Bayerischer Verfassungsgerichtshof
Aktenzeichen: Vf. 2-VII-15
Entscheidung
vom 11. November 2015
Leitsätze
Der Bayerischen Verfassungsgerichtshof
erlässt in dem Verfahren über die Popularklage
des Herrn Dr. F. B. in N.,
auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit
des Abschnitts A § 20 Abs. 2 und des Abschnitts C Nr. 15 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 (Bayerisches Ärzteblatt SPEZIAL 1/2004), zuletzt geändert durch Beschlüsse des 72. Bayerischen Ärztetags vom 12. Oktober 2013 (Bayerisches Ärzteblatt S. 649),
durch die Richterinnen und Richter Küspert, Ruderisch, Dr. Heßler, Dr. Veh, Dr. Allesch, Dr. Münzenberg, Schmitz, Dr. Wagner, Dr. Muthig ohne mündliche Verhandlung in der nichtöffentlichen Sitzung vom 11. November 2015 folgende Entscheidung:
Der Antrag wird abgewiesen.
Gründe:
I. Gegenstand der Popularklage sind Abschnitt A § 20 Abs. 2 und Abschnitt C Nr. 15 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 (Bayerisches Ärzteblatt SPEZIAL 1/2004), zuletzt geändert durch Beschlüsse des 72. Bayerischen Ärztetags vom 12. Oktober 2013 (Bayerisches Ärzteblatt S. 649). Diese Regelungen sind im Zusammenhang mit der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin von Bedeutung.
1. Durch die Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 (Weiterbildungsordnung 2004 - WBO 2004) wurde die Facharztausbildung entsprechend der vom 106. Deutschen Ärztetag im Jahr 2003 beschlossenen Novellierung der Musterweiterbildungsordnung neu strukturiert. Während vorher die Gebiete „Allgemeinmedizin“ einerseits und „Innere Medizin“ (entweder ohne Zusatz oder mit Schwerpunktbezeichnung) andererseits vorgesehen waren, wurde damals ein neues Gebiet „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“ eingeführt. Die Regelungen der Weiterbildungsordnung 2004, die hier von Bedeutung sind, lauten wie folgt:
1 Abschnitt B - Gebiete, Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen
...
10. Gebiet Innere Medizin und Allgemeinmedizin
...
Gemeinsame Inhalte für die im Gebiet enthaltenen Facharzt-/Schwerpunktkompetenzen 10.1 und 10.2:
Zusätzlich zu den in § 4 Abs. 3 aufgeführten Anforderungen Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in:
...
der Erkennung und Behandlung akuter Notfälle einschließlich lebensrettender Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und Wiederbelebung der intensi. V. m.edizinischen Basisversorgung
...
10.1 Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin (Hausarzt)
Weiterbildungsziel:
Ziel der Weiterbildung ist die Erlangung der Facharztkompetenz Innere und Allgemeinmedizin (Hausarzt/Hausärztin) nach Ableistung der vorgeschriebenen Weiterbildungszeiten und Weiterbildungsinhalte einschließlich der gemeinsamen Inhalte für die im Gebiet enthaltenen Facharzt-/Schwerpunktkompetenzen und des Weiterbildungskurses.
Weiterbildungszeit: 60 Monate ..., davon
• 36 Monate in der stationären internistischen Patientenversorgung, und
• 24 Monate Weiterbildung in der ambulanten hausärztlichen Versorgung, .
und
• 80 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Psychosomatische Grundversorgung
...
10.2.1 Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt Angiologie (Internist und Angiologe)
...
10.2.8 Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt Rheumatologie (Internist und Rheumatologe)
...
Abschnitt C - Zusatz-Weiterbildungen
13. Intensivmedizin
...
Definition:
Die Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Intensivüberwachung und Intensivbehandlung von Patienten, deren Vitalfunktionen oder Organfunktionen in lebensbedrohlicher Weise gestört sind und durch intensive therapeutische Verfahren unterstützt oder aufrechterhalten werden müssen.
...
Voraussetzung zum Erwerb der Bezeichnung:
Anerkennung als „Facharzt für Anästhesiologie“, „Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin“, „Facharzt für Neurochirurgie“, „Facharzt für Neurologie“ oder einer Facharztbezeichnung in den Gebieten Chirurgie (auch Anerkennung als „Facharzt für Chirurgie“ nach bisherigem Recht) oder Innere Medizin und Allgemeinmedizin (auch Anerkennung als „Facharzt für Innere Medizin“ nach bisherigem Recht)
Die Weiterbildungsordnung 2004 trat am 1. August 2004 in Kraft.
2. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 äußerte die Europäische Kommission im Vertragsverletzungsverfahren 1999/2065 Bedenken gegen die in der bayerischen Weiterbildungsordnung 2004 vorgesehene Bezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“. Dies stehe im Widerspruch dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland den Begriff „Facharzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin“ notifiziert habe; mehrere Bezeichnungen für einen Mitgliedstaat seien nicht zulässig.
Daraufhin beschloss der Bayerische Ärztetag am 23. April 2005 folgende Ergänzung der Weiterbildungsordnung 2004, die rückwirkend zum 1. August 2004 in Kraft trat (Weiterbildungsordnung 2005 - WBO 2005):
Abschnitt B - Gebiete, Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen
...
10. Gebiet Innere Medizin und Allgemeinmedizin
...
10.1 Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin (Hausarzt)
Die Facharztbezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ oder die zugehörige Kurzbezeichnung darf nur in der Form „Facharzt für Allgemeinmedizin“ oder „Allgemeinarzt“ geführt werden. Die Facharztbezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ oder die zugehörige Kurzbezeichnung darf ab dem Tag nach der Veröffentlichung der Mitteilung der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 41 der Richtlinie 93/16/EWG vom 5.4.1993 (ABl EG Nr. L 165 S. 1) geändert durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 14.5.2001 (ABl EG Nr. L 206 S. 1) über den Ersatz der bisherigen Facharztbezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ geführt werden. Dieser Zeitpunkt wird im Bayerischen Ärzteblatt bekannt gegeben.
Eine bundeseinheitliche Neustrukturierung der Facharztausbildung scheiterte in der Folgezeit daran, dass sich das Land Berlin für die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ entschied.
3. Durch Beschluss des Bayerischen Ärztetags vom 17. Oktober 2010 wurde die Weiterbildung zum Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin gestrichen; stattdessen wurden wieder die Gebiete „Allgemeinmedizin“ sowie „Innere Medizin“ eingeführt. Die Änderungen traten am 1. April 2011 in Kraft.
Die derzeit geltende Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 in der Fassung der Beschlüsse vom 12. Oktober 2013 (Weiterbildungsordnung 2013 - WBO 2013) lautet auszugsweise wie folgt:
Abschnitt A - Allgemeine Bestimmungen
...
