Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2012 - 2 StR 28/12

bei uns veröffentlicht am22.11.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 28/12
vom
22. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Entscheidung über die Richterablehnung wegen Besorgnis der
Befangenheit
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2012 beschlossen
:
Es wird festgestellt, dass der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden
Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann gegenstandslos
ist.
Der Antrag auf Ablehnung der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl, Dr. Berger und Dr. Ott wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Beschwerdeführer hat die Besetzung des Senats mit dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann im Hinblick auf den Senatsbeschluss vom 11. Januar 2012 - 2 StR 346/11 - beanstandet und nach Mitteilung der Besetzung des Senats diesen Vorsitzenden sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Berger, Dr. Eschelbach und Dr. Ott wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil der Senat in der Sache 2 StR 346/11 zur Sache entschieden hat, nachdem seine Annahme einer fehlerhaften Besetzung nicht zu einer Änderung der Geschäftsverteilung durch das Präsidium des Bundesgerichtshofs geführt hat und einzelne Richter des Senats vom Präsidium dazu angehört worden waren. Er hat die Besorgnis geäußert, dass die ab- gelehnten Richter dadurch in ihrer Auffassung zur Besetzungsfrage beeinflusst worden seien. Nach Mitteilung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter hat der Beschwerdeführer die Ablehnung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach zurückgenommen.
2
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl hat am 31. Mai, 26. Juni 2012 und 16. Oktober 2012 gemäß § 30 StPO jeweils Umstände angezeigt, die nach seiner Ansicht eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten. Dabei geht es im Kern um die Erledigung von anderen Revisionsverfahren , in denen er Erklärungen nach § 30 StPO abgegeben hatte, in seiner durch Krankheit bedingten Abwesenheit, ferner um darauf bezogene Äußerungen des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Appl, sowie um die Unterrichtung des Präsidenten des Bundesgerichtshofs vom Inhalt der dienstlichen Erklärungen. Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl hat auf die Möglichkeit hingewiesen, es könne der Eindruck entstehen, dass seitens des Präsidenten des Bundesgerichtshofs oder durch das Präsidium auf Zwischenentscheidungen in Revisionsverfahren Einfluss genommen werde.
3
Der Beschwerdeführer hat diese Erklärungen zum Anlass genommen, seine Ablehnung des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Appl auch auf die ihm zugeschriebenen Äußerungen und dessen Aktenvorlage an den Präsidenten des Bundesgerichtshofs wegen von ihm als unzutreffend bezeichneter anwaltlicher Behauptungen über fehlerhafte Äußerungen und Diensthandlungen zur Prüfung im Wege der Selbstanzeige zu erstrecken.

II.

4
Die Erklärungen des Richters am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl nach § 30 StPO sind gegenstandlos, weil er wegen Urlaubsabwesenheit an dieser Entscheidung nicht mitwirkt. Der Spruchgruppe, die zur Sachentscheidung über die Revision des Beschwerdeführers berufen ist, gehört er nicht an.

III.

5
1. Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann ist gegenstandslos, weil er nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst nicht mehr am Verfahren mitwirkt.
6
2. Die Ablehnung der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Berger und Dr. Ott ist unbegründet. Es liegt aus der Sicht eines vernünftigen Revisionsführers kein Grund zur Besorgnis ihrer Befangenheit vor.
7
Welche Ansicht sie zur Frage der ordnungsgemäßen Besetzung des Senats zurzeit des Ablehnungsgesuchs vertreten haben, ist ohne Belang. Selbst aus der Fehlerhaftigkeit einer Rechtsmeinung zu dieser Frage ergäbe sich nicht die Besorgnis der Befangenheit.
8
Eine unsachliche Beeinflussung der genannten Richter bei ihrer Entscheidung über die Besetzungsfrage durch das Präsidium liegt nicht vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 2 BvR 610, 625/12, NJW 2334, 2337; BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2012 - 2 StR 620/11 und 2 StR 25/12, vom 20. Juni 2012 - 2 StR 61/12 sowie 2 StR 166/12).
9
Die Bitte des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Appl an den Präsidenten des Bundesgerichtshofs im Wege einer Selbstanzeige, die aus seiner Sicht gegen ihn gerichteten Vorwürfe zu überprüfen, rechtfertigt kein Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit bei der Entscheidung über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers.

IV.

10
Für die Mitteilung weiterer, von ihm erbetener Informationen an den Verteidiger zu den Hintergründen der gerichtsinternen Vorgänge ist kein Raum.
Becker Franke Schmitt Mutzbauer Eschelbach

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Strafprozeßordnung - StPO | § 30 Ablehnung eines Richters bei Selbstanzeige und von Amts wegen


Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus

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BESCHLUSS
2 StR 346/11
vom
11. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2012

beschlossen:
1. Es wird festgestellt, dass der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt ist. 2. Die Hauptverhandlung wird ausgesetzt.

Gründe:


1
Der Senat ist nicht ordnungsgemäß besetzt. Der Geschäftsverteilungsplan , mit dem Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann ab 1. Januar 2012 dem 2. Strafsenat als Vorsitzender zugewiesen ist, steht mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Einklang. Das hat der Senat, auch ohne dass eine ausdrückliche Besetzungsrüge vorliegt, von Amts wegen zu prüfen. Dies führt zur Aussetzung der Hauptverhandlung.

I.

2
Die Stelle des Vorsitzenden des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ist seit dem ruhestandsbedingten Ausscheiden der vormaligen Vorsitzenden zum 31. Januar 2011 unbesetzt; der Geschäftsverteilungsplan weist seit diesem Zeitpunkt den Vorsitz mit "N.N." aus. Die Funktion des Vorsitzenden im Senat, dem im Hinblick auf eine voraussichtlich längere Vakanz zum 1. Februar 2011 als Ersatz für die ausgeschiedene Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger zugeteilt worden ist, hat vom 1. Februar bis 31. Dezember 2011 der stellvertretende Vorsitzende, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, wahrgenommen.
3
Die Stelle des Vorsitzenden des 2. Strafsenats ist weiterhin vakant. Der stellvertretende Vorsitzende dieses Senats, der sich neben anderen um diese Stelle beworben hat, hat die ihm erteilte Anlassbeurteilung angefochten und gegen die beabsichtigte Ernennung eines anderen Bewerbers Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Mit Beschluss vom 24. Oktober 2011 hat daraufhin das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Stelle zu besetzen, bevor Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu beurteilt worden ist. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
4
Am 11. Januar 2012 ist dem Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer eine neue Beurteilung ausgehändigt worden. Das Besetzungsverfahren , dessen weitere Dauer derzeit nicht absehbar ist, kann daher seinen Fortgang nehmen.
5
Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2011 mehrere Mitglieder des 2. Strafsenats zu einer geplanten Änderung des Geschäftsverteilungsplans für das Geschäftsjahr 2012 angehört und sodann diese Änderung beschlossen. Danach ist mit Wirkung vom 1. Januar 2012 dem Vorsitzenden des 4. Strafsenats, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, der zum 30. Juni 2012 in den Ruhestand treten wird, auch der Vorsitz des 2. Strafsenats übertragen worden; zugleich bestimmt der Geschäftsverteilungsplan , dass die Tätigkeit im 2. Senat Vorrang gegenüber derjenigen im 4. Strafsenat hat. Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Schmitt, der bisher allein Mitglied des 2. Strafsenats war, wurde mit jeweils 50% seiner Arbeitskraft dem 2. und 4. Strafsenat zugewiesen.
6
Grund für diese Änderung des Geschäftsverteilungsplans war, dass das Präsidium des Bundesgerichtshofs eine weitere Wahrnehmung der Aufgaben des Senatsvorsitzenden durch den Stellvertreter im 2. Strafsenat nicht mehr für zulässig hielt, weil es sich nach Ablauf von elf Monaten der Vakanz nicht mehr um eine vorübergehende Verhinderung im Sinne des § 21f Abs. 2 GVG handele.

II.

