Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 440/15
vom
24. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2015 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Neuruppin vom 8. Juni 2015, soweit es ihn betrifft, mit den
Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bandenmäßigen Handel- treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im minder schweren Fall“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
Die Urteilsgründe verhalten sich zu der erforderlichen Abgrenzung zwischen den Beteiligungsformen (Mit-)Täterschaft und Beihilfe nicht (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 24. April 2014 – 5 StR 123/14), obwohl hierzu nach den Feststellungen Anlass bestanden hätte. Denn danach erschöpften sich die Tatbeiträge des Angeklagten in der Tätigkeit als Kurier und in der Lagerung von Betäubungsmitteln. Als Gegenleistung erhielt er Betäubungsmittel für den Ei- genbedarf. Es hätte deshalb erörtert werden müssen, weshalb das Tatgericht zu einer Bewertung des Verhaltens des Angeklagten als mittäterschaftlich gelangt ist. Davon war es auch aufgrund der getroffenen Verfahrensabsprache gemäß § 257c StPO ebenso wenig entbunden wie von einer hinreichenden Beweiswürdigung. Desgleichen wird die Bandenmitgliedschaft des Angeklagten durch die Feststellungen nicht belegt. Einzelheiten zur Bandenabrede teilt das Urteil nicht mit. Auch insoweit ist dem Senat die Prüfung verwehrt, ob das Landgericht von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
4
Angesichts der ungemein knappen landgerichtlichen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass das neue Tatgericht zu Feststellungen gelangt, die eine bandenmäßige und (mit-)täterschaftliche Einbindung des Angeklagten in die Tatausführung belegen.
5
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass eine strafschärfende Berücksichtigung nicht angeklagter Taten nur dann erfolgen darf, wenn sie prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festge- stellt werden und zur tatgerichtlichen Überzeugung feststehen (vgl. BGH, Be- schluss vom 22. Juli 2015 – 2 StR 214/15 mwN).
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR123/14
vom
24. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. April 2014 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2013 wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie der mittelbaren Falschbeurkundung schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Sie führt jedoch zu einer Berichtigung des Schuldspruchs.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beteiligte sich der Angeklagte zusammen mit mindestens fünf weiteren Personen an der Abwicklung eines Geschäfts über 36 Kilogramm Kokain. Der Angeklagte bewirkte über niederländische Kontaktleute den Umbau eines Schmuggelfahrzeugs für den Transport des aus Brasilien per Flugzeug in die Schweiz verbrachten Kokains nach Deutschland und zeigte den früheren Mitangeklagten Y. und T. vor Antritt der Fahrt in die Schweiz die Zugänge zu den in das Fahrzeug eingebauten Hohlräumen. Schließlich begleitete er das von T. gelenkte Schmuggelfahrzeug mit einem anderen Pkw in die Schweiz. Dort traf er sich mit dem früheren Mitangeklagten D. , der das Kokain am Flughafen in Genf von dem Kurier R. übernommen hatte, öffnete die Hohlräume des Schmuggelfahrzeugs in der Tiefgarage eines Hotels und war dort während des von T. vorgenommenen Einbaus der Kokainpäckchen in die Hohlräume zugegen, wobei er „im Wesentlichen Aufpasserdienste“ leistete (UA S. 27). An- schließend wurde er von D. über die Grenze nach Deutschland gebracht. Nachdem die anderen sodann mit dem Schmuggelfahrzeug und einem von D. geführten, zur Absicherung vorausfahrenden weiteren Fahrzeug die deutsch-schweizerische Grenze passiert hatten, nahm D. den Angeklagten wieder auf und fuhr mit ihm nach Berlin. Aufgrund von Telefonüberwachungsmaßnahmen und einer Innenraumüberwachung des Schmuggelfahrzeugs konnte das Landeskriminalamt den Transport mitverfolgen und das Schmuggelfahrzeug mitsamt dem noch darin befindlichen Kokain alsbald sicherstellen sowie den Angeklagten und seine Mittäter festnehmen.
3
Obwohl sich der Angeklagte wenige Tage vor dem Kokaintransport von Brasilien in die Schweiz in Brasilien aufhielt, vermochte das Landgericht keine näheren Feststellungen dazu zu treffen, inwieweit er in die Planung des Rauschgiftgeschäfts und die Beschaffung des aus Brasilien stammenden Kokains eingebunden war. Die Strafkammer hat sich aber davon überzeugt, dass der Angeklagte ein erhebliches – wie sich von selbst versteht auch finanzielles – Eigeninteresse an der Tatausführung hatte und jedenfalls in die Absprachen über den Transport des Rauschgifts von der Schweiz nach Deutschland einge- bunden war. Hiervon ausgehend hat sie den Angeklagten aufgrund der „ge- wichtigen Tatbeiträge“, des eigenen Tatinteresses, von dem aufgrund des ein- gegangenen Risikos auszugehen sei, und seines durch „gleichberechtigtes, Tatherrschaft ausstrahlendes Handeln“ gekennzeichneten Verhaltens (UA S. 112) als Mittäter des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angesehen. In Bezug auf die zugleich verwirklichte Einfuhr hat sie hingegen ohne nähere Begründung lediglich Beihilfe angenommen.
