Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 06. Juni 2014 - L 11 AS 322/14 NZB

published on 06/06/2014 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 06. Juni 2014 - L 11 AS 322/14 NZB
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Gericht

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Gründe

I.

Streitig ist die Minderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2012 bis 31.01.2013 in Höhe von 112,20 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 20.06.2012 in der Fassung der Bescheide vom 20.07.2012 und 01.08.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II für die Zeit vom 01.08.2012 bis 31.01.2013. Auf den mit Schreiben vom 28.09.2012 unterbreiteten und mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehenen Vermittlungsvorschlag bezüglich einer Stelle bei der Firma X. GmbH (Fa X.), der mit der Bitte um umgehende Bewerbung und Mitteilung des Ergebnisses der Bewerbung (ohne entsprechende Fristbestimmung) versehen war, teilte die Klägerin mit, dass sie sich bereits in den Jahren 2008, 2009, 2010 und 2011 bei verschiedenen Märkten der Fa X. beworben hätte, aber niemals eingestellt worden sei. Mit Bescheid vom 11.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2012 stellte der Beklagte für die Zeit vom 01.11.2012 bis 23.01.2013 eine Minderung des Alg II um 30 vH des maßgebenden Regelbedarfs fest. Die Klägerin habe trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen durch ihr Verhalten das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses verhindert.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie sei bereits 2008 von der damaligen Bezirksleiterin der Fa X. bei einem Vorstellungsgespräch unfreundlich und frech behandelt worden. Am 08.10.2013 hat der Bevollmächtigte der Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt und den Fragebogen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2014 ist der Bevollmächtigte nicht erschienen. Das SG hat die von der Klägerin erhobene reine Anfechtungsklage mit Urteil vom 26.02.2014 abgewiesen. Ein wichtiger Grund für die Nichtbewerbung bzw. am 18.10.2012 erfolglos nachgeholte Bewerbung liege nicht vor. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Das SG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt, denn es habe bei der Fa X. nicht nachgefragt, ob diese überhaupt Fachkräfte, insbesondere Fachkräfte mit einer Zusatzqualifikation, einstelle. Zudem habe sich die Klägerin bereits sieben Mal erfolglos dort beworben.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 144 Rdnr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4). Die Rechtsfrage muss jedoch im vorliegenden Rechtsstreit klärungsfähig sein (Leitherer a. a. O.).

Vorliegend ist allein Streitgegenstand der Minderungsbescheid vom 11.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2012. Eine Aufhebung der mit den Bescheiden vom 20.06.2012, 20.07.2012 und 01.08.2012 erfolgten Leistungsbewilligung vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 ist durch den Beklagten nicht erfolgt. Nachdem die Klägerin eine reine Anfechtungsklage, nicht aber (zusätzlich) eine allgemeine Leistungsklage aufgrund der nicht (teilweise) aufgehobenen Bewilligungsbescheide erhoben hat, ist Klagegegenstand allein der Minderungsbescheid. Dieser regelt die Feststellung der Pflichtverletzung, den Beginn der Minderung und den Umfang der Minderung. Es handelt sich somit um einen Feststellungsbescheid, der jedoch gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auf eine Geldleistung gerichtet ist. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn - wie das SG - die Auffassung vertreten wird, dass eine Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht zusätzlich erforderlich ist. Dies ist aber auch dann der Fall, wenn man der Auffassung des Senats folgt, dass zusätzlich eine (teilweise) Aufhebung der Leistungsbewilligung erfolgen muss (vgl. u. a. Beschluss vom 17.06.2013 - L 11 AS 306/13 B ER -; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 31 b RdNr. 5 ff. sowie Fachliche Weisungen der BA zu §§ 31, 31a, 31 b SGB II in der Fassung vom 22.04.2014, Rz. 31.28), denn auch dann führt dieser reine Feststellungsbescheid letztlich zu einer Geldleistung (vgl. Leitherer a. a. O. Rdnr. 10a). Nachdem vorliegend die Geldleistung, die von der Klägerin beansprucht wird, den Wert von 750,00 EUR nicht übersteigt bedarf die Berufung der Zulassung.