7
Der Geschäftsverteilungsplan, mit dem Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann ab 1. Januar 2012 zugleich dem 2. und dem 4. Strafsenat als Vorsitzender zugewiesen ist, steht nicht mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Einklang.
8
1. Jeder Spruchkörper hat bei auftretenden Bedenken die Ordnungsmäßigkeit seiner Besetzung - von Amts wegen - zu prüfen und darüber in eigener Verantwortung zu entscheiden (vgl. BVerfGE 95, 322, 330). Dies gilt unabhängig vom Vorliegen eines Besetzungseinwands von Verfahrensbeteiligten. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach ein Geschäftsverteilungsplan solange als verbindlich anzusehen ist, bis seine Rechtswidrigkeit (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren) festgestellt oder er anderweitig aufgehoben ist (vgl. BVerwGE 50, 11 ff.). Diese bezieht sich allein auf die Rechtslage bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung eines Geschäftsverteilungsplans durch Richter, die sich durch die Geschäftsverteilung in eigenen Rechten verletzt sehen. Es entbindet deshalb die Fachgerichte im Rahmen der ihnen obliegenden Pflicht zur Justizgewährung nicht davon, die Rechtmäßigkeit ihrer Besetzung jeweils eigenständig zu prüfen und darüber zu entscheiden (vgl. BVerwG NJW 1980, 900). Denn ein gesetzwidrig besetztes Gericht ist nicht zur Sachentscheidung berufen (vgl. etwa auch § 338 Nr. 1 StPO).
9
Zu beachten ist freilich, dass die Überprüfung von Geschäftsverteilungsplänen im Hinblick auf deren Rechtsnatur Grenzen unterliegt. Geschäftsverteilungspläne werden vom Präsidium eines Gerichts in Wahrnehmung der ihm nach § 21e GVG übertragenen Aufgabe in richterlicher Unabhängigkeit beschlossen (vgl. BGHZ 46, 147, 148 f). Die Verteilung der richterlichen Aufgaben liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums, dem dabei ein weiter Einschätzungs - und Prognosespielraum eingeräumt ist. Dieser ist nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte erst überschritten, wenn für die Entscheidungen kein sachlicher Grund ersichtlich ist und die Verteilung der Geschäfte maßgeblich durch sachfremde Erwägungen geprägt, also die Grenze zur objektiven Willkür überschritten ist (vgl. BVerwG NJW 1982, 2274; s. auch BVerfG NJW 2008, 909). Dies führt naturgemäß dazu, dass der Geschäftsverteilungsplan insoweit nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, die sich nicht darauf zu erstrecken hat, ob sich die getroffene Regelung als die zweckmäßigste darstellt oder sich bessere Alternativen angeboten hätten.
10
Davon unberührt bleibt aber die Prüfung, ob im Rahmen des Geschäftsverteilungsplans der Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG mit seinen Gewährleistungen hinreichende Beachtung gefunden hat (vgl. BVerfGE 95, 322, 330).
11
2. Schon angesichts des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs stellt der Senat die Ausgangsüberlegung des Präsidiums, der Vorsitz im 2. Strafsenat könne nach elf Monaten der Vakanz nicht länger von dem geschäftsplanmäßigen Vertreter wahrgenommen werden, nicht in Frage. Die Ansicht, es liege angesichts der Dauer des Besetzungsverfahrens eine nicht nur vorübergehende Verhinderung des Vorsitzenden vor, die eine Vertretung durch den Stellvertreter gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG nicht mehr erlaube, ist nach Ansicht des Senats zwar nicht zwingend, aber jedenfalls vertretbar und ersichtlich frei von Willkür (vgl. hierzu BGH NJW 2006, 154; BFHE 190, 47; BVerwG NJW 2001, 3493; BSG NJW 2007, 2717).
12
Soweit der Senat anderer Auffassung ist und im Falle einer Vakanz bei Durchführung eines gesetzlich geregelten Konkurrentenstreitverfahrens, an dessen Ende - anders etwa als bei unabsehbarer Erkrankung, die auch mit dauernder Dienstunfähigkeit enden kann - in jedem Fall eine Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erfolgt, in der Regel eine nur vorübergehende Verhinderung des Vorsitzenden annehmen will, steht dies zu der Entscheidung des Präsidiums und zu den genannten Entscheidungen anderer Bundesgerichte nicht in Widerspruch. Die zitierte Rechtsprechung hat eine solche Fallkonstellation nicht zum Gegenstand, ist einzelfallbezogen ergangen und wollte ausdrücklich starre Fristen und allgemein geltende Regeln für die Auslegung des Begriffs der "vorübergehenden" Verhinderung im Sinne von § 21f Abs. 2 GVG nicht aufstellen. Zudem besteht in der zugrundeliegenden Konstellation, in der Gerichte zur Klärung von im Zusammenhang mit der eingeleiteten Stellenbesetzung entstandenen Rechtsfragen aufgerufen sind, nicht die Gefahr, die Exekutive könne durch unvertretbares oder sachlich nicht begründetes Zuwarten mit der Stellenbesetzung Einfluss auf die konkrete Besetzung des Gerichts nehmen (vgl. BVerfGE 18, 423, 426; BayVerfGH NJW 1986, 1326).
13
Gegenstand der Prüfung durch den Senat ist daher nicht etwa die Frage, ob das Präsidium überhaupt hätte tätig werden können oder müssen, sondern allein, ob die aufgrund der vom Präsidium vertretbar angenommenen Pflicht zum Tätigwerden konkret getroffene Entscheidung, den 2. und den 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit demselben Richter als Vorsitzenden zu besetzen , mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Einklang steht.
14
3. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet das Recht auf den gesetzlichen Richter. Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (BVerfGE 95, 322, 327). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtssuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden. Deshalb verpflichtet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zunächst den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Normen, die gerichtliche Zuständigkeiten bestimmen, sind so zu fassen, dass aus ihnen der im Einzelfall zuständige Richter möglichst eindeutig erkennbar wird. Das Gebot der normativen Vorausbestimmung wendet sich aber auch an die Judikative, die neben den Organen von Legislative und Exekutive ebenfalls Adressat der Garantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist (BVerfGE 82, 286, 298). Daher sind sowohl das Präsidium eines Gerichts beim Beschluss der Geschäftsverteilungspläne als auch die gerichtlichen Spruchkörper in ihren Mitwirkungsregelungen von Verfassungs wegen gehalten, hinreichend bestimmte Regelungen zur Zuständigkeit des einzelnen Richters zu schaffen.
15
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtssuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (BVerfGE 82, 286, 298; 89, 28, 36). Der Normgeber einer Zuständigkeits- oder Besetzungsregelung hat deshalb Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall mit der erforderlichen professionellen Distanz gegenüberstehen und ihr Amt in inhaltlicher Unabhängigkeit sachgerecht ausüben können.
16
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist somit nicht nur als formale Bestimmung zu verstehen, die schon erfüllt ist, wenn die Richterzuständigkeit abstrakt-generell für alle anhängig werdenden Verfahren geregelt ist. "Ungesetzlich" ist auch derjenige Richter, der in seiner Person nicht den materiellen Anforderungen des Grundgesetzes entspricht (vgl. BVerfGE 82, 286, 298).
17
a) Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs mit Wirkung ab 1. Januar 2012 beschlossene Geschäftsverteilungsplan, durch den dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann der Vorsitz in zwei Strafsenaten zugleich übertragen worden ist, scheint auf den ersten Blick dem Gebot der normativen Vorausbestimmung zu genügen. Zwar fehlt - anders als bei Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Schmitt, der beiden Senaten jeweils mit der Hälfte seiner Arbeitskraft zugewiesen ist - eine ausdrückliche Bestimmung darüber , wie die Arbeitskraft des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann auf die Senate zu verteilen ist. Bei Auslegung der getroffenen Regelungen für den 2. und 4. Strafsenat ergibt sich aber, dass ihm - ohne dass es insoweit auf die Frage der Verteilung seiner Arbeitskraft ankäme - jeweils allein und eigenverantwortlich, somit in vollem Umfang, die Wahrnehmung des Vorsitzes in beiden Senaten obliegt. Damit erfährt die Zuweisung des Vorsitzenden im Ausgangspunkt eine hinreichend bestimmte Regelung, die auch in der Vergangenheit - etwa bei zusätzlicher Übertragung eines Vorsitzes in einem Spezialsenat - verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben ist.
18
Zu berücksichtigen ist hier freilich die Besonderheit, dass dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann der Vorsitz in zwei voll ausgelasteten Strafsenaten des Bundesgerichtshofs übertragen worden ist, die für sich, wie bisher unbezweifelt geblieben ist, jeweils die volle Arbeitskraft eines Vorsitzenden Richters beanspruchen. Daher könnten Zweifel aufkommen, wie der im Geschäftsverteilungsplan vorgesehene, allerdings nicht näher erläuterte Vorrang des Vorsitzes im 2. Strafsenat zu verstehen ist und ob er dem Gebot der normativen Vorausbestimmung hinsichtlich gleichzeitiger Anforderungen durch den 2. und 4. Strafsenat entspricht. Denn es liegt auf der Hand, dass es im Geschäftsablauf zweier Strafsenate - bezogen auf den Vorsitz - ständig zu Kollisionen hinsichtlich unterschiedlicher zu erfüllender Aufgaben kommen kann. Dies gilt unabhängig davon, dass beide Senate in ihren Mitwirkungsgrundsätzen jeweils alternierende Beratungswochen vorgesehen haben. Gleichwohl können Organisations- und Verwaltungsangelegenheiten, Beratungs - und Verhandlungstermine des einen Senats zeitgleich mit Aufgaben im anderen Senat zusammentreffen. Ob jede Form einer dienstlichen Beanspruchung im 2. Strafsenat, etwa auch die Auslastung mit Verwaltungsangelegenheiten , es rechtfertigt, die Wahrnehmung des Vorsitzes im 4. Strafsenat zurückzustellen , lässt sich der Vorrangregelung nicht eindeutig entnehmen; diese könnte auch auf Terminskollisionen hinsichtlich aller oder einzelner richterlicher Aufgaben beschränkt sein.
