Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Feb. 2012 - 2 StR 316/11

published on 09.02.2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Feb. 2012 - 2 StR 316/11
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 316/11
vom
9. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Februar 2012
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 17. Januar 2011 aufgehoben, soweit er wegen Vergewaltigung in zwei Fällen verurteilt worden ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, von denen sechs Monate als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung, soweit er wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist. Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die unübersichtliche, zum Teil laienhaft wirkende Beweiswürdigung, mit der sich das Landgericht von der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der Vergewaltigungstaten überzeugt hat (UA S. 38 ff.), begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dass die Kammer die Aussage der Nebenklägerin, auf die sie sich dabei gestützt hat, als glaubhaft angesehen hat, weil sie detailreich , konstant und widerspruchsfrei ausgesagt habe, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Die Beweiswürdigung weist insoweit Lücken auf und ist deshalb rechtsfehlerhaft.
3
a) Als einziges Detail hinsichtlich der "plastischen und anschaulichen Schilderung des Geschehens" durch die Nebenklägerin führt die Kammer insoweit an, die Nebenklägerin habe im Zusammenhang mit dem zweiten Vergewaltigungsgeschehen den Umstand mitgeteilt, eine Pflanze zertreten zu haben, die der Vermieter ihr und dem Angeklagten zum Einzug geschenkt habe (UA S. 39). Einzel- und Besonderheiten zu den Vergewaltigungsgeschehen werden nicht mitgeteilt. Der (angebliche) Detailreichtum der Aussage der Nebenklägerin ist dadurch nicht belegt.
4
b) Das Landgericht geht davon aus, dass die Nebenklägerin in allen wesentlichen Punkten konstant ausgesagt habe (UA S. 41). Im Zusammenhang mit dieser Würdigung bleibt allerdings unberücksichtigt, dass die Angaben der Nebenklägerin zur Tathäufigkeit stark voneinander abweichen. Bei Anzeigeerstattung am 4. Mai 2006 sprach die Nebenklägerin davon, der Angeklagte habe sie gegen ihren Willen an bis zu 15 Tagen zum Geschlechtsverkehr gezwungen (UA S. 23). Eine Woche später gab sie in einer weiteren Vernehmung an, sie schätze, nachdem sie zu einzelnen Taten befragt worden sei und die Vorfälle vergleiche, es habe lediglich ungefähr acht sexuelle Übergriffe gegeben (UA S. 25). Sie reduzierte dies in der gleichen Vernehmung weitergehend auf lediglich zwei Vorfälle, in denen es zu erzwungenem Geschlechtsverkehr gekommen sei und sie sich "richtig dagegen gewehrt habe" (UA S. 24). Bei dieser Sachlage ist es nicht gerechtfertigt, von einer konstanten Aussage in allen wesentlichen Punkten auszugehen. Die Tathäufigkeit ist ein zentraler Punkt der erhobenen Vorwürfe; die auseinanderfallenden Angaben zu Beginn des Ermittlungsverfahrens hätte das Landgericht aufgreifen und dabei erörtern müssen, warum sie ungeachtet dessen der Nebenklägerin gleichwohl Glauben hinsichtlich der übrig gebliebenen zwei Vorfälle schenkt. Die Kammer durfte sich insoweit keinesfalls mit der Einschätzung der Vernehmungsbeamtin begnügen, sie habe keine Hinweise gehabt, dass in der Aussage der Nebenklägerin etwas nicht gestimmt habe (UA S. 41). Deren Erklärung kann die notwendige eigene Überzeugungsbildung des Gerichts nicht ersetzen.
5
c) Die Kammer verwirft die Hypothese einer absichtlichen Falschaussage , weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass die Nebenklägerin sich an dem Angeklagten habe rächen wollen (UA S. 42). Zur Begründung stützt sie sich auf einen Erfahrungssatz, wonach bei einer solchen Motivation nicht mit einer derart differenzierten und sachlichen Darstellung zu rechnen sei. Es mag dahin stehen, ob es einen solchen Erfahrungssatz tatsächlich gibt und ob dessen Voraussetzung für den Ausschluss eines Rachemotivs, eine detaillierte , sachliche Aussage, vorliegend gegeben ist. Denn die Geschehnisse, die zur Trennung der Nebenklägerin von dem Angeklagten geführt haben, lassen eine solche Motivation jedenfalls als möglich erscheinen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Aussage der Zeugin E. M. , mit der der Angeklagte auch während der bestehenden Ehe mit der Nebenklägerin sexuelle Kontakte hatte, an denen diese Anstoß nahm. Die Zeugin hat die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung als "aggressive Psychopathin" bezeichnet, die dem Angeklagten immer wieder gedroht habe, sie würde ihn "fertig machen" (UA S. 45). Damit hätte sich das Landgericht bei seiner Widerlegung eines möglichen Rachemotivs auseinander setzen und dabei auch erörtern müssen, ob und wie die Nebenklägerin zu den insoweit gegen sie erhobenen Vorwürfen Stellung bezogen hat. Auch insoweit erweist sich damit die Würdigung der Strafkammer als lückenhaft.
6
2. Die aufgezeigten Mängel in der Würdigung der Aussage der Nebenklägerin führen zur Aufhebung der Verurteilung wegen Vergewaltigung in zwei Fällen. Davon unberührt bleibt die Verurteilung wegen Körperverletzung, die der Angeklagte eingeräumt hat und die sich auf weitere Beweismittel stützt (UA S. 33).
VRiBGH Dr. Ernemann Fischer Berger ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert.
Fischer Krehl Eschelbach
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.