Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 233/11
vom
15. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 2. Dezember 2010 im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass die Anordnung, vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt drei Monate der Freiheitsstrafen zu vollziehen, entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels - einschließlich der besonderen Kosten der Adhäsionsverfahren - und die der Nebenklägerin und den Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls und anderem unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23. November 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; zudem hat es wegen Diebstahls in drei Fällen eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt. Darüber hinaus hat die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vor der Maßregel drei Mo- nate der Freiheitsstrafen zu vollziehen sind. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des angefochtenen Urteils. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet.
2
Die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafen vor der Maßregel hat keinen Bestand, weil sich der mögliche Vorwegvollzug durch die vom Angeklagten in der einbezogenen Sache seit dem 11. Mai 2010 verbüßte Strafhaft bereits erledigt hat.
3
Insofern ist das Landgericht zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei Verhängung mehrerer Gesamtfreiheitsstrafen § 67 StGB für diese Strafen einheitlich gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 - 3 StR 499/09). Es hat jedoch - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 9. Mai 2011 zutreffend ausgeführt hat - die Dauer des Vorwegvollzugs bei einer voraussichtlichen Therapiedauer von zwei Jahren falsch errechnet (richtig sechs Wochen, statt drei Monate). Der Senat muss diesen Ausspruch indes nicht berichtigen , sondern kann die Anordnung über die Dauer der vorweg zu vollstreckenden Freiheitsstrafe entfallen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2007 - 2 StR 354/07). Da sich der Angeklagte in der einbezogenen Sache bereits in Haft befindet und inzwischen mehr als ein Jahr der verhängten Freiheitsstrafen durch Anrechnung (§ 51 Abs. 2 StGB) erledigt ist, bleibt für eine Anordnung eines Vorwegvollzugs kein Raum mehr. Mutzbauer Roggenbuck Cierniak Franke Quentin

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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juni 2011 - 4 StR 233/11 zitiert 3 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2010 - 3 StR 499/09

bei uns veröffentlicht am 19.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 499/09 vom 19. Januar 2010 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwal

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(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 499/09
vom
19. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
19. Januar 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 16. Juli 2009 im Ausspruch über die Reihenfolge der Vollstreckung dahin geändert, dass die Vollziehung von zwei Jahren vier Monaten und zwei Wochen aus beiden verhängten Freiheitsstrafen vor der Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt angeordnet wird. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von Strafen aus zwei Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die aufgrund einer der einbezogenen Strafen geleistete gemeinnützige Arbeit mit zwei Wochen nach § 56 f Abs. 3 StGB angerechnet , die Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet und einen Vorwegvollzug der Strafe vor der Maßregel von einem Jahr und fünf Monaten bestimmt. Dar- über hinaus hat es den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.
2
Grundlage der Gesamtfreiheitsstrafe war unter anderem ein bewaffneter Diebstahl, dessen Beute dem heroinabhängigen Angeklagten zur Finanzierung seines Drogenkonsums dienen sollte. Den besonders schweren räuberischen Diebstahl, der Anlass zu der zweiten Freiheitsstrafe gab, beging der Angeklagte zu einem späteren Zeitpunkt, als seine Sucht bereits mit Methadon substituiert wurde.
3
Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt als solche hält rechtlicher Überprüfung stand. Durchgreifende Bedenken bestehen auch nicht gegen die Formulierung, wegen der Begehung des besonders schweren räuberischen Diebstahls habe die Strafkammer von der Anordnung einer Unterbringung abgesehen, weil insoweit die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht vorlägen. Das Landgericht hat damit erkennbar nur zum Ausdruck bringen wollen , dass es diese letzte abgeurteilte Tat nicht als Symptomtat angesehen hat.
4
Die Entscheidung, dass ein Teil der verhängten Strafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen sei, hält im Grundsatz sachlichrechtlicher Prüfung stand. Sie soll bei zeitigen Freiheitsstrafen von über drei Jahren getroffen werden (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB). Umstände, die ausnahmsweise ein Absehen von der teilweisen Vorwegvollstreckung der Strafe ermöglichen würden, sind nicht erkennbar.
5
Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht indes den teilweisen Vorwegvollzug der Strafe nur hinsichtlich der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, nicht aber auch für die daneben ausgesprochene Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten angeordnet. Die letztgenannte Strafe ist in dem Urteil verhängt worden, in welchem das Landgericht neben einer Strafe auch eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet hat. Dass wegen der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung zwei getrennte Strafen gebildet werden mussten, ändert daran nichts. Damit ist - anders als in den Fällen der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen aus verschiedenen Urteilen (vgl. hierzu Fischer, StGB 57. Aufl. § 67 Rdn. 2 f. m. w. N.) - die Vorschrift über die Reihenfolge der Vollstreckung (§ 67 StGB) auf beide Strafen anzuwenden, sodass auch die Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB für beide Strafen einheitlich gilt. Ebenso ist die zweite ausgeurteilte Strafe auch bei der durch § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB geregelten Bemessung des vor der Maßregel zu vollziehenden Teils der Strafe zu berücksichtigen.
6
Dieses mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang stehende Ergebnis wird auch dem Sinn von § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB gerecht. Danach soll durch das Abstellen auf einen Zeitpunkt, zu dem gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Erledigung der Hälfte der Strafe möglich ist, ein Anreiz für die Therapie gegeben und eine Entlassung nach deren erfolgreichem Abschluss ermöglicht werden, um den Verurteilten nicht erneut in den Vollzug der Freiheitsstrafe zurückverlegen oder ihn länger als erforderlich im Maßregelvollzug belassen zu müssen.
7
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Auch unter Berücksichtigung der zweiten Strafe sind keine Umstände ersichtlich, die Anlass geben könnten, von der Soll-Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB abzuweichen. Die für die Berechnung des Vorwegvollzugs erforderlichen Grundlagen sind sämtlich rechtsfehlerfrei festgestellt worden (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Maßregelausspruch 1). Danach dauert die Therapie des Angeklagten voraussichtlich neun Monate. Die Summe beider Strafen beträgt sechs Jahre und drei Monate, die Hälfte hiervon sind drei Jahre, ein Monat und 2 Wochen. Somit sind zwei Jahre vier Monate und 2 Wochen Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen. In diesen Vorwegvollzug ist die erlittene Untersuchungshaft einzurechnen (BGH NStZ-RR 2009, 234); Gleiches gilt für die Anrechnung nach § 56 f Abs. 3 StGB.
8
Der teilweise Erfolg des Rechtsmittels ist nicht von einer solchen Bedeutung , dass es unbillig wäre, den Beschwerdeführer mit den Gebühren und Auslagen in vollem Umfang zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.