19
Insoweit spricht Einiges dafür, dass im Geschäftsverteilungsplan ein vermeidbarer Spielraum verbleibt, weil er offen lässt, in welchen Fällen mögli- cher dienstlicher Verhinderung im 2. Strafsenat die richterliche Tätigkeit im 4. Strafsenat zurücktreten darf. Der Senat braucht dies nicht zu entscheiden, da nach seiner Ansicht die Übertragung eines Doppelvorsitzes jedenfalls mit der materiell-rechtlichen Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Einklang zu bringen ist.
20
b) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG stellt - wie oben dargelegt - materielle Anforderungen an den gesetzlichen Richter, die auch das Präsidium bei der Aufstellung seiner Geschäftsverteilungspläne zu beachten hat. Nur der neutrale, unparteiliche und unabhängige Richter ist "gesetzlicher Richter" im Sinne der Verfassungsnorm. Herausragende Bedeutung kommt dabei der durch Art. 97 GG geschützten Unabhängigkeit des Richters zu, die ihrerseits nicht nur zu den grundlegenden verfassungsgestaltenden Strukturprinzipien des Grundgesetzes zählt, sondern vor allem auch notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung des Justizgewährungsanspruchs ist (vgl. Papier NJW 1990, 8, 9). Grundrechtlich garantierter effektiver Rechtsschutz ist (unter anderem) nur durch sachlich und persönlich unabhängige Richter möglich. Aus diesem Grund sind sie prinzipiell unabsetzbar und unversetzbar (BVerfGE 14, 156, 193; 17, 252, 259).
21
Darin aber erschöpft sich die Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit nicht; sie fordert auch Minimalbedingungen für die freie Ausübung der richterlichen Tätigkeit. So wenig ein Richter durch Maßnahmen der Geschäftsverteilung aus seinem Amt verdrängt werden darf (vgl. BVerfGE 17, 252, 259; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 2007 - 2 BvR 1431/07 - NJW 2008, 909), indem ihm durch den Geschäftsverteilungsplan praktisch kaum noch Aufgaben zugewiesen werden, so wenig darf er mit unerfüllbaren Aufgaben beauftragt werden, indem ihm ein Pensum auferlegt wird, das sich in sachgerechter Weise nicht mehr erledigen lässt (vgl. BGH, Urt. vom 3. Dezember 2009 - RiZ(R) 1/09 - juris). Eine sichere oder auch nur in Kauf genommene dauerhafte Überlastung eines Richters beeinträchtigt ohne Weiteres die gleichmäßige Verwirklichung des Justizgewährungsanspruchs der Rechtssuchenden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. November 2005 - 1 A 494/05 - juris) und stellt damit die Unabhängigkeit des Richters bei der Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben in Frage (vgl. BVerwGE 78, 211 ff.).
22
Maßgeblich für die Beurteilung, ob das übertragene Pensum sich (noch) sachgerecht erledigen lässt, ist ein abstrakt-genereller Maßstab. Es ist nicht auf die individuelle Belastbarkeit des einzelnen Richters abzustellen (vgl. BGH, Urt. vom 3. Dezember 2009 - RiZ(R) 1/09 - juris), erst Recht nicht darauf, ob ein Richter bereit und subjektiv willens ist, ein beliebiges, gegebenenfalls weit überdurchschnittliches Pensum zu leisten. Vielmehr ist zu fragen, ob es sich um ein Arbeitspensum handelt, das sich allgemein - nach der Lebenserfahrung, den für Fälle der betreffenden Art üblichen Maßstäben und den Anforderungen, welche an Richter in der entsprechenden Funktion nach allgemeiner Erfahrung gestellt werden können - auf Dauer erledigen lässt, oder ob es diese Grenze überschreitet.
23
Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, dass ein Richter - obgleich er keiner festen Arbeitszeitregelung unterliegt - nicht zur zeitlich unbegrenzten Erfüllung dienstlicher Angelegenheiten verpflichtet ist. Seine Arbeitsleistung orientiert sich unter Beachtung dienstlicher Notwendigkeiten, die vorübergehend einen höheren Arbeitseinsatz erfordern können, an der für Beamte geltenden Regelarbeitszeit und an dem von Richtern in vergleichbarer Position in dieser Zeit geleisteten Arbeitspensum (BVerwGE 78, 211 ff.). Nur im Rahmen dieser Verpflichtung ist er zur Wahrnehmung dienstlicher Belange verpflichtet; nur in diesem Rahmen kann auch der Rechtssuchende davon ausgehen, dass der Rich- ter seinen Teil zur Erfüllung des grundrechtlich garantierten Justizgewährungsanspruchs beiträgt.
24
c) Legt man diesen Maßstab zugrunde, stellt sich die Frage, ob die Übertragung eines Doppelvorsitzes in zwei Strafsenaten des Bundesgerichtshofs ein Arbeitspensum beinhaltet, das sich nach abstrakt-genereller Betrachtung sachgerecht von einem Vorsitzenden so bewerkstelligen lässt, dass der Justizgewährungsanspruch rechtsuchender Beschwerdeführer dadurch nicht beeinträchtigt wird. Der Senat verneint dies.
25
aa) Für diese Einschätzung ist es nicht entscheidend, wie an anderen Bundesgerichten verfahren wird. Sowohl die Arbeitsweise wie auch die tatsächliche Belastungssituation an den verschiedenen Bundesgerichten mit jeweils unterschiedlichen Verfahrensordnungen weichen so stark voneinander ab, dass aus der Handhabung dort (zwingende) Rückschlüsse auf die Belastungssituation in den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs nicht gezogen werden können. So können sich sowohl aus der von einem Senat zu bearbeitenden Anzahl von Verfahren als auch aus der konkreten Bearbeitungsweise erhebliche Unterschiede ergeben. Die Arbeit der Strafsenate des Bundesgerichtshofs ist dadurch geprägt, dass der weitaus größte Teil der Verfahren - mehr als 90% - im Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 1 bis 4 StPO erledigt werden. In diesen Verfahren werden die Sachen nicht vorvotiert, sondern vom Berichterstatter in der Beratung vorgetragen. Dies stellt an die Leitungs- und Überwachungsfunktion des Vorsitzenden hohe Anforderungen, die nicht dadurch umgangen oder gemindert werden können, dass durch Bestellung eines "Zweitberichterstatters" das so genannte "Vier-Augen-Prinzip" ohne Beteiligung des Vorsitzenden gewahrt wird.
26
Eine sachgerechte Ausübung der Leitungsfunktion durch den Vorsitzenden - als regelmäßig besonders erfahrenen, qualifizierten und leistungsstarken Richter - setzt voraus, dass dieser die im Senat zu entscheidenden Fälle kennt, die inmitten stehenden Rechtsprobleme wahrnimmt und überdenkt, mögliche Lösungen ins Auge fasst und die Beratung ggf. entsprechend lenkt (zum normativ begründeten richtungsweisenden Einfluss des Vorsitzenden auf die Rechtsprechung, die sich auch auf seine Vorbereitung auszuwirken hat; vgl. BGH NJW 2009, 931; s. auch BVerfG NJW 2004, 3482). Dies ist ohne vertiefte Fallkenntnis nicht möglich; entsprechende Kenntnisse können dem Vorsitzenden auch nicht zuverlässig durch bloßen mündlichen Vortrag eines anderen Richters in einem Maß vermittelt werden, das eine inhaltliche "Leitung" der Beratung ermöglicht.
27
Kern der Tätigkeit der Strafsenate des Bundesgerichtshofs ist die rechtliche Überprüfung schriftlicher, oft umfangreicher Urteilsgründe anhand ebenfalls schriftlicher - teilweise sehr umfangreicher, komplexer und differenzierter, oft auch wenig strukturierter und problematisch abgefasster - Revisionsschriftsätze. Diese Aufgabe kann sachgerecht nur erfüllt werden, wenn die in den sog. "Senatsheften" - die mitunter viele hundert Seiten umfassen können - enthaltenen Revisionsunterlagen sorgfältig durchgearbeitet werden. So verlangt beispielsweise oft schon die Auslegung von - umfangreichen - Revisionsrügen und das Erkennen von darin enthaltenen Rechtsproblemen eine vertiefte Kenntnis der Problematik oder lang zurück reichender Rechtsprechungs-Entwicklung. All dies kann dem Vorsitzenden nicht durch den Vortrag eines - unter Umständen weniger erfahrenen - Berichterstatters vermittelt werden.
28
bb) Unerheblich für die hier zu entscheidende Konstellation ist auch, dass an Landgerichten, auch an Oberlandesgerichten, ein Doppel- oder sogar Mehrfachvorsitz durchaus vorkommt (vgl. etwa BGHSt 8, 17; OLG Koblenz MDR 1966, 1023; Hans. OLG Hamburg StV 2003, 11; VGH Kassel, ESVGH 48, 241; s. auch die einen Sonderfall betreffende Entscheidung BGH NJW 1967, 1566, 1567 = BGHZ 47, 289 in Widerspruch zu BGHZ 37, 210 und ohne Hinweis auf eine tatsächliche Belastung des Vorsitzenden).
29
Grundlage dafür ist, dass an diesen Gerichten häufig Spruchkörper gebildet sind oder von Gesetzes wegen zu bilden sind, denen in der gerichtlichen Praxis nur eine geringe Geschäftsaufgabe zufällt. Das kann im Bereich der Strafrechtspflege etwa Auffangkammern oder Strafkammern für besondere Geschäftsaufgaben nach §§ 74 Abs. 2, 74a, 74b, 74c GVG betreffen. In solchen Spruchkörpern kann ein Vorsitzender Richter den Vorsitz je nach konkretem Zuschnitt mit einem so geringen Teil seiner gesamten Arbeitskraft ausfüllen, dass er daneben noch einen anderen Vorsitz wahrnehmen kann.
30
Dies ist in den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs nicht der Fall. Diese sind sämtlich voll ausgelastet. Der 4. Strafsenat hatte im Jahr 2011 682 Neueingänge , der 2. Strafsenat 623, zusätzlich 325 Beschwerden und Gerichtsstandsbestimmungen. Der 4. Strafsenat ist für das Geschäftsjahr 2012 für die OLG-Bezirke Rostock und Saarbrücken entlastet worden; dies wird zu einer Reduzierung der Geschäftslast um ca. 120 Revisionen führen.
