Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2012 - 5 StR 391/12

bei uns veröffentlicht am28.08.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 391/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. August 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29. März 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben. Damit entfällt der Ausspruch über den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe vor der Maßregel.
Im Übrigen wird die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen“ (besonders) schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 – 3 StR 145/91, BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 7) unterliegt es durchgreifenden rechtlichen Be- denken, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB verneint hat. Die insoweit vom Landgericht angestellten Erwägungen sind lückenhaft, da naheliegende, sich aufdrängende Gesichtspunkte nicht erkennbar bedacht worden sind.
3
a) Das Landgericht kommt zum Ergebnis, dass die „gesamte Tataus- führung einschließlich aller subjektiven Momente“ vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle nicht in einem so erheblichen Maße abweiche , dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB geboten wäre. Zur Begründung stellt es darauf ab, dass der Angeklag- te und der gesondert Verfolgte „aufgrund eines entsprechend gefassten Tat- plans in den frühen Morgenstunden im Dunkeln unter Verwendung einer – funktionsunfähigen – Gaspistole und eines scharfen Messers gezielt ein Opfer in einer menschenleeren Straße ausgesucht und die Beute sodann unter Einsatz des Messers noch gesichert“ hätten, wobei der Geschädigte durch den Einsatz des Messers leicht verletzt wurde (UA S. 9). Auch wenn die Beute vergleichsweise gering und die Tat für das Opfer ohne bleibende Folgen sei, erscheine bei diesem „Tatzuschnitt“ die Anwendung des Regel- strafrahmens auf den vorgeahndeten Angeklagten geboten.
4
b) Die Jugendkammer hat damit im Wesentlichen auf das Gewicht des äußeren Tatgeschehens abgestellt. Sie hat dabei nicht erkennbar berücksichtigt , dass der Angeklagte, der die Tat zur Finanzierung seiner Drogensucht beging, bei ihrer Begehung gerade erst 21 Jahre alt geworden war. Nach jugendstrafrechtlichen Ahndungen, bei denen lediglich Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel verhängt wurden, ist er nunmehr erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zu seinen Gunsten hatte die Jugendkammer , die insoweit keine näheren Feststellungen treffen konnte, davon auszugehen , dass der Angeklagte die eingesetzten Waffen bei der Tat nicht selbst führte; entsprechend der Feststellungen wurden sie ausschließlich von dem – wegen der Tat vom Amtsgericht zu einer im Urteil nicht mitgeteilten Sankti- on verurteilten – Mittäter eingesetzt. Nicht gewürdigt wird auch die vom psy- chiatrischen Sachverständigen festgestellte „intellektuelle Grenzbegabung“ des Angeklagten (UA S. 10), die allein im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten seiner Unterbringung in der Entziehungsanstalt erwähnt wird.
5
2. Im Hinblick auf die rechtsfehlerhafte Strafrahmenwahl ist die Strafe neu zu bemessen. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Die bestehen bleibenden Feststellungen können durch solche, die ihnen nicht widersprechen, ergänzt werden.
6
Der Maßregelausspruch ist rechtsfehlerfrei und kann daher bestehen bleiben. Allerdings zieht die Aufhebung des Strafausspruchs den Wegfall des angeordneten Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe nach sich. Im Hinblick auf die fortdauernde Untersuchungshaft wird er sich aufgrund der zwischenzeitlich weiter vollzogenen Untersuchungshaft wohl erübrigen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – 5 StR 299/10).
7
Da der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat bereits erwachsen war, verweist der Senat, der an die fehlerhafte Verweisung des Jugendschöffengerichts nicht mehr gebunden ist, die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - 5 StR 299/10

bei uns veröffentlicht am 14.10.2010

5 StR 299/10 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 14. Oktober 2010 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2010 beschlosse

