Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Januar 2015, soweit es die Aufhebung der Asylantragsablehnung in Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 4. Februar 2014 betrifft, hat keinen Erfolg. In Nr. 1 dieses Bescheids wird der erneute Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens abgelehnt und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, die Ablehnung erfolge gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG. Aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags sei nach Art. 16 Abs. 1e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO), die Republik Ungarn für die Bearbeitung zuständig. Wiederaufgreifensgründe im Sinn von § 51 Abs. 1 VwVfG lägen insofern nicht vor, als diese Gründe nicht das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach der Dublin II-VO beträfen.
Die Beklagte wirft als gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, ob „der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung der Ablehnung einer Asylverfahrensdurchführung deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist und ob dies insbesondere bereits dann gilt, wenn (noch) nicht feststeht, dass der als zuständig bestimmte Mitgliedstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhalft die Übernahme ablehnt“.
Das Rechtsmittel ist bereits nicht statthaft und unzulässig, weil die Beklagte durch die Aufhebung ihres Bescheids nicht beschwert ist. Dabei kommt es auf deren materielle Beschwer an, weil nur nach dem Sachantrag des Klägers entschieden wird. Eine Beschwer läge dementsprechend nur vor, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für die Beklagte nach ihrem Inhalt nachteilig wäre, also dem Kläger etwas zu ihren Lasten zusprechen, zu ihren Lasten rechtsgestaltend wirken oder einen Streit um ein Rechtsverhältnis zu ihren Ungunsten entscheiden würde (Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2015, vor § 124 Rn. 39; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124 Rn. 29; Frey in Gärditz, VwGO, 1. Aufl. 2013, vor § 124 Rn. 85).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, nachdem die Bundesrepublik Deutschland durch Zeitablauf nunmehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Das Bundesamt hat mit dem angefochtenen Bescheid den erneuten Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens abgelehnt. Nach der Begründung beruht dieser Ausspruch darauf, dass die Republik Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags nach Art. 16 Abs. 1e der Dublin II-VO für die Bearbeitung zuständig sei. Da auch Folgeanträge Asylanträge im Sinn von § 13 AsylVfG sind, kann die Entscheidung, kein weiteres Verfahren durchzuführen (§ 71 Abs. 1 AsylVfG), nicht nur dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG nicht vorliegen, sondern unter anderem auch dann, wenn der Antragsteller auf die Durchführung des Asylverfahrens in einem anderen zuständigen Mitgliedsstaat nach § 27a AsylVfG verwiesen wird (Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Stand März 2015, § 71 Rn. 13, 308). Das ist vorliegend geschehen, nachdem die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 5. Dezember 2013 der Wiederaufnahme im Hinblick auf die dortige Asylantragstellung am 4. Juni 2009 und am 28. Oktober 2010 zugestimmt hatten. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts hat das Bundesamt mit Schreiben vom 19. August 2014 mitgeteilt, dass die Überstellungsfrist nach Ungarn am 24. August 21014 ablaufe.
Das ist zwischenzeitlich unstreitig geschehen. Der Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der Sechsmonatsfrist stellt keinen fingierten Selbsteintritt, sondern eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist. Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht zeitgemäß durchführt, die Folgen tragen muss (Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 K9, zu der Nachfolgeregelung des Art. 29 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist). Im Übrigen geht auch die Beklagte nach ihrem Vorbringen vor dem Verwaltungsgericht und im Zulassungsantrag davon aus, dass ein Verstreichen der Überstellungsfrist zu einem Zuständigkeitsübergang nach der Dublin-Verordnung führt. Sie sieht jedoch nach der aufgeworfenen Frage einen Zusammenhang damit, ob der als zuständig bestimmte Mitgliedstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt. Angesichts des Zuständigkeitsübergangs ist es allerdings unmaßgeblich, ob Ungarn wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist die Übernahme ausdrücklich ablehnt. Der Ausspruch, die Durchführung eines Asylverfahrens werde abgelehnt, weil die Republik Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags nach Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO für die Bearbeitung zuständig sei, entspricht daher weder der Rechtslage noch der nunmehrigen Auffassung der Beklagten. Seine Aufhebung verletzt sie deshalb nicht in ihren Rechten.
