Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2006 - 1 StR 454/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Fall II. 4 der Urteilsgründe mit den Feststellungen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln (Fälle II. 1 bis 3) sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 4) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 4 und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe ; im Übrigen ist sie unbegründet.
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- I. Die Verfahrensbeschwerde, mit der die Revision rügt, das Landgericht habe eine vom Angeklagten zum Fall II. 4 ohne Belehrung über sein Schweigerecht gemachte Aussage zu einer sichergestellten Gaspistole verwertet (Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO), hat Erfolg.
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- 1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
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- Im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung wurde im Zimmer des Angeklagten in einem Schuhkarton eine größere Menge Marihuana gefunden. In Griffweite zum Schuhkarton wurde darüber hinaus in einer Schachtel, die sich in der unteren Schublade des Nachtkästchens befand, eine funktionstüchtige Gaspistole sichergestellt. Die Waffe war zwar ungeladen, es befanden sich jedoch in der Schachtel auch zu der Waffe passende Pfefferkartuschen, mit denen die Waffe jederzeit hätte geladen werden können.
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- Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung das Drogengeschäft im Fall II. 4 ebenso eingeräumt wie in den Fällen II. 1 bis 3. Zu der gefundenen Gaspistole hat er sich dahin eingelassen, er habe nicht gewusst, dass sie sich im Nachtkästchen befunden habe. Das Nachtkästchen sei von seiner Schwester ein paar Tage vor seiner Festnahme aus einer Kammer im Dachgeschoß auf seine Bitte hin in sein Zimmer getragen worden, um dort den Wecker abzustellen. Er habe nie hineingeschaut. Die Strafkammer hat diese Einlassung durch die glaubhaften Angaben der Polizeibeamten M. , W. und K. als widerlegt angesehen. Der Zeuge M. hat ausgesagt, der bei der Durchsuchung anwesende Vater des Angeklagten habe nach Auffinden der Gaspistole geäußert, diese sei ein Erbstück und er sei verwundert, wie die Waffe in das Zimmer seines Sohnes gelangt sei. Der Angeklagte habe „sinngemäß geantwortet , er habe sie eine Woche zuvor geholt“. Diese Aussage des Angeklagten haben die Polizeibeamten K. und W. bestätigt.
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- Der Verteidiger hat der Verwertung dieser Äußerung des Angeklagten widersprochen, weil der Angeklagte zu Beginn der Ermittlungshandlungen nicht - wie nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschrieben – belehrt worden sei. Die Strafkammer hat die drei Polizeibeamten dazu vernommen, ob eine Belehrung erfolgt sei. Dazu gab der Zeuge M. an, er habe den Angeklagten „spätestens bei der [anschließenden] Durchsuchung seiner Person, als in seiner Hosentasche 4,76 g Marihuana aufgefunden wurden, belehrt. Ob er ihn zuvor belehrt habe, könne er nicht mehr sagen“. Der Polizeibeamte K. sagte aus, er selbst habe den Angeklagten nicht belehrt, „er vermute, dass eine Belehrung durch POM M. erfolgte. Wo diese stattgefunden hat, könne er nicht mehr sagen“. Der Polizeibeamte W. gab an, „keine Angaben darüber machen zu können, ob der Angeklagte belehrt worden sei“.
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- Die Strafkammer hat die Aussage des Angeklagten verwertet. Da sich nicht klären lasse, ob vor seiner Aussage zu der Gaspistole durch die Beamten eine Belehrung erfolgt sei, dürfe nach den Grundsätzen aus BGHSt 38, 214, 224 der Inhalt der Einlassung verwertet werden. Dem Angeklagten könne die Waffe aufgrund der Bekundungen der Polizeibeamten im Sinne eines bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zugerechnet werden.
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- 2. Die freibeweisliche Würdigung der Strafkammer zu dem Vorliegen der Belehrung ist nicht tragfähig. Im Ausgangspunkt zutreffend hat die Strafkammer durch die Vernehmung der drei Polizeibeamten zu klären versucht, ob die in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO bezeichnete Belehrung erteilt worden ist oder ob es Hinweise dafür gibt, dass die Belehrung versäumt worden ist. Die vom Landgericht mitgeteilten Bekundungen der Polizeibeamten legen nahe, dass keiner der Beamten eine konkrete Erinnerung daran hatte, ob die vorgeschriebene Belehrung vor der Einlassung des Angeklagten zu der Gaspistole erfolgt ist.
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- Anders als in den Fällen in BGHSt 38, 214, 224 und BGH NStZ 1997, 609, in denen es jedenfalls Hinweise für eine erfolgte Belehrung gab, die sich nicht näher aufklären ließen, gibt es hier aufgrund der Aussagen der Polizeibeamten keine Anhaltspunkte für eine Belehrung. Es ist auch nicht festgestellt, dass einer der Polizeibeamten, den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Nr. 45 Abs. 1 RiStBV) entsprechend, eine Belehrung aktenkundig gemacht hat. Liegen somit keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte für eine erfolgte Belehrung vor, und kommt hinzu, dass ein Aktenvermerk im Sinne von Nr. 45 Abs. 1 RiStBV nicht gefertigt wurde, so dürfen Äußerungen, die der Beschuldigte in dieser Vernehmung gemacht hat, nicht verwertet werden.
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- 3. Auf diesem Verfahrensfehler beruht die Verurteilung im Fall II. 4 der Urteilsgründe; er erfasst auch die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Senat sieht davon ab, hinsichtlich des Schuldspruchs auf unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durchzuentscheiden. Mit der Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 4 entfällt auch die Gesamtstrafe. Zur Strafzumessung weist der Senat auf Folgendes hin: Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wiederum zu dem Ergebnis kommen, dass im Fall II. 4 bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG vorliegt und gelangt sie auch zu einem minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG, so wird sie die Sperrwirkung des Strafrahmens des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu beachten haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH NJW 2003, 1679).
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- II. Die Überprüfung des Urteils in den Fällen II. 1 bis 3 aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
Elf Graf
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.
(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.
(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.
(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.
(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.
(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.
(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.
(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.
(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn
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dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder - 2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
(5) § 58b gilt entsprechend.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.