Amtsgericht Tiergarten Urteil, 16. Sept. 2019 - (329 Ds) 271 Js 4983/18 (48/18)

01.06.2023

Rechtsgebiete

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch

Gericht

Amtsgericht Tiergarten

Richter

Amtsgericht Tiergarten

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In der Strafsache

gegen

 

A,

 

wegen Betruges

 

hat das Amtsgericht Tiergarten in der Sitzung vom 16.09.2019, an der teilgenommen haben:

 

Richterin Rühl, als Strafrichterin

Staatsanwalt Wuttke, als Beamter der Staatsanwaltschaft  Berlin

Justizbeschäftigte ..., als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

für Recht erkannt:

 

Der Angeklagte wird wegen Betruges in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 (zehn) Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird, verurteilt.

 

Die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 3.147,84 Euro wird angeordnet.

 

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

§§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1, 13, 53, 56, 73 Abs. 1, 73c, 73d StGB.

 

Gründe

(abgekürzte Fassung, § 267 Abs. 4 StPO)

I. 

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 36-jährige, ledige Angeklagte, der bei einem Sicherheitsdienst angestellt ist, ist griechischer Staatsangehöriger.

Der Bundeszentralregisterauszug vom 28. August 2019 betreffend den Angeklagten enthält keine Eintragungen.

II.

Das Gericht hat folgende Feststellungen getroffen:

1.

Der Angeklagte beantragte am 29. November 2016 die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II bei dem Jobcenter Berlin Neukölln. In dem Antrag wurde er auf seine Verpflichtung alle Änderungen unverzüglich mitzuteilen, hingewiesen.    

Mit vorläufigem Bescheid vom 01. Dezember 2016 wurden dem Angeklagten für die Zeit  von Januar 2017 bis April 2017 monatliche Leistungen in Höhe von 219,20 Euro bewilligt und in der Folgezeit auf sein Konto ausgezahlt. Mit Änderungsbescheid vom 02. März 2017 wurde die Höhe der für den Monat April 2017 bewilligten Leistungen auf 659,20 Euro erhöht. In der Zeit vom 12. April 2017 bis zum 23. Juli 2017 ging der Angeklagte einer Beschäftigung in der Gaststätte B in 10963 Berlin nach und erzielte dort in der Zeit vom 12. April 2017 bis zum 30. April 2017 ein Nettogehalt in Höhe von 560,83 Euro. Entgegen der ihm bekannten Verpflichtung teilte der Angeklagte den Mitarbeitern des Jobcenters die Arbeitsaufnahme und die damit verbundene Einkommensveränderung nicht mit, um weiterhin Arbeitslosengel d, auf das er, wie er wusste, (der Höhe nach) keinen Anspruch hatte, ausgezahlt zu bekommen. Dem Angeklagten wurden in der Zeit vom 01. April 2017 bis 30. April 2017 - in Unkenntnis des tatsächlich erzielten Einkommens - Leistungen in Höhe von insgesamt 336,43 Euro zu Unrecht ausgezahlt. Dem Jobcenter entstand durch die zu Unrecht gewährten Leistungen ein Schaden in vorgenannter Höhe, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm.

2.

Am 31. Mai 2017 stellte der Angeklagte einen weiteren Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Jobcenter Berlin Neukölln. In dem Antrag wurde die Frage, ob der Angeklagte oder Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft Einkommen erzielen, verneint, obwohl der Angeklagte wusste, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung weiterhin Einkommen aus seiner Beschäftigung  bei  der  Gaststätte  B  erzielte.  Der

Angeklagte bestätigte mit seiner Unterschrift, dass die in dem Weiterbewilligungsantrag gemachten Angaben richtig sind. Er wollte dadurch den unzutreffenden Eindruck erwecken, keine (bezahlte) Erwerbstätigkeit auszuüben, um Leistungen, auf die er, wie er wusste, (der Höhe nach) keinen Anspruch hatte, gewährt zu bekommen. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten wurden ihm mit Bescheid vom 02. Juni 2017 für die Zeit vom 01. Mai 2017 bis zum 30. April 2018 monatliche Leistungen in Höhe von 659,20 Euro bewilligt und in der Folgezeit auch ausgezahlt. Dem Angeklagten wurden in der Zeit vom 01. Mai 2017 bis zum 31. Juli 2017 - in Unkenntnis der tatsächlich bis zum 23. Juli 2017 ausgeübten Beschäftigung und des tatsächlich erzielten Einkommens - Leistungen in Höhe von insgesamt 1.364,69 Euro zu Unrecht ausgezahlt. Dem Jobcenter entstand durch die zu Unrecht gewährten Leistungen ein Schaden in vorgenannter Höhe, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm.

3.