§ 20
Übergangsbestimmungen
(1) Die nach den bisher gültigen Weiterbildungsordnungen erworbenen Weiterbildungsbezeichnungen und Qualifikationsnachweise, die nicht mehr Gegenstand dieser Weiterbildungsordnung sind, dürfen weitergeführt werden.
(2) Die Facharztbezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ oder die zugehörige Kurzbezeichnung darf nur in der Form „Facharzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt)“ geführt werden.
...
Abschnitt B - Gebiete, Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen 1. Gebiet Allgemeinmedizin
Definition:
Die Allgemeinmedizin umfasst die lebensbegleitende hausärztliche Betreuung von Menschen jeden Alters bei jeder Art der Gesundheitsstörung, unter Berücksichtigung der biologischen, psychischen und sozialen Dimensionen ihrer gesundheitlichen Leiden, Probleme oder Gefährdungen und die medizinische Kompetenz zur Entscheidung über das Hinzuziehen anderer Ärzte und Angehöriger von Fachberufen im Gesundheitswesen. Sie umfasst die patientenzentrierte Integration der medizinischen, psychischen und sozialen Hilfen im Krankheitsfall. Dazu gehören auch die Betreuung von akut oder chronisch Erkrankten, die Vorsorge und Gesundheitsberatung, die Früherkennung von Krankheiten, die Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen, die Zusammenarbeit mit allen Personen und Institutionen, die für die gesundheitliche Betreuung der Patienten Bedeutung haben, die Unterstützung gemeindenaher gesundheitsfördernder Aktivitäten, die Zusammenführung aller medizinisch wichtigen Daten des Patienten.
...
Weiterbildungszeit: 60 Monate ..., davon
• 36 Monate in der stationären Basisweiterbildung im Gebiet Innere Medizin, .
• 24 Monate Weiterbildung in der ambulanten hausärztlichen Versorgung, .
• 80 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Psychosomatischer Grundversorgung.
Weiterbildungsinhalt:
Zusätzlich zu den in § 4 Abs. 3 aufgeführten Anforderungen Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in den Inhalten der Basisweiterbildung aus dem Gebiet Innere Medizin:
...
- der Erkennung und Behandlung akuter Notfälle einschließlich lebensrettender Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und Wiederbelebung
...
- der intensivmedizinischen Basisversorgung
...
Übergangsbestimmung: Ärzte, die
a) die Berechtigung zum Führen einer Facharztbezeichnung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung gemäß § 2 a Abs. 7 besitzen oder vor dem 31.5.2015 erwerben,
b) 24 Monate Weiterbildung in der ambulanten hausärztlichen Versorgung, die vor dem 31.12.2015 begonnen worden sein muss,
sowie
c) 80 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Psychosomati-scher Grundversorgung
und
d) die Erfüllung sämtlicher im Gebiet Allgemeinmedizin vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte
d) nachgewiesen haben, werden auf Antrag zur Prüfung zur Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin zugelassen.
13. Gebiet Innere Medizin
...
13.1 Facharzt für Innere Medizin (Internist)
...
13.2.1 Facharzt für Innere Medizin und Angiologie (Angiologe)
...
13.2.8 Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie (Rheumatologe)
...
Abschnitt C - Zusatz-Weiterbildungen
...
15. Intensivmedizin
...
Definition:
Die Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Intensivüberwachung und Intensivbehandlung von Patienten, deren Vitalfunktionen oder Organfunktionen in lebensbedrohlicher Weise gestört sind und durch intensive therapeutische Verfahren unterstützt oder aufrechterhalten werden müssen.
...
Voraussetzung zum Erwerb der Bezeichnung:
Anerkennung als Facharzt für Anästhesiologie, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Facharzt für Neurochirurgie, Facharzt für Neurologie oder einer Facharztbezeichnung in den Gebieten Chirurgie (auch Anerkennung als Facharzt für Chirurgie nach bisherigem Recht) oder Innere Medizin
...
II. 1. Der Antragsteller rügt, die 2010 beschlossene vollständige Abkehr von der erst 2004 eingeführten Weiterbildungsstruktur für Ärzte, mit der das Gebiet „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“ geschaffen worden sei, verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Die Änderungen missachteten das Erfordernis der Beständigkeit und Vorhersehbarkeit rechtsstaatlicher Normen.
Durch die Zugehörigkeit des 2004 eingeführten Facharztes zum Gebiet „Innere und Allgemeinmedizin“ habe dem Erwerber dieser Facharztbezeichnung neben dem Weg in die Niederlassung auch eine fachärztliche Tätigkeit im Angestelltenverhältnis in einer Klinik mit den entsprechenden Aufstiegschancen bis hin zur Chefarztposition offengestanden. Diese Möglichkeit werde erschwert. Die Zusatzweiterbildung mit dem Erwerb der Zusatzbezeichnung „Internistische Intensivmedizin“ sei entfallen. Noch die Ergänzung der Weiterbildungsordnung 2004 durch Beschluss des Bayerischen Ärztetags vom 23. April 2005 habe die Führbarkeit der neuen Bezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ offenkundig weiterhin in Aussicht gestellt. Die angegriffene Übergangsbestimmung sei unangemessen, da sie die Führung der originären Bezeichnung generell und zeitlich unbefristet untersage. Kammerangehörige, die die Anerkennung als Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin nach früherem Recht erworben hätten, müssten die Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin und als Facharzt für Innere Medizin erhalten. Die Möglichkeit, die Bezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ unverändert weiterzuführen, wäre unzureichend, da die aktuelle Weiterbildungsordnung und voraussichtlich auch künftige Fassungen diese Bezeichnung nicht mehr berücksichtigten und so den Betroffenen eine nachteilsfreie berufliche Weiterentwicklung (z. B. in Form einer Zusatzweiterbildung) versagt bliebe.
2. Das aus Art. 101 und 166 BV abzuleitende Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung sei verletzt.
a) Im Rahmen der ärztlichen Berufsausübung komme der allgemeinen Gepflogenheit, durch das Führen offiziell geregelter Facharztbezeichnungen über erworbene berufliche Qualifikationen in angemessener Form zu informieren, grundlegende Bedeutung zu. Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 schränke diese Möglichkeit wesentlich ein. In der Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ komme die vertiefte Erfahrung in der Inneren Medizin nicht mehr zum Ausdruck. Mit der 2010 vollzogenen Streichung der Bezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ werde auch die berufliche Laufbahn insbesondere bei einer klinischen Tätigkeit erschwert.
b) Mit der Neufassung des Abschnitts C Nr. 15 der Weiterbildungsordnung sei für Inhaber der Anerkennung als Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin die Möglichkeit zum Erwerb der Zusatzbezeichnung für Intensivmedizin abgeschafft worden. Dies sei nicht einsichtig, da die Basisweiterbildung für alle Facharztkompetenzen im ehemaligen Gebiet „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“ auch die intensivmedizinische Basisversorgung zum Inhalt gehabt habe.
