Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 5 StR 286/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2019 beschlossen:
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln , wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und wegen Besitzes eines Schlagrings zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.900 Euro angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Aufhebung und Zurückverweisung; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung lässt hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
- 3
- 2. Das Urteil hält indes rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt abgelehnt hat.
- 4
- a) Die Strafkammer hat dies damit begründet, dass bei dem zu den Tatzeiten 40 Jahre alten Angeklagten keine Abhängigkeit, sondern nur ein schädlicher Gebrauch von Betäubungsmitteln vorliege. Der Angeklagte, der seit über zwei Jahrzehnten Amphetamine konsumiere (2017 täglich durchschnittlich 1g, zudem rauchte er etwa 2 g Marihuana pro Woche), könne nämlich den Konsum regulieren, fühle sich nicht in seiner Lebensführung beeinträchtigt und habe nicht von Erfahrungen mit Entzugserscheinungen berichtet.
- 5
- b) Damit hat das Landgericht einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt.
- 6
- aa) Der Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15; Urteile vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13).
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- Eine soziale Gefährdung oder soziale Gefährlichkeit kommt insbesondere auch bei Taten aus dem Bereich der Beschaffungskriminalität in Betracht (BGH, Beschlüsse vom 27. März 2008 – 3 StR 38/08; vom 20. September 2017 – 1 StR 348/17; vom 20. Dezember 2011 – 3 StR 421/11, NStZ-RR 2012, 204; vom 10. August 2007 – 2 StR 344/07, StV 2008, 76 mwN).
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- bb) Dies hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, obwohl nach seinen Feststellungen die verfahrensgegenständlichen Taten 1 bis 3 auch dem Erwerb von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum sowie zu dessen Finanzierung dienen sollten (UA S. 4 f.). Ebenso wenig steht der Annahme eines Hanges entgegen, dass der Angeklagte immer wieder in der Lage war, seinen Rauschmittelkonsum zu verringern (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13; Beschluss vom 20. Dezember 2011 – 3 StR 421/11, aaO).
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- c) Über die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteile vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5; vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13).
Berger Mosbacher
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.