Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 440/12
vom
6. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 6. November 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 16. Juli 2012 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln und unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in fünf Fällen schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bandenmäßigem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und drei Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.
3
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der vom Angeklagten erhobenen Sachrüge hat mit Ausnahme der geringfügigen Schuldspruchänderung keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
4
a) Da der Tatbestand des unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne von § 30a Abs. 1 BtMG alle im Rahmen desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung einschließlich der unerlaubten Einfuhr zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit verbindet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Juli 1994 – 3 StR 138/94, BGHR BtMG § 30a Konkurrenzen 1; Beschluss vom 7. Oktober 2003 – 1 StR 385/03), muss der Schuldspruch wegen unerlaubter bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hier entfallen. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarben die Täter unter Mitwirkung des Angeklagten in allen fünf Fällen jeweils mindestens 1 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 9,2 % in den Niederlanden und verbrachten es nach Deutschland, wo es gewinnbringend weiterverkauft wurde. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe schließt der Senat aus, dass der vom Angeklagten in allen Fällen zusätzlich zum Zwecke des Eigenkonsums in den Niederlanden erworbene und nach Deutschland eingeführte Anteil von mindestens 60, maximal 80 g Marihuana den Grenzwert zur nicht geringen Menge erreicht oder überschritten hat. Inso- weit hat sich der Angeklagte wegen tateinheitlichen unerlaubten Erwerbs in (weiterer) Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln schuldig gemacht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 1982 – 2 StR 38/82; vom 8. Juli 2010 – 4 StR 210/10). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert; § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der umfassend geständige Angeklagte anders verteidigt hätte.
5
b) Da das Landgericht die Einsatzstrafe nur maßvoll erhöht hat, kann der Senat einen Einfluss der Änderung des Schuldspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen.
6
3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten rechtfertigt es nicht, ihn von den Kosten des Revisionsverfahrens teilweise freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

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Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

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Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2010 - 4 StR 210/10

bei uns veröffentlicht am 08.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 210/10 vom 8. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2003 - 1 StR 385/03

bei uns veröffentlicht am 07.10.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 385/03 vom 7. Oktober 2003 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Oktober 2003 gemäß

Referenzen

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 385/03
vom
7. Oktober 2003
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Oktober 2003 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 14. Mai 2003 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß die Verurteilung wegen tateinheitlicher bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen entfällt. Der Schuldspruch des Angeklagten P. wegen tateinheitlicher bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen wird aufgehoben. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


