Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
_____________
AK 27/12
vom
12. September 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
Beate Z s c h ä p e ,
wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie der Beschuldigten und ihrer Verteidiger am 12. September
2012 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa weiter erforderliche Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

1
Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Zwickau vom 7. November 2011 (Gs 1009/11) - nachfolgend ersetzt durch den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2011 (3 BGs 6/11) - wurde die Beschuldigte am 8. November 2011 festgenommen. Sie befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ist der Vorwurf, die Beschuldigte habe im Januar 1998 in Zwickau mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos eine Vereinigung ("Nationalsozialistischer Untergrund") gegründet, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet waren, Mord (§ 211 StGB) zu begehen, und sich in der Folge bis zum 4. November 2011 hieran beteiligt. In der Absicht, diese ihr zur Last fallende Straftat zu verdecken, namentlich das Auffinden von Beweismitteln zu vereiteln, habe sie am 4. November 2011 in Zwickau ein der Wohnung von Menschen dienendes Gebäude durch Brandlegung zerstört. Sie habe sich daher der Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) und der besonders schweren Brandstiftung (§ 306b Abs. 2 Nr. 2, § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) schuldig gemacht.
2
Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs hat der Senat mit Beschluss vom 28. Februar 2012 (StB 1/12) verworfen. Am 18. Mai 2012 hat der Senat die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet (AK 13/12).
3
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft auch über neun Monate hinaus liegen vor.
4
1. Hinsichtlich der Einzelheiten des Tatvorwurfs, der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände und des Haftgrundes verweist der Senat weiterhin auf die Gründe seiner Beschwerdeentscheidung vom 28. Februar 2012, an deren Gültigkeit auch die weiteren Ermittlungen nichts geändert haben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die ausführliche Darstellung des Ermittlungsstandes in den Berichten des Bundeskriminalamts vom 2. August 2012 (Erkenntnisse zu der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund") und vom 13. August 2012 (Zusammenfassung der Tatvorwürfe zu Beate Zschäpe) sowie auf die darin jeweils bezeichneten Beweismittel. Da die im Haftbefehl erhobenen Vorwürfe die Anordnung der Untersuchungshaft nach wie vor tragen, kann der Senat offen lassen, ob die Beschuldigte im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Gebäudes F. straße in Zwickau auch eines tateinheitlich hinzutretenden versuchten Tötungsdelikts zum Nachteil der Zeugin E. dringend verdächtig ist (vgl. hierzu die Berichte des Bundeskriminalamts vom 2. August 2012, S. 23 f., und vom 13. August 2012, S. 47).
5
2. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
6
Unmittelbar nach der Anordnung der Haftfortdauer über sechs Monate hinaus durch den Beschluss des Senats vom 18. Mai 2012 hat der Generalbundesanwalt mit der Erstellung der Anklageschrift begonnen, zu diesem Zweck sieben Staatsanwälte von der Tätigkeit in anderen Verfahren entbunden und ausgeführt, die Anklage voraussichtlich noch deutlich vor Ablauf weiterer drei Monate zu erheben. Damit wird den im genannten Beschluss dargelegten, bei der Behandlung von Haftsachen zu beachtenden rechtlichen Maßstäben entgegen der Ansicht der Verteidiger in noch ausreichender Weise Rechnung getragen. Insbesondere ist der für die Fertigung der Anklageschrift insgesamt veranschlagte Zeitraum nicht als unangemessen anzusehen. Dass mit Blick vor allem auf den Bestand von mittlerweile 600 Bänden Ermittlungsakten und 780 Beiakten einer früheren Anklageerhebung tatsächliche Hindernisse entgegenstehen , liegt bei objektiver Betrachtung nahe.