3. Der Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) sei verletzt, indem wesentlich Ungleiches - der Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin einerseits sowie der Facharzt für Allgemeinmedizin aktueller und früherer Prägung andererseits - ohne Rechtfertigung gleich behandelt werde. Aufgrund einer befristeten Sonderregelung für „Quereinsteiger“ in Abschnitt B Nr. 1 WBO 2013 werde es derzeit Ärzten sogar ermöglicht, die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ zu erwerben, ohne jegliche Weiterbildung im Fach „Innere Medizin“ absolviert zu haben.
III. 1. Der Bayerische Landtag hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Popularklage jedenfalls für unbegründet.
a) Die durch Art. 101 BV geschützte Berufsfreiheit sei nicht verletzt.
aa) Es fehle bereits an einem Eingriff in den Schutzbereich. Die jetzt in Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 enthaltene Führungsbeschränkung stelle keine Beeinträchtigung rechtmäßig erworbener Rechtspositionen dar. Die am 23. April 2005 beschlossene Änderung des Abschnitts B Nr. 10.1 WBO 2004, die einen europarechtlichen Hintergrund habe, sei rückwirkend zum 1. August 2004 in Kraft getreten. Mit der am 17. Oktober 2010 beschlossenen Änderung sei die zunächst in Abschnitt B Nr. 10.1 WBO 2004 enthaltene Titelführungsbeschränkung in Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO überführt und damit dauerhaft in die Regelungen der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns integriert worden. Die Ärzte, die die Anerkennung als Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin erhalten hätten, hätten somit von Beginn an ihre Facharztbezeichnung in der Form „Facharzt für Allgemeinmedizin“ führen müssen. Diese Ärzte genössen auch keinen Vertrauensschutz, da ihnen bekannt gewesen sei oder habe sein müssen, dass bis zur Notifizierung der Gebietsbezeichnung „Innere und Allgemeinmedizin“ durch die Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Kommission diese Gebietsbezeichnung nur in der Form „Facharzt für Allgemeinmedizin“ oder „Allgemeinarzt“ habe geführt werden dürfen.
Die Position der Ärzte, die die Anerkennung als Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin erhalten hätten, sei nicht schützenswert, da die nun in Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 enthaltene Regelung in unionsrechtlicher Hinsicht zwingend sei. Die Mitgliedstaaten seien aufgrund der Richtlinie 93/16/EWG verpflichtet gewesen, eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin einzuführen und bei der Europäischen Kommission nach Art. 41 dieser Richtlinie zu notifizieren. Dementsprechend habe die Bundesrepublik Deutschland den Facharzt für Allgemeinmedizin als spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin notifiziert. Die Gebietsbezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ sei dagegen nicht notifiziert worden. Die Richtlinie 93/16/EWG erlaube nur, pro Mitgliedstaat eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin einzuführen. Daher könne auch nur die Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin verliehen werden, solange keine anderslautende Gebietsbezeichnung in der Allgemeinmedizin notifiziert sei. Dies gelte auch nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen. Gemäß Nr. 5.1.4 des Anhangs V dieser Richtlinie sei von der Bundesrepublik Deutschland für den Allgemeinmediziner die Berufsbezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ notifiziert. Auch nach der Richtlinie 2005/36/EG sei nur eine besondere Ausbildung in der Allgemeinmedizin pro Mitgliedstaat vorgesehen.
bb) Selbst bei Annahme eines Eingriffs in den Schutzbereich des Grundrechts auf Berufsfreiheit wäre dieser gerechtfertigt. Art. 101 BV stehe unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Die Regelung in Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 betreffe die Berufsausübung. Sie verfolge einen legitimen Zweck, da sie der Europarechtskonformität des Weiterbildungsrechts diene. Sie sei im Hinblick auf den verfolgten Zweck auch verhältnismäßig; mit ihr sei keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Möglichkeit verbunden, erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten im Berufsleben Ausdruck zu verleihen. Da die Qualifikationen als Facharzt für Allgemeinmedizin und als Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin funktional äquivalent seien - bei beiden stehe das Berufsbild des Hausarztes im Fokus - könne nicht eingewendet werden, die Qualifikation als Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin eröffne wesentlich andere Berufs- und Karrierewege. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lasse sich auch nicht daraus ableiten, dass gemäß Abschnitt C Nr. 15 WBO 2013 die Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ nicht auf der Grundlage einer Vorbildung als Facharzt für Allgemeinmedizin erworben werden könne. Hintergrund dieser Regelung sei, dass es dabei um die Ergänzung der Facharztkompetenz hinsichtlich der Intensivüberwachung und Intensivbehandlung von Patienten gehe, deren Vitalfunktionen oder Organfunktionen in lebensbedrohlicher Weise gestört seien und durch besondere Verfahren unterstützt oder aufrechterhalten werden müssten. Dabei handle es sich nicht um eine hausärztliche Tätigkeit.
b) Es liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) vor, insbesondere keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Der Weiterbildungsgang „Innere und Allgemeinmedizin“ sei keine Zusammenführung der Gebiete „Innere Medizin“ und „Allgemeinmedizin“ gewesen. Daher sei nicht zu beanstanden, dass in Abschnitt C Nr. 15 WBO 2013 Fachärzten für Innere Medizin die Möglichkeit zum Erwerb der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ eröffnet werde, Allgemeinmedizinern jedoch nicht.
Selbst wenn man von einer verfassungsrechtlich relevanten Gleich- oder Ungleichbehandlung ausgehen wollte, wäre diese jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Bei der Gestaltung von Normen stehe dem Normgeber ein weiter Ermessensspielraum zu. Entscheidend sei, ob aus objektiver Sicht sachgerechte Gründe für die betreffende Regelung bestünden. Dementsprechend müssten bei der Verwendung von Stichtagsregelungen und Übergangsfristen einleuchtende Erwägungen für ihre Benutzung vorliegen. Aus Art. 118 Abs. 1 BV ergebe sich kein Anspruch des Einzelnen, für die Zukunft vor Veränderungen einer ihn bisher begünstigenden Position bewahrt zu bleiben.
Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz, sondern sichere die EU-weite Gleichbehandlung von allgemeinmedizinischen Qualifikationen.
c) Ebenso wenig sei das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 BV) verletzt. Die Regelungen hielten sich innerhalb des Rahmens einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage.