4
2. Die Rüge einer Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO greift jedenfalls aus folgenden Gründen nicht durch: Nach dem Revisionsvorbringen des Beschwerdeführers haben in Bezug auf seine Person keinerlei Verständigungsgespräche stattgefunden. Der Senat vermag nicht zu erkennen, wie sich eine Kenntnis des Angeklagten von etwaigen Verständigungsbemühungen mit den Mitangeklagten, zu denen er nichts Konkretes vorträgt, auf seine Verteidigungsmöglichkeiten und sein Verteidigungsverhalten hätte auswirken sollen.
5
3. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; jedoch war der Schuldspruch zu berichtigen.
6
Das rechtsfehlerfrei festgestellte Verhalten des Angeklagten erfüllt die Voraussetzungen einer Mittäterschaft sowohl in Bezug auf den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als auch hinsichtlich des Tatbestandes der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG.
7
a) Ob die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe zu bewerten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Mittä- ter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Tatbeitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein solches enges Verhältnis des Beteiligten zur Tat besteht, ist nach den gesamten Umständen in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft in dem Sinne sein, dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Angeklagten abhängen (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 – 5 StR 606/12, NStZ 2013, 549, und Urteil vom 10. April 2013 – 2 StR 604/12).
8
Bei einer Bewertung von Transporttätigkeit eines Beteiligten an Rauschgiftgeschäften kommt es für die Frage, ob täterschaftliches Handeltreiben angenommen werden muss, nicht entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses isolierten Teilakts des Umsatzgeschäfts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Mittäterschaftliches Handeltreiben wird daher vor allem dann in Betracht kommen, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, etwa am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll (BGH, Urteil vom 10. April 2013 – 2 StR 604/12 mwN, und Beschluss vom 19. März 2009 – 4 StR 20/09, NStZ- RR 2009, 254).
9
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Landgericht das Verhalten des Angeklagten zu Recht nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Mittäterschaft bewertet. Hierbei durfte es neben den zutreffend als gewichtig bezeichneten Tatbeiträgen auch den Umstand heranziehen, dass der Angeklagte ein erhebliches Eigeninteresse an der Tat hatte und über eine maßgebliche Tatherrschaft verfügte. Zwar konnte die Strafkammer insoweit keinerlei konkrete Feststellungen über die Höhe einer finanziellen Beteiligung des Angeklagten treffen; gleiches gilt hinsichtlich seiner Einbindung in die Planung des Erwerbs und des Absatzes des Kokains. Es ist indessen nicht zu beanstanden , wenn sich das Tatgericht auch ohne nähere Konkretisierung aufgrund tragfähiger Indizien die Überzeugung verschafft, der Angeklagte habe mit Erbringung seiner Tatbeiträge „gewichtige Eigeninteressen verfolgt“ (UA S. 111) und „den Tatausgang maßgeblich mitbestimmt“ (UA S. 110). Beides ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe in ausreichendem Maße zu entneh- men. Das „deutliche Tatinteresse“ hat das Landgericht nachvollziehbar mit dem erheblichen Risiko begründet, das der Angeklagte durch die Fahrt in die Schweiz und seine Anwesenheit beim Einbringen des Kokains eingegangen sei, wobei er seinen Beitrag nicht auf das Minimum dessen beschränkt habe, wofür seine Hilfe benötigt wurde (UA S. 111), was wiederum auf ein Eigeninteresse am Erfolg des Gesamtgeschäfts hinweist. Hinsichtlich der Tatplanung hat das Landgericht zum einen konkret festgestellt, dass sich der Angeklagte neben D. und dem weiteren früheren Mitangeklagten Y. , für den zumindest 13 der 36 Kilogramm Kokain bestimmt waren, an den Überlegungen zum Transport von der Schweiz nach Deutschland beteiligt hat (vgl. UA S. 25). Zum anderen hat es in vertretbarer Weise angenommen, aus den Umständen des Aufenthalts des Angeklagten in der Schweiz, insbesondere seiner Verabredung des Treffens mit D. und seinem detaillierten Informationsstand, folge eine – wenngleich nicht näher aufklärbare – besondere Einbindung in die Abspra- chen über die Abwicklung des Geschäfts. Ausgehend hiervon ist sowohl ein eigenes Interesse des Angeklagten am Schicksal des Gesamtgeschäfts als auch die Annahme einer gleichberechtigt verabredeten, arbeitsteiligen Durchführung des Umsatzgeschäfts hinreichend belegt, so dass die Annahme von Mittäterschaft auch in Ansehung des Umstands gerechtfertigt ist, dass sich die konkreten Tathandlungen des Angeklagten lediglich auf den Transport des Rauschgifts bezogen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. März 2014 – 3 StR 375/13 – und vom 24. April 2013 – 5 StR 135/13, NStZ 2013, 549).
