Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 02. Dez. 2015 - L 10 AL 259/14

bei uns veröffentlicht am02.12.2015
vorgehend
Sozialgericht Würzburg, S 7 AL 92/12, 08.09.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Gründe

Rechtskräftig: unbekannt

Spruchkörper: Senat

Hauptschlagwort: Arbeitslosenhilfe Entziehungsbescheid Nichtigkeitsfeststellungsklage Untätigkeitsklage

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

In dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt, Polen

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Proz.-Bev.: B., A-Straße, A-Stadt, Polen

gegen

Bundesagentur für Arbeit,

vertreten durch die Geschäftsführung des Operativen Service der Agentur für Arbeit Nürnberg, Richard-Wagner-Platz 5, Nürnberg

- Beklagte und Berufungsbeklagte -.

Der 10. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in Schweinfurt am 2. Dezember 2015 durch den Richter am Bayer. Landessozialgericht Strnischa als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ... für Recht erkannt:

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 08.09.2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Entziehungsbescheid vom 21.01.2004 hinsichtlich der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab 01.11.2003 bis 22.12.2003.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf ihren Antrag vom 18.12.2002 Alhi für die Zeit vom 18.12.2002 bis 03.08.2003 (Bescheid vom 30.01.2003 i. d. F. des Bescheides vom 02.07.2003). Für die Zeit vom 10.06.2003 bis 27.06.2003 meldete sich die Klägerin wegen einer beantragten, aber nicht genehmigten Ortsabwesenheit aus dem Leistungsbezug ab. Am 30.06.2003 meldete sie sich erneut persönlich arbeitslos. Die Beklagte bewilligte mit Unterbrechung Alhi für die Zeit ab 28.06.2003 (zuletzt mit Bescheid vom 15.09.2003 für die Zeit ab 02.09.2003). Mit formlosen Schreiben vom 20.11.2003 informierte die Beklagte die Klägerin, dass wegen des Fehlens von Unterlagen und Angaben die Leistung ab 01.11.2003 vorläufig eingestellt werde. Es seien Belege vorzulegen, aus denen sich der Verkehrswert der ausländischen Immobilie ergebe, wie diese finanziert worden sei und wie diese genutzt werde bzw. seit Besitz genutzt worden sei. Bei Unterlassen der geforderten Mitwirkung bis spätestens 12.12.2003 werde die Leistung ganz entzogen. Die Klägerin teilte der Beklagten mit, sie ziehe zum 22.12.2003 nach Polen um. Mangels Mitwirkung entzog die Beklagte die bewilligte Alhi rückwirkend zum 01.11.2003 gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) mit Bescheid vom 21.01.2004.

U. a. hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und die Zahlung von Alhi vom 01.11.2003 bis 22.12.2003 begehrt (S 13 AL 101/05). Nachdem das SG nur über einen weiteren Streitgegenstand des Verfahrens entschieden hatte (Urteil vom 09.12.2008), hat der Senat im anschließenden Berufungsverfahren (L 10 AL 64/09) - nachdem die Beteiligten mit einem entsprechenden Heraufholen von Prozessresten (konkludent) einverstanden waren - die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 21.01.2004 abgewiesen (Ziffer II. des rechtskräftigen Urteils vom 24.11.2011). Die Anfechtungsklage, die insofern nach der Konkretisierung durch die Klägerin alleiniges (zulässiges) Klagebegehren sei, sei unzulässig, da der Bescheid mangels Widerspruchseinlegung bestandskräftig geworden sei.