31
cc) Für die Beurteilung des Senats ist auch die individuelle Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann nicht entscheidungserheblich. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beurteilung des Leistungsverhaltens von Richtern, ergibt sich aber auch aus Folgendem:
32
Abgesehen davon, dass sich eine formelle Dokumentation seiner Leistungsbereitschaft weder im Geschäftsverteilungsplan noch in den Mitwirkungsgrundsätzen der betroffenen Senate noch an anderer Stelle findet, sind schon im Vorfeld der Änderung der Geschäftsverteilung zum 1. Januar 2012, aber auch danach Gestaltungsmöglichkeiten erörtert worden, die zu einer Reduzierung der Arbeitslast des Vorsitzenden führen können. Umfang und Ausmaß dessen, was der Vorsitzende über seine rechtliche Verpflichtung hinaus zu leisten bereit und imstande ist, können aber auf diese Weise insbesondere aus Sicht des rechtssuchenden Bürgers im Voraus weder bestimmt noch auch nur erkannt werden. Der Umfang überobligatorischer Arbeitsleistung bis an die Grenze des Möglichen kann jederzeit - aus beliebigen Gründen - eingeschränkt oder verändert werden, ohne dass ihre Erfüllung von dem Vorsitzenden rechtlich verlangt werden oder er auch nur zu einer verbindlichen Auskunft angehalten werden könnte.
33
dd) Die Übertragung eines Doppelvorsitzes bei zwei Strafsenaten des Bundesgerichtshofs stellt ein Arbeitspensum dar, das dem Vorsitzenden - unabhängig von seiner konkreten Person - nicht mehr die verantwortungsvolle Ausübung der richterlichen Tätigkeit in beiden Senaten ermöglicht (vgl. zum gleichzeitigen Vorsitz in mehreren Strafkammern beim Landgericht BGHSt 2, 71, 73, wo der BGH aber - wie bei BGHSt 8, 17, 18 - nicht auf die damit verbundene Belastung des Vorsitzenden und den Einfluss auf dessen Unabhängigkeit , sondern auf dessen fehlenden richtungsgebenden Einfluss zur Leitung der Spruchkörper abstellt). Das gilt auch unter Berücksichtigung von denkbaren , rechtlich zulässigen Entlastungen. Dies führt zu einer die Unabhängigkeit beeinträchtigenden Überbelastung und dazu, dass der überbelastete Vorsitzende Richter nicht mehr der "gesetzliche Richter" im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist. Mit der Übertragung eines weiteren Vorsitzendenamts wird dem Richter - ungeachtet der konkreten Belastung im einzelnen Senat - ein über dem bisherigen Maß voller Belastung liegendes Arbeitspensum auferlegt, das sich nicht nur gegenüber früherer Belastung, sondern auch im Verhältnis zu anderen Vorsitzenden von Strafsenaten beim Bundesgerichtshof im Januar 2012 einer doppelten Belastung annähern dürfte. Es ist bislang nicht in Frage gestellt worden, dass bereits die Leitung eines Strafsenats beim Bundesgerichtshof die Arbeitskraft eines Vorsitzenden im Wesentlichen ausschöpft.
34
Es liegt demnach auf der Hand, dass der gleichzeitige Vorsitz in zwei voll belasteten Strafsenaten nicht ohne gravierende, den Justizgewährungsanspruch substanziell einschränkende Qualitätseinbußen ausgeübt werden kann. Dies gilt auch, soweit man davon ausginge, dass Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann durch die Vorrangregelung zu Gunsten des 2. Strafsenats im Ergebnis eine bis zu 25% reichende Entlastung der Aufgaben im 4. Strafsenat (vgl. BGHZ 37, 210, 216; zur möglichen Vertretung auch BGHSt 28, 290, 293) erfahren könnte (insoweit allerdings fraglich; vgl. dazu Hans. OLG Hamburg StV 2003, 11, wonach dann, wenn dem Vorsitzenden eines Spruchkörpers zusätzliche Aufgaben - insbesondere der Vorsitz in einem weiteren Spruchkörper - übertragen werden, die er in Folge ohnehin bestehender Arbeitsbelastung voraussehbar nicht erbringen kann, in Bezug auf die zusätzlichen Aufgaben ein Fall der Verhinderung nach § 21f Abs. 2 GVG nicht vorliegen soll). Auch ein Arbeitspensum, das "nur" 175% desjenigen eines durchschnittlichen Vorsitzenden Richters ausmacht, ist ohne eine exorbitante Steigerung der Arbeitsleistung nicht zu bewältigen. Ein solches Maß an Arbeitsaufwand schuldet der Richter, wenn überhaupt, allenfalls bei ganz besonderer , nicht vorhersehbarer dienstlicher Notwendigkeit, und dies auch nur "vorübergehend". Keinesfalls ist er aber verpflichtet, planmäßig und für einen längeren Zeitraum, der hier angesichts der Unabsehbarkeit des Besetzungsverfahrens bis zu sechs Monaten (bis zur Pensionierung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann) dauern kann, gleichzeitig nahezu zwei volle Stellen als Vorsitzender auszufüllen.
35
ee) Ein anderes Ergebnis könnte sich ergeben, wenn es - rechtlich zulässig im Hinblick auf Aufgaben und Funktion eines Vorsitzenden Richters - Möglichkeiten gäbe, ihn ohne Beeinträchtigung des Justizgewährungsanspruchs von gewissen Aufgaben freizustellen, um ihm so Freiräume für den gleichzeitigen Vorsitz in zwei Senaten des Bundesgerichtshofs zu schaffen. Bereits im Vorfeld der Änderung der Geschäftsverteilung zum 1. Januar 2012, insbesondere auch im Rahmen der Anhörung durch das Präsidium am 15. Dezember 2011, sind mögliche organisatorische Maßnahmen erörtert worden, die zu einer Reduzierung der Arbeitslast des Vorsitzenden führen und es ihm so überhaupt erst ermöglichen könnten, den Vorsitz in zwei Strafsenaten zugleich zu führen (weil Einigkeit bestand, dass eine Verdopplung der Arbeitsleistung durch Leitung von zwei Senaten mit insgesamt mehr als 1.300 Revisionssachen im Jahr nicht möglich ist, wenn nach "normalen" Regeln gearbeitet werde). Der Senat sieht solche Möglichkeiten nicht. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus einem teilweisen Verzicht auf das Studium des Revisionsheftes (vgl. schon oben).
36
Nach § 21f Abs. 1 GVG führt der Vorsitzende Richter in den Senatsspruchkörpern den Vorsitz, er nimmt prinzipiell an allen Verfahren teil. Der Vorsitzende leitet die Beratung, er stellt die Fragen und sammelt die Stimmen (§ 194 Abs. 1 GVG). Er übernimmt in der Regel keine eigenen Berichterstattungen und beschränkt sich regelmäßig - ohne besondere Gestaltung in einzelnen Verfahren - darauf, durch die Leitung von Beratung und Hauptverhandlung die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Senats sicherzustellen.
37
Die Begleitung und Kontrolle des Berichterstatters durch den Vorsitzenden erweist sich als notwendig, um einen grundrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutz durch den erforderlichen substanziellen Zugriff auf die inmitten stehenden Rechtsfragen sicherzustellen. Würde man hierauf verzichten, so wäre das Amt eines Senatsvorsitzenden insgesamt überflüssig, da es auf eine "Lenkung der Rechtsprechung" durch einen besonders qualifizierten Richter nicht mehr ankäme.
38
Daher hat sich in langjähriger Praxis des Bundesgerichtshofs ein bisher auch nicht in Frage gestelltes Verständnis herausgebildet, wonach es selbstverständliche Pflicht eines Strafsenatsvorsitzenden ist, selbst jedes Senatsheft zu lesen und sich aufgrund dessen eine (der Auffassung des Berichterstatters gegenüberzustellende und in die Rechtsprechung des Senats einzuordnende) Ansicht von den in dem jeweiligen Verfahren anfallenden Rechtsfragen zu bilden. Eine Delegation dieser Aufgabe, etwa an den stellvertretenden Vorsitzenden oder an einen Zweitberichterstatter, verträgt sich mit einem solchen Verständnis nicht; die Lektüre etwa der Zuschriften des Generalbundesanwalts kann zwar einen allgemeinen Überblick über die inmitten stehenden Rechtsfragen verschaffen, keinesfalls aber die eigene Kenntnis des Senatshefts ersetzen.
39
Zudem wäre eine Selbststeuerung der Arbeitslast durch den Vorsitzenden Richter auch kein legitimer Grund für ein daran orientiertes Verständnis von Zuständigkeits- oder Mitwirkungsregeln (vgl. BVerfGE 54, 277, 295). Die Effektivität der Kontrolle und damit des gerichtlichen Rechtsschutzes in Strafsachen mit ihrer hohen Eingriffsintensität hängt mangels Kenntnis der Revisionsunterlagen der übrigen Mitglieder des Senats in Beschlussberatungen stark von der Maßstabslenkung und Erörterungsleitung durch den Vorsitzenden ab. Die Kenntnis des in den Akten zugrunde liegenden Streitstoffs ist und bleibt ange- sichts der derzeitigen Handhabung grundsätzlich vom Justizgewährungsanspruch geforderte und damit rechtstaatlich unabdingbare Voraussetzung für die Leitung und Führung eines Strafsenats beim Bundesgerichtshofs (vgl. auch VGH Kassel ESVGH 48, 241 zur Wahrnehmung eines Vorsitzes bei einem Verwaltungsgerichtshof, bei dem - nicht zuletzt im Interesse einer sachgerechten und verantwortungsvollen Ausübung der Leitungsfunktion - von einem Vorsitzenden die Übernahme von Berichterstattertätigkeiten erwartet wird).
40
d) Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die vom Präsidium des Bundesgerichtshofs beschlossene Einrichtung eines Doppelvorsitzes in der vorliegenden Form als einzig denkbare Lösung des oben unter Ziff. II. 2 dargestellten Problems in Betracht käme. Dies ist nämlich nicht der Fall. Vielmehr sind Alternativen denkbar, die bei entsprechender Ausgestaltung nicht Gefahr laufen, mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG voraussichtlich in Konflikt zu geraten. Dies könnte etwa eine vorübergehende Verkleinerung der Geschäftsaufgabe des 2. und/oder 4. Strafsenats auf ein Maß sein, welches einen Doppelvorsitz ermöglicht. Denkbar wäre auch eine Zuweisung des Vorsitzenden des 4. Strafsenats allein an den 2. Strafsenat - unter Inkaufnahme einer vorübergehenden Vakanz im 4. Strafsenat -; schließlich, auf der Grundlage der Senatsmeinung zu § 21f Abs. 2 GVG, auch eine weitere Fortführung der Vertretung.

