Anwaltsgerichtshof München Urteil, 03. Feb. 2015 - BayAGH II 2-12/14
Gericht
Tenor
1. Die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Anwaltsgerichts für den Bereich der Rechtsanwaltskammer N.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Betroffenen auferlegt.
(Angewendete Vorschriften: §§ 43, 114 a Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 114 Abs. 1 Nr. 5, 143 BRAO)
Gründe
I.
Das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer N. hat mit Urteil vom 27.06.2014
Gegen dieses, in seiner Anwesenheit am
In der Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof am
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
II.
1. Zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen hat der Senat folgende Feststellungen getroffen:
Der Betroffene, geboren am ... wurde mit Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom ... 1978 zur Rechtsanwaltschaft und gleichzeitig als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht L. und dem Landgericht L2. zugelassen. Am 20.04.2005 wechselte der Betroffene in den Bezirk der Rechtsanwaltskammer N. und wurde mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer N. vom 02.05.2005 beim Amtsgericht N., beim Landgericht N.-F. und bei dem Oberlandesgericht N. zugelassen.
Der Betroffene hat bis zum
Der derzeitige Umsatz der Sozietät beläuft sich auf jährlich ca. 500.000,00 Euro und resultiert seit Jahren weit überwiegend aus Mandaten von Versicherungen im Bereich von Kfz-Schäden vermittelt, unmittelbare Mandate von Einzelpersonen sind selten. Die Kosten der Kanzlei belaufen sich nach den Angaben des Betroffenen auf ca. 300.000,00 Euro. In der Kanzlei sind 6 Rechtsanwaltsgehilfinnen beschäftigt. Der Umsatz ist - soweit feststellbar - rückläufig, dies betrifft insbesondere die Mandate von Versicherungen wie A., H.
2. Der Bundeszentralregisterauszug für den Betroffenen enthält keine Eintragung. Die dem berufsrechtlichen Verfahren .../07, welches zu dem gegenständlichen Vertretungsverbot führte, zugrundeliegende strafrechtliche Verurteilung ist bereits aus dem Bundeszentralregister gelöscht.
3. Berufsrechtlich ist der Betroffene wie folgt in Erscheinung getreten:
Durch Urteil des Ehrengerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer N.
Des Weiteren wurde er durch Urteil des Anwaltsgerichts für den Oberlandesgerichtsbezirk München vom
Durch Urteil des Anwaltsgerichtes im Oberlandesgerichtsbezirk Nürnberg vom
Diese Feststeilungen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Betroffenen in der Hauptverhandlung sowie auf den zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Akten des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer N. (AnwG II -10/13) und auf der Personalakte der Rechtsanwaltskammer N.
III.
Der Betroffene hat sein Rechtsmittel der Berufung wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkt. Die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer N. vom 27.06.2014 geben den Unrechts- und Schuldgehalt der Pflichtverletzung hinreichend wieder und bilden eine ausreichende Grundlage für die Berufungsentscheidung des Senats. Die vom Anwaltsgericht getroffenen Feststellungen einschließlich des Schuldspruchs sind in Rechtskraft erwachsen und der Prüfung durch den Anwaltsgerichtshof entzogen (§116 Abs. 1 S. 2 BRAO, 318 StPO).
Bindend steht demnach Folgendes fest:
1. Dem Betroffene wurde mit Urteil des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer N.
2. Trotz Kenntnis des gegen ihn bestehenden Vertretungsverbots vertrat der Betroffene in dem Verfahren des Landgerichts Nürnberg-Fürth .../12 den dort Beklagten Dr. med. Peter F. Dieser wurde wegen eines vermeintlichen ärztlichen Behandlungsfehlers auf Zahlung von 10.000,00 Euro in Anspruch genommen. In diesem Verfahren zeigte sich der Betroffenen mit Schreiben vom 1. 20.11.2012 als Prozessbevollmächtigter an, erwiderte mit Schriftsatz vom 27.11.2012 auf die Klage, reichte unter dem 31.01.2013 und dem 05.02.2013 Schriftsätze beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein und nahm am 07.02.2013 und am 28.02.2013 an Terminen zur mündlichen Verhandlung im genannten Verfahren als Prozessbevollmächtigter des Beklagten teil.
