Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 15. Dez. 2016 - L 5 KR 602/16 ER

bei uns veröffentlicht am15.12.2016

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Der Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des SG Augsburg vom 27.09.2016 - Aktenzeichen S 6 KR 148/16 - wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu erstatten.

Gründe

I. Mit Urteil vom 27.09.2016 hat das Sozialgericht Augsburg festgestellt, dass der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Klägerin einen Sachleistungsanspruch auf bariatrische Operation zusteht. Dieser folge aus der Anwendung der fiktiven Genehmigung nach § 13 Abs. 3a SGB V (i. d. F. der Einfügung durch Art. 2 Nr. 1 G v. 20.2.2013, BGBl I S. 277 mWv 26.2.2013). Die dortigen Fristen habe die Beklagte, die im Termin zur mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Antragseingang bestritten habe, nicht eingehalten. Die Nichteinhaltung der Fristen ergebe sich in einer Würdigung des Gesamtablaufes.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und zugleich die Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts beantragt. Die hat dies mit dem Nichtvorliegen der materiellen Voraussetzungen der fiktiven Genehmigung sowie mit dem Bestreiten des Einganges eines fristauslösenden Antrages begründet. Dem hat sich die Klägerin widersetzt.

II. Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gemäß § 199 Abs. 2 S. 1 SGG kann, wenn - wie vorliegend - ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss v. 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 199 Rn. 8), wobei der in § 154 Abs. 2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Berufungen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a. a. O. Rn. 8a; BSG, Beschluss v. 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B). Der Gesetzgeber hat ausdrücklich eine Regelung zur Vollstreckung in § 154 Abs. 2 SGG getroffen und hat dabei auch das generelle Interesse des Leistungsträgers, Leistungen erst bei endgültiger Klärung der Sach- und Rechtslage zu erbringen, berücksichtigt, indem nur die aufschiebende Wirkung der Berufung für Beträge, die für die Zeit vor Erlass des Urteiles zu zahlen sind, angenommen wurde.

Bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, sind im Rahmen der Interessen- und Folgenabwägung zunächst die Erfolgsaussichten der Berufung zu berücksichtigen. Diese sind für die Entscheidung maßgeblich, wenn sie offensichtlich fehlen oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138; vgl. auch BSG vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob die Beklagten - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher verbunden ist - ein im Nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde. Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG in SozR 3-1500 § 199 Nr. 1; BSG Beschluss v. 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R). Der Hinweis auf Sonderfälle, unter denen eine rechtswidrig gezahlte Leistung vom Begünstigten nicht zurückgefordert werden darf, genügt hierzu nicht, wenn nicht Anhaltspunkte dafür benannt werden, beim Begünstigten könne ein solcher „Härtefall“ bestehen (vgl. BSG, Beschluss v. 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R).

Vorliegend erweist sich der Antrag der Beklagten in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze als unbegründet. Denn mit dem Erstgericht ist davon auszugehen, dass die Klägerin einen genehmigungsfähigen Antrag oder zumindest mit Vorlage des in den Urteilsgründen benannten ärztlichen Attestes vom 11.01.2016 einen genehmigungsfähig gewordenen Antrag spätestens am 11.01.2016 gestellt haben dürfte. Insoweit bekommt Gewicht, dass die Beklagte über lange Strecken des Verfahrens sich nicht veranlasst gesehen hatte, am im eigenen Widerspruchsbescheid genannten Antragsdatum zu rütteln. Dies ist vielmehr dezidiert erst in der mündlichen Verhandlung sowie detailliert in der Berufungsbegründung geschehen. Einem während eines gerichtlichen Verfahrens inkonsistentem Tatsachen-Vorbringen, bei welchem ein gewisser prozessualer Lerneffekt nicht als gänzlich abwegig bezeichnet werden kann, ist ein eher eingeschränkterer Beweiswert zuzusprechen. Hinzu kommt, dass die Beklagtenakte erstmals am 26.01.2016 ein Schriftstück der Klägerin mit einem Eingangsstempel versehen hat - also fast drei Jahre nach Inkrafttreten der gesetzlichen Genehmigungsfiktion, bei welcher gerade das Eingangsdatum eines Antrags bei den Krankenkassen eine entscheidungserhebliche Rolle spielt.

