Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 4 StR 66/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Ergänzend bemerkt der Senat zu den erhobenen Besetzungsrügen : Maßstab für die revisionsgerichtliche Überprüfung ist insofern Willkür (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2005 - 2 StR 21/05, BGHSt 50, 132, 137 mwN). Die Entscheidung des Vorsitzenden, den ersten Hauptverhandlungstag vom 30. September 2011 nicht mehr als den nachverlegten ordentlichen Sitzungstag vom 29. September 2011, sondern als den vorverlegten ordentlichen Sitzungstag vom 4. Oktober 2011 heranzuziehen, ist nicht zu beanstanden. Denn die Zuordnung eines außerplanmäßigen Sitzungstages als vor- oder nachverlegter ordentlicher Sitzungstag ist durch den Vorsitzenden nach denselben Regeln abänderbar wie die Verlegung eines "normalen" Sitzungstages. Sie wird hier durch die insbesondere im Vermerk des Vorsitzenden vom 15. September 2011 und die von ihm im Hauptverhandlungstermin vom 30. September 2011 dargelegten Gründe getragen. Die Sache war schon im Hinblick darauf in besonderer Weise eilbedürftig , dass sich die Angeklagten, bei denen die Anwendung von Jugendstrafrecht zumindest in Betracht kam, in Untersuchungshaft befanden und für den 14. Oktober 2011 die Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO anstand. Der Termin für den Beginn der Hauptverhandlung am 30. September 2011 wurde nach Absprache mit den Verteidigern angesetzt; ein anderer Termin war vor der Haftprüfung "nicht möglich". Dies beruhte ersichtlich - jedenfalls wurde von den Verteidigern in der Revision nichts an- deres vorgetragen - auf der Terminslage eines oder der Verteidiger der Angeklagten, denn die Jugendkammer war am 4. Oktober erst ab 12 Uhr mit einem Fortsetzungstermin in anderer Sache befasst ; der 29. September wurde erst mit einem anderen Termin belegt, nachdem der Vorsitzende den Beginn der Hauptverhandlung auf den 30. September 2011 bestimmt hatte. Vor diesem Hintergrund liegt jedenfalls eine unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbare Entziehung des gesetzlichen Richters durch die Heranziehung der für den ordentlichen Sitzungstag vom 4. Oktober 2011 vorgesehenen Schöffen nicht vor, wenn der Vorsitzende - wie hier - dem von der Rechtsprechung mehrfach hervorgehobenen Grundsatz, dass die Verlegung eines ordentlichen gegenüber der Bestimmung eines außerordentlichen Sitzungstages Vorrang hat (vgl. dazu BGH aaO S. 134), dadurch Rechnung trägt, dass er - wie im Hinweis des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 14. Juli 2010 (1 StR 123/10, NStZ-RR 2010, 312, 313) vorgeschlagen - einen "ordentlichen Sitzungstag, wenn dieser zufällig bereits durch einen Fortsetzungstermin belegt ist, verlegt", anstatt einen außerordentlichen Sitzungstag anzuberaumen (so BGH, Beschluss vom 7. Juni 2005 - 2 StR 21/05, BGHSt 50, 132, 136). Mutzbauer Roggenbuck Schmitt Bender Quentin
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.
(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.
(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.
(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.
(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.
(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.
(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.
(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.
(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.
(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.