3. Die Bayerische Landesärztekammer hält die Popularklage für unzulässig, zumindest für unbegründet.
a) Die Popularklage sei unzulässig, da der Antragsteller lediglich pauschal behaupte, das aus Art. 101 und 166 BV abzuleitende Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung und der Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) seien verletzt. Dies genüge den Anforderungen des Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG nicht.
b) Die Popularklage sei jedenfalls unbegründet.
aa) Die Bayerische Landesärztekammer sei aufgrund des Art. 35 Abs. 1 HKaG verpflichtet, eine Weiterbildungsordnung zu erlassen, wobei die durch den Deutschen Ärztetag beschlossene (Muster-)Weiterbildungsordnung den Landesärztekammern als Basis für den Beschluss ihrer jeweiligen Weiterbildungsordnung diene. 2002 habe der 105. Deutsche Ärztetag eine Neustrukturierung der bisherigen Gebiete „Allgemeinmedizin“ einerseits und „Innere Medizin“ andererseits beschlossen, indem er die beiden Gebiete zu einem neuen Gebiet „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“ zusammengeführt habe, wobei der Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin jedoch keine Zusammenfassung der bisherigen Fachärzte für Allgemeinmedizin und für Innere Medizin dargestellt habe. In der daraufhin novellierten Musterweiterbildungsordnung seien zum einen die Weiterbildung zum Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin (Hausarzt) und zum anderen die Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt ... (mit Schwerpunkten von Angiologie bis Rheumatologie) enthalten gewesen. Die Bayerische Landesärztekammer habe diese Musterweiterbildungsordnung zeitlich als erste umgesetzt. Im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens 1999/2065 bezüglich der Anerkennung von Ärztediplomen (Richtlinie 93/16/EWG) habe die Europäische Kommission mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 die Bundesrepublik Deutschland darauf hingewiesen, dass die in der bayerischen Weiterbildungsordnung 2004 geregelte Weiterbildung zum Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin zu der nach Art. 30 i. V. m. Art. 41 der Richtlinie 93/16/EWG notifizierten Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ in Widerspruch stehe; mehrere Bezeichnungen in einem Mitgliedstaat seien unzulässig. Dies sei Hintergrund der am 23. April 2005 von der Bayerischen Landesärztekammer beschlossenen Ergänzung zur Führbarkeit der Facharztbezeichnung gewesen. Nachdem die Ärztekammer Berlin sich entschieden habe, die Musterweiterbildungsordnung in diesem Punkt nicht umzusetzen, sei die Notifikation der „neuen“ Bezeichnung unmöglich geworden, so dass die Führungsbeschränkung in Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 auf Dauer habe festgelegt werden müssen. Aufgrund der Beschlüsse der Bayerischen Landesärztekammer vom 17. Oktober 2010 seien die Gebiete „Allgemeinmedizin“ und „Innere Medizin“ wieder getrennt.
bb) Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 stelle eine zulässige Berufsausübungsregelung dar. Ein Vergleich der Weiterbildungszeiten und -inhalte des Weiterbildungsgangs zum Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin auf der Grundlage der Weiterbildungsordnung 2004 mit denen des Weiterbildungsgangs zum Facharzt für Allgemeinmedizin auf der Grundlage der Weiterbildungsordnung 2013 zeige, dass es sich um die identische Facharztkompetenz handle. Bei gleicher Grundstruktur, die insbesondere 36 Monate in der stationären internistischen Patientenversorgung (WBO 2004) bzw. 36 Monate in der stationären Basisweiterbildung im Gebiet „Innere Medizin“ (WBO 2013) vorschreibe, sehe der Weiterbildungsgang zum Facharzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt) nach der Weiterbildungsordnung 2013 lediglich erweiterte Anrechnungsmöglichkeiten in anderen Facharztkompetenzen vor. Mit dem Verbot des Führens der Bezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ sei ein Facharzt für Allgemeinmedizin deshalb nicht in seiner Berufsausübung eingeschränkt. Darin liege auch keine sachfremde Gleichsetzung.
cc) Es sei zwar richtig, dass in Abschnitt C Nr. 15 WBO 2013 bei den Voraussetzungen für den Erwerb der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ der Facharzt für Allgemeinmedizin nicht aufgeführt sei. Diese Weiterbildung umfasse in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz jedoch die Intensivüberwachung und Intensivbehandlung von Patienten, deren Vitalfunktionen oder Organfunktionen in lebensbedrohlicher Weise gestört seien und durch intensive therapeutische Verfahren unterstützt oder aufrechterhalten werden müssten. Dabei handle es sich nicht um eine hausärztliche Tätigkeit, die der Facharzt für Allgemeinmedizin durchführe.
IV. 1. Die Popularklage ist zulässig, soweit sie sich gegen die Übergangsbestimmung des Abschnitts A § 20 Abs. 2 WBO 2013 richtet.
a) Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen. Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dazu gehört die angegriffene Regelung der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns, die von der Bayerischen Landesärztekammer, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 10 Abs. 1 Satz 3 HKaG), im Rahmen ihrer Satzungsautonomie mit verbindlicher Wirkung für ihre Mitglieder erlassen wurde (VerfGH vom 27.5.1998 VerfGHE 51, 74/81; vom 4.7.2001 VerfGHE 54, 47/52 f.; vom 4.6.2003 VerfGHE 56, 99/103).
b) Der Antragsteller rügt eine Verletzung der Freiheit der Berufsausübung (Art. 101 BV) und des Gleichheitssatzes (Art. 118 Abs. 1 BV). Er hat damit gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG subjektive Rechte verbürgende Verfassungsnormen als verletzt bezeichnet. Er hat auch die Gründe dargelegt, aus denen er die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Bestimmung ableitet.
Ist die Popularklage - wie hier - in zulässiger Weise erhoben, überprüft der Verfassungsgerichtshof die angegriffene Regelung anhand aller in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung, auch wenn insoweit keine Rügen geltend gemacht worden sind oder wenn sie - wie das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) - keine Grundrechte verbürgen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 14.2.2011 VerfGHE 64, 10/16).
2. Der Antragsteller wendet sich ferner dagegen, dass ein Arzt, der die in der Weiterbildungsordnung 2004 vorgesehene Weiterbildung zum Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin absolviert hat, nach der derzeit geltenden Weiterbildungsordnung 2013 nicht mehr die Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ erwerben kann, während ihm dies nach der Weiterbildungsordnung 2004 möglich war.