Darüber hinaus liegen die Besonderheiten im Falle der Klägerin so, dass entsprechend den Ausführungen des Erstgerichts die Ausnahmevoraussetzungen für einen Eingriff am gesunden Organ Magen mit dem Ziel der Gewichtsreduzierung sowie einer lebenslangen Dauernachbehandlung wohl erfüllt sein werden. Es spricht somit deutlich mehr gegen einen Erfolg der Berufung als dagegen. Dem Antrag der Klägerin ist somit der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung des §§ 193 SGG (vgl. Bayer LSG vom 16.07.1996; Az.: L 1 An 90/95; Beschluss vom 12. Dezember 2011 - L 6 R 1065/11 ER -, Rn. 10, zitiert nach juris).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 199


(1) Vollstreckt wird 1. aus gerichtlichen Entscheidungen, soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes kein Aufschub eintritt,2. aus einstweiligen Anordnungen,3. aus Anerkenntnissen und gerichtlichen Vergleichen,4. aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen,5

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 154


(1) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 haben aufschiebende Wirkung, soweit die Klage nach § 86a Aufschub bewirkt. (2) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 eines Versicherungsträgers oder in der Kriegsopferversorgung ei

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Sozialgericht Augsburg Urteil, 27. Sept. 2016 - S 6 KR 148/16

bei uns veröffentlicht am 27.09.2016

Tenor I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine stationäre bariatrische Operation (Magenbypass) zu gewähren. II. Der Bescheid vom 19. Februar 2016 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 1. Juni 2016 wird au

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Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine stationäre bariatrische Operation (Magenbypass) zu gewähren.

II.

Der Bescheid vom 19. Februar 2016 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 1. Juni 2016 wird aufgehoben.

III.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Kostenübernahme für eine stationäre bariatrische Operationen (Magenbypass) streitig aufgrund Eintritts der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die am 1975 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einer Adipositas Grad III.

Aufgrund ihrer Erkrankung beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine bariatrische Operation im V. Klinikum. Hierzu erging am 28.01.2016 eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 12.02.2016. Anschließend lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 19.02.2016 ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 29.02.2016 Widerspruch ein.

Am 22.03.2016 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Feststellungsklage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Mit dieser begehrt er die Feststellung, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer bariatrischen Operation (Magenbypass) als Sachleistung vom 11.01.2016 gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V als genehmigt gilt. Zur Klagebegründung ist vorgetragen worden, dass am 11.01.2016 die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer bariatrischen Operation als Sachleistung beantragt habe. Beigefügt gewesen sei eine ausführliche fachärztliche Indikationsstellung eines zertifizierten Adipositaszentrums sowie weitere Unterlagen. Beschieden wurde der Antrag jedoch erst am 19.02.2016. Die Beklagte habe damit die Fünf-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3 a Satz 1, 2. Alternative SGB V nicht eingehalten. Eine rechtzeitige schriftliche Mitteilung der Beklagten an die Klägerin, man könne die Fünf-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V nicht einhalten, sei nicht erfolgt.

Die Beklagte hat hierzu mit Schreiben vom 02.05.2016 Stellung genommen und ausgeführt, dass der Klage, mit der die Verurteilung auf Erhalt einer bariatrischen Operation als Sachleistung begehrt werde, ein Vorverfahren vorauszugehen habe. Das Vorverfahren habe noch nicht stattgefunden. Es könne aber noch während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Der Widerspruch sei in der Klage enthalten.