3. Des Weiteren vertrat der Betroffene - ebenfalls trotz Kenntnis des gegen ihn bestehenden Vertretungsverbotes - in dem Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth, Az: ...711, den dort Beklagten Dr. med. Eckard R. Dieser wurde wegen eines vermeintlichen ärztlichen Behandlungsfehlers auf Zahlung von 10.000,00 Euro Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht weiterer immaterieller Schäden in Anspruch genommen. In diesem Verfahren zeigte sich der Betroffene mit Schreiben vom 15.11.2011 als Prozessbevollmächtigter an, erwiderte mit Schriftsatz vom 18.11.2011 auf die Klage, reichte unter dem 13.12.2011, 18.01.2012, 30.01.2012 und dem 10.05.2012 Schriftsätze beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein und nahm am 26.01.2012 und am 11.10.2012 an Terminen zur mündlichen Verhandlung im genannten Verfahren als Prozessbevollmächtigter des Beklagten teil.
4. Der Betroffene räumte den geschilderten Sachverhalt in vollem Umfang ein und äußerte sich dahingehend eine Dummheit begangen zu haben. Er schilderte in der Hauptverhandlung vor dem Senat ergänzend die Hintergründe und Motive seines Handelns. Danach habe er schon seit dem Jahr 2005 versucht die H. Versicherung als Mandantin bzw. Vermittlerin von Mandaten im Bereich des Kfz-Schadensrechts zu gewinnen, mit der A. sei er bereits sehr gut im Geschäft gewesen. Ein Vertreter der H. in Nürnberg habe ihm zugesagt sich dafür einzusetzen, dass er Aufträge vom Schadensmanagement der H. in Köln erhalte. Erstmals im Herbst 2011 sei es dann zu einer telefonischen Kontaktaufnahme der zuständigen Sachbearbeiterin der H. in Köln mit ihm gekommen. Diese habe ihm ein Mandat angetragen. Erst am Ende des Telefonats sei ihm mitgeteilt worden, dass es sich hierbei um einen Arzthaftungsfall handle. Da er bereits vorher seine Bereitschaft zur Übernahme des Mandats erklärte habe, habe er nicht mehr absagen wollen. Grund hierfür sei auch gewesen, dass er befürchtet habe, bei einer Absage in Zukunft keine Mandate
3. mehr zu erhalten, insbesondere auch möglicherweise künftig keine im Bereich des Kfz-Schadensrechts. Aus den gleichen Gründen habe er dann auch das zweite Mandat angenommen. Bei diesem sei ihm allerdings von Anfang an bewusst gewesen, dass es sich wieder um eine Arzthaftungssache handle. Seine Mandanten seien jeweils die Ärzte gewesen, die ihm von der Versicherung vermittelt worden seien. Ihm sei bewusst gewesen, dass er wegen des Vertretungsverbots die Mandate nicht hätte übernehmen dürfen.
Der Senat hat keinen Anlass an den Angaben des Betroffenen zu zweifeln, zumal er sein Fehlverhalten bereits in erster Instanz eingeräumt hat, die Darstellungen seines Verhaltens in erster und zweiter Instanz sich decken und er sein Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat.
5. Die Akten des Anwaltsgerichts Nürnberg, Az: ... /13 und .../13 einschließlich des Urteils des Anwaltsgerichts vom 27.06.2014, ein Band Personalakten der Rechtsanwaltskammer N., 1 Band Beiakten der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, Az: .../07 und ein Band Beiakten des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az: .../11 wurden beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Verlesen wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft auszugsweise die Gründe des Urteils des Anwaltsgerichts vom 19.12.2008 (S. 12/13) aus der Beiakte BayAGH IE - 8/09 sowie auszugsweise das Urteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 03.11.2009, Bl. 165 der Beiakte BayAGH ...709.
IV.
Der Betroffene hat sich gemäß dem rechtskräftigen Schuldspruch des Anwaltsgerichts bei dem Bezirk der Rechtsanwaltskammer N.
V.
Die Berufung des Betroffenen war zu verwerfen. Der Rechtsfolgenausspruch des Anwaltsgerichts erweist sich als richtig.
Nach Abwägung der nachfolgend im Einzelnen aufgeführten Gesichtspunkte hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer N. die anwaltsgerichtliche Maßnahme des Ausschlusses des Betroffenen aus der Rechtsanwaltschaft für erforderlich und angemessen.
