Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Mai 2009 - 5 StR 146/09

published on 26/05/2009 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Mai 2009 - 5 StR 146/09
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 146/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Mai 2009

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. Dezember 2008 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit Verfahrensrügen und mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel dringt mit einer Verfahrensrüge durch.
2
1. Allerdings wird die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin entgegen dem Vortrag des Beschwerdeführers den Mindestanforderungen an die Konkretisierung der Tatvorwürfe noch gerecht. Das Verfahren war daher nicht wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen.
3
2. Mit Recht beanstandet der Angeklagte aber, dass ein Beweisantrag abgelehnt worden ist. Die Verteidigung hatte den Antrag gestellt, die Richterin am Amtsgericht G. u. a. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Hauptbelastungszeuge S. in der Hauptverhandlung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens vom 7. August 2008 vor dem Amtsgericht Weimar ausgesagt habe, er habe in seiner polizeilichen Vernehmung vom 14. Juli 2007 einiges dazu erfunden, was nicht der Wahrheit entspreche. Die Strafkammer hat diesen Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abgelehnt. Sie wolle den möglichen Schluss nicht ziehen , dass diese Angabe der Wahrheit entspreche. Der Zeuge S. sei in der Hauptverhandlung hierzu umfassend gehört worden. Er habe bekundet, es könne sein, dass er vor dem Amtsgericht Weimar gesagt habe, er habe bei der polizeilichen Vernehmung etwas ausgeschmückt. Dies betreffe aber nicht den „Berliner Komplex“, sondern frühere Geschäfte, die er im Zusammenhang mit seiner begonnenen „Lebensbeichte“ genannt habe (Bl. 91 der Anlage II zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 3. Dezember 2008).
4
Mit dieser Begründung durfte der Beweisantrag nicht abgelehnt werden. Die Begründung ist zunächst schon deswegen nicht frei von Widersprüchen , weil die Strafkammer den Schluss auf die Unwahrheit der Aussage im Rahmen der polizeilichen Vernehmung nicht ziehen will, wohingegen sich aus dem Folgenden ergibt, dass der Zeuge nach seiner für glaubhaft erachteten Aussage vor der Strafkammer in seiner polizeilichen Vernehmung tatsächlich die Unwahrheit bekundet hat. Die Verteidigung weist zudem mit Recht auch noch auf Anhaltspunkte hin, wonach die Aussage des Zeugen S. vor dem Landgericht nicht der Wahrheit entspricht. Denn ausweislich des Protokolls über dessen polizeiliche Vernehmung vom 14. Juli 2007 (Bl. 132 ff. der Sachakten) waren Gegenstand der Aussage der „Berliner Komplex“ und nicht etwa frühere, sondern spätere Vorgänge. Die Beweisbehauptung war demgemäß für die Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen S. von Bedeutung. Ihm durfte nicht jeglicher Beweiswert abgesprochen werden. Das Urteil kann auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruhen und unterliegt daher in vollem Umfang der Aufhebung.
5
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
6
a) Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten hauptsächlich auf die belastenden Angaben des Zeugen S. . Der Schuldnachweis gegen den (im Verfahren schweigenden) Angeklagten hängt daher entscheidend von der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben dieses Zeugen ab. In einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben eines selbst tatbeteiligten Zeugen überführt werden soll, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit wesentlichen Umstände erkannt und – auch soweit es die Feststellungen zum Schuldumfang betrifft – in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH StV 1990, 99; 1992, 98; BGH, Beschluss vom 17. März 2009 – 4 StR 662/08). Diesen Anforderungen genügen die durchgehend äußerst knappen, teils auch formelhaften Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht.
7
Das neue Tatgericht wird deshalb Einzelheiten zum gesamten Aussageverhalten des Zeugen S. im gegenständlichen Strafverfahren sowie in dem gegen den Zeugen selbst gerichteten Strafverfahren mitzuteilen und insgesamt zu würdigen haben. Es wird näher zu belegen haben, in welchen Details frühere Angaben des Zeugen O. – eine Zentralgestalt der abgeurteilten Taten – S. s Angaben bestätigen, ergänzen oder widersprechen.
8
b) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann nicht offen bleiben, ob die Handelsgeschäfte Haschisch (so UA S. 4, 5, 7) oder Marihuana (so UA S. 6, 8) betreffen. Dies versteht sich schon daraus, dass insoweit andere Durchschnittswerte für die Bestimmung der Qualitätsstufen gelten (BGH NStZ-RR 2006, 350 [Haschisch]; BGH StV 2004, 602 [Marihuana ]). Wenn die Strafkammer davon ausgeht, bei einem Wirkstoffgehalt von 10 % THC sei von durchschnittlicher Qualität auszugehen, so entspricht dies für keines der genannten Rauschmittel der Rechtsprechung des Bundesge- richtshofs (BGH aaO; Weber, BtMG 3. Aufl. vor § 29a Rdn. 830 ff. sowie Anhang H).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
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published on 17/03/2009 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 662/08 vom 17. März 2009 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.