Am 23.04.2012 hat die Klägerin beim SG „Feststellungs-, Untätigkeits- und Verpflichtungsklage wegen des Entziehungsbescheides der Beklagten vom 21.01.2004“ erhoben. Sie sei am 23.12.2003 in ihre Heimat zurückgezogen. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass sie dort ein angemessenes Haus besitze. Im Berufungsverfahren L 10 AL 64/09 habe sie mit einer Bescheinigung ihre Eintragung in das Grundbuch nachgewiesen. Aus weiteren vorgelegten Unterlagen folge die Wohnfläche des Hauses mit 100,1 qm. Es werde eigengenutzt. Das Haus sei nicht verwertbar, unabhängig davon, dass für Staatsangehörige aus Nicht-EU-Ländern ihre Wohnhäuser in ihren Heimatländern im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht hätten verwertet werden dürfen. Sie habe alle notwendigen Angaben gemacht, so dass die Beklagte ihren Bescheid ändern und ihren Verpflichtungen nach § 67 SGB I nachkommen müsse. Der angefochtene Bescheid sei abzuändern und Alhi für die Zeit vom 01.11.2003 bis 22.12.2003 zu zahlen. Es handele sich in erster Linie um eine nicht fristgebundene Feststellungsklage und im Anschluss daran um eine Verpflichtungsklage. Die Untätigkeit der Beklagten und die Nichtigkeit des Bescheides vom 21.01.2004 seien festzustellen.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.09.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Untätigkeitsklage sei unzulässig, da es insofern an einem offenen Antrag der Klägerin bei der Beklagten fehle. Das Verwaltungsverfahren betreffend die Leistung von Alhi für den Zeitraum 01.11.2003 bis 22.12.2003 sei durch die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts rechtskräftig abgeschlossen. Die Feststellungsklage sei ebenso unzulässig, da das vorliegende Begehren mit einer Leistungsklage verfolgt werden könne. Für eine zulässige Verpflichtungsklage fehle es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens.

Dagegen hat die Klägerin Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die Feststellungsklage sei zulässig, da das Begehren nicht innerhalb einer Leistungsklage verfolgt werden könne. Unabhängig davon sei sie ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen und die Beklagte müsse von Amts wegen die versagten Sozialleistungen nachträglich ganz oder teilweise erbringen. Hier sei die Beklagte untätig.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 08.09.2014 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der angefochtene Bescheid vom 21.01.2004 nichtig ist.

3. Die Beklagte wird unter für nichtig erklärtem bzw. Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 21.01.2004 verurteilt, der Klägerin die Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.11.2003 bis 22.12.2003 samt 4% Zinsen ab 01.11.2003 zu bewilligen und auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG verwiesen.

Mit Beschluss vom 09.11.2015 hat der Senat die Berufung auf den Berichterstatter übertragen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), über die gemäß § 153 Abs. 5 SGG durch den Berichterstatter mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden werde konnte, ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Streitgegenstand ist vorliegend zunächst der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 21.01.2004. Daneben begehrt die Klägerin alternativ dessen Aufhebung sowie die Zahlung von Alhi für die Zeit vom 01.11.2003 bis 22.12.2003. Aus den Begründungen von Klage und Berufung folgt, dass es ihr zudem um eine Untätigkeitsklage geht.

Eine - nicht fristgebundene - Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 55 Rn. 14) in Bezug auf die Nichtigkeit des Bescheides vom 21.01.2004, der einen Verwaltungsakt darstellt, ist bereits unzulässig, da es bei der Klägerin an einem entsprechenden Feststellungsinteresse fehlt. Die Klage gegen den Bescheid vom 21.01.2004 hat der Senat bereits mit Ziffer II. des Urteils vom 24.11.2011 (L 10 AL 64/09) rechtskräftig abgewiesen, so dass diesbezüglich zwischen den Beteiligten bindend feststeht, dass die Entziehung der Leistungen ab 01.11.2003 zu Recht erfolgt ist (§ 77 SGG). Aus der Feststellung der Nichtigkeit könnte die Klägerin daher keine Rechte gegenüber der Beklagten herleiten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.12.2007 - L 7 SO 217/07 - juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.06.2007 - L 12 AL 83/06 - juris).