Der Betroffene hat in zwei Fällen wissentlich und bewusst gegen das gegen ihn verhängte Vertretungsverbot verstoßen. Dies ergibt sich aus den Darstellungen des Betroffenen selbst.
Gemäß § 114 a Abs. 3 Satz 1 BRAO wird ein Rechtsanwalt, der einem gegen ihn ergangenen Vertretungsverbot wissentlich zuwiderhandelt, aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen, sofern nicht wegen besonderer Umstände eine mildere ehrengerichtliche Maßnahme ausreichend erscheint. Hiernach ziehen festgestellte wissentliche Zuwiderhandlungen gegen ein Vertretungsverbot zwar in der Regel, aber nicht automatisch den Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft nach sich. Liegen besondere Umstände vor, die eine mildere anwaltsgerichtliche Maßnahme als ausreichend erscheinen lassen, so ist diese zu verhängen mit der Folge, dass ein Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft als schärfste Maßnahme ausscheidet. Es handelt sich um ein Regel-Ausnahmeverhältnis. Ob „besondere Umstände“ vorliegen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller für die Rechtsfolgenzumessung maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei kommt auch den Umständen, die zur Anordnung des Vertretungsverbots gemäß § 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO zur Abwendung einer Ausschließung aus der Anwaltschaft nach § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO geführt haben, besondere Bedeutung auch im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 114 a Abs. 3 S. 1 BRAO zu (vgl. BGH Urteil vom 14.06.1993, AnwSt 2/93).
Die nach diesen Grundsätzen durchzuführende Prüfung, ob besondere Umstände vorliegen, die (ausnahmsweise) eine mildere anwaltsgerichtliche Maßnahme als ausreichend erscheinen lassen, kommt zu dem Ergebnis, dass solche besonderen Umstände nicht vorliegen.
1. Als besondere Umstände im Sinne des § 114 a BRAO kommen die von dem Betroffenen dargestellte Gesamtsituation bei der Akquise, die in die Übernahme der medizinrechtlichen Mandate mündete, sowie seine persönliche berufs- und gesellschaftsrechtliche Situation in Betracht.
Der Senat ist der Überzeugung, dass der Betroffene die ihm angetragenen medizinrechtlichen Mandate hätte ablehnen können. Eine echte „Notlage“, die als besonderer Umstand zu qualifizieren wäre, ist auch nach den Einlassungen des Betroffenen selbst nicht erkennbar.
Spätestens mit Kenntnis davon, dass es sich bei den angetragenen Mandaten nicht um verkehrsrechtliche handelt, hätte der Betroffene in Ansehung seines Vertretungsverbots die Mandate ablehnen können und müssen. Er hätte dabei auch nicht zwingend auf das Vertretungsverbot hinweisen müssen. Angesichts des Umstands, dass der Betroffene sich faktisch auf das Gebiet des Straßenverkehrsrechts spezialisiert hatte, hätte er die medizinrechtlichen Mandate ggf. unter Verweis auf seine Spezialisierung ablehnen können. Diese Ablehnung hätte er auch bereits im ersten Telefonat erklären müssen, auch wenn er erst am Ende des Gesprächs und nach zunächst erteilter mündlicher Zusage davon erfuhr, dass es sich nicht um einen verkehrsrechtlichen Rechtsstreit handelt. Erst recht gilt dies für das zweite Mandat ca. 1 Jahr später, da er hier von Anfang an wusste, dass es sich wieder um ein medizinrechtliches Mandat handelt.
Dass die Ablehnung der Mandate möglicherweise dazu geführt hätte, dass der Betroffenen dann künftig keine weiteren Mandate von der H. - auch nicht im Verkehrsrecht - vermittelt erhalten hätte, ist nicht auszuschließen, vermag aber auch keine Notlage zu begründen, die als besonderer Umstand i. S. d. § 114 a Abs. 3 BRAO zu qualifizieren wäre. Zum einen handelt es sich dabei um eine aufgrund des Vertretungsverbots in Kauf zu nehmende und gewollte Konsequenz. Die Rechtsöffentlichkeit und potentielle neue Mandanten sollen gerade nicht in Gefahr geraten, durch einen Rechtsanwalt, der mit einem Vertretungsverbot im konkreten Rechtsgebiet belegt ist, vertreten zu werden. Der rechtsuchenden Bevölkerung, aber auch der Gesellschaft, steht das Recht zu, von einem Rechtsanwalt vertreten zu werden, der gerade nicht mit schwerwiegenden, möglicherweise für das Mandatsverhältnis relevanten Sanktionen durch das Berufsgericht versehen ist.
