aus dem Vorbringen nicht deutlich hervor, ob sich der Prozeûbevollmächtigte beim Einwerfen der Sendung nochmals versichert habe, um welches Schriftstück es sich gehandelt habe.
Gegen diesen ihm am 6. November 2001 zugestellten Beschluû hat der Kläger durch seine Prozeûbevollmächtigten am 20. November 2001 Beschwerde eingelegt. Mit ihr greift er insbesondere die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung der von seinem Prozeûbevollmächtigten Dr. A. abgegebenen Erklärung an.
III. Die gemäû § 519 b Abs. 2 Halbsatz 2, § 547, § 577 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO a.F. statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Berufung des Klägers wäre rechtzeitig begründet worden und damit zulässig, wenn - wie der Kläger vorbringt - davon auszugehen wäre, daû die Berufungsbegründungsschrift bereits am 14. Februar 2000 in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen worden und nachfolgend im Bereich des Gerichts verlorengegangen war. Dem stünde der Umstand nicht entgegen, daû auf diesem Schriftsatz nach dem Vortrag des Klägers das gerichtliche Aktenzeichen gefehlt hat; denn aufgrund der in dem Schriftsatz enthaltenen Angaben über die Parteien des Rechtsstreits war seine Zuordnung zu dem mit der Berufungseinlegung eingeleiteten Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht gleichwohl ohne weiteres möglich.
2. Das Berufungsgericht hat den dem Kläger als Rechtsmittelführer insoweit obliegenden vollen Beweis (vgl. BGH, Beschl. v. 4.6.1992 - IX ZB 10/92, NJW-RR 1992, 1338, 1339; Beschl. v. 7.12.1999 - VI ZB 30/99, NJW 2000, 814; Urt. v. 24.4.2001 - VI ZR 258/00, NJW 2001, 2722, 2723, jeweils m.w.N.) aufgrund der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts Dr. A. als nicht erbracht angesehen. In einem solchen Falle ist die insoweit gebotene Prüfung lediglich unter Heranziehung dieser Versicherung nicht möglich. Vielmehr könnte eine abschlieûende prozeûordnungsgemäûe Klärung der Frage, ob die Berufungsbegründung rechtzeitig bei Gericht eingereicht worden war, nur nach einer die volle Überzeugungsbildung ermöglichenden Beweiserhebung durch Vernehmung des Rechtsanwalts Dr. A. erfolgen. Zwar hat sich der Kläger im bisherigen Verfahren - wegen seines Irrtums, die vorgelegte Versicherung sei ausreichend - nicht auf die Vernehmung dieses Zeugen berufen. Indessen wäre bereits das Berufungsgericht, hätte es das aufgezeigte verfahrensrechtliche Erfordernis erkannt, von Amts wegen gehalten gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, daû zur Prüfung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels das vorgelegte Glaubhaftmachungsmittel nicht ausreichte. Es hätte daher schon im Berufungsverfahren dem Kläger Gelegenheit gegeben werden müssen, Zeugenbeweis anzutreten (BGH NJW 2000, 814).
Bei dieser Sachlage sieht der Senat davon ab, das zur Klärung der Frage , ob die Berufung rechtzeitig begründet worden ist, erforderliche Beweisverfahren selbst durchzuführen. Vielmehr erscheint es angebracht, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, der auf dem aufgezeigten Verfahrensfehler beruhen kann, die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (BGH NJW 2000, 814 f.).
3. Das Berufungsgericht wird daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren - einen entsprechenden Beweisantritt des Klägers vorausgesetzt - Rechtsanwalt Dr. A. als Zeugen zu der Frage zu vernehmen haben, ob dieser, wie der Kläger geltend macht, die Berufungsbegründung am 14. Februar 2000 in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen hat. Sollte die durchzuführende Beweisaufnahme dieses nicht ergeben, wäre mit Blick auf die Regelung in § 85 Abs. 2 ZPO auch für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wie sie der Kläger beantragt hat, kein Raum.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Schaffert
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

3 Referenzen - Gesetze

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges
4 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 21/02/2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 37/06 vom 21. Februar 2007 in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina
published on 24/02/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 129/09 vom 24. Februar 2010 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 233 B, 236 Abs. 2 C Wenn das Beschwerdegericht im Verfahren der Wiedereinsetzung einer eidesstattlich
published on 13/06/2006 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 128/05 vom 13. Juni 2006 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak am 13. Juni 2006 beschl
published on 15/08/2018 00:00

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Gründe I. Streitig ist in der Hauptsache die Kürzung des Vorsteuerabzugs aufgrund der Ergebnisse ein
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.