7
Das Verfahren wird danach auch seit der letzten Haftprüfung mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt. Hieran ändert es im Ergebnis nichts, dass der Generalbundesanwalt neben der Verfolgung einzelner Ermittlungsansätze , von denen er sich eine weitere Klärung des Schuldumfangs verspricht , die Ermittlungen gegen die Beschuldigte wegen des Verdachts der Beteiligung an den mutmaßlich von Mitgliedern des "Nationalsozialistischen Un- tergrunds" begangenen konkreten Ausführungstaten ebenfalls fortsetzt. Die Ermittlungen zu diesen schweren Kapitalverbrechen neben den Arbeiten an der Anklageschrift fortzuführen, ist den Strafverfolgungsbehörden von Rechts wegen nicht verwehrt. Im Anschluss an seine Ausführungen in dem Beschluss vom 18. Mai 2012 bemerkt der Senat jedoch, dass der unverändert gebliebene Haftbefehl, dessen Inhalt die Grundlage der vorzunehmenden Haftprüfung bildet , nicht auf diese Taten gestützt ist. Trotz insoweit bestehender materiellrechtlicher Tateinheit mit der Organisationsstraftat wäre die Strafklage bei einer Verurteilung der Beschuldigten wegen eines Delikts nach § 129a StGB hinsichtlich dieser Taten nicht verbraucht (st. Rspr.; vgl. schon BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 292 ff.). Diese Ermittlungen sind deshalb für sich genommen nicht geeignet, die Anordnung der Haftfortdauer zu begründen. Der Senat sieht indes derzeit keinen Anhalt für die Annahme, hierdurch werde sich der in Aussicht gestellte Zeitpunkt der Anklageerhebung weiter hinauszögern. Er weist erneut darauf hin, dass nach dem Stand der Ermittlungen die Tatvorwürfe, die den Haftbefehl gegen die Beschuldigte tragen, jedenfalls weitestgehend ausermittelt zu sein scheinen; bei dieser Sachlage ist das Beschleunigungsgebot nur dann auch weiterhin gewahrt, wenn die Arbeiten an der Anklageschrift mit dem gebotenen Nachdruck fortgesetzt und möglichst zeitnah abgeschlossen werden.
8
Vor diesem Hintergrund steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe. Schon die besonders schwere Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 StGB, deren die Beschuldigte dringend verdächtig ist, ist mit Freiheitsstrafe im Mindestmaß von fünf Jahren bedroht. Schäfer Hubert Mayer

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Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Strafgesetzbuch - StGB | § 306a Schwere Brandstiftung


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder3.

Strafgesetzbuch - StGB | § 306b Besonders schwere Brandstiftung


(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Feb. 2012 - StB 1/12

bei uns veröffentlicht am 28.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS _____________ StB 1/12 vom 28. Februar 2012 in dem Ermittlungsverfahren gegen Beate Z s c h ä p e wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung u.a. hier: Beschwerde der Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermit

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a

1.
einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,
2.
in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder
3.
das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
_____________
StB 1/12
vom
28. Februar 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
Beate Z s c h ä p e
wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung u.a.
hier: Beschwerde der Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters
des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2011
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie der Beschwerdeführerin und ihrer Verteidiger am 28. Februar
2012 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2011 - 3 BGs 6/11 - wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Zwickau vom 7. November 2011 (Gs 1009/11) - nachfolgend ersetzt durch den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2011 (3 BGs 6/11) - wurde die Beschuldigte am 8. November 2011 festgenommen. Sie befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ist der Vorwurf, die Beschuldigte habe im Januar 1998 in Zwickau mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos eine Vereinigung gegründet, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet waren , Mord (§ 211 StGB) zu begehen, und sich in der Folge bis zum 4. November 2011 hieran beteiligt. In der Absicht, diese ihr zur Last fallende Straftat zu verdecken, namentlich das Auffinden von Beweismitteln zu vereiteln, habe sie am 4. November 2011 in Zwickau ein der Wohnung von Menschen dienendes Gebäude durch Brandlegung zerstört. Sie habe sich daher der Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) und der besonders schweren Brandstiftung (§ 306b Abs. 2 Nr. 2, § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) schuldig gemacht.
2
Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs bleibt ohne Erfolg.
3
1. Die Beschuldigte ist des ihr in dem Haftbefehl vorgeworfenen Tatgeschehens dringend verdächtig.
4
a) Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
5
(1) Ende 1997 ergaben sich Hinweise darauf, dass eine von der Beschuldigten am 10. August 1996 angemietete Garage in Jena von ihr sowie von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos - nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen seinerzeit wie sie aktive Mitglieder der "Kameradschaft Jena" in der rechtsextremen Vereinigung "Thüringer Heimatschutz" - zur Herstellung von Sprengsätzen genutzt wird. Eine Durchsuchung der Garage am 26. Januar 1998, bei der funktionsfähige Rohrbomben sowie insgesamt ca. 1,4 kg TNT aufgefunden wurden, nahmen Böhnhardt, Mundlos und die Beschuldigte zum Anlass, unter Verschleierung ihrer Identität unterzutauchen. Haftbefehle vom 28. Januar 1998 wegen des dringenden Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz u.a. konnten nicht vollstreckt werden; die eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden am 15. September 2003 wegen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung eingestellt.