Aber auch aufgrund der weiteren beruflichen Umstände kann von einer „Notlage“ nicht die Rede sein. Der Betroffene gab selbst an, im Bereich des Straßenverkehrsrechts durch Verbindungen zur A. Versicherung und H. Versicherung gut im Geschäft gewesen zu sein. Dass er seit Jahren anstrebte, auch die H. als Vermittlerin von Mandaten im Bereich des Straßenverkehrsrechts zu gewinnen, und in der Hoffnung auf weitere Mandatsvermittlungen zunächst im Bereich des Medizinrechts für die H. tätig wurde, rechtfertigt keine wirtschaftliche oder sonstige Notlage. Es ging dem Betroffenen allein um die Erweiterung seines „Kundenstammes“. Hinzu kommt, dass aus den Einlassungen des Betroffenen auch erkennbar wird und der Schluss zu ziehen ist, dass er auch und insbesondere in der Zeit des Vertretungsverbots jedes weitere angetragene Mandat der H. angenommen hätte, auch wenn es vom Vertretungsverbot erfasst gewesen wäre, um sein Bemühen um die Gewinnung der H. als ständige Mandatsvermittlerin zum Erfolg zu bringen.
Eine Notlage lag auch deshalb nicht vor, weil sich das Vertretungsverbot gerade nicht auf den Bereich des Straßenverkehrsrechts erstreckte, der Betroffene in diesem Bereich schwerpunktmäßig tätig war und hier über ausreichende Mandate verfügte. Auf die Gewinnung der H. war er damit finanziell und wirtschaftlich nicht angewiesen.
Es handelt sich vorliegend geradezu um einen klassischen Verstoß gegen ein angeordnetes Vertretungsverbot. Gerade die Vertretung in solchen Mandaten sollte das Vertretungsverbot verhindern.
Auch die Würdigung der persönlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Situation des Betroffenen rechtfertigt die Annahme besonderer Umstände i. S. d. § 114 a Abs. 3 BRAO nicht. Der Betroffene hat seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als geordnet dargestellt. Eine besondere und außergewöhnliche Lage in wirtschaftlicher Hinsicht ist nicht erkennbar. Auch die möglichen Auswirkungen auf die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse und möglichen Folgen für den Gesellschafter der Sozietät, Rechtsanwalt G., hat der Senat geprüft. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene das Gesellschaftsverhältnis zu einem Zeitpunkt einging, als er mit dem Vertretungsverbot belegt war und bereits zumindest ein Mandat unter Verstoß gegen das Vertretungsverbot übernommen hatte ohne den künftigen Sozius hierüber in Kenntnis zu setzen. Dass das Vertretungsverbot, der Verstoß hiergegen und die Sanktion dessen möglicherweise Auswirkungen auf den jungen Anwaltskollegen haben können, sieht der Senat durchaus. Diese Folgen hat der Betroffene jedoch aufgrund seines Verhaltens zu tragen. Hinzu kommt, dass der Betroffene auch nach Eintritt des Kollegen in die Sozietät die Möglichkeit, das noch laufende Mandat an diesen zu übertragen und ihn mit der Vertretung zu beauftragen, nicht ergriffen hat, sondern weiterhin selbst Schriftsätze einreichte und Gerichtstermine wahrnahm.
Weiterhin zu berücksichtigen und in die Gesamtabwägung einzubeziehen ist der Umstand, dass der Betroffene gegen das Vertretungsverbot in zwei Fällen verstoßen hat und sich die einzelnen Handlungen auf einen Zeitraum von 1% Jahren erstreckten.
