Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. März 2014 - 13a ZB 13.30246

bei uns veröffentlicht am11.03.2014
vorgehend
Verwaltungsgericht München, 1 K 13.30267, 20.06.2013

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 20. Juni 2013 bleibt ohne Erfolg.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargestellte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 Rn. 36). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob derzeit in Ghazni [der Heimatprovinz des Klägers] von einem internen bewaffneten Konflikt im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU und des § 60 Abs. 7 Satz 2 (a. F.) AufenthG auszugehen ist, der so massiv ist, dass grundsätzlich für alle Personen eine individuelle Gefahr für Leib und Leben durch willkürliche Gewalt besteht. Das angefochtene Urteil habe auf die Auskunftslage im Jahr 2012 Bezug genommen. Da jedoch in der Provinz Ghazni eine steigende Tendenz [hinsichtlich der militanten Gewalt] festzustellen sei, müsse für die Beurteilung einer konkreten Gefahr auf aktuellere Erkenntnisquellen zurückgegriffen werden. Das Afghanistan NGO Safety Office (ANSO) habe im Bericht von April 2013 ausgeführt, dass die Anzahl der von bewaffneten Oppositionsgruppen im ersten Quartal 2013 verübten Angriffe im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um 47% angestiegen sei. Der UN-Generalsekretär habe im Bericht vom 13. Juni 2013 erwähnt, dass die Zahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle in Afghanistan vom 16. Februar bis 19. Mai 2013 um 10% über derjenigen des entsprechenden Vorjahreszeitraums gelegen habe. Diese Tatsachen sprächen dafür, dass in die Provinz Ghazni eine erhebliche Verschärfung der Lage stattgefunden habe. Daher dränge es sich auf, die aktuellen Opferzahlen für diese Provinz aufzuklären.

Das Verwaltungsgericht ist auf der Grundlage der Berichte von UNAMA und ANSO für das Jahr 2012 zu der Erkenntnis gelangt, dass die Wahrscheinlichkeit, in der Südostregion (mit Provinz Ghazni) als Zivilist Opfer militanter Gewalt zu werden, im Jahr 2012 0,06% (bzw. 0,05%) betrug. Bei dieser Gefahrendichte sei nicht von einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 (a. F.) AufenthG durch bloße Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet auszugehen (UA S. 13 f.).

Durch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist im Übrigen bereits geklärt, dass Angehörige der Zivilbevölkerung bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr durch militante Gewalt ausgesetzt sind (U. v. 4.6.2013 - 13a B 12.30063 - juris; U. v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris; U. v. 8.12.2011 - 13a B 11.30276 - AuAS 2012, 35 -LS- = ZAR 2012, 80 -LS-). Der Verwaltungsgerichtshof ist im Urteil vom 4. Juni 2013 (a. a. O. Rn. 17) zu der Erkenntnis gelangt, dass das Risiko für Angehörige der Zivilbevölkerung in der Provinz Ghazni Schaden an Leib oder Leben durch militärische Gewalt zu erleiden, im Jahr 2012 unter 1:1.000 (weniger als 0,1%) lag. Der Senat ist von 780 Opfern (Tote und Verletzte) im Verhältnis zur Einwohnerzahl von 1,15 Mio. ausgegangen.

Der Hinweis des Klägers auf den Bericht des UN-Generalsekretärs vom Juni 2013 (A/68/645-S/2013/721) und denjenigen von ANSO vom April 2013 (Quarterly Data Report Q.1 2013) bietet keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Nach dem aktuellen Bericht der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA Annual Report 2013 - Februar 2014) ist bezüglich der Südostregion (mit Provinz Ghazni) nicht von einem wesentlichen Anstieg der Opferzahlen auszugehen. Selbst wenn man hier den von UNAMA ermittelten landesweiten Anstieg um 14% von 2012 auf 2013 zugrunde legt, bliebe die Größenordnung des Risikos unverändert unter 1:1.000 pro Person und Jahr und somit weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt. Dass in der Ostregion gemäß dem Bericht des UN-Generalsekretärs (a. a. O. S. 5) bei den sicherheitsrelevanten Zwischenfällen ein Anstieg um 18% eingetreten ist, ist nicht entscheidungserheblich, weil die Provinz Ghazni nach der Einteilung bei UNAMA zur Südostregion zählt (s. Annual Report 2010, S. ii). Der von ANSO für das erste Quartal 2013 gemeldete Anstieg um 47% bezüglich der Anschläge der Aufständischen ist vom Zeitraum her nicht repräsentativ. Neuere ANSO-Berichte liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 83b AsylVfG.

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