Amtsgericht Neukölln Urteil, 28. Nov. 2019 - 8 C 13/19

published on 05/10/2024 20:49
Amtsgericht Neukölln Urteil, 28. Nov. 2019 - 8 C 13/19
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Amtsgericht Neukölln

Urteil vom 28. November 2019

Az.: 8 C 13/19


 

 

In dem Rechtsstreit

 

A, ______straße __, _____ Berlin

- Kläger -

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Hansrudolph Kämpe, Rüdesheimer Straße 8, 14197 Berlin, 

 

gegen

 

S, ______ Straße __, _____ Berlin

- Beklagter -

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte BSP - Bierbach, Streifler & Partner, Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin,

 

 

hat das Amtsgericht  Neukölln durch die Richterin am Amtsgericht  Schlie-Romer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2019 für Recht erkannt:

1.  Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 863,30 € nebst 5. % punkten an Zinsen über dem Basiszinssatz ab 18.10.2018 zu zahlen
 

2.  Der Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger freizustellen,

a.      von der Zahlungspflicht hinsichtlich der Gutachterkostenrechnung des Sachverständigenbüros Activ vom 12.04.2018 über brutto 428,40 € und

b.      hinsichtlich der Zahlungspflicht aus vorgerichtlichen  Kostenrechnung des Rechtsanwalts Hansrudolph Kämpe über brutto 211,23 € vom 27.9.2018.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
 

3.    Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4.     Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beitreibbaren Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer eines VW T5 Transporters.

Er nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen der Beschädigung des Fahrzeugs in Anspruch.

Der Kläger stellte sein Fahrzeug am 29.03.2018 in einem Parkhafen an der Lachmannstraße/ Ecke Kottbusser Damm ab.

Als der Kläger am darauffolgenden Tag zu seinem Fahrzeug zurückkehrte, fand er es in beschädigtem Zustand vor; der Seitenspiegel an der Beifahrerseite lag auf dem Boden neben dem Fahrzeug. An der Scheibe fand er einen Zettel der Polizei vor, dass er sich dort melden solle.

Der Kläger brachte in Erfahrung, dass eine Person gegen ca. 5:30 Uhr  von einem Anwohner dabei beobachtet worden war, wie sie auf dem Kottbusser Damm hintereinander zahlreiche Fahrzeuge durch Abtreten der Spiegel beschädigte, Blumenkübel umstieß und ähnliches.

Die herbeigerufene Polizei nahm kurze Zeit später den Beklagten mit 1,71 Promille Alkohol im Blut fest. Gegenüber der aufnehmenden Polizei nach einer erfolgten rechtlichen Belehrung gab der Beklagte sinngemäß folgendes an: „Ich habe einfach einen Scheißtag. Alles läuft scheiße! Ich hab keine Kohle! Scheiße!"

Ein gegen den Beklagten geführtes Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung wurde gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt mit der Begründung, dass kein hinreichender Tatverdacht bestehe.

Die Akte 233 Js 2491/18  der StA Berlin lag dem Gericht zu Informationszwecken vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Am klägerischen Fahrzeug wurde ausweislich einer vom Kläger beauftragten Begutachtung vom 12.04.2018 ein Nettoschaden in Höhevon 863,30 € im Bereich des vorderen rechten Fahrzeugspiegels mit Lackbeschädigungen durch das Umschlagen des Spiegels im Bereich der Tür festgestellt. Wegen der Einzelheiten des Schadens und der Reparaturkosten wird verwiesen auf das Gutachten vom 12.4.2018 des Activ KFZ-Gutachtenbüro, BI. 13 ff. d. A.

Es entstanden Kosten für das Gutachten in Höhe von 428,40 € gern Rechnung des Sachverständigen v. 11.4.2018, BI. 12 d. A.

Die Kosten für das Gutachten und die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind noch nicht bezahlt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.9.2018 forderte der Kläger den Beklagten zur Bezahlung des Schadens und der dadurch entstandenen Kosten auf und setzte ihm hierfür eine Zahlungsfrist von 3 Wochen.

Für die Ermittlung der persönlichen Daten des Beklagten entstanden dem Kläger Kosten in Höhe von 8,00 EUR an Kosten, die der Prozeßbevollmächtigte in seine vorgerichtliche Kostenrechnung  über 211,23 EUR vom 27.9.2019 mit aufgenommen hat BI. 31,32 d A.)

Der Kläger behauptet, die Beschädigung an seinem Fahrzeug sei durch den Beklagten verursacht worden.