Mit Schreiben vom 04.06.2016 hat der Bevollmächtigte sodann beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V eine bariatrische Operation (Magenbypass) als Sachleistung zu gewähren und dies unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids. Beigefügt war diesem Schreiben der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 01.06.2016. In diesem hat die Beklagte ausgeführt, dass die Klägerin am 23.11.2015 bei ihr die Kostenübernahme einer bariatrischen Operation (Magenbypass) im Rahmen der Sachleistung im V. Klinikum in B. beantragt habe. Ein Anspruch auf die beantragte Behandlung bestehe entsprechend der Beurteilung des MDK vom 12.02.2016 jedoch nicht. Auch der Hinweis auf das Patientenrechtegesetz könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V solle allein die Geltendmachung der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V erleichtern, indem keine zusätzliche Fristsetzung durch den Versicherten gefordert werde. Der Anspruch auf Kostenerstattung könne entsprechend dem allgemeinen Grundsatz nicht weiterreichen als der Sachleistungsanspruch. Die Genehmigungsfiktion greife nur ein, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Kasse innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete Leistung betreffe und sie dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot entspreche, mithin "erforderlich" sei. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht gegeben. Weiter hat die Beklagte hierzu mit Schreiben vom 08.06.2016 vorgetragen, dass zur Frage der Anwendung der Genehmigungsfiktion bei Sachleistungsansprüchen ein Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig sei unter dem Aktenzeichen B 3 KR 4/16 R. Im Rahmen dieses Verfahrens werde das BSG Position beziehen zur Frage der Anwendung der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a SGB V auf Sachleistungsansprüche und der Begrenzung des Anspruchs nach § 13 Abs. 3 a Satz 6, 7 SGB V durch das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot. Genau diese Frage sei auch im vorliegenden Klageverfahren streitentscheidend. In seinem Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R - habe sich das BSG zu dieser Frage nicht konkret äußern müssen, da es sich im dortigen Verfahren um einen Kostenersatzanspruch nach Selbstbeschaffung der streitigen Leistung gehandelt habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2016 beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine stationäre bariatrische Operation (Magenbypass) zu gewähren und den Bescheid vom 19.02.2016 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01.06.2016 aufzuheben.

Die Bevollmächtigten der Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die beigezogene Verwaltungsakte und Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Zwar war die zunächst erhobene Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresse unzulässig, da die Klägerin von Anfang an ihren behaupteten Anspruch auf Kostenübernahme für eine bariatrische stationäre Operationen (Magenbypass) aufgrund Eintritts der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V mit einer Leistungsklage verfolgen konnte. Jedoch hat der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 04.06.2016 einen hierauf gerichteten Leistungsantrag und einen Anfechtungsantrag hinsichtlich des Bescheids der Beklagten vom 19.02.2016 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01.06.2016 gestellt. Auf diese Anträge hat sich die Beklagte mit Schreiben vom 08.06.2016 in der Sache eingelassen, so dass die Klageänderung vom 04.06.2016 gemäß § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) somit zulässig ist.

