Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Aug. 2013 - 5 StR 316/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen eines Fallmessers zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Sie führt – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – mit der Sachrüge zur Urteilsaufhebung und zur Zurückverweisung an das Landgericht. Eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht mehr.
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- Der Schuldspruch wegen versuchten Totschlags hat keinen Bestand, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt mangels Freiwilligkeit der Tataufgabe (§ 24 Abs. 1 StGB) verneint hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegen. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und die Ausführung seines Verbre- chensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder aufgrund äußerer noch innerer Zwangslage unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen; maß- gebliche Beurteilungsgrundlage ist die Vorstellung des Täters, wobei aber die äußeren Gegebenheiten insoweit von Bedeutung sind, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 1992 – 3 StR 187/92, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 16 mwN). Dass es der Angeklagte nach diesen Maßstäben aus als zwanghaft empfundenen Gründen unterlassen hat, den Geschädigten weiter zu verfolgen und dann zu erstechen, ist bisher nicht hinreichend dargetan.
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- Die Schwurgerichtskammer hat angenommen, der Angeklagte habe die Verfolgung abgebrochen, weil ihm bewusst gewesen sei, dass er die Tat innerhalb des Parks nicht mehr würde vollenden können und dass außerhalb des Parks – wie alljährlich in Berlin in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai – zahlreiche Polizeibeamte postiert gewesen seien, was dortiger Vollendung aus Tätersicht entgegengestanden habe. Damit hat sie den im Grundsatz relevanten Gesichtspunkt einer sich dem Täter als letztlich unvertretbar darstellenden Risikoerhöhung herangezogen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 1992 – 3 StR 187/92, aaO, und vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ 2007, 265 Rn. 5). Indessen bedarf es in einem solchen Fall genauer Darlegung der Umstände, aus denen die für den Täter nicht mehr hinnehmbare Risikosteigerung gefolgert wird. Daran fehlt es hier. Nicht zu Unrecht rügt die Revision, dass die Urteilsgründe namentlich keine Angaben dazu enthalten, wie weit das Opfer vom Ausgang entfernt war, als der ihm in unmittelbarer Nähe hinterherlaufende und währenddessen weitere Stichbewegungen vollführende Angeklagte die Verfolgung aufgab. Diesbezügliche Ausführungen wären aber unabdingbar gewesen, um die Prüfung der Freiwilligkeit der Tataufgabe durch das Revisionsgericht zu ermöglichen.
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- Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies erstreckt sich auf die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich verwirklichter gefährlicher Körperverletzung und wegen des Waffendelikts.
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- Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass – solltesich ein Rücktritt vom versuchten Tötungsdelikt jedenfalls nicht ausschließen lassen – im Hinblick auf das auch dann unverändert außerordentlich schwere Tatbild, die lebensgefährlichen Verletzungen sowie gravierenden körperlichen, psychischen und wirtschaftlichen weiteren Beeinträchtigungen des Opfers und die Vorahndungen des Angeklagten wegen vielfacher massiver Gewaltdelikte die Strafe nicht geringer ausfallen muss.
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.
(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.