10
b) Die vorstehenden Erwägungen greifen ebenso in Bezug auf die tateinheitlich verwirklichte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Tatbestand der Einfuhr erfordert nicht, dass der Täter das Betäubungsmittel eigenhändig über die Grenze bringt. (Mit-)Täter kann vielmehr auch sein, wer das Rauschgift über die Grenze transportieren lässt (BGH, Beschluss vom 1. September 2004 – 2 StR 353/04, NStZ 2005, 229). Insoweit gelten die dargestellten Kriterien zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe prinzipiell in gleicher Weise. Gründe, den – gerade wesentlich auf den Transport des Kokains über die schweizerisch-deutsche Grenze gerichteten – Tatbeitrag des Angeklagten in Bezug auf die Einfuhr etwa anders als hinsichtlich des Handeltreibens lediglich als Beihilfe zu bewerten, sind nicht ersichtlich. Zur Vermeidung eines irreführenden Schuldspruchs ändert der Senat diesen entsprechend ab. An einer Schuldspruchverschärfung ist er durch das Verschlechterungsverbot nicht gehindert.
11
c) Wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 17. März 2014 zutreffend ausgeführt hat, lassen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler erkennen. Eine Verletzung des aus § 46 Abs. 3 StGB folgenden Doppelverwertungsverbots liegt nicht vor.
Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist mit hinreichender Deutlich- keit zu entnehmen, dass das Landgericht mit der Erwähnung der „gewichtigen Tatbeiträge“ des Angeklagten lediglich ein die angeführten strafschärfenden Umstände schmälerndes geringes Gewicht seiner Tatbeteiligung verneint hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Andererseits weist der Senat vorsorglich im Blick auf die Revision der Staatsanwaltschaft darauf hin, dass ungeachtet der höheren Mindeststrafe des § 30 Abs. 1 BtMG auszuschließen ist, dass der Einzelstrafausspruch wegen des Betäubungsmittelverbrechens bei zutreffender Beurteilung höher ausgefallen wäre: Der vom Tatgericht festgestellte , im Rahmen des gesamten Tatgefüges begrenzte Unrechtsgehalt bleibt unverändert; an der Mindeststrafe hat sich das Landgericht nicht orientiert.
Basdorf Schneider Dölp
Berger Bellay

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR214/15
vom
22. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu Ziffer 3. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am
22. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 26. Januar 2015 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
3
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht hat sowohl bei der Prüfung und Verneinung der Frage, ob ein minder schwerer Fall nach § 176a Abs. 4 StGB vorläge, als auch bei der Zumessung sämtlicher Einzelstrafen berücksichtigt, dass "über die konkretisierbaren vier Taten hinaus weitere sexuelle Handlungen stattgefunden haben" (UA S. 29); andererseits hat es den Angeklagten hinsichtlich dreizehn weiterer angeklagter Fälle aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil sich die Strafkammer "nicht mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit davon überzeugen (konnte), dass die Taten so, wie sie durch die Anklage konkretisiert worden sind, stattgefunden haben" (UA S. 32).
4
Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht unzulässig , bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte noch weitere - bisher nicht abgeurteilte - Straftaten begangen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 1991 - 4 StR 138/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14 mwN). Allerdings müssen solche Taten - wie jeder für die Strafzumessung erhebliche Umstand - prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden und zur Überzeugung des Tatrichters feststehen (Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, juris Rn. 23; Beschluss vom 18. März 2015 - 2 StR 54/15, NStZ-RR 2015, 207; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 40 f. mwN).
5
Hier hat das Landgericht bereits selbst erklärt, dass es sich nicht von weiteren angeklagten Straftaten überzeugen konnte; es bleibt demnach offen, ob, welche und wie viele Straftaten der Angeklagte über die hier abgeurteilten vier Taten hinaus noch begangen haben soll. Dies lässt eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten besorgen.
6
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch insgesamt auf der rechtsfehlerhaften Erwägung beruht; die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe können deshalb nicht bestehen bleiben. Fischer Eschelbach Ott Zeng Ri'inBGH Dr. Bartel ist an der Unterschrift gehindert. Fischer