6
Nach Diskussionen mit den damaligen Gesinnungsgenossen Ge. und W. über die nach den Vorfällen in Jena einzuschlagende politische Strategie kamen Böhnhardt, Mundlos und die Beschuldigte noch Anfang 1998 überein, sich nunmehr zu einer eigenständigen Gruppierung zusammenzuschließen, sich dabei dem gemeinsamen Ziel der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland hin zu einem an der nationalsozialistischen Ideologie ausgerichtetem System unterzuordnen und dieses Ziel künftig aus dem Untergrund heraus mit Waffengewalt weiterzuverfolgen. Den Boden für den angestrebten Systemwechsel wollten sie dadurch bereiten, dass sie durch Mordanschläge auf "Feinde des deutschen Volkes", worunter sie in erster Linie türkischstämmige Einwohner der Bundesrepublik Deutschland sowie Repräsentanten der herrschenden Ordnung wie etwa Polizeibeamte verstanden, ein Klima der Verunsicherung schufen. Zur Kennzeichnung ihres Verbands wählten sie spätestens 2001 den Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" und entwickelten ergänzend hierzu ein "Logo" in Form einer besonders gestalteten Buchstabenfolge "NSU".
7
(2) Zur Verschleierung ihrer Identität und ihres Aufenthalts bediente sich die Beschuldigte in der Folge einer Vielzahl von Alias-Personalien, so "L. P. ", "L. D. ", "S. D. ", "M. S. ", "S. E. ", "S. P. ", "M. P. " und "S. R. ". Teilweise verwendete sie auch auf diese Namen ausgestellte, ihr überlassene oder den Berechtigten abhanden gekommene Dokumente. Böhnhardt trat als "H. Ge. " auf, Mundlos als "M. B. "; entsprechende amtliche Ausweispapiere verschafften sie sich unter Mitwirkung der Genannten. Weiter nutzten Böhnhardt , Mundlos und die Beschuldigte überwiegend Wohnungen, die auf den Namen dritter Personen angemietet waren. So überließ ihnen 1998 M. B. für geraume Zeit seine Mietwohnung in C. , L. Straße . Mieter der von ihnen in den Jahren 2001 bis 2008 bewohnten Räumlichkeiten in Z. , P. straße , war M. D. , den sie dazu brachten, zur Verdeckung der wahren Verhältnisse einen auf "M. B. " lautenden Untermietvertrag zu unterschreiben. Ende 2007 veranlassten sie D. , stattdessen die von ihnen für geeigneter gehaltene und ab 2008 genutzte Wohnung in Z. , F. straße , anzumieten und hierüber wiederum einen Untermietvertrag mit "M. B. " abzuschließen. Die von D. geschuldete Miete beglich die Beschuldigte jedenfalls teilweise durch Bank-Bareinzahlungen unter dem Namen "L. P. " bzw. "L. D. " unmittelbar an die Vermieter.
8
Auch im Übrigen trug die Beschuldigte durch die Erledigung anstehender logistischer Aufgaben bewusst und gewollt zur Förderung der Ziele des "Nationalsozialistischen Untergrunds" bei. So nahm sie 2001 bei einem verdeckten Treffen mit Ge. am Bahnhof in Z. einen Reisepass entgegen, den dieser sich auf Verlangen "der Drei" hatte ausstellen lassen und der zur Verwendung durch Böhnhardt bestimmt war. Bei dieser Gelegenheit erstattete sie Ge. 3.000 DM zurück, mit denen dieser die Gruppierung zuvor unterstützt hatte. Weiter übergab sie ihm 10.000 DM mit dem Auftrag, diese Summe "den Dreien" für Notfälle zur Verfügung zu halten. 2011 erklärte sich Ge. , von Böhnhardt, Mundlos und der Beschuldigten aufgesucht, erneut bereit, sich einen Reisepass ausstellen zu lassen und ihn Böhnhardt zur Benutzung zu überlassen. Die Beschuldigte suchte mit Ge. umgehend einen Fotografen und anschließend das Passamt auf. Sie beglich die Kosten der gefertigten Passbilder und wirkte im Passamt darauf hin, dass Ge. sogleich einen vorläufigen Reisepass erhielt.