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

5 StR 299/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 11. Januar 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Gesamtstrafaussprüchen und im Ausspruch über den Teilvorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregel aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten – unter rechtskräftiger Teilfreisprechung – wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zwei Gesamtfreiheitsstrafen (zwei Jahre – unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem Berufungsurteil des Landgerichts Dresden vom 11. April 2006 – sowie fünf Jahre) verhängt. Das Landgericht hat ferner zwei Monate der ersten Gesamtfreiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet, wobei insgesamt ein Jahr und sechs Monate aus den Gesamtfreiheitsstrafen vorab zu vollstrecken seien. Die Revision des Angeklagten hat lediglich zur (mehrfachen ) Gesamtstrafbildung Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtmittel unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Zu den Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend, insoweit abweichend von der Begründung im Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts :
3
Die auf Verletzung des § 265 Abs. 3 StPO gestützte Verfahrensrüge scheitert an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer hat eine vollständige Mitteilung der zwei Monate vor dem rechtlichen Hinweis erfolgten Verfahrensvorgänge aus der Hauptverhandlung unterlassen (Protokollband Bl. 89), aus denen die Strafkammer bei der Ablehnung des Aussetzungsantrags die genügende Vorbereitung der Verteidigung abgeleitet hat. In der Sache würde der Senat aus § 265 Abs. 3 StPO hier keinen unbedingten Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung herleiten, die im Übrigen nahe liegend mit Abtrennung des Verfahrens in dem allein betroffenen Einzelfall zu verbinden gewesen wäre. Anders als in dem weitaus gewichtigeren Fall des 2. Strafsenats in BGHSt 48, 183 dürfte bei dem hier in Frage stehenden Übergang von § 29a BtMG auf die Qualifikation des § 30a BtMG in einem von mehr als zehn angeklagten Fällen eine angemessene Unterbrechung der Hauptverhandlung in sachgerechter erweiterter Auslegung der Verfahrensvorschrift als ausreichend anzusehen sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 265 Rdn. 37).
4
2. Sachlichrechtlich sind Schuldsprüche, Einzelstrafaussprüche, Strafabschlag und Maßregelausspruch rechtsfehlerfrei. Indes hat die Strafkammer § 55 StGB rechtsfehlerhaft angewendet. Nicht das genannte Berufungsurteil bildete eine Zäsur, sondern das nach Begehung der darin abgeurteilten Taten ergangene Urteil des Amtsgerichts Kamenz vom 25. Mai 2004, hinsichtlich dessen Geldstrafe die Berufungsstrafkammer aber nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von einer Gesamtstrafbildung abgesehen hatte (UA S. 10; vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl. § 55 Rdn. 9a mit Rspr.-Nachw.). An dieser Zäsurwirkung ändern zwischenzeitliche Geldstrafenvollstreckungen mangels Erledigung der Freiheitsstrafe nichts, weil die untereinander gesamtstraffähigen Sanktionen als Einheit zu betrachten sind (BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 325/10). Da später vor Beendigung der gesamten Tatserie gegen den Angeklagten verhängte Geldstrafen nach den Feststellungen erledigt sind (UA S. 12 f.), hätte aus allen Einzelstrafen eine einzige Gesamtfreiheitsstrafe gebildet werden müssen. Es liegt zwar eher fern, dass diese milder ausfallen könnte als die nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nun maßgebliche Obergrenze von sechs Jahren und sieben Monaten (Summe der beiden bislang verhängten Gesamtfreiheitsstrafen abzüglich der Strafe aus dem Berufungsurteil, hinsichtlich dessen rechtsfehlerhaft eine Einbeziehung erfolgt ist und nunmehr ein Widerruf der Strafaussetzung droht, vgl. UA S. 11). Der Senat kann dies indes, entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts , nicht im Sinne fehlender Beschwer sicher ausschließen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem bloßen Subsumtionsfehler nicht.
5
Die Anrechnung von zwei Monaten wegen überlanger Verfahrensdauer bleibt aufrecht erhalten, nunmehr bezogen auf die neu zu bildende einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe. Ein Vorwegvollzug vor der Maßregel nach § 64 StGB, der hinsichtlich der bisherigen Gesamtstrafen zutreffend angeordnet war (UA S. 105), wäre gemessen an der Höhe der neuen Gesamtfrei- heitsstrafe neu zu bestimmen, wird sich indes aufgrund der zwischenzeitlich weiter vollzogenen Untersuchungshaft wohl erübrigen (vgl. Fischer aaO § 67 Rdn. 9a).
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