Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2012 - 5 StR 511/12


Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes (in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung ) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge umfassenden Erfolg.
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- 1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
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- a) Der seit früher Jugend vielfach einschlägig vorbestrafte, drogenabhängige Angeklagte überfiel gemeinsam mit einer unbekannt gebliebenen weiblichen Person am 19. Oktober 2010 eine Konsumverkaufsstelle in Leipzig. Sowohl er als auch die Frau hatten sich dabei durch über Mund und Nase gezogene Tücher maskiert; der Angeklagte trug ein weißes „Basecap“, die Frau eine dunkle Kopfbedeckung. Die Ladenangestellten wurden von dem Angeklagten mit einer Spielzeugpistole, von seiner Begleiterin mit einem Küchenmesser bedroht. Er und seine Mittäterin erbeuteten Bargeld in Höhe von rund 7.500 €. Nach der Tat flüchteten sie auf Fahrrädern.
- 4
- b) Das Landgericht hat die Täterschaft des Angeklagten, der die Tat bestreitet und sich in der Hauptverhandlung nicht geäußert hat, aufgrund folgender Umstände für erwiesen erachtet:
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- Nach Aussage des unbeteiligten Zeugen L. , der das Tatgeschehen und die Flucht der Täter von der Straße aus beobachtet hat, trug der Täter ein weißes Basecap. Ein solches wurde bei der Umfeldabsuche unmittelbar nach der Tat durch Polizeibeamte auf dem vermutlichen Fluchtweg der Täter in der Mitte einer Straße gefunden; trotz Nässe war es unverschmutzt. An dem Basecap dominierten DNA-Spuren, die dem Angeklagten zuzuordnen waren. Es fanden sich indes auch Spuren von zwei weiteren Personen, einer männlichen und einer weiblichen, die nicht zugeordnet werden konnten.
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- Das Basecap roch auch in der Hauptverhandlung noch nach „Damenparfüm“. Die Zeugin F. , eine der Ladenangestellten, hat bekundet, dass der Täter nach Damenparfüm „wie darin gebadet“ gerochen habe (UA S. 27). Die Zeugin W. , bei der der Angeklagte zum Tatzeitpunkt wohnte, hat bekundet, dass er sich mit ihrem Parfüm („Jil Sander Sun Woman“) gern „regelrecht eingedieselt habe“ (UA S. 27 f.). Der Duft an der Kappe wurde von der Zeugin und der Strafkammer „aus eigener Sachkunde“ identifiziert, da die Berichterstatterin das Parfüm in der Vergangenheit selbst benutzt und den Geruch am Basecap wiedererkannt habe.
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- Insgesamt gelangt die Strafkammer zu dem Schluss, dass es höchst unwahrscheinlich sei und jeglicher Lebenserfahrung widerspreche, „dass der zweite Mann, dessen DNA am Basecap nachgewiesen wurde, ebenso wie der Angeklagte, Damenparfüm benutzte, dieses auch am Tattag verwendete und ein weißes Basecap trug, welches zudem auch vom Angeklagten getragen worden war. Die DNA-Spur des Angeklagten auf dem nach einem Da- menparfüm riechenden unmittelbar nach der Tat auf dem Fluchtweg gefundenen Basecap, die Beobachtungen des Zeugen L. , dass der Täter ein weißes Basecap trug und die Reaktion der Zeugin W. lässt hier nach Überzeugung der Kammer einzig den Schluss zu, dass der Angeklagte Täter des Überfalls auf die Konsumverkaufsstelle war“ (UA S. 28).
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- 2. Bereits der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen der Strafkammer zur Täterschaft des Angeklagten beruhen auf einer lückenhaften Beweiswürdigung.
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- Das Landgericht hat nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass zwar die meist vom Angeklagten getragene Kappe den von der Zeugin F. wahrgenommenen Duft verströmte, jedoch bei der Tat von einem anderen Mann getragen wurde. Diese Möglichkeit war angesichts der Tatsache nicht völlig fernliegend, dass der Angeklagte nicht der einzige Träger der Kappe war und – wie sich aus der Schilderung der einigen seiner Vorstrafen zugrunde liegenden Sachverhalte ergibt – im kriminellen Milieu verkehrte.
- 10
- Für den Ausschluss dieser Möglichkeit konnte der in der Beweiswürdigung der Strafkammer aufgeführten DNA-Mischspur an einer Plastiktüte entscheidende Bedeutung zukommen, die in dem überfallenen Geschäft aufgefunden und den Tätern zugeordnet wurde. Nach den im Urteil zitierten Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen war an der Plastiktüte eine Mischspur nachweisbar, für die der Angeklagte als Mitverursacher „nicht auszuschließen“ ist (UA S. 26). Dies weist darauf hin, dass von der Sachver- ständigen eine eindeutige Entscheidung zwischen Einschluss und Ausschluss des Angeklagten als Spurenverursacher nicht vorgenommen wurde. Die Strafkammer durfte deshalb nicht – wie geschehen – ohne weiteres als Indiz für dessen Täterschaft werten, dass an dem Beutel „in einer Mischspur die DNA des Angeklagten nachgewiesen werden konnte“ (UA S. 26).
- 11
- Angesichts der Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit der Beweiswürdigung können die Feststellungen des Landgerichts zur Täterschaft des Angeklagten und mithin der Schuldspruch keinen Bestand haben.
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- 3. Für den Fall, dass auch das neue Tatgericht eine Täterschaft des Angeklagten für erwiesen erachtet, weist der Senat auf Folgendes hin:
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- Gegenüber dem vollendeten besonders schweren Raub tritt die tateinheitlich verwirklichte versuchte besonders schwere räuberische Erpressung , die auf denselben Gegenstand gerichtet war, als mitbestrafte Vortat zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2004 – 4 StR 554/03 mwN).
- 14
- Das neue Tatgericht wird eine Gesamtstrafenbildung mit der unter I.19 des angefochtenen Urteils genannten Verurteilung vorzunehmen haben.
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- Bei erneuter Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird zu prüfen sein, ob eine Entscheidung über die Reihenfolge der Vollstreckung nach § 67 Abs. 2 und 5 StGB zu treffen ist. Insoweit wird auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Oktober 2012 Bezug genommen.


Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.