Während der Angeklagte weiterhin die mit Bescheid vom 02. Juni 2017 bewilligten Sozialleistungen bezog, ging er ab dem 01. September 2017 erneut einer Beschäftigung in der Gaststätte B nach. Entgegen der ihm bekannten Verpflichtung teilte der Angeklagte den Mitarbeitern des Jobcenters die Arbeitsaufnahme und die damit verbundene Einkommensveränderung nicht mit, um weiterhin Arbeitslosengeld, auf das er, wie er wusste, (der Höhe nach) keinen Anspruch hatte, ausgezahlt zu bekommen. Dem Angeklagten wurden in der Zeit vom 01. September 2017 bis 28. Februar 2018 - in Unkenntnis des tatsächlich erzielten Einkommens - Leistungen in Höhe von insgesamt 2.680,02 Euro zu Unrecht ausgezahlt. Dem Jobcenter entstand durch die zu Unrecht gewährten Leistungen ein Schaden in vorgenannter Höhe, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm.

1.- 3.

Der Angeklagte verschaffte sich durch die drei Taten - wie von ihm jeweils) gewollt - eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang.

Aufgrund erfolgter Aufrechnung war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung von der ursprünglichen Überzahlungssumme von insgesamt 4.381, 14 Euro (336,43 Euro + 1.364,69 Euro + 2.680,02 Euro) noch ein Betrag in Höhe von 3.147,84 Euro offen.

III.

Der Angeklagte hat sich wegen Betruges in drei Fällen (davon in zwei Fällen durch Unterlassen: Tat zu Ziffer 1 und 3) gern. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 2 Nr. 1 Var. 1, 13 Abs. 1, 53 StGB schuldig gemacht.

IV.

Den Strafrahmen hat das Gericht § 263 Abs. 3 S. 1 StGB entnommen.

Betreffend die Taten zu Ziffer 1 und 3 hat das Gericht nach einer wertenden Gesamtbetrachtung keinen Gebrauch von der Möglichkeit, die Strafe nach §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, gemacht. Betrug zu Lasten des Jobcenters wird üblicherweise durch Unterlassen begangen. Die Erfüllung der sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB 1 ergebenden Pflichten (Mitteilung der Arbeitsaufnahme) kann mit minimalem Aufwand (telefonisch, per E-Mail) erfüllt werden. Die kriminelle Energie, während einer laufenden Beschäftigung Arbeitslosengeld zu beantragen und in dem Antrag falsche Angaben zu machen, ist zwar höher als die kriminelle Energie, eine während des Arbeitslosengeldbezuges aufgenommene Tätigkeit nicht mitzuteilen. Der Angeklagte hat jedoch auch vor der Angabe falscher Tatsachen nicht zurückgeschreckt (vgl. Feststellungen unter Ziffer II. 2.).

Bei der konkreten Strafzumessung legte das Gericht die Grundsätze der §§ 46 ff. StGB zugrunde. Zu Gunsten des Angeklagten ist insbesondere berücksichtigt worden, dass er nicht vorbestraft ist. Betreffend die Taten zu Ziffer  1 und 3 wurde zudem strafmildernd  berücksichtigt,  dass der Angeklagte nicht aktiv falsche Angaben gemacht hat, sondern, dass er es unterlassen hat, die erfolgten Einkommensveränderungen mitzuteilen. Dies konnte zwar nicht zu einer Strafrahmenverschiebung  gern.  §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB führen (s.  o.),  war jedoch strafmildernd zu berücksichtigen. Des Weiteren waren betreffend die Tat zu Ziffer 1 der kurze Tatzeitraum von weniger als einem Monat sowie die relativ geringe Schadenshöhe von unter 350,00 Euro strafmildernd zu berücksichtigen. Des Weiteren wurde hinsichtlich aller drei Taten strafmildernd bedacht, dass der verursachte Schaden zumindest teilweise beglichen wurde.

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtete das Gericht folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:Tat zu 1): Freiheitsstrafe von 6 Monaten, Tat zu 2): Freiheitsstrafe von 8 Monaten, Tat zu 3): Freiheitsstrafe von 6 Monaten.

Nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände - insbesondere unter Berücksichtigung des zeitlichen, sachlichen und motivatorischen Zusammenhangs sowie der Gesamtschadenshöhe und der Länge des Gesamttatzeitraums - bildete das Gericht aus den Einzelstrafen eine für tat- und schuldangemessen erachtete

Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten.

Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe war gern. § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen. Es ist zu erwarten, dass der Angeklagte sich bereits die Verhängung der Freiheitsstrafe ausreichend zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Der Angeklagte wurde zum ersten Mal verurteilt und hat bislang ein straffreies Leben geführt.

Der Angeklagte hat durch die drei Taten Leistungen in Höhe von insgesamt 4.381, 14 Euro (336,43 Euro + 1.364,69 Euro + 2.680,02 Euro}, von denen noch ein Betrag in Höhe von 3.147,84 Euro offen ist, erlangt. Die Einziehung des Wertes des Erlangten wurde in Höhe von 3.147,84 Euro gern. §§ 73 Abs. 1, 73c, 73d StGB angeordnet. Im Übrigen war die Einziehung des Wertes des Erlangten gern. § 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.

 

Rühl

Richterin

ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Tiergarten Urteil, 16. Sept. 2019 - (329 Ds) 271 Js 4983/18 (48/18)

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Tiergarten Urteil, 16. Sept. 2019 - (329 Ds) 271 Js 4983/18 (48/18)