9
(3) In Verfolgung der gemeinsam beschlossenen Ziele begingen im Einzelnen nicht ermittelte Mitglieder der Gruppierung unter Verwendung einer Pistole Ceska 83 Kaliber 7,65 mm - am 9. September 2000 und am 27. Juni 2001 auch einer zur scharfen Waffe des Kalibers 6,35 mm umgebauten Schreckschusspistole Bruni 315 Auto - jedenfalls die nachfolgend aufgeführten Mordanschläge gegen in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Personen ausländischer Herkunft: - Am 9. September 2000 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehöriger Si. in seinem mobilen Blumenverkaufsstand durch mehrere Schüsse. Von dem niedergestreckten Opfer fertigten sie Bildaufnahmen.
- Am 13. Juni 2001 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehörigen Ö. in den Räumlichkeiten seiner Änderungsschneiderei durch zwei Kopfschüsse. Auch hier lichteten sie das Opfer nach der Tat ab.
- Am 27. Juni 2001 töteten sie in Hamburg den türkischen Staatsangehörigen T. in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch drei Kopfschüsse. Vom Opfer fertigten sie nach der Tat ebenfalls Bildaufnahmen.
- Am 29. August 2001 töteten sie in München den türkischen Staatsangehörigen K. in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch zwei Kopfschüsse.
- Am 25. Februar 2004 töteten sie in Rostock den türkischen Staatsangehörigen Tu. in einer Imbissstube, in der er an diesem Tage aushalf, durch drei Kopfschüsse.
- Am 9. Juni 2005 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehörigen Y. in den Räumen seiner Imbissstube durch Kopfschüsse.
- Am 15. Juni 2005 töteten sie in München den griechischen Staatsangehörigen Bo. in den Räumlichkeiten seines Schlüsseldienstes durch Kopfschüsse.
- Am 4. April 2006 töteten sie in Dortmund den türkischen Staatsangehörigen Ku. in dem von ihm betriebenen Kiosk durch zwei Kopfschüsse.
- Am 6. April 2006 töteten sie in Kassel den türkischen Staatsangehörigen Yo. in den Räumlichkeiten eines Internet-Cafés durch zwei Kopfschüsse.
10
Schließlich töteten sie am 25. April 2007 gegen 14.00 Uhr in Heilbronn unter Verwendung von Pistolen Radom Vis 35 Kaliber 9 mm und Tokarew TT3 Kaliber 9 mm die im Einsatz befindliche Polizeibeamtin Ki. durch einen Kopfschuss, verletzten den sie begleitenden Polizeibeamten A. durch einen weiteren Kopfschuss schwer und brachten deren Dienstwaffen und andere Polizeiausrüstung in ihren Besitz. In Vorbereitung dessen hatte Böhnhardt am 16. April 2007 unter dem Namen "H. Ge. " ein Wohnmobil mit dem Kennzeichen C- angemietet, das kurz nach der Tat bei der eingeleiteten Ringfahndung nahe Heilbronn festgestellt wurde.
11
(4) Spätestens im Jahre 2001 entschloss sich die Gruppierung zudem, die begangenen Anschläge propagandistisch zu verwerten. Hierzu entwickelten im Einzelnen nicht ermittelte Beteiligte nach und nach eine ca. 15-minütige Videosequenz und fertigten hiervon eine DVD in einer Stückzahl von etwa 50 Exemplaren. Anfang November 2011 trafen sie Vorbereitungen zu deren Versendung insbesondere an Zeitungsredaktionen und an religiöse und kulturelle Vereinigungen türkischstämmiger Personen in Deutschland. Als Grundlage der Videosequenz dienten mehrere im Internet verfügbare Folgen der Comic-Serie "Paulchen Panther", in die der Namenszug "Nationalsozialistischer Untergrund" , das Logo "NSU", Hinweise auf die geschilderten Mordanschläge sowie die drei genannten Tatortaufnahmen eingearbeitet wurden. Ferner findet sich eine Montage mit Einblendung einer der entwendeten Dienstwaffen, in der "Paulchen Panther" einem Polizisten in den Kopf schießt.
12
(5) Um für die Vereinigung und den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder Geld zu beschaffen, entschlossen sich Böhnhardt und Mundlos im Herbst 2011 zur Begehung eines Banküberfalls. Als Fahrzeug sollte ein Wohnmobil Verwendung finden, das Böhnhardt am 14. Oktober 2011 unter dem Namen "H. Ge. " in Begleitung der Beschuldigten bei einem Caravanvermieter in Sch. anmietete. Um Misstrauen des Personals nicht aufkommen zu lassen, spiegelten beide vor, einen Familienurlaub zu beabsichtigen. Zum vereinbarten Abholtermin am 25. Oktober 2011 erschien Böhnhardt wiederum in Begleitung der Beschuldigten sowie eines bislang unbekannten Kindes.