III.

41
Die Feststellung der Unvereinbarkeit der Geschäftsverteilungsregelung mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, die nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zwingt, hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen. Sie führt zur Aussetzung der Revisionshauptverhandlung, um dem Präsidium Gelegenheit zu geben, eine mit der Verfassung in Einklang stehende Regelung herbeizuführen.

Ernemann Fischer Krehl Eschelbach Ott

Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 620/11
vom
9. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion
u.a.
hier: Ablehnungsgesuche
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Mai 2012 beschlossen:
Die Ablehnungsgesuche des Angeklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer und Prof. Dr. Krehl werden als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Beschwerdeführer, der auch die vorschriftswidrige Besetzung des 2. Strafsenates gerügt hat, macht geltend, es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die abgelehnten Richter nicht in der ihnen durch das Grundgesetz eingeräumten Unabhängigkeit entscheiden, sondern sich bei ihren Entscheidungen durch einen durch das Präsidium des Bundesgerichtshofs ausgeübten Druck bestimmen lassen. Dies ergebe sich aus folgenden Tatsachen:
2
Die abgelehnten Richter hätten als Mitglieder der Spruchgruppe 2 des 2. Strafsenates mit Beschluss vom 11. Januar 2012 (2 StR 346/11) festgestellt, dass der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt sei und das Verfahren ausgesetzt , weil die Zuweisung des Senatsvorsitzes an den abgelehnten Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann durch den Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs mit Verfassungsrecht nicht in Einklang stehe (anders die Spruchgruppe 1 des 2. Strafsenates, vgl. Urteil vom 11. Januar 2012 - 2 StR 482/11). Am 8. Februar 2012 hätten sie gleichwohl in demselben Verfahren durch Urteil in der Sache entschieden. Aus Presseveröffentlichungen gehe hervor, dass ein Mitglied des Senats in der mündlichen Verhandlung über die Strafsache 2 StR 346/11 am 8. Februar 2012 dem Präsidium des Bundesgerichtshofs vorgeworfen habe, in dieser Sache auf die Rechtsprechung des Senates Einfluss genommen zu haben. Da unter der Beteiligung der abgelehnten Mitglieder des 2. Strafsenates an demselben Tag eine Sachentscheidung ergangen sei, obwohl sie weiterhin davon überzeugt seien, für diese nicht zuständig zu sein, müsse der Beschwerdeführer befürchten, dass diese mit den Grundlagen des juristischen Denkens nicht vereinbare Handlungsweise auf einer Druckausübung durch das Präsidium beruhe, sich mithin die abgelehnten Richter erfolgreich unter Druck hätten setzen lassen und so ihre Unabhängigkeit selbst aufgegeben hätten. Der Beschwerdeführer müsse auch befürchten, dass Richter, die bereits einmal hierzu bereit gewesen seien, sich auch weiterhin dem durch das Präsidium ausgeübten Druck beugen würden. Da der Beschwerdeführer auf Grund des Beratungsgeheimnisses nicht wissen könne, wie die Richter abgestimmt hätten, lehne er sämtliche Richter ab, die Mitglieder derjenigen Spruchgruppe waren, die die Entscheidungen vom 11. Januar 2012 und vom 8. Februar 2012 im Verfahren 2 StR 346/11 getroffen hätten, soweit diese nunmehr auch zur Entscheidung über die vorliegende Sache vorgesehen seien.

II.

