Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2014 - 13a ZB 13.30390

bei uns veröffentlicht am28.01.2014
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, 6 K 13.30270, 07.11.2013

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. November 2013 bleibt ohne Erfolg.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargestellte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 Rn. 36).

Der Kläger macht geltend, das Erstgericht verkenne die grundsätzliche Bedeutung zu seinen Lasten, was er im Einzelnen ausführt. Er habe vor dem Bundesamt eine Bedrohung durch den Dorfältesten glaubhaft dargelegt. Auch werde die Sicherheitslage in Afghanistan und speziell in der Hauptstadt Kabul, die als geeignete Fluchtalternative angesehen werde, falsch eingeschätzt. Weiter verkenne das Erstgericht die grundsätzliche Frage, dass Angehörige der Volksgruppe der Hazara landesweit mit Diskriminierungen konfrontiert seien.

Mit diesem Vorbringen enthält der Zulassungsantrag nicht die nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG erforderlichen substantiierten Ausführungen zu den Gründen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Bei der Grundsatzberufung bedarf es konkreter Angaben über die tatsächliche oder rechtliche Frage und deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit (Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 78 AsylVfG Rn. 35). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Urteils des Verwaltungsgerichts rechtlich aufgearbeitet sein, was eine intensive, fallbezogene Auseinandersetzung mit den Annahmen und Bewertungen des Verwaltungsgerichts einschließt. Daran fehlt es vorliegend. Der Kläger hat weder eine klärungsbedürftige Frage aufgeworfen noch eine solche nach Maßgabe des Urteils aufgearbeitet.

Ungeachtet dessen lässt sich auch im Wege der Auslegung aus dem Vorbringen des Klägers, er habe glaubhaft dargelegt, vom Dorfältesten bedroht zu werden, keine allgemein klärungsfähige Frage ableiten. Im Einzelfall kann eine solche Bedrohung zwar grundsätzlich eine Gefahr begründen, jedoch liegt aufgrund des Individualschicksals eine darüber hinausgehende Bedeutung nicht vor. Eine Gefährdung hängt grundsätzlich von den konkreten Umständen dieses Einzelfalls ab.

Selbst wenn die weiteren Darlegungen des Klägers, das Verwaltungsgericht schätze die Sicherheitslage falsch ein und gehe fehlerhaft davon aus, dass Kabul als geeignete Fluchtalternative möglich sei, als Frage dahingehend verstanden wird, ob ihm diese inländische Fluchtalternative zumutbar sei, führt der Antrag nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht kommt nach Würdigung der persönlichen Umstände des Klägers zum Ergebnis, dass er jedenfalls in Kabul keiner Verfolgung ausgesetzt wäre und ihm keine tatsächliche Gefahr drohe, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wird ausgeführt, dass Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative geeignet sei (UA S. 6). Demgegenüber wird im Zulassungsantrag lediglich darauf verwiesen, dass sich das Verwaltungsgericht insoweit auf einen veralteten Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Januar 2012) berufe. Aus dem aktuellen Lagebericht vom 4. Juni 2013, der in der Erkenntnismittelliste enthalten war, ergeben sich keine anderen Erkenntnisse. Dort ist ausgeführt, dass die Zahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Berichtszeitraum im Vergleich zum Vorjahr leicht abgenommen habe und sich der letztjährige Trend fortsetze (S. 4). Unabhängig davon beschränkt sich der Zulassungsantrag auf die pauschale Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Sicherheitslage falsch eingeschätzt, ohne dass eine fallbezogene Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht herangezogenen und bewerteten Erkenntnissen und eine Darlegung der Veränderungen in neuerer Zeit erfolgen. Ebenso wenig kommt einer vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung Indizwirkung für das Vorliegen einer kritischen Gefahrendichte oder auch einer extremen Gefahrenlage zu (siehe hierzu BayVGH, B. v. 23.9.2013 - 13a ZB 13.30256 - juris). Die für eine Reisewarnung maßgebenden rechtlichen Maßstäbe zur Bewertung der Verfolgungs- bzw. Sicherheitslage sind nicht mit jenen identisch, anhand derer das Vorliegen einer kritischen Gefahrendichte oder einer extremen Gefahrenlage zu beurteilen ist (BVerwG, B. v. 27.6.2013 - 10 B 11.13 - juris).

Schließlich führt auch das Vorbringen zur landesweiten Diskriminierung der Volksgruppe der Hazara nicht zur Zulassung. Soweit der Kläger damit auf sein Einzelschicksal Bezug nehmen möchte, fehlt es an der Verallgemeinerungsfähigkeit. Die Frage, ob die Minderheit der Hazara landesweit einer Gefährdung unterliegt, ist geklärt. Bereits im rechtskräftigen Urteil vom 3. Juli 2012 (Az. 13a B 11.30064 - juris) ist der Verwaltungsgerichtshof nach Würdigung und Bewertung der im Einzelnen genannten Erkenntnismittel im Wege einer Gesamtschau zur Überzeugung gelangt, dass Hazara in Afghanistan zwar noch einer gewissen Diskriminierung unterliegen, derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung noch einer erheblichen Gefahrendichte im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. ausgesetzt sind. Für die hier einschlägige Zentralregion hat der Senat dies mit Urteil vom 1. Februar 2013 nochmals bestätigt (für Maydan-Wardak in der Zentralregion: Az. 13a B 12.30045 - juris). Die vom Kläger genannten Berichte der Schweizerische Flüchtlingshilfe aus dem Jahr 2012 bzw. von UNHCR aus dem Jahr 2011 sind keine neueren Erkenntnisse, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.