13
Am 4. November 2011 gegen 9.15 Uhr überfielen Böhnhardt und Mundlos wie geplant eine Filiale der Sparkasse am N. platz in E. , erbeu- teten ca. 75.000 € und entfernten sich mit Fahrrädern. Die Fahndung nach den Tätern führte zu einem Zeugen, der beobachtet hatte, wie zwei Männer in der Nähe des Tatorts eilig Fahrräder in ein Wohnmobil verluden. Eine Polizeistreife konnte das beschriebene Wohnmobil schließlich gegen 12.00 Uhr geparkt in einer Wohngegend in Ei. feststellen. Böhnhardt und Mundlos, die sich in dem Wohnmobil aufhielten, bemerkten die sich nähernden Polizeibeamten , rechneten mit ihrer Verhaftung und gaben deshalb zunächst noch einen Schuss auf die Beamten ab. Dann setzten sie das Wohnmobil in Brand und töteten sich durch Schüsse in den Kopf.
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(6) Von diesen Ereignissen auf unbekanntem Wege inKenntnis gesetzt - jedenfalls informierte sie die Angehörigen von Böhnhardt und Mundlos kurz darauf telefonisch von deren Tod - befürchtete nun auch die Beschuldigte, im Zuge der anstehenden Ermittlungen werde ihre Mitgliedschaft in der für die beschriebenen Straftaten verantwortlichen Vereinigung offenbar. Um dies zu verhindern , entschloss sie sich, die Gegenstände, die in der von ihr sowie Böhnhardt und Mundlos zuletzt gemeinsam genutzten Wohnung im 1. Obergeschoss des Mehrparteienwohnhauses in Z. , F. straße , verblieben waren und die Rückschlüsse auf ihre Identität und den Umfang ihrer Tatbeteiligung erlaubten, insbesondere die Tatwaffen, die zum Versand vorbereiteten DVDs und persönliche Papiere, dadurch zu beseitigen, dass sie die Wohnung durch Brandlegung zerstörte. Hierzu brachte sie noch am selben Tag gegen 15.00 Uhr aus einem Kanister Ottokraftstoff auf dem Fußboden der Wohnung aus, entzündete diesen und verließ sodann das Gebäude. Einen Teil der versandfertigen DVDs nahm sie mit. Die sich entwickelnden Benzindämpfe führten zu einer Verpuffung, die große Teile des Mauerwerks des Gebäudes zum Einsturz brachte, so dass dieses insgesamt unbewohnbar wurde und abgerissen werden muss. Der Sachschaden beläuft sich auf mindestens 100.000 €.
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Im Anschluss daran tauchte die Beschuldigte zunächst unter. Die mitgenommenen DVDs gab sie zur Post; zwölf Sendungen konnten später bei den vorgesehenen Empfängern sichergestellt werden. Am 8. November 2011 stellte sich die Beschuldigte schließlich in Jena der Polizei.
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b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus der gebotenen Gesamtschau der bislang vorliegenden Beweisanzeichen. Der Senat verweist insoweit auf die ausführliche Darstellung der Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen in den Zuschriften des Generalbundesanwalts vom 5. und vom 9. Januar 2012, die er sich nach Überprüfung zu Eigen macht. Belastet wird die Beschuldigte insbesondere durch folgende Umstände:
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H. Ge. hat bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 1. Dezember 2011 die nach den Vorfällen in Jena von den "beiden Uwes" angestoßene Diskussion darüber geschildert, ob man nur demonstrieren oder "mehr machen" und sich bewaffnen solle. Die Beschuldigte sei immer dabei gewesen. Die Diskussion habe schließlich "drei gegen zwei" geendet; er und W. hätten gegen "die Drei" gestanden. Auf eine bis zuletzt enge persönliche Verbindung der Beschuldigten mit Böhnhardt und Mundlos sowie auf ihre innere Übereinstimmung mit deren Überzeugungen lässt sich schon daraus schließen , dass sie am 8. November 2011 nach Belehrung in einem Gespräch mit den sie vernehmenden Polizeibeamten geäußert hat, man sei damals gemeinsam untergetaucht, die beiden seien fortan ihre Familie gewesen. Dasselbe gilt für die spontane Bemerkung der Beschuldigten gegenüber den sie am 16. November 2011 beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorführenden Beamten, es sei ihnen schon klar gewesen, dass man irgendwann auffallen werde. Auch nach dem Eindruck des u.a. am 5. Januar 2012 als Beschuldigter vernommenen M. B. hatte die Beschuldigte eine im Verhältnis zu Böhnhardt und Mundlos durchaus gleichberechtigte Stellung inne. So sei es auch ihr wichtig gewesen, dass er seinen Personalausweis zur Verfügung stelle , um Mundlos die Beantragung eines auf seinen Namen lautenden Passes zu ermöglichen. Wie die beiden anderen habe auch sie ihm "eingebläut", wie er sich bei Nachfragen Dritter wegen des Aufenthalts der drei in seiner Wohnung zu verhalten habe. Böhnhardt sei zwar nach außen hin als "der Autoritäre" und "der Sprecher" aufgetreten, für ihn sei es jedoch "eindeutig erkennbar" gewesen , dass er für das "Trio insgesamt" gesprochen habe.