Der Kläger beantragt wie folgt:

5.    Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 883,30 € nebst 5 % Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab 18.10.2018 zu zahlen

6.           Den Beklagten zu verurteilen, den Kläger freizustellen,

a.     Von der Zahlungspflicht hinsichtlich der Gutachterkostenrechnung  des Sachverständigenbüros Activ vom 12.04.2018 über brutto 428,40 € und

b.     hinsichtlich der vorgerichtlichen  Kostenrechnung des 'Rechtsanwaltes Hansrudolph Kämpe über brutto 211,23 €

 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte bestreitet, dass er den Schaden an dem Kfz verursacht habe

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 31.10.2019 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G und P.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 31.10.2019 Bezug genommen, BI. 93 ff. d. A.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist weitestgehend  begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung der 863,30 €  als Schadensersatz für die notwendigen Reparaturkosten sowie ein Anspruch auf Freistellung von seinen Verbindlichkeiten aus der Rechnung für das Gutachten sowie aus der Kostenrechnung für die vorgerichtliche Anwaltstätigkeit aus § 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 iVm. § 303 StGB, 249 ff. BGB  zu.

Lediglich in Höhe eines Teilanspruchs von 20,00 EUR war die Klage abzuweisen.

Das Gericht gelangt nach der freien Beweiswürdigung gern. § 286 1 S.1 ZPO durch die Vernehmung der Zeugen G und P unter Berücksichtigung der hinzugezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Berlin, Az. Az. 233 Js 2491/18, zur Überzeugung, dass der Beklagte das Fahrzeug des Klägers beschädigt hat.  Er ist deshalb zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens einschließlich der Nebenforderungen verpflichtet.

Die Aussagen der Zeugen führten zwar nicht zu einer absoluten Gewissheit des Gerichtes, denn keiner der Zeugen hat den Beklagten konkret bei der Beschädigungshandlung an dem Fahr­ zeug des Klägers gesehen. Jedoch ergibt sich aus verschiedenen Umständen  und Indizien des vorliegenden Einzelfalles insgesamt ein Bild, welches zu einer Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Beklagten führt, die Zweifeln Schweigen gebietet (vgl zum notwendigen Beweismaß: (Thomas/Putzo, Reichold, 39. Auflage 2018, § 286, Rn. 2).

Im einzelnen:

Ein erstes Indiz ist in den Aussagen der Zeugen P und G zu sehen.

Beide Zeugen sahen, wie eine Person , den Kottbusser Damm hinunterlaufend, gegen Autos trat, gegen Jalousien von Geschäften, Blumenkübel umwarf usw. , dabei laut schrie oder grölte. Diese Aussage  lässt den alkoholisierten Zustand der beobachteten Person als naheliegend erscheinen.

Der Zeuge G beschrieb den Vorgang wie folgt: er habe gesehen, wie eine Person die komplette Straßenseite bearbeitete, also z.B. Pflanzenkübel umwarf und gegen Autos trat.

Dies entspricht dem, was auch der Zeuge P beobachtete, diese aber über einen sehr viel längeren Zeitraum.

Die Aussage des Zeugen P liefert eine sehr detaillierte Beschreibung des Vorfalls, welche sowohl eine Beschreibung des Täters umfasst als auch einen genauen Vorgang der Geschehnisse. Der Zeuge P beobachtete von seinem Balkon aus in der Morgendämmerung über einen längeren Zeitraum das Treiben der Person; alarmierte auch selbst die Polizei. Die von ihm beobachtete Person kam aus der Richtung der Brücke am Kottbusser Damm und lief diesen dann herunter, bis sie schließlich kurz nach dem Überqueren der Lachmannstr. durch die vom Zeugen alarmierte Polizei aufgegriffen wurde. Bis dahin hatte der Zeuge nach eigenen Angaben von seinem Balkon aus den Überblick über die Szene und verfolgte diese.

Der Zeuge beschrieb, dass die Person, die er in dieser Nacht gesehen hatte, an der entsprechenden Kreuzung, wo auch das Fahrzeug des Klägers stand, entlanglief und  bis dahin jedes 2. oder 3.  Auto beschädigte. Er vernahm dabei auch Lärm, der durch die Person verursacht wurde. Der Zeuge konnte dabei jedoch nicht hören, was die Person gerufen hat. Dieser Lärm endete erst mit der vor Ort eintreffenden Polizei, welche die Person schließlich festnahm.   Dabei schildern die Polizeibeamten in ihrem Einsatzbericht BI. 3 ff. der Ermittlungsakte: „Am Ort eingetroffen, wies der unbekannt gebliebene Anrufer durch Zeigen auf eine männliche Person, welche auf dem Gehweg des Kottbusser Damm in Richtung Lachmannstr. lief."

Die Beamten fanden aufgrund dieser  Beschreibung den Beklagten; sofort anschließend stellten sie bei einer Begehung des Kottbusser Damm von Hausnr. 28 in Richtung Planufer bis Hausnr. 7  an diversen PKW's Beschädigungen fest, dokumentierten diese und befestigten an den Fahrzeugen die auch vom Kläger vorgefundenen Mitteilungszettel.

Diese Feststellungen zur Art der Schäden an den Fahrzeugen decken sich mit den Angaben, die der Zeuge P bei seinem Anruf über das schädigende Verhalten der beobachteten Person bei der Polizei mitgeteilt hatte.

Der Zeuge P umschrieb die Person als eine männliche Person, die in etwa in seinem Alter oder jünger gewesen sein könnte, dunkel gekleidet war, eine Kapuze trug und dunklere, jedoch keine schwarzen Haare hatte.