Das Vorbringen des Antragstellers bedarf der Auslegung, um festzustellen, was insoweit der eigentliche Gegenstand seiner Popularklage ist (vgl. VerfGH vom 21.4.1993 VerfGHE 46, 104/108; vom 13.5.2009 VerfGHE 62, 61/65). Als Angriffsziel nennt er Abschnitt C Nr. 15 WBO 2013. Dort sind im Absatz „Voraussetzung zum Erwerb der Bezeichnung“ die Fachärzte aufgeführt, die die Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ erwerben können. Während beispielsweise ein Facharzt für Innere Medizin diese Voraussetzung erfüllt, enthält die Aufzählung weder den Facharzt für Allgemeinmedizin gemäß Abschnitt B Nr. 1 WBO 2013 noch den Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin im Sinn des Abschnitts B Nr. 10 WBO 2004. Der Antragsteller will daher die von ihm angegriffene Regelung letztlich nicht zu Fall bringen. Richtig verstanden wendet er sich dagegen, dass eine bestimmte Vorbildung nicht in den Katalog der Facharztbezeichnungen, die die Zusatzausbildung „Intensivmedizin“ ermöglichen, aufgenommen wurde. Er rügt mithin ein normgeberisches Unterlassen, wobei nicht hinreichend deutlich wird, ob er (nur) das Fehlen einer Übergangsregelung im Hinblick auf die Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin im Sinn des Abschnitts B Nr. 10 WBO 2004 beanstanden will oder ob er erreichen möchte, dass die Zusatzausbildung „Intensivmedizin“ den Fachärzten für Allgemeinmedizin aktueller Prägung generell eröffnet wird.
Auch ein Unterlassen des Normgebers kann Gegenstand einer Popularklage sein, wenn in substanziierter Weise dargelegt wird, der Normgeber sei aufgrund einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung zum Erlass einer bestimmten Regelung verpflichtet (vgl. VerfGH vom 5.7.1990 VerfGHE 43, 95/98; vom 22.10. 1992 VerfGHE 45, 143/146 f.; VerfGHE 46, 104/108; VerfGH vom 12.7.1995 VerfGHE 48, 55/57; vom 18.11.1998 VerfGHE 51, 155/159; vom 5.11.2003 VerfGHE 56, 141/142; VerfGHE 62, 61/66). Ob diese Anforderungen erfüllt sind, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, welches der dargestellten Ziele der Antragsteller mit seiner Popularklage verfolgt.
V. Die Popularklage ist sowohl im Hinblick auf die angegriffene Übergangsbestimmung des Abschnitts A § 20 Abs. 2 WBO 2013 (1.) als auch hinsichtlich der vom Antragsteller zur Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ erhobenen Rüge (2.) jedenfalls unbegründet.
1. Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013, wonach die Facharztbezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ oder die zugehörige Kurzbezeichnung nur in der Form „Facharzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt)“ geführt werden darf, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Wird - wie hier - eine abgeleitete Norm mit der Popularklage angefochten, so hat der Verfassungsgerichtshof auch darüber zu befinden, ob sie auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht und sich im Rahmen dieser Ermächtigung hält. Fehlt es daran, so verstößt die abgeleitete Rechtsvorschrift gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und ist schon aus diesem Grund nichtig, ohne dass es noch darauf ankäme, ob durch sie Grundrechte der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig eingeschränkt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 20.11.2003 VerfGHE 56, 198/203 m. w. N.).
Das Facharztwesen darf nicht ausschließlich der Regelung durch Satzung der Ärztekammern überlassen werden; die „statusbildenden“ Bestimmungen muss der Gesetzgeber selbst treffen (vgl. BVerfG vom 9.5.1972 BVerfGE 33, 125/158). Dies ist im Abschnitt IV des Heilberufe-Kammergesetzes erfolgt. Die angefochtene Regelung beruht auf Art. 35 Abs. 1 HKaG. Gegen diese gemäß Art. 35 Abs. 2 i. V. m. Art. 27 ff. HKaG inhaltlich hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht ersichtlich (vgl. VerfGH vom 17.5.1982 VerfGHE 35, 56/63 ff.).
Mit der Übertragung der Satzungsautonomie an die Ärztekammern erhält die Ärzteschaft die Möglichkeit, aufgrund eigener Sachkunde ihre Angelegenheiten selbst zu regeln und sachliche und örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen (VerfGHE 56, 99/108). Anhaltspunkte dafür, dass Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 mit den Vorschriften des höherrangigen Heilberufe-Kammergesetzes nicht vereinbar wäre, sind weder vom Antragsteller vorgetragen noch sonst erkennbar. Vielmehr dient die angegriffene Norm einer europarechtskonformen Regelung der besonderen Ausbildung in der Allgemeinmedizin gemäß Art. 28 Abs. 4 Satz 2 HKaG i. V. m. Art. 21 Abs. 7 Unterabs. 2, Art. 28 der Richtlinie 2005/36/EG (vgl. unten b) cc).
b) Art. 101 BV ist nicht verletzt.
aa) Nach Art. 101 BV hat jedermann die Freiheit, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet. Dieses Grundrecht erfasst auch die Berufsfreiheit, da die Bayerische Verfassung eine dem Art. 12 GG entsprechende besondere Norm nicht enthält. Es steht unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt und unterliegt daher Beschränkungen. Allerdings müssen die Rechtsvorschriften, die das Grundrecht einschränken, ihrerseits bestimmte Grenzen wahren, damit der Grundrechtsschutz nicht leerläuft. Art. 101 BV verbürgt daher nicht nur die Freiheit von ungesetzlichem Zwang, sondern setzt auch dem Normgeber selbst Schranken beim Erlass von Rechtsvorschriften, die in die Freiheits- und Berufssphäre des Einzelnen eingreifen. Für den berufsrechtlichen Anwendungsbereich des Art. 101 BV kann die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG herangezogen werden. Danach ist zwischen Berufszulassungsregelungen sowie bloßen Berufsausübungsregelungen zu unterscheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGHE 35, 56/67; VerfGH vom 24.5.2012 VerfGHE 65, 88/100 f. m. w. N.).
bb) Art. 101 BV umfasst das Recht eines Arztes, die Öffentlichkeit über erworbene berufliche Qualifikationen wahrheitsgemäß und in angemessener Form zu informieren (BVerfG vom 29.10.2002 BVerfGE 106, 181). Zu den Gesetzen, die dieses Recht im Rahmen des Gesetzesvorbehalts einschränken können, gehört auch die auf gesetzlicher Grundlage von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft als Satzung erlassene Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns (s. o. IV. 1. a). Bei der angegriffenen Satzungsnorm, wonach die Facharztbezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ oder die zugehörige Kurzbezeichnung nur in der Form „Facharzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt)“ geführt werden darf, handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung. Gemäß Art. 27 HKaG können Ärzte neben ihrer Berufsbezeichnung weitere Bezeichnungen führen, die auf besondere Kenntnisse und Fähigkeiten in einem bestimmten medizinischen Gebiet (Gebietsbezeichnung) oder auf andere zusätzlich erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten (Zusatzbezeichnung) hinweisen. Die angegriffene Übergangsregelung betrifft eine solche Gebietsbezeichnung, die Auskunft über eine besondere Form der Berufsausübung innerhalb eines einheitlichen Berufs, der Tätigkeit als Arzt, gibt.