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Für eine enge Einbindung der Beschuldigten in den "Nationalsozialistischen Untergrund" zusammen mit Böhnhardt und Mundlos sprechen schließlich auch ihre oben schon dargestellten konkreten Tatbeiträge, durch welche sie nicht nur die Ziele der Gruppierung objektiv gefördert, sondern auch zu erkennen gegeben hat, dass sie sich - noch über den Tod der anderen Mitglieder hinaus - mit deren Ideologie identifiziert. Die Rolle der Beschuldigten im Zusammenhang mit der Beschaffung der auf "H. Ge. " lautenden Reisepässe und ihre Mitwirkung bei Geldgeschäften geht im Einzelnen aus den Aussagen des H. Ge. vom 25. November 2011, 1. Dezember 2011 und 12. Januar 2012 hervor. Die Zeugin M. Ar. hat bei einer Wahllichtbildvorlage die Beschuldigte als Begleiterin des "H. Ge. " bei der Anmietung und Abholung des beim Banküberfall benutzten Wohnmobils wiedererkannt. Was die Versendung der DVDs betrifft, belegen zunächst die Aussagen der in der Nachbarschaft wohnenden Zeugen U. H. , A. H. und J. Ma. , dass die Beschuldigte das Gebäude F. straße nach der ersten Explosion mit zwei Katzenkörben in der Hand verließ, die Körbe abstellte und sich dann zu Fuß entfernte. Ermittlungen des Bundeskriminalamts bei der Post haben sodann ergeben, dass sechs der versandten DVDs am 6. November 2011 im Briefzentrum 4 in Leipzig abgefertigt worden waren und sich somit unter den ab dem Abend des 5. November 2011 - nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos - in Briefkästen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eingeworfenen Sendungen befunden hatten.
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2. Es besteht jedenfalls der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO). Nach den Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne den Vollzug der Untersuchungshaft die alsbaldige Ahndung und Aufklärung der Taten gefährdet wäre (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN). Die Beschuldigte muss wegen der ihr im Haftbefehl vorgeworfenen Taten schon aufgrund der gesetzlichen Strafandrohungen mit mehrjährigem Freiheitsentzug rechnen. Auch wenn sich die Beschuldigte am 8. November 2011 freiwillig der Polizei gestellt hat, besteht weiterhin Anlass zur Besorgnis , dass sie, auf freien Fuß gesetzt, den von dieser hohen Straferwartung ausgehenden, nicht unerheblichen Fluchtanreizen schließlich nachgeben wird. Über ausreichende soziale Bindungen, die dem verlässlich entgegenwirken könnten, verfügt die Beschuldigte nicht. Sie ist nunmehr ohne festen Wohnsitz; zu ihrer Mutter und zu anderer Verwandtschaft unterhielt sie nach den Ermittlungen seit ihrem Untertauchen 1998 keine Kontakte mehr. Wie bereits das Tatgeschehen zeigt, sind ihr ein Leben im Untergrund und die Verschleierung der eigenen Identität durch Verwendung falscher Personalien nicht fremd. So äußerte sie anlässlich einer polizeilichen Vernehmung am 8. November 2011, schon lange nicht mehr mit ihrem wahren Namen unterschrieben zu haben und auf die Nennung ihres Vornamens kaum noch zu reagieren. Angesichts dessen kann der Zweck der Untersuchungshaft auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
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3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
Becker Hubert Mayer

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a

1.
einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,
2.
in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder
3.
das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.