In den Fällen des § 30a BtMG verbindet der Bandenhandel die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinanderfolgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung, also auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (BGHSt 30, 28; BGHR BtMG § 30a Konkurrenzen 1). Der tateinheitliche Schuldspruch wegen Bandeneinfuhr hat daher bei allen Taten zu entfallen.
Die zugunsten des Beschwerdeführers erfolgte Schuldspruchänderung war auf den nichtrevidierenden Angeklagten P. zu erstrecken (§ 357 StPO). Von der Änderung des Schuldspruchs bleiben der Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafen und auch der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe unberührt, weil das Tatunrecht unverändert bleibt (BGH, Urt. vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03 -; Beschl. vom 11. März 2003 - 1 StR 50/03). Im übrigen ist die Revision im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 210/10
vom
8. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Juli 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. Januar 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Beisichführung eines sonstigen Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen ge- eignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vier Monate der erkannten Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, dass das Landgericht die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat; außerdem hält sie eine Änderung des Schuldspruchs für geboten.
3
Die Rechtsmittel haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet.
4
1. Der Schuldspruch bedarf der Berichtigung.
5
a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden bei der Durchsuchung des betäubungsmittelabhängigen Angeklagten, der sich auf einer Drogenverkaufsfahrt befand, und des von ihm genutzten Fahrzeugs Betäubungsmittel aufgefunden. Dabei handelte es sich um 1,9 g Heroin mit einer Wirkstoffkonzentration von 44,3 % und 0,422 g Kokain mit einer Wirkstoffkonzentration von 50,2 % sowie sieben Bubbles Heroin mit einem Gesamtgewicht von 34,4 g, einer Wirkstoffkonzentration von 18 % und einem Wirkstoffgehalt von 6,81 g. Außerdem führte der Angeklagte bei dieser Fahrt an seinem Gürtel ein Springmesser mit einer einseitig geschliffenen, ca. sieben Zentimeter langen, nach vorne spitz zulaufenden Klinge mit sich, das auf Grund seiner Beschaffenheit geeignet und bestimmt war, andere Menschen zu verletzen. Bei einer anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung wurden weitere 20,8 g Heroin mit einer Wirkstoffkonzentration von 46 %, zwei digitale Feinwaagen und ein Mixer, die jeweils Betäubungsmittelanhaftungen aufwiesen, Streckmittel, Verpackungstüten und 1.100 Euro Bargeld gefunden.
6
Das Landgericht hat sich davon überzeugt, dass ein die Grenze zur nicht geringen Menge nicht übersteigender Teil der Drogen zum Eigenkonsum und der Rest - darunter das in dem Fahrzeug aufgefundene, in verkaufsfertige Bubbles verpackte Heroin - zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Es ist außerdem zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass dieser sämtliche sichergestellten Drogen in einem Ankauf erworben hat.
7
b) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt hinsichtlich der gesamten zum Weiterverkauf bestimmten Heroinmenge den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das in § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG genannte Qualifikationsmerkmal prägt, auch wenn es nur bei einem einzelnen auf Umsatz gerichteten Teilakt verwirklicht ist, das gesamte einheitliche Geschehen, so dass eine Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 1996 - 1 StR 609/96, BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 Mitsichführen 2; vgl. auch Weber BtMG 3. Aufl. § 30 a Rdn. 196). Für eine tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist daneben kein Raum. Der bis zu der Verkaufsfahrt allein erfüllte Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wird durch den Qualifikationstatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auch dann verdrängt, wenn dieser nur beim letzten Teilakt des Gesamtgeschehens verwirklicht wurde (vgl. BGH aaO).
8
Soweit der Angeklagte die Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erworben hat, erfüllt dies - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht die Alternative des unerlaubten Sichverschaffens, sondern die des unerlaubten Erwerbs im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Der Tatbestand des Erwerbs ist dann erfüllt, wenn der Täter - wie hier - die Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer erlangt hat (vgl. Weber aaO § 29 Rdn. 1046 m.w.N.); nur wenn ein solches Zusammenwirken nicht vorliegt oder nicht nachweisbar ist, liegt der Auffangtatbestand des Sichverschaffens vor (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 1993 - 4 StR 318/93, StV 1993, 570 f.; vgl. auch Weber aaO § 29 Rdn. 1110).
9
Der Senat ändert den Schuldspruch daher wie aus der Urteilsformel ersichtlich ab.
10
2. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
Nach den Urteilsfeststellungen liegen die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB vor. Der 1961 geborene Angeklagte, der seit 1998 regelmäßig Heroin konsumiert , ist vor der hier abgeurteilten Tat bereits zweimal wegen einschlägiger, in den Jahren 1999, 2002 und 2003 begangener Delikte verurteilt worden, wobei mehrfach Einzelstrafen von mehr als einem Jahr verhängt worden sind; er hat wegen dieser Taten insgesamt acht Jahre Freiheitsstrafe verbüßt. Eine Rückfallverjährung nach § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB ist wegen der Vollstreckungszeiten (§ 66 Abs. 4 Satz 4 StGB) nicht eingetreten.
12