Eine Regelung der Berufsausübung ist zulässig, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und wenn die durch sie bewirkte Beschränkung der Berufsausübung den Betroffenen zumutbar ist (VerfGH vom 23.12.2004 VerfGHE 57, 175/179; vom 18.12.2007 VerfGHE 60, 234/248). Dies gebietet eine umfassende Güterabwägung, die aber nur dann zu einer Korrektur führt, wenn die betroffenen Individualinteressen ersichtlich schwerer wiegen als die die Grundrechtsbeeinträchtigung auslösenden Allgemeinwohlinteressen (VerfGH vom 28.6.2013 BayVBl 2014, 333/336; BVerfG vom 24.5.1977 BVerfGE 44, 353/373). Dies ist hier nicht der Fall.
cc) Hat ein Arzt rechtsförmlich eine Qualifikation auf einem bestimmten Fachgebiet erworben, so können nur Gemeinwohlbelange von erheblichem Gewicht ein Verbot rechtfertigen, eine entsprechende Facharztbezeichnung zu führen und so auf diese Qualifikation hinzuweisen (BVerfG vom 9.3.2000 NJW 2000, 3057). Die Übergangsvorschrift in Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 enthält jedoch kein Verbot in diesem Sinn, sondern nur die Beschränkung, die erworbene Facharztbezeichnung in einer bestimmten Form zu führen. Sie dient einer europarechtskonformen Regelung der besonderen Ausbildung in der Allgemeinmedizin gemäß Art. 28 der Richtlinie 2005/36/EG. Nach Art. 28 Abs. 4 Satz 2 HKaG muss die in Bayern für die Allgemeinmedizin vorgesehene Gebietsbezeichnung der gemäß Art. 21 Abs. 7 Unterabs. 2 dieser Richtlinie einheitlich für die Bundesrepublik Deutschland im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemachten Bezeichnung entsprechen. Auf dieser Grundlage hat die Bundesrepublik Deutschland die Berufsbezeichnung „Facharzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin“ notifiziert (Anhang V Nr. 5.1.4 der Richtlinie 2005/36/EG). Derzeit bestehen keine Bestrebungen, eine andere Berufsbezeichnung im Bereich der Allgemeinmedizin zu notifizieren. Da eine bundeseinheitliche Umsetzung der im Jahr 2003 vom 106. Deutschen Ärztetag beschlossenen Musterweiterbildungsordnung, die eine Neustrukturierung der Facharztausbildung auf den Gebieten „Allgemeinmedizin“ und „Innere Medizin“ vorsah, gescheitert ist, lässt sich der ursprünglich beabsichtigte Wechsel zur Bezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ nicht realisieren. Vielmehr war es europarechtlich geboten, die Verbindung der beiden Gebiete wieder rückgängig zu machen. Die angegriffene Regelung, nach der die Facharztbezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ nur in der notifizierten Form „Facharzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin“ geführt werden darf, ist zur Erreichung dieses verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich.
Das Interesse der Ärzte, die den Weiterbildungsgang „Innere und Allgemeinmedizin“ absolviert haben, in der Facharztbezeichnung auch gegenüber den Patienten zum Ausdruck zu bringen, dass die Weiterbildung - verstärkt - Bereiche der Inneren Medizin umfasst, muss im Hinblick auf das Interesse an einer europarechtskonformen Regelung zurücktreten. Der Einwand, die angegriffene Regelung in Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 führe dazu, dass die Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin nach der Weiterbildungsordnung 2004 nicht mehr „auf Augenhöhe“ mit den Inhabern anderer internistischer Facharztbezeichnungen stünden, greift nicht durch. In der Weiterbildungsordnung 2004 wurde zwischen dem Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin einerseits und den Fachärzten für Innere Medizin und Schwerpunkt andererseits unterschieden. Wie die Bayerische Staatsregierung und die Bayerische Landesärztekammer nachvollziehbar dargelegt haben, wurden durch den Weiterbildungsgang „Innere und Allgemeinmedizin“ in Abschnitt B Nr. 10.1 WBO 2004 nicht die Facharztbereiche „Innere Medizin“ und „Allgemeinmedizin“ zusammengeführt, sondern lediglich die internistischen Kompetenzen des Hausarztes gestärkt. Der Satzungsgeber hatte daher - entgegen der Forderung des Antragstellers - auch keine Veranlassung, Kammerangehörigen, die die Anerkennung als Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin nach früherem Recht erworben haben, neben der Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin zugleich jene als Facharzt für Innere Medizin zu gewähren. Dem Einwand, die angegriffene Übergangsregelung erschwere - insbesondere bei einer angestrebten klinischen Tätigkeit - die berufliche Laufbahn, steht entgegen, dass nach der Stellungnahme der Bayerischen Landesärztekammer vom 26. Mai 2015 in Bayern 481 Fachärzte für Allgemeinmedizin und 46 Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin - gemäß Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 nur führbar als „Facharzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt)“ - in Kliniken tätig sind. Schließlich dürfte zumindest Fachleuten bekannt sein, dass seit Inkrafttreten der Weiterbildungsordnung 2004 Fachärzte für Allgemeinmedizin über vertiefte Erfahrungen in der Inneren Medizin verfügen.
c) Aus Art. 166 BV ergeben sich in Bezug auf Berufsausübungsregelungen keine Grundsätze, die über die Gewährleistung in Art. 101 BV hinausreichen (VerfGH vom 6.4.1989 VerfGHE 42, 41/49; vom 13.12.1999 VerfGHE 52, 173/185).
d) Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 verstößt nicht gegen das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) enthaltene Rückwirkungsverbot.
aa) Das Rechtsstaatsprinzip schützt den Einzelnen vor einer Verschlechterung der Rechtslage, wenn er in schutzwürdiger Weise auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen durfte. Durch das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes sind der Rückwirkung von Normen Grenzen gezogen. Dabei ist zwischen der echten Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) und der unechten Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) zu unterscheiden. Eine echte Rückwirkung liegt in einer Anordnung des Gesetzgebers, eine für den Bürger nachteilige Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum gelten. Dadurch knüpft die Norm an abgeschlossene Tatbestände nachträglich andere, ungünstigere Rechtsfolgen als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Demgegenüber betrifft die unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm, also mit Wirkung für die Zukunft ein; deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung „ins Werk gesetzt“ wurden. Eine unechte Rückwirkung knüpft den Eintritt der Rechtsfolgen der später geschaffenen Norm an Gegebenheiten aus der Zeit vor deren Verkündung an. Sie liegt typischerweise dann vor, wenn eine Rechtsposition nachträglich durch Vorschriften verschlechtert wird, die auf aus der Vergangenheit stammende, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte angewandt werden (vgl. VerfGH vom 28.6.2013 VerfGHE 66, 101/116 f. m. w. N.).
