Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2012 - 5 StR 510/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
- 2
- 1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
- 3
- Der Leipziger Drogenhändler A. H. bestellte am 15. Oktober 2010 telefonisch bei M. 10 kg Heroin guter und weitere 10 kg schlechter Qualität. Am Abend des 19. Oktober 2010 teilte M. dem Käu- fer mit, dass das Rauschgift um 0.30 Uhr des folgenden Tages in Braunschweig am Hauptbahnhof übergeben werde. A. H. rief sogleich seinen bei dem Angeklagten seit Sommer 2010 wohnenden Bruder I. an und bestellte diesen und den Angeklagten zum Leipziger Hauptbahnhof. Die beiden Männer fuhren nach Braunschweig und wurden dort nach Übernahme von 8 kg Heroin (126 g HHC) und 9 kg Streckmittel festgenommen.
- 4
- Die wegen dieser Tat nach Verständigungen gemäß § 257c StPO zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren und zehn Monaten bzw. sechs Jahren und acht Monaten verurteilten A. und I. H. haben sich in ihren Strafverfahren dahingehend eingelassen, dass das Rauschgift nach dessen Transport nach Leipzig dort gemeinsam mit dem Angeklagten hätte gewinnbringend weiterverkauft werden sollen (UA S. 14 f.).
- 5
- Das Landgericht hat sich dieser Einlassungen durch Vernehmung der jeweiligen richterlichen Berichterstatter als Zeugen versichert und aus Bekundungen des Angeklagten und der Gebrüder H. in neun zwischen dem 31. August und dem 4. Oktober 2010 geführten Telefongesprächen (UA S. 16 bis 27) auf einen Vorsatz des – einen solchen bestreitenden – Angeklagten , auf eine frühere unerlaubte Handelstätigkeit des Angeklagten mit Heroin sowie auf dessen Bandenmitgliedschaft geschlossen.
- 6
- 2. Allein Letzteres ist sachlichrechtlich fehlerhaft.
- 7
- Das Landgericht hat es unterlassen, die in den Gesprächen beschriebenen illegalen Handelstätigkeiten des Angeklagten unter dem Aspekt eines sich aufdrängenden alternativen Geschehensablaufs (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt) – hier einer Rolle des Angeklagten als selbstständiger Rauschgifthändler und mithin als Abnehmer der Gebrüder H. – zu bewerten. Solches hätte der Annahme einer aus drei Mitgliedern gebildeten Händlerbande entgegengestanden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2007 – 4 StR 612/06, BGHR BtMG § 30a Bande 11 mwN).
- 8
- Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Pflicht des Angeklagten, Vorauszahlungen zu leisten (UA S. 17), die häufig beklagten Zahlungsrückstände des Angeklagten (UA S. 18, 21, 22, 23, 25) sowie die vom Angeklagten selbstständig begründete und weitergeführte, den Gebrüdern H. unbekannt gebliebene Geschäftsbeziehung zu Mu. (UA S. 23). Auch der Umstand, dass der Angeklagte „zu viel quatsche“ und dass ihm nicht vertraut werden sollte (UA S. 21), hätte als gegen eine Bandenmitgliedschaft sprechend erwogen werden müssen.
- 9
- 3. Die Sache bedarf demnach hinsichtlich eines möglichen bandenmäßigen Handeltreibens des Angeklagten gemäß § 30a Abs. 1 BtMG neuer Aufklärung und Bewertung.
- 10
- Es wird zu erwägen sein, ob die Gebrüder H. und der Angeklagte wegen des Bestrebens des A. H. , sich aus dem Rauschgiftgeschäft zurückzuziehen (UA S. 16), sich vor der verfahrensgegenständlichen Tat auf eine gewisse Dauer für die Zeit nach dieser Tat zur Begehung illegalen Betäubungsmittelhandels verbunden haben (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 161). Zu bemerken ist ferner, dass den Feststellungen bisher hinsichtlich eines Großtransports von Rauschgift nach Leipzig und dessen dort nachfolgenden Vertriebs kein wiederholtes deliktisches Zusammenwirken zu entnehmen ist, was Grundlage einer stillschweigenden Bandenübereinkunft sein könnte (vgl. BGHSt aaO S. 162).
- 11
- Sollte die neue Beweiswürdigung keine selbstständige Stellung des Angeklagten, sondern eine Rolle als Rauschgiftverteiler an Zwischenhändler und als Kassierer für die Gebrüder H. ergeben, kommt die Annahme einer Bande als deliktische Gruppierung auf arbeitsteiliger Grundlage in Be- tracht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2002 – 4 StR 281/01, BGHR BtMG § 30a Bande 10).
- 12
- Könnte eine – freilich ein selbstständiges Tätigwerden des Angeklagten voraussetzende – Sammelbestellung des Angeklagten festgestellt werden , worauf das Landgericht in seiner Subsumtion freilich ohne Beleg auch abhebt (UA S. 32), ist die Annahme einer bandenmäßigen Verbindung bei Feststellbarkeit geplanten regelmäßigen arbeitsteiligen Vorgehens zur jeweiligen Erzielung eines Teilumsatzes denkbar (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. November 1997 – 2 StR 359/97, BGHR BtMG § 30a Bande 8; dazu erläuternd Weber BtMG, 3. Aufl., § 30 Rn. 42).
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.