Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2015 - 4 StR 245/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 109 Abs. 2 JGG i.V.m. § 74 JGG).
Ergänzend bemerkt der Senat: Der Senat lässt die rechtlich nicht zulässige Anrechnungsentscheidung (BGH, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 StR 71/04, BGHSt 49, 90) entfallen und setzt die Einheitsjugendstrafe entsprechend niedriger fest (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 4 StR 551/13). Ansonsten hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zumNachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke Bender Quentin
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(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.
(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.
(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.
Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
BUNDESGERICHTSHOF
a) die Strafaussprüche dieses Urteils dahin abgeändert, dass die gegen die Angeklagten verhängten Einheitsjugendstrafen jeweils drei Jahre und elf Monate betragen ,
b) die im Tenor dieses Urteils getroffenen Anordnungen, dass infolge der Anrechnung erfüllter Bewährungsauflagen bei beiden Angeklagten jeweils ein Monat auf die gegen sie verhängten Einheitsjugendstrafen angerechnet wird, aufgehoben.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, den Beschwerdeführern die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 74 JGG).
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils des Jugendschöffengerichts beim Amtsgericht Paderborn vom 13. September 2012 zu Einheitsjugendstrafen von jeweils vier Jahren verurteilt und bei beiden Angeklagten angeordnet, dass in der einbezogenen Sache erfüllte Bewährungsauflagen mit jeweils einem Monat auf die nunmehr verhängten Einheitsjugendstrafen angerechnet werden. Gegen das Urteil richten sich die mit der Sachrüge - beim Angeklagten A. zusätzlich mit einer nicht ausgeführten Verfahrensrüge - begründeten Revisionen der Angeklagten. Diese haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
- 2
- 1. Die Rechtsmittel sind aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 12. Dezember 2013 dargelegten Gründen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), soweit sie sich gegen die Schuldsprüche richten. Jedoch können die Anordnungen über die Anrechnung erfüllter Bewährungsauflagen und die Strafaussprüche keinen Bestand haben.
- 3
- Denn die Jugendkammer hat nicht bedacht, dass - anders als bei einer nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe im Erwachsenenstrafrecht - bei der Anwendung von Jugendstrafrecht für einen die Strafvollstreckung verkürzenden Ausspruch durch die Anrechnung von Bewährungsleistungen kein Raum ist, wenn eine Verurteilung zu Jugendstrafe mit Bewährung nachträglich in eine Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe ohne Bewährung einbezogen wird (BGH, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 StR 71/04, BGHSt 49, 90). Erbrachte Bewährungsleistungen können und müssen jedoch gegebenenfalls - wenn sie unter Berücksichtigung des Gewichts der Tat, des Umfangs der er- brachten Bewährungsleistungen und der übrigen Umstände des Einzelfalles Rückschlüsse auf den bestehenden Erziehungsbedarf zulassen - bei der Strafzumessung berücksichtigt werden (vgl. BGH aaO S. 93).
- 4
- 2. Der Senat kann im vorliegenden Fall, auch um das im Jugendstrafverfahren in besonderem Maße zu beachtende Beschleunigungsgebot zu wahren (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 4 StR 369/00), in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Einheitsjugendstrafen selbst auf jeweils drei Jahre und elf Monate festsetzen, weil nach den im Übrigen rechtsfehlerfreien Strafzumessungserwägungen auszuschließen ist, dass das Landgericht noch niedrigere Strafen verhängt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - 5 StR 475/12), wenn es § 58 Abs. 2 Satz 2, § 56f Abs. 3 StGB nicht entsprechend angewendet hätte. Die Angeklagten sind hierdurch unter keinen Umständen beschwert.
Franke Mutzbauer
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.