bb) Die Satzungsregelung in Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 wurde am 17. Oktober 2010 beschlossen und ist am 1. April 2011 in Kraft getreten. Sie enthält die Beschränkung, dass die erworbene Facharztbezeichnung künftig nur in einer bestimmten Form geführt werden darf. Damit knüpft sie an in der Vergangenheit vor ihrem Inkrafttreten verwirklichte Tatbestände für die Zukunft neue Rechtsfolgen. Dies spricht für einen Fall der unechten Rückwirkung.
Allerdings ist der angegriffenen Regelung eine weitere Übergangsbestimmung in Abschnitt B Nr. 10.1 WBO 2005 vorausgegangen, die am 23. April 2005 beschlossen wurde und rückwirkend zum 1. August 2004, also zeitgleich mit der Weiterbildungsordnung 2004, in Kraft getreten ist. Auch nach dieser Vorschrift durfte die Facharztbezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ oder die zugehörige Kurzbezeichnung nur in der Form „Facharzt für Allgemeinmedizin“ oder „Allgemeinarzt“ geführt werden. Im Unterschied zur Übergangsregelung vom 17. Oktober 2010 wurde damals jedoch noch die Möglichkeit einer Notifizierung der Bezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ in Aussicht gestellt. Trotz des Inkrafttretens der Vorschrift vom 23. April 2005 zum 1. August 2004 handelt es sich um keinen Fall der echten Rückwirkung, da nicht erkennbar ist, inwiefern sich aus der Norm in die Vergangenheit wirkende Rechtsfolgen ergeben sollten. Die Bayerische Landesärztekammer hat in ihrer Stellungnahme vom 26. Mai 2015 dargelegt, dass alle Ärztinnen und Ärzte, die die Anerkennung als Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin nach der Weiterbildungsordnung 2004 erhielten, durch ein Schreiben der Bayerischen Landesärztekammer, das ihnen gleichzeitig mit der Urkunde ausgehändigt wurde, auf die Beschränkung bei der Führung der Facharztbezeichnung hingewiesen wurden. Auch die ursprüngliche Übergangsregelung nimmt daher zwar Bezug auf möglicherweise vor ihrer Bekanntgabe verwirklichte Tatbestände, wie die Aufnahme der Weiterbildung; neue Rechtsfolgen im Hinblick auf die Führung der Facharztbezeichnung ergeben sich faktisch jedoch nur für die Zukunft. Es ist daher auch unter Berücksichtigung der Übergangsregelung vom 23. April 2005 von einem Fall der unechten Rückwirkung auszugehen.
cc) Der Grundsatz des Vertrauensschutzes geht nicht so weit, den Bürger für die Zukunft vor jeder nachteiligen Änderung einer bisher gewährten Rechtsposition zu bewahren. Auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte darf der Normgeber deshalb mit Wirkung für die Zukunft grundsätzlich einwirken. Aus dem Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ergeben sich auch in Fällen einer unechten Rückwirkung verfassungsrechtliche Grenzen für belastende Vorschriften. Das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand einer Regelung ist aber weit weniger geschützt als bei einer echten Rückwirkung. Es ist die Bedeutung des Anliegens des Normgebers für das Wohl der Allgemeinheit gegen das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand der Rechtslage abzuwägen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 31.7.1996 VerfGHE 49, 120/123 f.; VerfGHE 56, 99/106; VerfGH vom 17.05.2006 VerfGHE 59, 63/78). Wie bereits im Zusammenhang mit Art. 101 BV dargelegt (vgl. oben b) cc), muss das Interesse der Ärzte an einer Führung der Bezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ im Hinblick auf das Ziel des Normgebers, eine europarechtskonforme Regelung zu gewährleisten, zurücktreten.
e) Der Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) ist nicht verletzt.
aa) Er untersagt dem Normgeber, gleichliegende Sachverhalte, die aus der Natur der Sache und unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit eine gleichartige Regelung erfordern, ungleich zu behandeln; dagegen ist wesentlich Ungleiches nach seiner Eigenart verschieden zu regeln (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 15.5.2014 NJW 2014, 3215 Rn. 102).
bb) Nach der Regelung in Abschnitt A § 20 Abs. 2 WBO 2013 darf nur die Bezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin“ geführt werden. Dieser Bezeichnung lässt sich nicht entnehmen, ob es sich um einen Facharzt für Allgemeinmedizin früherer Prägung, einen Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin nach der Weiterbildungsordnung 2004 oder um einen Facharzt für Allgemeinmedizin nach der Weiterbildungsordnung 2013 handelt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist insoweit jedoch nicht ersichtlich.
Die Weiterbildungsgänge „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ nach der Weiterbildungsordnung 2004 und „Facharzt für Allgemeinmedizin“ nach der Weiterbildungsordnung 2013 unterscheiden sich nicht wesentlich. Entgegen der vom Antragsteller vertretenen Ansicht setzt auch die Übergangsbestimmung in Abschnitt B Nr. 1 WBO 2013 den Nachweis sämtlicher im Gebiet „Allgemeinmedizin“ vorgeschriebener Weiterbildungsinhalte einschließlich der Basisweiterbildung im Gebiet „Innere Medizin“ voraus.
Gegenüber dem Facharzt für Allgemeinmedizin früherer Prägung wurde die Weiterbildung in der Weiterbildungsordnung 2004 um bestimmte internistische Inhalte ergänzt. Während frühere Fachärzte für Allgemeinmedizin nur ein Jahr Innere Medizin im Stationsdienst nachweisen mussten (Abschnitt I Nr. 1 WBO 1993), war für den Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin auf der Grundlage der Weiterbildungsordnung 2004 der Nachweis von 36 Monaten in der stationären internistischen Patientenversorgung erforderlich. Art. 118 Abs. 1 BV verlangt indes nicht, unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt (VerfGH NJW 2014, 3215 Rn. 103). Hier ist eine Differenzierung bei der Facharztbezeichnung schon deshalb ausgeschlossen, weil die notifizierte Bezeichnung „Facharzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin“ (Anhang V Nr. 5.1.4 der Richtlinie 2005/36/EG) zu verwenden ist.