Soweit die Beklagte in Ihrem Schreiben vom 19. August 2014 an das Verwaltungsgericht vom Vorliegen eines Zweitantrags im Sinn von § 71a AsylVfG ausgeht bzw. eine dahingehende Umdeutung vornehmen möchte, vermag das ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung zu führen. Auch im Hinblick auf eine Entscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG ergibt sich keine Beschwer, weil weder eine dahingehende Aufrechterhaltung noch eine Umdeutung möglich ist. Streitgegenstand ist die Rechtsbehauptung des Klägers, der von ihm angegriffene Verwaltungsakt (Ablehnung der Durchführung eines Asylverfahrens wegen der Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 27a AsylVfG) sei rechtswidrig und greife in seine Rechtssphäre ein. Die Rechtskraftwirkung beschränkt sich dabei auf die vom Gericht aus dem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, mithin die geprüften Aufhebungsgründe (BVerwG, U.v. 8.12.1992 - 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 = DVBI 1993, 258 Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 90 Rn. 8, § 121 Rn. 21; Rennert in Eyermann, a. a. O., § 121 Rn. 19 ff. mit Verweis auf BVerwG, U.v. 7.8.2008 - 7 C 7.08 - BVerwGE 131, 346 = DVB 2008, 1247). Damit ist rechtskraftfähiger Inhalt des Urteils allein die Entscheidung darüber, ob gemäß § 71 AsylVfG kein erneutes Asylverfahren durchgeführt wird, weil die Republik Ungarn gemäß § 27a AsylVfG, Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO hierfür zuständig ist. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid der Beklagten dementsprechend nur mit der Begründung aufgehoben, dass die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG, Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO nicht (mehr) vorliegen, nachdem die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags auf die Beklagte übergegangen sei (UA S. 4). Vom rechtskraftfähigen Inhalt des Urteils, der allein die Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG umfasst, ist der materielle Asylanspruch zu unterscheiden und auch die Frage, inwieweit dieser im Rahmen eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG noch geltend gemacht werden kann. Der Ausspruch, dass ein Asylverfahren mangels Zuständigkeit nicht durchgeführt werde, enthält nicht zugleich eine materiell-rechtliche Aussage dahingehend, dass ein weiteres Asylverfahren im Sinn von § 71a AsylVfG nicht durchzuführen ist. Weil eine Entscheidung nach § 27a AsylVfG nur die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags betrifft, wohingegen § 71a AsylVfG eine materielle Prüfung dahingehend erfordert, ob Wiederaufgreifensgründe gemäß § 51 VwVfG vorliegen, scheidet auch eine entsprechende Umdeutung aus. Soweit der Bescheid im Zusammenhang mit dem Folgeantragsverfahren nach § 71 AsylVfG auf § 51 VwVfG verweist, betrifft das die Frage eines Folgeantrags nach einem bereits in Deutschland gestellten Asylantrag und nicht die Konstellation eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG, der einen vorangegangenen Asylantrag in einem sicheren Drittstaat voraussetzt. Im Übrigen führt der Bescheid selbst aus, dass diese Gründe nicht das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach der Dublin II-VO beträfen. Je nach Konstellation ist der Vergleichsmaßstab für § 51 VwVfG ein anderer. Zudem sind weder der angestrebte Erfolg noch die Wirkungen dieser beiden Verwaltungsakte gleich. Ein Ausspruch nach § 27a AsylVfG bildet wie hier die Grundlage für eine Abschiebungsanordnung in den anderen Staat - Ungarn - nach § 34a AsylVfG, das Fehlen der Voraussetzungen des § 71a AsylVfG führt zu einer Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat - hier Afghanistan - gemäß § 34 AsylVfG.
Bei dieser Ausgangslage kommt es auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung der Ablehnung einer Asylverfahrensdurchführung deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist, oder er sich nur auf systemische Mängel berufen kann, nicht mehr an. Ebenso wenig stellt sich die Frage, ob das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Einwendungsmöglichkeiten gegen eine Überstellung vom Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBI 2014, 628) abweicht, das sich mit systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen befasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Eine Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erübrigt sich angesichts der Kostenentscheidung.