Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Feb. 2000 - 2 StR 636/99

bei uns veröffentlicht am04.02.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 636/99
vom
4. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 4. Februar 2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig

beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 6. September 1999 1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, 2. im Einzelstrafausspruch zu diesem Fall und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 1. der Urteilsgründe) und wegen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anbau und mit Besitz von Betäubungsmitteln (Fall II. 2. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, das sichergestellte Rauschgift, eine Kokainmühle und Konsumutensilien eingezogen sowie einen Betrag von 10.500 DM für verfallen erklärt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), soweit es dem im Falle II. 2. der Urteilsgründe ergangenen Schuldspruch, dem zugehörigen Einzelstrafausspruch , der Einziehungsanordnung und der Verfallserklärung gilt.
Dagegen muß der Schuldspruch im Falle II. 1. der Urteilsgründe geändert werden, was - unter Aufrechterhaltung der Feststellungen - zur Aufhebung des zugehörigen Einzelstrafausspruchs und des Gesamtstrafenausspruchs führt. Zu Unrecht hat das Landgericht den Angeklagten in diesem Fall der mittäterschaftlich begangenen Einfuhr schuldig gesprochen, obwohl er nur Beihilfe zur Einfuhr geleistet hat.
Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte, der damals in Marbella/Spanien lebte, dort Anfang 1995 eine Gruppe von Deutschen kennengelernt, die regelmäßig große Mengen Haschisch in Spanien kauften, in Extratanks von Kratfahrzeugen einbauten und nach Deutschland schmuggelten. Zu dieser Gruppe gehörten unter anderem E. , H. und L. . Anfang Februar 1995 verkaufte der Angeklagte an E. mindestens 25 kg Haschisch zum Preis von 50.000 DM. Als E. vom Angeklagten erfuhr,
daß dieser im Besitz des Rauschgiftes sei, erklärte er ihm, sie hätten vor, es in einem präparierten Tank nach Deutschland zu schmuggeln, und benötigten für den Einbau eine Garage. Der Angeklagte, der beabsichtigte, E. auch künftig Haschisch zu verkaufen, stellte daraufhin seine Garage für den Einbau zur Verfügung. Einige Tage später wurde L. vom Angeklagten und E. in die Garage geführt und baute dort 13 kg des Haschischs in den präparierten Tank eines PKWs ein, der dann von einem Kurier nach Deutschland gefahren wurde. Die restlichen 12 kg Haschisch verblieben in der Garage, weil sich beim Einbau herausgestellt hatte, daß sie von minderer Qualität waren. In der Folge verlangte E. v om Angeklagten die Rückzahlung des hierauf entfallenden Kaufpreises in Höhe von 20.000 DM; der Angeklagte hatte das Geld aber nicht mehr.
Diese Feststellungen belegen nicht, daß der Angeklagte - was die Verbringung der 13 kg Haschisch nach Deutschland betraf - Mittäter und nicht bloß Gehilfe der Einfuhr war. Für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe ist hier wie auch sonst maßgebend, ob der Beteiligte seinen Tatbeitrag mit Täterwillen erbringt oder nur fremdes Tun fördern will; wesentliche Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder der Wille hierzu (st. Rspr., vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 26, 31, 33). Die hier festgestellten Umstände weisen den Angeklagten - gemessen an diesen Kriterien - nicht als Mittäter aus. Sein eigenes Interesse am Taterfolg der Einfuhr war schon deshalb eher gering, weil er - wie der Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt - bereits den Kaufpreis für das gesamte Haschisch erhalten hatte, bevor er seinen Tatbeitrag leistete und das Rauschgift durch einen Kurier nach Deutschland gebracht wurde. Das Geschäft war damit für ihn abgewickelt, sein
finanzielles Interesse befriedigt. Durch Überlassung seiner Garage für den Einbau des Rauschgifts hatte er E. auch schon eben denjenigen Gefallen getan, den er ihm erweisen zu müssen glaubte, um ihn als künftigen Abnehmer weiterer Haschischlieferungen nicht zu verlieren. Ob das in den PKW eingebaute Rauschgift über die Grenze nach Deutschland gelangen würde, brauchte ihn unter dem Gesichtspunkt des eigenen Vorteils nicht mehr oder doch kaum noch zu interessieren. Sein Tatbeitrag war zwar nicht unerheblich, hielt sich aber mit der Bereitstellung eines Raumes, in dem das Haschisch - unbemerkt von Dritten - eingebaut werden konnte, in Grenzen. Mit dem Einbau des Haschischs selbst hatte er nichts zu tun. Der PKW gehörte ihm nicht. Auf die Durchführung der Transportfahrt (Fahrer, Zeitpunkt, Fahrtroute, Wahl des Grenzübergangs, Zielort) hatte er keinen Einfluß.
Genügen die Feststellungen nach alledem nicht, die Annahme mittäterschaftlicher Einfuhr zu tragen, so ist nach den Fallumständen, insbesondere der Beweislage, auch auszuschließen, daß eine neuerliche Verhandlung noch zusätzliche Erkenntnisse erbringen könnte, die eine Verurteilung des Angeklagten als Mittäter der Einfuhr rechtfertigen würden. Der Senat entscheidet daher in der Sache selbst, indem er an die Stelle des Schuldspruchs wegen Einfuhr die Verurteilung wegen Beihilfe zur Einfuhr (von Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge) setzt. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte auch bei Erteilung des gebotenen rechtlichen Hinweises gegen den geänderten Vorwurf nicht anders hätte verteidigen können, als er es getan hat.
Jähnke Niemöller Detter Bode Otten

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Feb. 2000 - 2 StR 636/99 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.