Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2019 - 2 ARs 16/19

published on 21/08/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2019 - 2 ARs 16/19
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 16/19
2 AR 13/19
vom
21. August 2019
in der Jugendvollstreckungssache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
hier: Gerichtsstandsbestimmung
Az.: 2 VRJs 209/18 Amtsgericht Ulm
3 KLs 44 Js 6082/16 jug. Landgericht Ulm
1 VRJs 470/17 Amtsgericht Adelsheim
ECLI:DE:BGH:2019:210819B2ARS16.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 21. August 2019 beschlossen:
1. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Adelsheim vom 23. November 2018 wird aufgehoben. 2. Für die weitere Vollstreckung der Jugendstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Ulm vom 21. März 2017 ist das Amtsgericht Adelsheim zuständig.

Gründe:

1
Die Amtsgerichte Adelsheim und Ulm streiten sich über die Zuständigkeit für die weitere Vollstreckung der gegenüber dem Verurteilten verhängten Jugendstrafe.
2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift u.a. ausgeführt: „Für das Vollstreckungsverfahren ist der Bundesgerichtshof als das gemeinschaftliche obere Gericht der zu unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken gehörenden Amtsgerichte zur Entscheidung über den sachlichen Kompetenzkonflikt nach § 14 StPO berufen, der in entsprechender Anwendung auch für das Vollstreckungsverfahren gilt […]. Diese Zuständigkeit besteht auch im vorliegenden Fall der Ablehnung der Übernahme der Vollstreckungsleitung nach § 85 Abs. 5 JGG (BGHSt 30, 78; BGH NStZ 2005, 167; Eisenberg, JGG, 20. Aufl, § 85 Rn 18). Die Entscheidung über eine Abgabe nach § 85 Abs. 5 JGG trifft der Vollstreckungsleiter nach pflichtgemäßem Ermessen, für dessen Ausübung im wesentlichen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte maßgebend sind, bei denen es stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (Eisenberg, JGG, 20. Aufl, § 85 Rn 14). Dabei ist besondere Rücksicht auf den Grundsatz der Vollzugsnähe zu nehmen (BGH NStZ 2005, 167), aber nur, sofern er sich konkret als stichhaltig erweist (OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 380). Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen erscheint es sachgerecht , die Vollstreckung der Jugendstrafe bis auf weiteres dem Amtsgericht Adelsheim zu übertragen. Wichtige Gründe für die Übertragung der Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 5 JGG auf das Amtsgericht Ulm liegen hier nicht vor: Der vom Amtsgericht Adelsheim in seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2018 (Bl. 263 des Vollstreckungshefts) allein angeführte Gesichtspunkt der Vollzugsnähe kann unter Abwägung aller Umstände im vorliegenden Fall für eine Übertragung nicht ausschlaggebend sein: Der Verurteilte war bis zu seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Ulm seit dem 19. September 2017 in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim inhaftiert. […] Der Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim hat wichtiges Erfahrungswissen über das Vollzugsverhalten des Gefangenen sammeln können und sich zur Vorbereitung seiner Entscheidung zur Ausnahme aus dem Jugendstrafvollzug eingehend mit der Person des Heranwachsenden – auch im Rahmen einer persönlichen Anhörung am 26. Oktober 2018 – beschäftigt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 380). Bei dieser Sachlage wäre es erkennbar unzweckmäßig, dem bislang mit der Sache nicht befassten und mit der Person des Verurteilten nicht vertrauten Jugendrichter des Amtsgerichts Ulm die aktuell anstehenden Entscheidungen zu übertragen und das beim Vollstreckungsleiter in Adelsheim vorhandene Erfahrungswissen nicht zu nutzen. Hinzu kommt, dass der Verurteilte nach Aktenlage vor seiner Inhaftierung seinen Lebensmittelpunkt außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Amtsgerichts Ulm hatte und daher aus heutiger Sicht nicht zu erwarten ist, dass er nach einer Entlassung (auf Bewährung ) dort Wohnsitz nehmen wird. Im Falle einer Haftentlassung stünde dann ein weiterer, zusätzlicher Zuständigkeitswechsel unmittelbar zu erwarten; ein offensichtlich unzweckmäßiger Gesche- hensablauf.“
3
Dem tritt der Senat bei.
Franke Appl Zeng RiBGH Dr. Grube ist Schmidt urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Franke
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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

(1) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, so gibt der zunächst zuständige Jugendrichter die Vollstreckung an den Jugendrichter ab, der nach § 90 Abs. 2 Satz 2 als Vollzugsleiter zuständig ist. (2) Ist Jugendstrafe zu vollstrecken, so geht nach der Au

Annotations

Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

(1) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, so gibt der zunächst zuständige Jugendrichter die Vollstreckung an den Jugendrichter ab, der nach § 90 Abs. 2 Satz 2 als Vollzugsleiter zuständig ist.

(2) Ist Jugendstrafe zu vollstrecken, so geht nach der Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe die Vollstreckung auf den Jugendrichter des Amtsgerichts über, in dessen Bezirk die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe liegt. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß die Vollstreckung auf den Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts übergeht, wenn dies aus verkehrsmäßigen Gründen günstiger erscheint. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(3) Unterhält ein Land eine Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe auf dem Gebiet eines anderen Landes, so können die beteiligten Länder vereinbaren, daß der Jugendrichter eines Amtsgerichts des Landes, das die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe unterhält, zuständig sein soll. Wird eine solche Vereinbarung getroffen, so geht die Vollstreckung auf den Jugendrichter des Amtsgerichts über, in dessen Bezirk die für die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Die Regierung des Landes, das die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe unterhält, wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß der Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts zuständig wird, wenn dies aus verkehrsmäßigen Gründen günstiger erscheint. Die Landesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(4) Absatz 2 gilt entsprechend bei der Vollstreckung einer Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 1 oder 2 des Strafgesetzbuches.

(5) Aus wichtigen Gründen kann der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung widerruflich an einen sonst nicht oder nicht mehr zuständigen Jugendrichter abgeben.

(6) Hat der Verurteilte das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet, so kann der nach den Absätzen 2 bis 4 zuständige Vollstreckungsleiter die Vollstreckung einer nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogenen Jugendstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgeben, wenn der Straf- oder Maßregelvollzug voraussichtlich noch länger dauern wird und die besonderen Grundgedanken des Jugendstrafrechts unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Verurteilten für die weiteren Entscheidungen nicht mehr maßgebend sind; die Abgabe ist bindend. Mit der Abgabe sind die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Strafvollstreckung anzuwenden.

(7) Für die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren gilt § 451 Abs. 3 der Strafprozeßordnung entsprechend.