Das Landgericht geht, in Übereinstimmung mit der psychiatrischen Sachverständigen davon aus, dass bei dem Angeklagten auf Grund charakterlicher Veranlagungen eine eingewurzelte, intensive Neigung zu Rechtsbrüchen in Form von Eigentumsdelikten bestehe. Eine Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat es jedoch abgelehnt, weil nicht festzustellen sei, ob die vorliegende Betäubungsmittelstraftat im Zusammenhang mit dieser charakterlichen Veranlagung stehe oder allein auf die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten zurückzuführen sei.
13
Gegen diese Begründung bestehen in zweifacher Hinsicht durchgreifende rechtliche Bedenken:
14
a) Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis des Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu Grunde gelegt hat dahingehend, dass der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Hang zur Begehung erheblicher Straftaten ausscheide, wenn die wiederholte Straffälligkeit eines Täters allein auf dessen Hang zu übermäßigem Konsum berauschender Mittel beruht.
15
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2002 - 2 StR 193/02, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 11; BGH, Urteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 66 Rdn. 25 m.w.N.). Deshalb scheidet, selbst wenn sich eine Monokausalität der Suchterkrankung eines Täters für dessen Kriminalität ausnahmsweise feststellen ließe, die Annahme eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB neben der eines Hanges im Sinne von § 64 StGB nicht aus. Der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Hang hätte seine Ursache in einem solchen Fall ausschließlich in der Suchterkrankung.
16
b) Zudem belegen die Urteilsgründe nicht, dass bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB, der sich ausschließlich auf Eigentumsdelikte bezieht, besteht. Sie geben lediglich die Schlussfolgerungen der Sachverständigen wieder, die insoweit offensichtlich allein an die lange zurückliegenden Eigentumsdelikte des Angeklagten, die dieser seit seinem 17. Lebensjahr in Russland begangen hat und wegen der er er dort dreimal zu Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, sowie seine allgemeine Einstellung zum Stehlen angeknüpft hat. Nähere Angaben zu Art und Umfang dieser Straftaten enthalten die Urteilsgründe nicht, so dass nicht geprüft werden kann, ob aus diesen Taten auf eine eingewurzelte intensive Neigung zu Rechtsbrüchen geschlossen werden kann. Hinzu kommt, dass dem Urteil nicht zu entnehmen ist, inwieweit die Sachverständige die Tatsache, dass der Angeklagte seit seiner Übersiedlung nach Deutschland im Jahre 1991 wegen Diebstahlstaten nur zweimal - und zwar in den Jahren 1992 und 1993 jeweils wegen Diebstahls geringwertiger Sachen - in Erscheinung getreten ist, bei ihrer Beurteilung berücksichtigt hat.
17
c) Über die Frage der Sicherungsverwahrung ist daher neu zu entscheiden.
18
Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung gelangen, dass die Voraussetzungen sowohl für eine Unterbringung nach § 64 StGB als auch nach § 66 Abs. 1 StGB vorliegen, wird er zu prüfen haben, ob die Unterbringung des Angeklagten in beiden Maßregelformen oder nur in einer von ihnen anzuordnen ist. Dies beurteilt sich nach der Regelung des § 72 Abs. 1 StGB. Ist der Zweck der Maßregel bereits durch eine von mehreren geeigneten Maßregeln zu erreichen , so ist derjenigen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschwert , hier der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Allerdings setzt nach ständiger Rechtsprechung ein Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit voraus, dass die vom Angeklagten ausgehende Gefahr auf diese Weise beseitigt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; Urteil vom 31. Juli 2008 - 4 StR 152/08, NStZ-RR 2008, 326 f.; vgl. auch Fischer aaO § 72 Rdn. 7 m.w.N.). Angesichts der Tatsache, dass der regelmäßige Heroinkonsum des Angeklagten und das Einsetzen seiner Betäubungsmittelstraftaten in engem zeitlichem Zusammenhang stehen und dass der Angeklagte auf die Einkünfte aus dem Drogenhandel zur Finanzierung seines Eigenkonsums angewiesen war, liegt eine solche Folgerung allerdings nicht fern. Für sie könnte auch sprechen, dass der regelmäßige Betäubungsmittelmissbrauch beim Angeklagten erst in dessen 37. Lebensjahr eingesetzt und der therapiebereite Angeklagte noch keine Entwöhnungsbehandlung erfahren hat.
19
3. Im Hinblick auf die nicht rechtsfehlerfrei abgelehnte Sicherungsverwahrung hebt der Senat zu Gunsten des Angeklagten auch den Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf, da - zumal angesichts der Höhe der verhängten Strafe - nicht auszuschließen ist, dass diese im Falle einer Anordnung der Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1994 - 3 StR 679/93, BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1 m.w.N.; Urteil vom 21. Oktober 2004 - 4 StR 325/04, NStZ-RR 2005, 39, 40).
20
Die für sich genommen revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist wegen ihres hier bestehenden untrennbaren Zusammenhangs mit der erneuten Prüfung der Sicherungsverwahrung ebenfalls aufzuheben.
21
4. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass bei der Bestimmung des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe nach § 67 Abs. 2 StGB dieser nicht um die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft zu kürzen ist, weil die auf die Strafe anzurechnende Untersuchungshaft (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB) ohne Weiteres in die Dauer eines angeordneten Vorwegvollzugs einzurechnen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09 - und vom 19. Januar 2010 - 4 StR 504/09; vgl. auch Fischer aaO § 67 Rdn. 9 a m.w.N.).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Mutzbauer Bender

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.