Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2001 - 4 StR 379/01

Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
II. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Schuldunfähigkeit von dem Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit sie sich gegen diese Anordnung richtet. Sie führt jedoch auf die Sachrüge zur Aufhebung der Entscheidung, die Vollstreckung der Maßregel nicht zur Bewährung auszusetzen.
Das Landgericht hat besondere Umstände, die eine Aussetzung der Vollstreckung der Maûregel nach § 67 b Abs. 1 Satz 1 StGB rechtfertigen könnten, verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei aufgrund der erheblichen Intelligenzminderung des Angeklagten derzeit nicht vorstellbar, daû er sich freiwillig Weisungen, ärztlichen Ratschlägen und Regelungen bezüglich seiner Lebensführung und der Aufenthaltsbestimmung fügen wird. Selbst wenn man dies unterstelle, so stehe der Angeklagte unter dem Einfluû seines dominanten Vaters, der auf seiner Anwesenheit im Elternhause bestehe und die Notwendigkeit einer Betreuung und Behandlung des Angeklagten nicht akzeptiere.
Diese Ausführungen unterliegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach den Urteilsfeststellungen steht der zwischenzeitlich 32-jährige Angeklagte unter Betreuung (§§ 1896 ff BGB); ihm wurde etwa sechs Monate nach der Tat ein Betreuer unter anderem für die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit , Aufenthaltsbestimmung einschlieûlich der Entscheidung über die Unterbringung und unterbringungsähnliche Maûnahmen bestellt. Danach bestand zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils bereits rechtlich die Möglichkeit, im Rahmen der angeordneten Betreuung Maûnahmen in Bezug auf die ärztliche Behandlung und Aufenthaltsbestimmung bis hin zur Unterbringung (§ 1906 BGB) des “gutmütigen” (UA 10) und nach Angaben seines damaligen Betreuers auch leitbaren Angeklagten zu treffen. Es hätte daher hier näherer Erörterung bedurft, ob die vom Angeklagten ausgehende Gefahr sich nicht durch entsprechende Betreuungsmaûnahmen abwenden oder jedenfalls so stark abschwächen läût, daû ein Verzicht des Vollzugs der Maûregel g ewagt werden kann (vgl. auch BGH NStZ-RR 1997, 290). Dies gilt umso mehr in Anbetracht des Umstandes, daû sich der Angeklagte trotz seiner Erkrankung
bis zur Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat straffrei geführt hat und danach ohne weitere relevante Auffälligkeiten auf freiem Fuû verblieben ist.
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Der neue Tatrichter ist hierdurch an ergänzenden Feststellungen nicht nur zur weiteren Entwicklung des Angeklagten, sondern auch zu seinem früheren Verhalten, nicht gehindert.
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.