3
Die Ablehnungsgesuche haben keinen Erfolg.
4
1. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet eine Ablehnung statt, wenn ein Grund vorgebracht wird, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO). Die Vorschrift ist einfachgesetzlicher Ausdruck der verfassungsrechtlichen Prinzipien des gesetzli- chen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Unabhängigkeit der Gerichte (Art. 97 Abs. 1 GG), die garantieren, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfG 2 BvR 958/06 vom 27. Dezember 2006 = NJW 2007, 1670 mwN; 2 BvR 115/95 vom 19. August 1996 = NJW 1996, 3333). Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters ist gerechtfertigt, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfG NJW 1995, 1277; BVerfGE 88, 1, 4; BGH, Beschluss vom 27. April 1972 - 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 338; Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. 2011 § 24 Rn. 8 mwN). Ob nach § 24 Abs. 2 StPO die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit stattfindet, beurteilt sich stets im Hinblick auf das konkrete Verfahren; ist ein Bezug zum konkreten Verfahrensgegenstand gegeben, kann nicht von einer verfahrensübergreifenden Generalablehnung die Rede sein, die gesetzlich nicht vorgesehen ist (BVerfG 2 BvR 115/95 vom 19. August 1996 = NJW 1996, 3333).
5
2. Nach diesen Maßstäben sind die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer und Prof. Dr. Krehl als unbegründet zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer hat bei vernünftiger Würdigung aller Umstände , unter besonderer Berücksichtigung der Gründe der Entscheidung vom 8. Februar 2012, keinen Anlass, an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln.
6
Unerheblich ist der von einem der abgelehnten Richter in seiner dienstlichen Erklärung aus seiner subjektiven Wahrnehmung geschilderte Ablauf seiner Anhörung am 18. Januar 2012 vor dem Präsidium. Ebenso kann dahinstehen , ob ansonsten durch das Präsidium - wie ein anderer abgelehnter Richter, der am 18. Januar 2012 nicht angehört wurde, dienstlich erklärt hat - nach seinem subjektiven Eindruck und Empfinden ein hoher Druck aufgebaut wurde, die Rechtsprechung der Spruchgruppe 2 des Senates zu ihrer Besetzung aufzugeben. Weiterer Aufklärung, etwa durch Anhörung der Mitglieder des Präsidiums, bedarf es daher nicht. Selbst wenn die Behauptung, das Präsidium - das, mit Ausnahme des Präsidenten, aus von allen Richtern am Bundesgerichtshof gewählten Richtern am Bundesgerichtshof besteht - habe wie auch immer gearteten Druck auf die abgelehnten Richter ausgeübt, zutreffen sollte, bezog sich dieser Druck auch nach den dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter nicht etwa inhaltlich auf die Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten , sondern ausschließlich darauf, dass den bei der Spruchgruppe 2 des 2. Strafsenates anhängigen Verfahren - also auch dem den Angeklagten betreffenden - Fortgang gegeben wird.
7
Misstrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der abgelehnten Richter ergibt sich bei vernünftiger Würdigung auch nicht daraus, dass die Spruchgruppe 2 des Senates am 8. Februar 2012 durch Urteil - anders als noch am 11. Januar 2012 - dennoch in der Sache entschieden hat, wobei aufgrund des Beratungsgeheimnisses offen bleiben muss, welcher Richter wie abgestimmt hat. Nach den Gründen des Beschlusses vom 11. Januar 2012 ist die Revisionshauptverhandlung deshalb ausgesetzt worden, um dem Präsidium Gelegenheit zu geben, eine mit der Verfassung in Einklang stehende Regelung herbeizuführen (BA 19 f.). Nachdem das Präsidium des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 18. Januar 2012 an der Geschäftsverteilung für den 2. Strafsenat mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als Vorsitzendem festgehalten hat, hat der Senat unter Mitwirkung der abgelehnten Richter in dem genannten Urteil ausgeführt, dass die Rechtslage zu der Frage nicht eindeutig sei, ob ein Präsidiumsbeschluss zur Geschäftsverteilung regelmäßig bindend sei, mithin die Spruchkörper des Gerichts nicht befugt seien, im fachgerichtlichen Verfahren ihre Besetzung zu überprüfen. Mit Rücksicht darauf , dass es andernfalls zu einem partiellen Stillstand der Rechtspflege käme, hat die Spruchgruppe 2 des Senates es für geboten gehalten, in allen bei ihr anhängigen Revisionen - also auch der vorliegenden - in der Sache zu entscheiden , auch wenn sie sich weiterhin nicht für ordnungsgemäß besetzt hält. Der Senat hat dies mit dem rechtsstaatlichen Beschleunigungsgebot und dem Gebot der Rechtsschutzgewährung begründet und ausdrücklich darauf hingewiesen , dass es nicht zu Lasten der Rechtsmittelführer gehen dürfe, dassdas Präsidium des Bundesgerichtshofs die Rechtsprechung der Spruchgruppe 2 des Senates nicht umgesetzt habe.
8
Damit hat der Senat seiner Entscheidung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter aus der Verfassung abgeleitete Prinzipien zugrunde gelegt, die gewährleisten sollen, dass über die Revision eines Angeklagten zügig und ohne unangemessene Verzögerung entschieden wird. Die die Entscheidung im Ergebnis leitenden Verfassungsgrundsätze wirken vor allem zu Gunsten des rechtsuchenden Bürgers; der Senat hat bei seiner Abwägung auch bestimmend auf die Interessen der jeweiligen Rechtsmittelführer abgestellt. Es liegt aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten fern, bei der gegebenen, von der betreffenden Spruchgruppe des Senats als unklar gewerteten Rechtslage und mit Rücksicht auf die für die Entscheidung angeführten, maßgeblich die Interessen der jeweiligen Revisionsführer in den Blick nehmenden Gründe, zu besorgen, dass die abgelehnten Richter ihm bei der Entscheidung seines konkreten Falles nicht mit der gebotenen Neutralität und Distanz gegenübertreten.
9
Auch soweit es im Urteil vom 8. Februar 2012 heißt, dass "die richterliche Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 1 GG partiell zurückstehen" müsse und der Senat "nach der Entscheidung des Präsidiums gehalten" sei, "in seiner Meinung nach verfassungswidriger Besetzung zu entscheiden", rechtfertigt dies bei ver- nünftiger Würdigung kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter. Die betreffenden Formulierungen sind - ungeachtet des auch an dieser Stelle wegen des Beratungsgeheimnisses offen bleibenden Abstimmungsverhaltens der einzelnen Richter - erkennbar in den dargelegten argumentativen Zusammenhang des Urteils eingebettet. Sie beschreiben insofern lediglich die Konsequenz mit Rücksicht auf die in der konkreten Situation als höherrangig bewerteten Gebote der Beschleunigung und der Rechtsschutzgewährung in der Sache zu entscheiden, obwohl sich die Spruchgruppe 2 des Senates nicht für ordnungsgemäß besetzt hält.
10
Schließlich ist auch im Übrigen nichts dafür erkennbar oder vorgetragen, dass jenseits der Besetzungsfrage in der Sache selbst ein Grund vorliegen könnte, der Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter rechtfertigt.
Appl Franke Schmitt Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 61/12
vom
20. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
hier: Ablehnungsgesuch
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2012 beschlossen:
Das Ablehnungsgesuch des Angeklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer und Prof. Dr. Krehl wegen der Besorgnis der Befangenheit wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Beschwerdeführer, der auch die vorschriftswidrige Besetzung des 2. Strafsenates gerügt hat, macht geltend, es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die abgelehnten Richter nicht in der ihnen durch das Grundgesetz eingeräumten Unabhängigkeit entscheiden, sondern sich bei ihren Entscheidungen durch einen durch das Präsidium des Bundesgerichtshofs ausgeübten Druck bestimmen lassen. Dies ergebe sich aus folgenden Tatsachen:
2
Die abgelehnten Richter hätten als Mitglieder der Spruchgruppe 2 des 2. Strafsenates mit Beschluss vom 11. Januar 2012 (2 StR 346/11) festgestellt, dass der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt sei und das Verfahren ausgesetzt , weil die Zuweisung des Senatsvorsitzes an den abgelehnten Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann durch den Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs mit Verfassungsrecht nicht in Einklang stehe (anders die Spruchgruppe 1 des 2. Strafsenates, vgl. Urteil vom 11. Januar 2012 – 2 StR 482/11). Am 8. Februar 2012 habe gleichwohl jene Spruchgruppe, die sich im Hinblick auf den Senatsvorsitz nicht für gesetzmäßig besetzt gehalten habe, in demselben Verfahren durch Urteil in der Sache entschieden. Aus Presseveröffentlichungen gehe hervor, dass ein Mitglied des Senats in der mündlichen Verhandlung über die Strafsache 2 StR 346/11 am 8. Februar 2012 dem Präsidium des Bundesgerichtshofs vorgeworfen habe, in dieser Sache auf die Rechtsprechung des Senates Einfluss genommen zu haben. Der Beschwerdeführer müsse deshalb befürchten, dass diese mit den Grundlagen des juristischen Denkens nicht vereinbare Handlungsweise nur auf einer Druckausübung durch das Präsidium beruhe, sich mithin die abgelehnten Richter in einer rechtlichen Frage von ihrem Präsidium erfolgreich unter Druck hätten setzen lassen und so ihre Unabhängigkeit selbst aufgegeben hätten. Der Beschwerdeführer müsse auch befürchten, dass Richter, die bereits einmal hierzu bereit gewesen seien, sich auch weiterhin dem durch das Präsidium ausgeübten Druck beugen würden.

II.

