Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2009 - 4 StR 20/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift u.a. ausgeführt: "Die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach der neueren Rechtsprechung (vgl. BGHSt 51, 219 f.; Senat, Beschluss vom 25.6.2008 - 4 StR 230/08) ist für eine zutreffende Einordnung der Beteiligung des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt und nicht allein für den Teilbereich des Transports zu bewerten. Für die Annahme täterschaftlicher Verwirklichung des Tatbestandes kommt es jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich eines isolierten Teilaktes des Umsatzgeschäftes inne hatte. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt.
Eine Gehilfenstellung ist dagegen insbesondere dann anzunehmen , wenn die Tathandlung sich auf den Transport von Rauschgift zwischen selbständig handelnden Lieferanten und Abnehmern oder innerhalb der Sphäre von Lieferanten oder Abnehmer-Organisationen beschränkt und der Beteiligte nicht in der Lage ist, das Geschäft insgesamt maßgeblich mitzuge-
stalten. Einer Tätigkeit als Kurier, die sich im bloßen Transport von Rauschgift erschöpft, kommt daher eine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit in der Regel nicht zu. Auch ein möglicher faktischer Handlungsspielraum während des Transports der Drogen kann in der Regel schon aufgrund finanzieller und meist auch persönlicher Abhängigkeit von den Hintermännern nicht zu eigener täterschaftlicher Einflussnahme ausgenutzt werden."
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- Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien ein täterschaftliches Handeltreiben des Angeklagten mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht. Der Angeklagte war am Ankauf der Betäubungsmittel nicht beteiligt und hatte keinen Einfluss auf Menge und Art der zu transportierenden Drogen. Auch sollte er keinen Anteil am Umsatz oder am erzielten Gewinn erhalten, sondern lediglich einen Kurierlohn. Dass der Angeklagte eine erhebliche Honorierung erwartete, ist für die Bewertung der Kuriertätigkeit als mittäterschaftliches Handeltreiben ohne Bedeutung (BGHSt 51, 219, 223). Ebenso wenig belegt der Umstand, dass der Angeklagte selbständig das Transportfahrzeug anmieten musste, dass er einen weiter gehenden Einfluss auf die Gestaltung des Transports hatte. Vielmehr spricht die Tatsache, dass die Hintermänner dem Angeklagten ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt hatten und er mit diesem während der Kurierfahrt siebzehn Mal telefonischen Kontakt zu ihnen aufnahm, um sich zu dem geplanten Übergabeort leiten zu lassen, gegen einen solchen Einfluss. Der Alleinbesitz an den Betäubungsmitteln ist bei einem ohne Begleitung fahrenden Kurier die Regel.
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- Der Schuldspruch ist daher, wie vom Generalbundesanwalt beantragt, dahin zu ändern, dass der Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. § 265 StPO hindert eine Schuldspruchberichtigung nicht, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können. Der Strafausspruch bleibt von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei einer zutreffenden rechtlichen Würdigung auf eine geringere als die verhängte Strafe erkannt hätte. Der wesentliche Schuldgehalt der Tat liegt sowohl vom äußeren Erscheinungsbild und dem Vorsatz des Angeklagten als auch vom Gewicht der Straftat her, wie sie in der gesetzlichen Strafandrohung zum Ausdruck kommt, in der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln.
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
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sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.