Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2012 - 5 StR 511/12

bei uns veröffentlicht am07.11.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 511/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 26. Juni 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes (in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung ) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge umfassenden Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der seit früher Jugend vielfach einschlägig vorbestrafte, drogenabhängige Angeklagte überfiel gemeinsam mit einer unbekannt gebliebenen weiblichen Person am 19. Oktober 2010 eine Konsumverkaufsstelle in Leipzig. Sowohl er als auch die Frau hatten sich dabei durch über Mund und Nase gezogene Tücher maskiert; der Angeklagte trug ein weißes „Basecap“, die Frau eine dunkle Kopfbedeckung. Die Ladenangestellten wurden von dem Angeklagten mit einer Spielzeugpistole, von seiner Begleiterin mit einem Küchenmesser bedroht. Er und seine Mittäterin erbeuteten Bargeld in Höhe von rund 7.500 €. Nach der Tat flüchteten sie auf Fahrrädern.
4
b) Das Landgericht hat die Täterschaft des Angeklagten, der die Tat bestreitet und sich in der Hauptverhandlung nicht geäußert hat, aufgrund folgender Umstände für erwiesen erachtet:
5
Nach Aussage des unbeteiligten Zeugen L. , der das Tatgeschehen und die Flucht der Täter von der Straße aus beobachtet hat, trug der Täter ein weißes Basecap. Ein solches wurde bei der Umfeldabsuche unmittelbar nach der Tat durch Polizeibeamte auf dem vermutlichen Fluchtweg der Täter in der Mitte einer Straße gefunden; trotz Nässe war es unverschmutzt. An dem Basecap dominierten DNA-Spuren, die dem Angeklagten zuzuordnen waren. Es fanden sich indes auch Spuren von zwei weiteren Personen, einer männlichen und einer weiblichen, die nicht zugeordnet werden konnten.
6
Das Basecap roch auch in der Hauptverhandlung noch nach „Damenparfüm“. Die Zeugin F. , eine der Ladenangestellten, hat bekundet, dass der Täter nach Damenparfüm „wie darin gebadet“ gerochen habe (UA S. 27). Die Zeugin W. , bei der der Angeklagte zum Tatzeitpunkt wohnte, hat bekundet, dass er sich mit ihrem Parfüm („Jil Sander Sun Woman“) gern „regelrecht eingedieselt habe“ (UA S. 27 f.). Der Duft an der Kappe wurde von der Zeugin und der Strafkammer „aus eigener Sachkunde“ identifiziert, da die Berichterstatterin das Parfüm in der Vergangenheit selbst benutzt und den Geruch am Basecap wiedererkannt habe.
7
Insgesamt gelangt die Strafkammer zu dem Schluss, dass es höchst unwahrscheinlich sei und jeglicher Lebenserfahrung widerspreche, „dass der zweite Mann, dessen DNA am Basecap nachgewiesen wurde, ebenso wie der Angeklagte, Damenparfüm benutzte, dieses auch am Tattag verwendete und ein weißes Basecap trug, welches zudem auch vom Angeklagten getragen worden war. Die DNA-Spur des Angeklagten auf dem nach einem Da- menparfüm riechenden unmittelbar nach der Tat auf dem Fluchtweg gefundenen Basecap, die Beobachtungen des Zeugen L. , dass der Täter ein weißes Basecap trug und die Reaktion der Zeugin W. lässt hier nach Überzeugung der Kammer einzig den Schluss zu, dass der Angeklagte Täter des Überfalls auf die Konsumverkaufsstelle war“ (UA S. 28).
8
2. Bereits der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen der Strafkammer zur Täterschaft des Angeklagten beruhen auf einer lückenhaften Beweiswürdigung.
9
Das Landgericht hat nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass zwar die meist vom Angeklagten getragene Kappe den von der Zeugin F. wahrgenommenen Duft verströmte, jedoch bei der Tat von einem anderen Mann getragen wurde. Diese Möglichkeit war angesichts der Tatsache nicht völlig fernliegend, dass der Angeklagte nicht der einzige Träger der Kappe war und – wie sich aus der Schilderung der einigen seiner Vorstrafen zugrunde liegenden Sachverhalte ergibt – im kriminellen Milieu verkehrte.
10
Für den Ausschluss dieser Möglichkeit konnte der in der Beweiswürdigung der Strafkammer aufgeführten DNA-Mischspur an einer Plastiktüte entscheidende Bedeutung zukommen, die in dem überfallenen Geschäft aufgefunden und den Tätern zugeordnet wurde. Nach den im Urteil zitierten Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen war an der Plastiktüte eine Mischspur nachweisbar, für die der Angeklagte als Mitverursacher „nicht auszuschließen“ ist (UA S. 26). Dies weist darauf hin, dass von der Sachver- ständigen eine eindeutige Entscheidung zwischen Einschluss und Ausschluss des Angeklagten als Spurenverursacher nicht vorgenommen wurde. Die Strafkammer durfte deshalb nicht – wie geschehen – ohne weiteres als Indiz für dessen Täterschaft werten, dass an dem Beutel „in einer Mischspur die DNA des Angeklagten nachgewiesen werden konnte“ (UA S. 26).
11
Angesichts der Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit der Beweiswürdigung können die Feststellungen des Landgerichts zur Täterschaft des Angeklagten und mithin der Schuldspruch keinen Bestand haben.
12
3. Für den Fall, dass auch das neue Tatgericht eine Täterschaft des Angeklagten für erwiesen erachtet, weist der Senat auf Folgendes hin:
13
Gegenüber dem vollendeten besonders schweren Raub tritt die tateinheitlich verwirklichte versuchte besonders schwere räuberische Erpressung , die auf denselben Gegenstand gerichtet war, als mitbestrafte Vortat zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2004 – 4 StR 554/03 mwN).
14
Das neue Tatgericht wird eine Gesamtstrafenbildung mit der unter I.19 des angefochtenen Urteils genannten Verurteilung vorzunehmen haben.
15
Bei erneuter Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird zu prüfen sein, ob eine Entscheidung über die Reihenfolge der Vollstreckung nach § 67 Abs. 2 und 5 StGB zu treffen ist. Insoweit wird auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Oktober 2012 Bezug genommen.
Basdorf Schneider Dölp König Bellay