Im Übrigen wäre eine solche Klage jedenfalls unbegründet. Nach § 40 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Ohne Rücksicht auf diese Voraussetzungen ist ein Verwaltungsakt nichtig (§ 40 Abs. 2 SGB X), (1.) der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt, (2.) der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt, (3.) den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, (4.) der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht oder (5.) der gegen die guten Sitten verstößt.

Weder einer der ausdrücklich genannten Nichtigkeitsgründe noch andere Anhaltspunkte liegen vor, aus denen sich die Nichtigkeit der streitgegenständlichen Bescheide ergeben könnte. Alleine - vom Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides aus zu beurteilende (vgl. dazu Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 40 Rn. 4) - mögliche Ermessensfehler oder die Frage, ob die Klägerin ausreichende Unterlagen vorgelegt hatte bzw. die Vorlage von der Beklagten verlangt werden konnte, stellen keinen besonders schwerwiegenden, offensichtlichen Fehler dar.

Eine Aufhebung des Bescheides vom 21.01.2004 kann die Klägerin auch nicht im Wege der Anfechtungsklage erreichen (§ 54 Abs. 1 SGG), da im Hinblick auf die Rechtskraft des Urteils des Senats vom 24.11.2011 (L 10 AL 64/09) dieses einer erneuten Klage auf Aufhebung des Bescheides entgegen steht (Keller, a. a. O., § 141 Rn. 6a). Wegen der bestandskräftigen Entziehung mit Bescheid vom 21.01.2004 besteht folglich kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Alhi aus dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid. Insofern kommt bereits deshalb weder die Feststellung eines solchen Anspruchs der Klägerin noch eine Verurteilung bzw. Verpflichtung der Beklagten zur Leistung in Betracht.

Soweit die Klägerin auch ein Untätigkeit der Beklagten rügt und insofern eine Änderung des Bescheides vom 21.01.2004 bzw. eine Nachzahlung von Leistungen nach Nachholung der Mitwirkungshandlungen begehrt, könnte sie damit eine Überprüfung des bestandskräftigen Bescheides vom 21.01.2004 nach § 44 SGB X bzw. einen Antrag auf die Nachzahlung nach § 67 SGB I meinen. Die Zulässigkeit einer diesbezüglichen Untätigkeitsklage setzt jedoch nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes voraus, über den die Beklagte nicht entschieden hat. Entsprechende Anträge der Klägerin wurden aber ausweislich der Akten der Beklagten dort bislang nicht gestellt. Hierauf hat auch das SG hingewiesen. Einen Nachweis oder einen konkreten Vortrag hierzu hat die Klägerin im Berufungsverfahren dennoch nicht erbracht.

Die Berufung war demnach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 02. Dez. 2015 - L 10 AL 259/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 02. Dez. 2015 - L 10 AL 259/14

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 02. Dez. 2015 - L 10 AL 259/14 zitiert 14 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 55


(1) Mit der Klage kann begehrt werden 1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,2. die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,3. die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörun

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 66 Folgen fehlender Mitwirkung


(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittl

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 88


(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 40 Nichtigkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen d

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 67 Nachholung der Mitwirkung


Wird die Mitwirkung nachgeholt und liegen die Leistungsvoraussetzungen vor, kann der Leistungsträger Sozialleistungen, die er nach § 66 versagt oder entzogen hat, nachträglich ganz oder teilweise erbringen.

Referenzen

(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.

(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

Wird die Mitwirkung nachgeholt und liegen die Leistungsvoraussetzungen vor, kann der Leistungsträger Sozialleistungen, die er nach § 66 versagt oder entzogen hat, nachträglich ganz oder teilweise erbringen.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt,
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
4.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
5.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Wird die Mitwirkung nachgeholt und liegen die Leistungsvoraussetzungen vor, kann der Leistungsträger Sozialleistungen, die er nach § 66 versagt oder entzogen hat, nachträglich ganz oder teilweise erbringen.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.