Hinzu kommt, dass der Betroffene nicht zum ersten Mal berufsrechtlich in Erscheinung getreten ist. Sämtliche bislang verhängten Maßnahmen haben offenbar Wirkung nur in eingeschränktem Maße erreichen können. Grund für die Verhängung des Vertretungsverbots mit Urteil des Anwaltsgerichts (Az: AnwG ...707) war, dass der Betroffene veranlasst hatte, dass Fremdgelder in Höhe von ca. 4.500,00 Euro, die auf dem Konto der Rechtsanwaltskanzlei eingingen, auf das Konto seiner Tochter gebucht wurden. Es zeigt sich, dass auf den Betroffenen die im Urteil vom 19.12.2008, in dem er erneut mit der zweitschärfsten Sanktion, nämlich dem Vertretungsverbot, belegt wurde, ausgesprochene eindringliche Warnung keinen Eindruck machte und ihn nicht von weiteren Verstößen hat abhalten können. In den Urteilsgründen vom 19.12.2008 (Az: AnwG 18/07) wurden dem Betroffenen die zu erwartenden Sanktionen bei einem Verstoß gegen das Vertretungsverbot explizit wir folgt dargestellt: „Rechtsanwalt B. muss durch die Verhängung des Vertretungsverbots - wie die Kammer meint letztmalig - abschließend vor Augen geführt werden, dass ein weiterer Verstoß gegen die berufsrechtlichen Pflichten, sei es auch im Bagatellbereich, durch das Anwaltsgericht nicht mehr hingenommen werden würde. Ein solcher weiterer Verstoß würde unweigerlich zu Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft führen, da dann das Hauptargument der zeitlichen Differenz zwischen der letzten Ahndung und der vorliegenden Herrn Rechtsanwalt B. wohl nicht mehr zur Seite stehen würde.“
Im Berufungsurteil hierzu hat der Anwaltsgerichtshof in seinen Urteilsgründen zudem darauf hingewiesen, dass der Betroffene innerhalb von 16 Jahren in drei Fällen schwere vorsätzliche Verletzungen anwaltlicher Kernpflichten begangen hat, der neuerlichen Pflichtverletzung bereits zwei berufsrechtliche Ahndungen mit Vertretungsverboten von einem und fünf Jahren vorausgegangen waren und im Verhalten des Betroffenen ein Maß an Unzuverlässigkeit zum Ausdruck kommt, das beträchtliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für den Anwaltsberuf rechtfertigt (Az: BayAGH II - 8/09).
Nach all dem musste dem Betroffenen klar sein, dass er bei jedem einzelnen weiteren Verstoß Gefahr lief aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen zu werden.
Vorliegend handelt es sich sogar um zweimalige Verstöße, die der Betroffene ohne sich in einer Notlage zu befinden, allein deshalb begangen hat, um weitere Mandate zu rekrutieren, und damit keinesfalls um einmaliges „Augenblicksversagen“. Ein bzw. zwei einmalige „Ausnahmefälle“ sieht der Senat angesichts der Intention und Motivation des Betroffenen nicht. Es ist vielmehr lediglich Zufall, dass es nicht zu mehr Verstößen gekommen ist, da aus der Einlassung des Betroffenen zu vermuten ist, dass er, um mit der H. ins Geschäft zu kommen, auch weitere Mandatsangebote im Bereich des Arzthaftungsrechts angenommen hätte.
Dagegen fällt der für den Betroffenen sprechende Umstand, dass er geständig ist und die „Dummheit“ einräumte, nicht erheblich ins Gewicht. Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass es durch das Verhalten des Betroffenen zu keinen Schäden der Mandanten bzw. Dritter gekommen ist. Dies ist bei Verstößen gegen das Vertretungsverbot kein Umstand, der wesentlich zugunsten des Betroffenen sprechen kann. Auch die Erwägung, dass der Betroffene bereits ... Jahre alt ist und der Ausschluss faktisch dazu führt, dass eine (erneute) Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 7 Nr. 3 BRAO nicht mehr in Betracht kommt, stellt keinen so besonderen Umstand dar, dass eine mildere Ahndung gerechtfertigt und ausreichend wäre. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Betroffene selbst plante seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in den nächsten 2 bis 3 Jahren aufzugeben und in den Ruhestand zu treten. Dass nunmehr diese geplante Übergangszeit nicht ausgeschöpft werden kann, trifft den Betroffenen nicht unverhältnismäßig schwer und hat er seinem eigenen Verhalten zuzuschreiben. Im Übrigen war das fortgeschrittene Alter des Betroffenen bereits ein wesentlicher, zugunsten des Betroffenen sprechender Umstand für die erneute Verhängung eines Vertretungsverbots im Berufungsurteil des Anwaltsgerichtshofs vom 03.11.2009 (Az: BayAGH II -8/09).