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2004 - 4 StR 554/03

bei uns veröffentlicht am 22.01.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 554/03 vom 22. Januar 2004 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. Januar 2004 gemäß

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 554/03
vom
22. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Januar 2004 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 14. Juli 2003 dahin geändert, daß 1. der Angeklagte des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Diebstahl, der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, des Vortäuschens einer Straftat sowie des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig ist, 2. die wegen Diebstahls verhängte Einzelfreiheitsstrafe entfällt.
II. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
III. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tat- einheit mit versuchter räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung , Diebstahls, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, Vortäuschens einer Straftat und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es gegen ihn eine Maßregel nach § 69 a StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit der Angeklagte wegen versuchter räuberischer Erpressung und wegen tatmehrheitlich begangenen Diebstahls verurteilt worden ist; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen holten der Angeklagte und zwei unbekannt gebliebene Mittäter den aus Frankreich zum Kauf eines Gebrauchtwagens angereisten Al O. und dessen Begleiter Al Ot. mit einem Pkw vom Flughafen ab. Das Fahrzeug wurde von einem der beiden Mittäter gelenkt, Al O. saß auf dem Beifahrersitz, der Angeklagte, der weitere Mittäter und Al Ot. auf der Rücksitzbank. Als Al Ot. während eines Halts das Fahrzeug kurzfristig verlassen hatte, fuhr der das Fahrzeug lenkende Mittäter plötzlich ohne Al Ot. los. Entsprechend ihrer vorgefaßten Absicht wollten der Angeklagte und seine Mittäter einerseits sich das Gepäck des zurückgelassenen Al Ot. zueignen und anderseits Al O. im weiteren Verlauf der Fahrt zur Herausgabe von 1.000 Euro veranlassen. Da Al O. auch auf die Drohung, „sonst sei er tot“, die Zahlung der 1.000 Euro verweigerte und durch Ziehen der Handbremse versuchte, das Fahrzeug anzuhalten, hielt ihn der Angeklagte von hinten an den Armen fest, während der neben ihm auf der Rückbank sitzende Mittäter auf
Al O. mit einem Radmutterschlüssel einschlug, um seine Gegenwehr zu un- terbinden und die Geldforderung zu unterstreichen. Anschließend durchsuchte der Mittäter das Gepäck des Al O. und fand dort zwei Umschläge mit ca. 26.500 Euro, die der Angeklagte und seine Mittäter aufgrund eines – nunmehr gefaßten – Tatentschlusses insgesamt für sich behielten.
2. Danach ist zwar die wegen schweren Raubes erfolgte Verurteilung rechtlich nicht zu beanstanden, da zum Zeitpunkt der Fassung des Raubvorsatzes und der Wegnahme des Geldes die zuvor ausgeübte Gewalt ersichtlich andauerte und fortwirkte (vgl. BGHSt 20, 32; BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 3). Jedoch tritt gegenüber dem vollendeten schweren Raub die tateinheitlich verwirklichte versuchte (schwere) räuberische Erpressung, die auf denselben Gegenstand, nämlich einen Teilbetrag des schließlich durch den Raub erbeuteten Geldbetrages gerichtet war, als mitbestrafte Vortat zurück (vgl. BGH NJW 1967, 60, 61; Senatsbeschluß vom 21. Oktober 1997 - 4 StR 464/97; Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 253 Rdn. 31). Keinen Bestand kann auch die Annahme von Tatmehrheit zwischen dem Diebstahl des Gepäcks und dem Raubgeschehen haben, da beide Taten auf einem einheitlichen Tatentschluß beruhen und die auf die Erlangung des Gepäcks des Al Ot. und des Geldes des Al O. gerichteten Betätigungsakte räumlich und örtlich derart eng zusammenhängen, daß sie bei natürlicher Betrachtungsweise rechtlich eine Handlung bilden (vgl. hierzu Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. vor § 52 Rdn. 2 a m.w.N.). Daß das Landgericht eine Strafbarkeit nach § 316 a StGB verneint hat (vgl. zum Angriff auf einen Mitfahrer Senatsurteil vom 20. November

2003

4 StR 250/03), beschwert den Angeklagten hingegen nicht.
3. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der wegen Diebstahls verhängten Einzelstrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe. Dies erfordert jedoch nicht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat schließt aus, daß das Landgericht allein aufgrund der geänderten Konkurrenzverhältnisse auf eine niedrigere Gesamtstrafe und im Fall II 1. der Urteilsgründe (Taten zum Nachteil der Geschädigten Al O. und Al Ot. ) auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte.
Da das Rechtsmittel nur unwesentlichen Erfolg hat, erscheint es nicht unbillig, den Beschwerdeführer in vollem Umfang mit den Kosten und notwendigen Auslagen zu belasten.
Vorsitzende Richterin am Bun- Maatz Athing desgerichtshof Dr. Tepperwien ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Maatz

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.