Eine grundsätzliche Bedeutung des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht anzunehmen. Weil eine reine Anfechtungsklage erhoben worden ist, ist allein streitig der Bescheid vom 11.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2012. Nicht streitgegenständlich ist eine reine Leistungsklage auf Grundlage der - bislang nicht teilweise aufgehobenen - Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.08.2012 bis 31.01.2013. Die hierauf gestützte allgemeine Leistungsklage ist in einem gesonderten erstinstanzlichen Verfahren zu klären bzw. hätte durch evtl. zulässige Klageerweiterung dort geklärt werden können. Bislang ist sie jedoch von der Klägerin nicht erhoben worden (vgl. hierzu: Urteile des Senats vom 21.04.2014 - L 11 AS 410/13 und L 11 AS 512/13). Somit ist die grundsätzliche Frage, ob es neben dem Minderungsbescheid eines weiteren (Teil-) Aufhebungsbescheides bedarf im vorliegenden Verfahren nicht klärungsbedürftig. Das SG weicht auch nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung des Senats ab (vgl. u. a. Beschluss vom 17.06.2013 - L 11 AS 306/13 B ER), denn die Klägerin hat lediglich eine reine Anfechtungsklage erhoben. Streitgegenständlich ist damit nicht die allgemeine Leistungsklage aufgrund der erlassenen und bislang nicht aufgehobenen Bewilligungsbescheide. Das SG hatte daher allein das Vorliegen der Pflichtverletzung, den Umfang und den Zeitraum der Minderung zu prüfen. Als Verfahrensfehler hat die Klägerin die Verletzung der Aufklärungspflicht durch das SG gerügt. Dieser Verfahrensfehler liegt jedoch nicht vor. Das Gericht musste sich nicht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen veranlasst sehen. Sowohl die erfolglosen früheren Bewerbungen der Klägerin bei der Fa X. wie auch ihre Auffassung, dass dort keine Fachkräfte eingesetzt würden, sind für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Frühere, erfolglose Bewerbungen bei einem potentiellen Arbeitgeber belegen nicht die Erfolglosigkeit weiterer entsprechender Bemühungen. Die beim Arbeitnehmer vorhandenen zusätzlichen Qualifikationen hindern auch nicht die Einstellung auf einen Arbeitsplatz für geringer Qualifizierte. Aus Sicht des SG, auf die hier abzustellen ist (Leitherer a. a. O. Rdnr. 34), musste sich dieses nicht gedrängt führen, weitere Ermittlungen anzustellen. Entsprechende Beweisanträge hat die Klägerin auch nicht gestellt. Eine evtl. Verletzung des rechtlichen Gehörs wird von der Klägerin als Verfahrensmangel nicht geltend gemacht. Das Nichterscheinen des Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, das gegebenenfalls in der bis dahin obwohl möglichen, aber noch nicht erfolgten Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begründet ist, hat die Klägerin weder in der mündlichen Verhandlung noch der Bevollmächtigte im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt. Nach alledem war die Nichtzulassungsbeschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG). Da die Frage, ob die Klägerin weiterhin einen Anspruch aufgrund der nicht teilweise aufgehobenen Bewilligungsbescheide für den streitgegenständlichen Zeitraum hat, nicht streitgegenständlich war, kann ggf. eine gesonderten allgemeinen Leistungsklage vor dem Sozialgericht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen noch erhoben werden. Das SG wird dann ggf. auf die Frage der Notwendigkeit einer zusätzlichen (Teil-) Aufhebung einer bereits erfolgten Leistungsbewilligung eingehen können. Mangels hinreichender Erfolgsaussicht für die Nichtzulassungsbeschwerde war Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier
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published on 31/05/2017 00:00

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 16.05.2017 gegen den Sanktionsbescheid vom 08.05.2017 wird angeordnet, soweit die Sanktion und die Aufhebung der Leistungsbewilligung 30 v.H des Regelbedarfs übersteigen. Im Übri
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Annotations

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.