2. Die Popularklage ist auch insoweit unbegründet, als der Antragsteller über den aktuellen Satzungstext der Weiterbildungsordnung 2013 hinausgehende, ergänzende Regelungen zur Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ fordert.
a) Nach bayerischem Verfassungsrecht besteht grundsätzlich kein verfassungsgerichtlich verfolgbarer Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers. Ein derartiger Anspruch wäre mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung in Art. 5 BV unvereinbar und würde den notwendigen Gestaltungsspielraum des Normgebers unzulässig beschränken. Ob und mit welchem Inhalt normative Regelungen zu erlassen sind, hängt von vielschichtigen Erwägungen ab, die sich richterlicher Nachprüfung im Allgemeinen entziehen. Das Verlangen nach Erlass einer bestimmten Regelung kann grundsätzlich nicht im Wege einer Popularklage geltend gemacht werden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein ausdrücklicher Auftrag der Verfassung gegeben ist, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen umgrenzt, oder wenn ein relevantes Unterlassen des Normgebers gerügt wird, weil dieser im Zusammenhang mit einer bestimmten Rechtsmaterie etwas nicht getan habe, wozu er unter Beachtung des Gleichheitssatzes oder anderer Verfassungsbestimmungen verpflichtet gewesen wäre (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGHE 43, 95/98; 45, 143/146 f.; 46, 104/108; 48, 55/57; 51, 155/159; 56, 141/142; 62, 61/66 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
b) Weder aus Art. 101 BV noch aus Art. 118 Abs. 1 BV lässt sich eine Verpflichtung des Normgebers ableiten, den Fachärzten für Allgemeinmedizin nach der aktuellen Weiterbildungsordnung 2013 die Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ zu ermöglichen.
aa) Durch die Weiterbildungsordnung 2004 wurden die Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin in den Katalog der Fachärzte aufgenommen, die eine zusätzliche Weiterbildung auf dem Gebiet der Intensivmedizin absolvieren konnten (Abschnitt C Nr. 13 WBO 2004). Dass diese Möglichkeit derzeit nicht mehr besteht, ist auf das bereits dargelegte Anliegen des Normgebers zurückzuführen, die vom Bayerischen Ärztetag am 24. April 2004 beschlossene Verbindung der Gebiete „Allgemeinmedizin“ und „Innere Medizin“ wieder rückgängig zu machen, nachdem die bundeseinheitliche Umsetzung der 2003 beschlossenen Musterweiterbildungsordnung und in der Folge die Notifizierung der Bezeichnung „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ bei der Europäischen Kommission gescheitert waren (vgl. oben 1. b) cc). Die aktuelle Fassung der Weiterbildungsordnung ermöglicht zwar dem Facharzt für Innere Medizin, nicht aber dem Facharzt für Allgemeinmedizin eine zusätzliche Weiterbildung auf dem Gebiet der Intensivmedizin (Abschnitt C Nr. 15 WBO 2013).
bb) Die Bayerische Staatsregierung und die Bayerische Landesärztekammer haben diese Unterscheidung in ihren Stellungnahmen damit begründet, dass es sich bei der in Abschnitt C Nr. 15 WBO 2013 geregelten Zusatzweiterbildung nicht um eine (typische) hausärztliche Tätigkeit handle, die der Facharzt für Allgemeinmedizin durchführe. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar, da die Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ nach der in der Satzung enthaltenen Definition die Intensivüberwachung und -behandlung von Patienten betrifft, deren Vitalfunktionen oder Organfunktionen in lebensbedrohlicher Weise gestört sind und durch intensive therapeutische Verfahren unterstützt oder aufrechterhalten werden müssen. Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut. Dessen Schutz rechtfertigt bei Ärzten strenge fachliche Maßstäbe und sogar einen gewissen „Überschuss“ an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen (vgl. BVerfG vom 25.2.1969 BVerfGE 25, 236/248; vom 14.3.1989 BVerfGE 80, 1/24). Die Entscheidung des Satzungsgebers, für den Erwerb der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ ein höheres Maß an intensivmedizinscher Vorbildung (z. B. sechs Monate internistische Intensivmedizin beim Facharzt für Innere Medizin, Abschnitt B Nr. 13.1 WBO 2013) vorauszusetzen als für den Facharzt für Allgemeinmedizin vorgeschrieben ist (Abschnitt B Nr. 1 WBO 2013), hält sich innerhalb der dem Normgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit. Die Regelung kann sich auf sachliche Gründe stützen, die die Unterscheidung bei der Vorbildung sowohl im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit (Art. 101 BV) als auch unter Gleichheitsaspekten (Art. 118 Abs. 1 BV) rechtfertigen. Zu den im Interesse des Allgemeinwohls strengen fachlichen Maßstäben kommt das Ziel des Normgebers hinzu, die im Jahr 2004 vorgenommene Neustrukturierung der fachärztlichen Weiterbildung aus europarechtlichen Gründen rückgängig zu machen.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass es sich beim Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, dem nach der Weiterbildungsordnung 2004 die Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ eröffnet war, und dem Facharzt für Allgemeinmedizin aktueller Prägung, dem diese Möglichkeit versagt ist, um vergleichbare Facharztkompetenzen handelt. Denn es ist dem Satzungsgeber nicht verwehrt, eine einmal getroffene normgeberische Entscheidung zu revidieren. Der Gleichheitssatz verbietet Willkür, er reicht jedoch nicht so weit, dass die Betroffenen für die Zukunft vor jeder nachteiligen Änderung einer bisher gewährten Rechtsposition im weitesten Sinn bewahrt werden müssten (VerfGH vom 22.1.1981 VerfGHE 34, 14/26; vom 28.5.2009 VerfGHE 62, 79/107; Schmidt am Busch in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 118 Rn. 39). Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob der Normgeber die bestmögliche oder gerechteste Lösung getroffen hat; er kann nicht seine eigenen Abwägungen und Überlegungen an die Stelle derjenigen des Normgebers setzen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGHE 46, 104/109; VerfGH vom 22.7.2008 VerfGHE 61, 172/180 f.; vom 13.9.2012 VerfGHE 65, 152/164 f.).
c) Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) war der Normgeber nicht verpflichtet, für die Ärzte, die sich einer Ausbildung zum Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin unterzogen haben, eine Übergangsregelung zu schaffen, die ihnen nach dem Wegfall dieser Facharztbezeichnung den Zugang zur Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ weiterhin eröffnet.
Dem bereits dargestellten Interesse des Allgemeinwohls (vgl. 2. b) bb) steht kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Ärzte am Fortbestand der früheren Regelung zur Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ gegenüber. Auf die Ausführungen zu 1. d) wird ergänzend Bezug genommen.
VI. Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).