3
Das Ablehnungsgesuch hat keinen Erfolg.
4
1. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet eine Ablehnung statt, wenn ein Grund vorgebracht wird, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO). Die Vorschrift ist einfachgesetzlicher Ausdruck der verfassungsrechtlichen Prinzipien des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Unabhängigkeit der Gerichte (Art. 97 Abs. 1 GG), die garantieren, dass der Rechtssuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfG - 2 BvR 958/06 vom 27. Dezember 2006 mwN; - 2 BvR 115/95 vom 19. August 1996). Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters ist gerechtfertigt, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfG NJW 1995, 1277; BVerfGE 88, 1, 4; BGHSt 24, 336, 338; Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. 2011 § 24 Rn. 8 mwN). Ob nach § 24 Abs. 2 StPO die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit stattfindet, beurteilt sich stets im Hinblick auf das konkrete Verfahren; ist ein Bezug zum konkreten Verfahrensgegenstand gegeben, kann nicht von einer verfahrensübergreifenden Generalablehnung die Rede sein, die gesetzlich nicht vorgesehen ist (BVerfG - 2 BvR 115/95 vom 19. August 1996).
5
2. Nach diesen Maßstäben sind die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer und Prof. Dr. Krehl als unbegründet zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer hat bei vernünftiger Würdigung aller Umstände , unter besonderer Berücksichtigung der Gründe der Entscheidung vom 8. Februar 2012, keinen Anlass, an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln.
6
Unerheblich ist der von einem der abgelehnten Richter in seiner dienstlichen Erklärung aus seiner subjektiven Wahrnehmung geschilderte Ablauf seiner Anhörung am 18. Januar 2012 vor dem Präsidium. Ebenso kann dahinstehen , ob ansonsten durch das Präsidium - wie ein anderer abgelehnter Richter, der am 18. Januar 2012 nicht angehört wurde, dienstlich erklärt hat - nach seinem subjektiven Eindruck und Empfinden ein hoher Druck aufgebaut wurde, die Rechtsprechung der Spruchgruppe 2 des Senates zu ihrer Besetzung aufzugeben. Weiterer Aufklärung, etwa durch Anhörung der Mitglieder des Präsidiums, bedarf es daher nicht. Selbst wenn die Behauptung, das Präsidium - das, mit Ausnahme des Präsidenten, aus von allen Richtern am Bundesgerichtshof gewählten Richtern am Bundesgerichtshof besteht - habe wie auch immer gearteten Druck auf die abgelehnten Richter ausgeübt, zutreffen sollte, bezog sich dieser Druck auch nach den dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter nicht etwa inhaltlich auf die Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten , sondern ausschließlich darauf, dass den bei der Spruchgruppe 2 des 2. Strafsenates anhängigen Verfahren - also auch dem die Beschwerdeführer betreffenden - Fortgang gegeben wird. Eine unabhängigkeitsbeeinträchtigende Einflussnahme auf die angehörten Richter - oder den 2. Strafsenat insgesamt - ist in der vorliegenden Konstellation ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2012 - 2 BvR 610/12, 2 BvR 625/12).
7
Misstrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der abgelehnten Richter ergibt sich bei vernünftiger Würdigung auch nicht daraus, dass die Spruchgruppe 2 des Senates am 8. Februar 2012 durch Urteil - anders als noch am 11. Januar 2012 - in der Sache entschieden hat, wobei aufgrund des Beratungsgeheimnisses offen bleiben muss, welcher Richter wie abgestimmt hat. Nach den Gründen des Beschlusses vom 11. Januar 2012 ist die Revisionshauptverhandlung deshalb ausgesetzt worden, um dem Präsidium Gelegenheit zu geben, eine mit der Verfassung in Einklang stehende Regelung herbeizuführen (BA 19 f.). Nachdem das Präsidium des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 18. Januar 2012 an der Geschäftsverteilung für den 2. Strafsenat mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als Vorsitzendem festgehalten hat, hat der Senat unter Mitwirkung der abgelehnten Richter in dem genannten Urteil ausgeführt, dass die Rechtslage zu der Frage nicht eindeutig sei, ob ein Präsidiumsbeschluss zur Geschäftsverteilung regelmäßig bindend sei, mithin die Spruchkörper des Gerichts nicht befugt seien, im fachgerichtlichen Verfahren ihre Besetzung zu überprüfen. Mit Rücksicht da- rauf, dass es andernfalls zu einem partiellen Stillstand der Rechtspflege käme, hat die Spruchgruppe 2 des Senates es für geboten gehalten, in allen bei ihr anhängigen Revisionen in der Sache zu entscheiden, auch wenn sie sich weiterhin nicht für ordnungsgemäß besetzt hält. Der Senat hat dies mit dem rechtsstaatlichen Beschleunigungsgebot und dem Gebot der Rechtsschutzgewährung begründet und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht zu Lasten der Rechtsmittelführer gehen dürfe, dass das Präsidium des Bundesgerichtshofs die Rechtsprechung der Spruchgruppe 2 des Senates nicht umgesetzt habe.
8
Damit hat der Senat seiner Entscheidung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter aus der Verfassung abgeleitete Prinzipien zugrunde gelegt, die gewährleisten sollen, dass über die Revision eines Angeklagten zügig und ohne unangemessene Verzögerung entschieden wird. Die die Entscheidung im Ergebnis leitenden Verfassungsgrundsätze wirken vor allem zu Gunsten des rechtssuchenden Bürgers; der Senat hat bei seiner Abwägung auch bestimmend auf die Interessen der jeweiligen Rechtsmittelführer abgestellt. Es liegt aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten fern, bei der gegebenen, von der betreffenden Spruchgruppe des Senats als unklar gewerteten Rechtslage und mit Rücksicht auf die für die Entscheidung angeführten, maßgeblich die Interessen der jeweiligen Revisionsführer in den Blick nehmenden Gründe, zu besorgen, dass die abgelehnten Richter ihm bei der Entscheidung seines konkreten Falles nicht mit der gebotenen Neutralität und Distanz gegenübertreten.
9
Auch soweit es im Urteil vom 8. Februar 2012 heißt, dass "die richterliche Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 1 GG partiell zurückstehen" müsse und der Senat "nach der Entscheidung des Präsidiums gehalten" sei, "in seiner Meinung nach verfassungswidriger Besetzung zu entscheiden", rechtfertigt dies bei vernünftiger Würdigung kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehn- ten Richter. Die betreffenden Formulierungen sind - ungeachtet des auch an dieser Stelle wegen des Beratungsgeheimnisses offen bleibenden Abstimmungsverhaltens der einzelnen Richter - erkennbar in den dargelegten argumentativen Zusammenhang des Urteils eingebettet. Sie beschreiben insofern lediglich die Konsequenz, mit Rücksicht auf die in der konkreten Situation als höherrangig bewerteten Gebote der Beschleunigung und der Rechtsschutzgewährung in der Sache zu entscheiden, obwohl sich die Spruchgruppe 2 des Senats nicht für ordnungsgemäß besetzt hält.
10
Schließlich ist auch im Übrigen nichts dafür erkennbar oder vorgetragen, dass jenseits der Besetzungsfrage in der Sache selbst ein Grund vorliegen könnte, der Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter rechtfertigt. Dies gilt insbesondere für die von zwei der abgelehnten Richter behaupteten und von einem Richter zum Gegenstand eines Antrags an das Richterdienstgericht gemachten Umstände der Einsichtnahme in Verfahrensakten durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs, zumal der Angeklagte selbst daraus keinen Befangenheitsgrund herleitet.
Appl Franke Schmitt Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 166/12
vom
20. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
hier: Ablehnungsgesuch
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2012 beschlossen:
Das Ablehnungsgesuch des Angeklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Prof. Dr. Krehl und Dr. Eschelbach wegen der Besorgnis der Befangenheit wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Beschwerdeführer, der auch die vorschriftswidrige Besetzung des 2. Strafsenates gerügt hat, macht geltend, es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die abgelehnten Richter nicht in der ihnen durch das Grundgesetz eingeräumten Unabhängigkeit entscheiden, sondern sich bei ihren Entscheidungen durch einen durch das Präsidium des Bundesgerichtshofs ausgeübten Druck bestimmen lassen. Dies ergebe sich aus folgenden Tatsachen:
2
Die abgelehnten Richter hätten als Mitglieder der Spruchgruppe 2 des 2. Strafsenates mit Beschluss vom 11. Januar 2012 (2 StR 346/11) festgestellt, dass der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt sei und das Verfahren ausgesetzt , weil die Zuweisung des Senatsvorsitzes an den abgelehnten Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann durch den Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs mit Verfassungsrecht nicht in Einklang stehe (anders die Spruchgruppe 1 des 2. Strafsenates, vgl. Urteil vom 11. Januar 2012 - 2 StR 482/11). Am 8. Februar 2012 habe gleichwohl jene Spruchgruppe, die sich im Hinblick auf den Senatsvorsitz nicht für gesetzmäßig besetzt gehalten habe, in demselben Verfahren durch Urteil in der Sache entschieden. Aus Presseveröffentlichungen gehe hervor, dass ein Mitglied des Senats in der mündlichen Verhandlung über die Strafsache 2 StR 346/11 am 8. Februar 2012 dem Präsidium des Bundesgerichtshofs vorgeworfen habe, in dieser Sache auf die Rechtsprechung des Senates Einfluss genommen zu haben. Der Beschwerdeführer müsse deshalb befürchten, dass diese mit den Grundlagen des juristischen Denkens nicht vereinbare Handlungsweise nur auf einer Druckausübung durch das Präsidium beruhe, sich mithin die abgelehnten Richter in einer rechtlichen Frage von ihrem Präsidium erfolgreich unter Druck hätten setzen lassen und so ihre Unabhängigkeit selbst aufgegeben hätten. Der Beschwerdeführer müsse auch befürchten, dass Richter, die bereits einmal hierzu bereit gewesen seien, sich auch weiterhin dem durch das Präsidium ausgeübten Druck beugen würden.