Die Klage ist auch begründet, da die Beklagte gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V die beantragte bariatrische stationäre Operation (Magenbypass) als genehmigt, also bewilligt gilt. Voraussetzung für den Eintritt der Genehmigungsfiktion ist nämlich, dass der Versicherte einen Antrag auf eine Leistung gestellt hat, der nicht unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet ist, sondern auf den Erhalt einer Sachleistung, die grundsätzlich zum Leistungsbereich der Beklagten nach dem SGB V gehört. Weiter muss die Krankenkasse, soweit wie hier eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes eingeholt wird, die Fünf-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3 a Satz 5 SGB V versäumt haben, ohne dass sie den Versicherten eine Mitteilung eines hinreichenden Grundes zukommen ließ, warum sie die gesetzliche Frist von fünf Wochen nicht einhalten könne. Alle diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. So hat die Klägerin nach Feststellung der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 01.06.2016 am 23.11.2015 bei ihr einen Antrag auf Kostenübernahme einer stationären bariatrischen Operation (Magenbypass) gestellt. Zwar hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestritten, dass die Klägerin bereits am 23.11.2015 diesen Sachleistungsantrag gestellt habe, sondern dies vielmehr erst am 19.02.2016 erfolgt sei. Dies hält das Gericht zum einen aber nicht für glaubhaft und zum anderen wäre bei einer Nichtantragstellung am 23.11.2015 von einer Antragstellung am 11.01.2016 (Eingang der ärztlichen Verordnung einer Magenbypass-Operation der behandelnden Ärztin Dr. R. mit der Bitte, diese zu genehmigen, einschließlich weiterer medizinischer Unterlagen, aus denen sich das Begehren der Klägerin auf Erhalt einer Magenbypass-Operation unschwer ergab, auszugehen). Da der Verordnung von Frau R. jedoch eine Arztanfrage des MDK Berlin-Brandenburg e.V. an sie beigefügt war, das sie bereits am 06.01.2015 beantwortet hatte sowie eine Versichertenanfrage des MDK Berlin-Brandenburg an die Klägerin vom 13.11.2015 wegen ihres Antrags auf Kostenübernahme für einen adipositaschirurgischen Eingriff (Bl. 46 der Verwaltungsakte) und ebenso das Schreiben der Klägerin selbst auf Gewährung einer Magenbypass-Operation vom 13.11.2015 stammt, geht das Gericht insgesamt davon aus, dass bereits im November 2015 tatsächlich ein Antrag auf die streitige Leistung von der Klägerin gestellt worden ist. Beschieden wurde jedoch der Antrag der Klägerin erst am 19.02.2016, ohne dass die Beklagte der Klägerin vorab einen hinreichenden Grund mitgeteilt hat, weshalb die Bescheidungsfrist des § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V nicht eingehalten werden konnte. Dies ist unstreitig. Der Antrag war auch auf eine Leistung gerichtet, die grundsätzlich zum Leistungskanon der Beklagten gehört, so dass sämtliche Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V vorliegen. Damit gilt die beantragte Leistung ohne weitere Überprüfung ihrer medizinischen Voraussetzungen als genehmigt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten tritt die Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V nicht nur im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruches ein. Unabhängig davon, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 08.03.2016 sich bereits dazu geäußert hat, dass die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V einen Anspruch auf Erhalt einer Sachleistung begründet, da es in der genannten Entscheidung unter Rn. 25 ausführt, dass die Genehmigungsfiktion zugunsten des Leistungsberechtigten ein Naturalleistungsanspruch begründet und weiter der Naturalleistungsanspruch Kraft Genehmigungsfiktion auch mittellosen Versicherten ermöglicht, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren. Etwas anderes lässt sich nach Ansicht des Gerichts aus der Regelung des § 13 Abs. 3 a SGB V nach seinem Wortlaut und seiner Struktur auch nicht entnehmen. So befasst sich § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V ausdrücklich mit einem Antrag auf Leistungen und nicht mit einem Antrag auf Kostenerstattung. Im Weiteren regelt der Gesetzgeber dann in welchen Zeiträumen über diesen Antrag zu entscheiden ist. Sollten die gesetzlichen Fristen nicht eingehalten werden, so bestimmt § 13 Abs. 3 Satz 6 SGB V nach seinem Wortlaut, dass die Leistung als genehmigt gilt. Diese Genehmigungsfiktion bezieht sich somit allein auf den Sachleistungsanspruch des Versicherten und nicht auf eine Kostenerstattung. Erst in § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V wird die Variante geregelt, in der sich der Leistungsberechtigte nach Eintritt der Genehmigungsfiktion, die die Bewilligung der Sachleistung darstellt, die Sachleistung auch tatsächlich selbst beschafft hat. Da somit nach Überzeugung des Gerichts in § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V das Entstehen eines Anspruchs des Versicherten auf Erhalt einer beantragten Sachleistung aufgrund der gesetzlich eingetretenen Genehmigung geregelt ist, kann es diesem nicht verwehrt werden, diesen Rechtsanspruch in einem sozialgerichtlichen Verfahren auch einzuklagen. Er muss sich dagegen nicht darauf verweisen lassen, das Risiko einer Selbstbeschaffung auf eigene Kosten zunächst einzugehen, um dann anschließend auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V zu klagen. Dies würde, wie auch das BSG in seiner Entscheidung vom 08.03.2016 ausgeführt hat, zu einer Benachteiligung mittelloser Versicherter führen.

Da nicht erkennbar ist, dass für eine Rücknahme der eingetretenen Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V die Voraussetzungen der §§ 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch vorlagen, ist der Bescheid vom 19.02.2016 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01.06.2016 rechtswidrig.

Insgesamt war somit die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen und der Bescheid vom 19.02.2016 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01.06.2016 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Vollstreckt wird

1.
aus gerichtlichen Entscheidungen, soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes kein Aufschub eintritt,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Anerkenntnissen und gerichtlichen Vergleichen,
4.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen,
5.
aus Vollstreckungsbescheiden.

(2) Hat ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung, so kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Er kann die Aussetzung und Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen; die §§ 108, 109, 113 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Die Anordnung ist unanfechtbar; sie kann jederzeit aufgehoben werden.

(3) Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein Urteil nach § 131 Abs. 4 bestimmt hat, daß eine Wahl oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane zu wiederholen ist. Die einstweilige Anordnung ergeht dahin, daß die Wiederholungswahl oder die Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens unterbleibt.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

(1) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 haben aufschiebende Wirkung, soweit die Klage nach § 86a Aufschub bewirkt.

(2) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 eines Versicherungsträgers oder in der Kriegsopferversorgung eines Landes bewirken Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlaß des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.