Die Gesamtwürdigung der Taten, der Persönlichkeit, der Vorahndungen und des Gesamtverhaltens des Betroffenen kann nur zu dem Ergebnis führen, dass der Betroffene als Rechtsanwalt untragbar ist. Im Interesse einer integren Anwaltschaft ist es geboten die Rechtsanwaltschaft von solchen Rechtsanwälten freizuhalten, die jegliche Mahnungen und Ahndungen als für sie selbst nicht geltend erachten und sich immer wieder über Sanktionen ausschließlich im eigenen Interesse und ohne Notlage hinwegsetzen. Wie oben ausgeführt liegen keine besonderen Umstände i. S. d. § 114 a Abs. 3 BRAO vor, die eine mildere anwaltsgerichtliche Maßnahme als den Ausschluss aus der Anwaltschaft als ausreichend erscheinen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BRAO.
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(1) Anwaltsgerichtliche Maßnahmen sind bei Verfahren gegen Rechtsanwälte
- 1.
Warnung, - 2.
Verweis, - 3.
Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, - 4.
Verbot, auf bestimmten Rechtsgebieten als Vertreter oder Beistand für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren tätig zu werden, - 5.
Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft.
(2) Anwaltsgerichtliche Maßnahmen sind bei Verfahren gegen Berufsausübungsgesellschaften
- 1.
Warnung, - 2.
Verweis, - 3.
Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, - 4.
Verbot, auf bestimmten Rechtsgebieten für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren als Vertreter oder Beistand tätig zu werden, - 5.
Aberkennung der Rechtsdienstleistungsbefugnis.
(3) Die anwaltsgerichtlichen Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße können nebeneinander verhängt werden.
Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu versagen,
- 1.
wenn die antragstellende Person nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Grundrecht verwirkt hat; - 2.
wenn die antragstellende Person infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt; - 3.
wenn die antragstellende Person durch rechtskräftiges Urteil aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen ist; - 4.
wenn gegen die antragstellende Person im Verfahren über die Richteranklage auf Entlassung oder im Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Dienst in der Rechtspflege rechtskräftig erkannt worden ist; - 5.
wenn die antragstellende Person sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das sie unwürdig erscheinen läßt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben; - 6.
wenn die antragstellende Person die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft; - 7.
wenn die antragstellende Person aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben; - 8.
wenn die antragstellende Person eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann; - 9.
wenn die antragstellende Person sich im Vermögensverfall befindet; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der antragstellenden Person eröffnet oder die antragstellende Person in das Schuldnerverzeichnis (§ 882b der Zivilprozessordnung) eingetragen ist; - 10.
wenn die antragstellende Person Richter, Beamter, Berufssoldat oder Soldat auf Zeit ist, es sei denn, dass sie die ihr übertragenen Aufgaben ehrenamtlich wahrnimmt oder dass ihre Rechte und Pflichten auf Grund der §§ 5, 6, 8 und 36 des Abgeordnetengesetzes oder entsprechender Rechtsvorschriften ruhen.
(1) Dem Mitglied der Rechtsanwaltskammer, das im anwaltsgerichtlichen Verfahren verurteilt wird, sind zugleich die in dem Verfahren entstandenen Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das anwaltsgerichtliche Verfahren wegen Erlöschens der Zulassung eingestellt wird und nach dem Ergebnis des bisherigen Verfahrens die Verhängung einer anwaltsgerichtlichen Maßnahme gerechtfertigt gewesen wäre; zu den Kosten des anwaltsgerichtlichen Verfahrens gehören in diesem Fall auch diejenigen, die in einem anschließenden Verfahren zum Zwecke der Beweissicherung (§§ 148, 149) entstehen. Wird das Verfahren nach § 139 Abs. 3 Nr. 2 eingestellt, kann das Gericht dem Mitglied die in dem Verfahren entstandenen Kosten ganz oder teilweise auferlegen, wenn es dies für angemessen erachtet.
(2) Dem Mitglied der Rechtsanwaltskammer, das im anwaltsgerichtlichen Verfahren ein Rechtsmittel zurückgenommen oder ohne Erfolg eingelegt hat, sind zugleich die durch dieses Verfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen. Hatte das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so kann dem Mitglied ein angemessener Teil dieser Kosten auferlegt werden.
(3) Für die Kosten, die durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens verursacht worden sind, ist Absatz 2 entsprechend anzuwenden.