II.

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Das Ablehnungsgesuch hat keinen Erfolg.
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1. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet eine Ablehnung statt, wenn ein Grund vorgebracht wird, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO). Die Vorschrift ist einfachgesetzlicher Ausdruck der verfassungsrechtlichen Prinzipien des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Unabhängigkeit der Gerichte (Art. 97 Abs. 1 GG), die garantieren, dass der Rechtssuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfG - 2 BvR 958/06 vom 27. Dezember 2006 mwN; - 2 BvR 115/95 vom 19. August 1996). Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters ist gerechtfertigt, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfG NJW 1995, 1277; BVerfGE 88, 1, 4; BGHSt 24, 336, 338; Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. 2011 § 24 Rn. 8 mwN). Ob nach § 24 Abs. 2 StPO die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit stattfindet, beurteilt sich stets im Hinblick auf das konkrete Verfahren; ist ein Bezug zum konkreten Verfahrensgegenstand gegeben, kann nicht von einer verfahrensübergreifenden Generalablehnung die Rede sein, die gesetzlich nicht vorgesehen ist (BVerfG - 2 BvR 115/95 vom 19. August 1996).
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2. Nach diesen Maßstäben sind die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Prof. Dr. Krehl und Dr. Eschelbach als unbegründet zurückzuweisen. Die Beschwerdeführer haben bei vernünftiger Würdigung aller Umstände, unter besonderer Berücksichtigung der Gründe der Entscheidung vom 8. Februar 2012, keinen Anlass, an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln.
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Unerheblich ist der von zwei der abgelehnten Richter in ihren dienstlichen Erklärungen aus ihrer subjektiven Wahrnehmung geschilderte Ablauf ihrer Anhörung am 18. Januar 2012 vor dem Präsidium. Ebenso kann dahinstehen, ob ansonsten durch das Präsidium - wie ein anderer abgelehnter Richter, der am 18. Januar 2012 nicht angehört wurde, dienstlich erklärt hat - nach seinem subjektiven Eindruck und Empfinden ein hoher Druck aufgebaut wurde, die Rechtsprechung der Spruchgruppe 2 des Senates zu ihrer Besetzung aufzugeben. Weiterer Aufklärung, etwa durch Anhörung der Mitglieder des Präsidiums, bedarf es daher nicht. Selbst wenn die Behauptung, das Präsidium - das, mit Ausnahme des Präsidenten, aus von allen Richtern am Bundesgerichtshof gewählten Richtern am Bundesgerichtshof besteht - habe wie auch immer gearteten Druck auf die abgelehnten Richter ausgeübt, zutreffen sollte, bezog sich dieser Druck auch nach den dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter nicht etwa inhaltlich auf die Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten , sondern ausschließlich darauf, dass den bei der Spruchgruppe 2 des 2. Strafsenates anhängigen Verfahren - also auch dem die Beschwerdeführer betreffenden - Fortgang gegeben wird. Eine unabhängigkeitsbeeinträchtigende Einflussnahme auf die angehörten Richter - oder den 2. Strafsenat insgesamt - ist in der vorliegenden Konstellation ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2012 - 2 BvR 610/12, 2 BvR 625/12).
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Misstrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der abgelehnten Richter ergibt sich bei vernünftiger Würdigung auch nicht daraus, dass die Spruchgruppe 2 des Senates am 8. Februar 2012 durch Urteil - anders als noch am 11. Januar 2012 - in der Sache entschieden hat, wobei aufgrund des Beratungsgeheimnisses offen bleiben muss, welcher Richter wie abgestimmt hat. Nach den Gründen des Beschlusses vom 11. Januar 2012 ist die Revisionshauptverhandlung deshalb ausgesetzt worden, um dem Präsidium Gelegenheit zu geben, eine mit der Verfassung in Einklang stehende Regelung herbeizuführen (BA 19 f.). Nachdem das Präsidium des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 18. Januar 2012 an der Geschäftsverteilung für den 2. Strafsenat mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als Vorsitzendem festgehalten hat, hat der Senat unter Mitwirkung der abgelehnten Richter in dem genannten Urteil ausgeführt, dass die Rechtslage zu der Frage nicht eindeutig sei, ob ein Präsidiumsbeschluss zur Geschäftsverteilung regelmäßig bindend sei, mithin die Spruchkörper des Gerichts nicht befugt seien, im fachgerichtlichen Verfahren ihre Besetzung zu überprüfen. Mit Rücksicht da- rauf, dass es andernfalls zu einem partiellen Stillstand der Rechtspflege käme, hat die Spruchgruppe 2 des Senates es für geboten gehalten, in allen bei ihr anhängigen Revisionen in der Sache zu entscheiden, auch wenn sie sich weiterhin nicht für ordnungsgemäß besetzt hält. Der Senat hat dies mit dem rechtsstaatlichen Beschleunigungsgebot und dem Gebot der Rechtsschutzgewährung begründet und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht zu Lasten der Rechtsmittelführer gehen dürfe, dass das Präsidium des Bundesgerichtshofs die Rechtsprechung der Spruchgruppe 2 des Senates nicht umgesetzt habe.
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Damit hat der Senat seiner Entscheidung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter aus der Verfassung abgeleitete Prinzipien zugrunde gelegt, die gewährleisten sollen, dass über die Revision eines Angeklagten zügig und ohne unangemessene Verzögerung entschieden wird. Die die Entscheidung im Ergebnis leitenden Verfassungsgrundsätze wirken vor allem zu Gunsten des rechtssuchenden Bürgers; der Senat hat bei seiner Abwägung auch bestimmend auf die Interessen der jeweiligen Rechtsmittelführer abgestellt. Es liegt aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten fern, bei der gegebenen, von der betreffenden Spruchgruppe des Senats als unklar gewerteten Rechtslage und mit Rücksicht auf die für die Entscheidung angeführten, maßgeblich die Interessen der jeweiligen Revisionsführer in den Blick nehmenden Gründe, zu besorgen, dass die abgelehnten Richter ihm bei der Entscheidung seines konkreten Falles nicht mit der gebotenen Neutralität und Distanz gegenübertreten.
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Auch soweit es im Urteil vom 8. Februar 2012 heißt, dass "die richterliche Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 1 GG partiell zurückstehen" müsse und der Senat "nach der Entscheidung des Präsidiums gehalten" sei, "in seiner Meinung nach verfassungswidriger Besetzung zu entscheiden", rechtfertigt dies bei vernünftiger Würdigung kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehn- ten Richter. Die betreffenden Formulierungen sind - ungeachtet des auch an dieser Stelle wegen des Beratungsgeheimnisses offen bleibenden Abstimmungsverhaltens der einzelnen Richter - erkennbar in den dargelegten argumentativen Zusammenhang des Urteils eingebettet. Sie beschreiben insofern lediglich die Konsequenz, mit Rücksicht auf die in der konkreten Situation als höherrangig bewerteten Gebote der Beschleunigung und der Rechtsschutzgewährung in der Sache zu entscheiden, obwohl sich die Spruchgruppe 2 des Senats nicht für ordnungsgemäß besetzt hält.
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Schließlich ist auch im Übrigen nichts dafür erkennbar oder vorgetragen, dass jenseits der Besetzungsfrage in der Sache selbst ein Grund vorliegen könnte, der Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter rechtfertigt. Das gilt insbesondere für die von drei der abgelehnten Richter behaupteten , von zwei Richtern zum Gegenstand von Anträgen an das Richterdienstgericht gemachten Umstände der Einsichtnahme in Verfahrensakten durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs, zumal der Angeklagte selbst daraus keinen Befangenheitsgrund ableitet.
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