Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2001 - 5 StR 178/01

bei uns veröffentlicht am12.06.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 178/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2001

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 11. Dezember 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch – mit Ausnahme des Ausspruchs über eine Schadensersatzpflicht des Angeklagten – mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung und wegen Vergewaltigung, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt. Die Revision des Angeklagten , mit der dieser das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat lediglich den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen sind teils unzulässig, teils unbegründet; insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 9. Mai 2001 Bezug genommen.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat zum Schuldspruch ebenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Sie führt jedoch zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs , weil das Landgericht unterlassen hat, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist. Die Prüfung dieser Frage drängte sich im vorliegenden Fall auf: Nach den Ausführungen des vom Landgericht hinzugezogenen Sachverständigen , denen es sich insoweit angeschlossen hat, leidet der Angeklagte an einer fortschreitenden chronischen Alkoholabhängigkeit, die vom Sachverständigen als Alkoholkrankheit bezeichnet wird. Die hier abgeurteilten Straftaten seien durch die Alkoholkrankheit jedenfalls mitverursacht. Der 45 Jahre alte Angeklagte, der von seiner 85jährigen Nachbarin reichlich mit Alkohol versorgt und daher nahezu täglich betrunken war, hatte diese im zeitlichen Abstand von wenigen Tagen in erheblich alkoholisiertem Zustand zum Geschlechtsverkehr gezwungen bzw. dieses versucht, indem er der sich wehrenden Geschädigten ein Kissen auf das Gesicht drückte bis sie Luftnot bekam. Da auch die Lebensgefährtin des Angeklagten angegeben hat, der Angeklagte habe in alkoholisiertem Zustand von ihr die Duldung sexueller Handlungen gegen ihren Willen erzwungen, liegt die Gefahr nahe, daß der Angeklagte aufgrund eines Hanges, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, auch in Zukunft schwerwiegende Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen wird.
Die Feststellungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, daß eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg von vornherein fehlt (vgl. BVerfGE 91, 1). Allein aus dem Umstand, daß der Angeklagte Therapieangeboten bislang ausgewichen ist, kann dies nicht geschlossen wer- den, da der Angeklagte sich nach den Aussagen seines Bewährungshelfers seines Alkoholproblems bewußt ist und sich dessen schämt.
Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (vgl. BGHSt 37, 5 f.). Die Nichtanwendung des § 64 StGB ist vom Rechtsmittelangriff auch nicht ausgenommen worden (vgl. BGHSt 38, 362).
Da nicht auszuschließen ist, daß der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf geringere Strafen erkannt hätte (vgl. BGHSt 28, 327, 330), unterliegt der Strafausspruch ebenfalls der Aufhebung.
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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2001 - 5 StR 178/01 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.