Dass die in der Akte vermerkte Personenbeschreibung (Blond Schlank, ca. 30 Jahre, dunkel gekleidet, 175-180 cm groß - BI. 4 d. Beiakte) nicht komplett auf den Beklagten passt, der nach Angaben seiner Anwälte lediglich 165 cm groß ist, bewertet das Gericht nicht als Indiz dafür, dass eine andere Person für die Schäden verantwortlich gewesen sein könnte. Denn der Zeuge P gab an, dass die beobachtete Person den halben Kopf mit einer Kapuze bedeckt hatte, aus der nur ein Teil des Haarschopfes herausguckte. Die Haarfarbe sei nicht schwarz, aber eher dunkel gewesen. Da im allgemeinen Sprachgebrauch auch dunklere Haarfarben als blond, nämlich als dunkelblond, aschblond usw bezeichnet werden, ist hier kein Widerspruch zu finden.

Angesichts der Dunkelheit und der Entfernung des Zeugen zu dem Tatort und der beobachteten Person  ist auch die Angabe zur Körpergröße mit größter Vorsicht zu behandeln.

Die Zeugen konnten zwar beide die konkrete Beschädigungshandlung am Fahrzeug des Klägers nicht sehen, der Zeuge P erinnerte sich auch nicht an das ihm mit einem Foto vorgehaltene Fahrzeug des Klägers.

Dies ist jedoch kein Indiz zu Gunsten des Beklagten, da mehrere Beschädigungen an verschiedenen Fahrzeugen durch die Zeugen beobachtet wurden und die hinzugerufene Polizei kurze Zeit nach der Festnahme des Beklagten die entstandenen Schäden ordnungsgemäß dokumentiert haben.

Der an dem Fahrzeug des Klägers von der Polizei dokumentierte Schaden passte offenbar in die Reihe der weiteren von ihnen dokumentierten Schäden an anderen Fahrzeugen. Da der Spiegel auf dem Bürgersteig neben dem Kfz lag, wie in der Ermittlungsakte BI. 108 durch ein Foto dokumentiert ist, war auszuschließen, dass der Außenspiegel durch ein Fahrzeug im laufenden Verkehr berührt worden sein könnte, sondern dies deutet klar auf eine vorsätzliche. Beschädigung, die anders an dem geparkten Fahrzeug nicht hätte zustande kommen können.

In der Nähe des abgestellten Fahrzeuges waren insbesondere auch keine Laternen oder ähnliche andere Gegenstände ersichtlich, durch die der Spiegel z.B. beim Einparken hätte beschädigt werden können.

Hieraus ergibt sich auch ein Indiz für vorsätzliches Handeln.

Der von der Polizei aufgegriffene Beklagte stritt gegenüber den Beamten das ihm vorgeworfene Verhalten nicht direkt ab, wie es wohl im Falle seiner Unschuld normal gewesen wäre, sondern machte seinem Unmut Luft mit der Äußerung:" „Ich habe einfach einen Scheißtag. Alles läuft scheiße! Ich hab keine Kohle! Scheiße!" Wäre ihm hier also zu Unrecht ein Tatvorwurf gemacht  · worden, wäre eine andere Reaktion als diese zu erwarten gewesen.

Die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens kann ebenfalls nicht zu Gunsten des Beklagten ausgelegt werden, da diese Einstellung nach der Auffassung des Gerichtes nur deshalb vorgenommen wurde, weil der einzig Zeuge, der den Vorgang insgesamt beobachtet und dann auch die Polizei alarmiert hatte, P,· zu diesem Verfahren keine Aussage gemacht hat; unverständlich bleibt, weshalb die Staatsanwaltschaft hier nicht nachgesetzt und eine Aussage des Zeugen erwirkt hatte, sondern schlicht das Verfahren trotz des offenbar großen Sachschadens einstellte.  Möglicherweise beruht dies darauf, dass im Strafverfahren wohl auch der gemessene Blutalkoholwert von 1,71 Promille eine Strafbarkeit des Beklagten verhindert hätte; die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten im Strafverfahren verwiesen darauf und regten eine Einstellung des dortigen Verfahrens nach § 153 a StPO - gegen eine Buße - an, worin durchaus erkannt werden kann, dass die lndizienlage für eine Verursachung der Sachbeschädigungen durch den Beklagten sprach.

Unter Berücksichtigung  all dieser Indizien beruht die Beschädigung des Fahrzeuges mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf den Handlungen des Beklagten.

Die Beschädigung erfolgte rechtswidrig und schuldhaft; denn auch wenn der Beklagte ausweislich der Ermittlungsakte hochgradig alkoholisiert war, haftet er gern . § 827 S. 2 BGB zumindest wegen fahrlässiger Schadensverursachung; dies ist im Normbereich des § 823 Abs. 1 BGB ausreichend. Anders als bei der strafrechtlichen Bewertung schließt der alkoholisierte Zustand des Beklagten seine zivilrechtliche Haftung nicht aus (vgl. MüKo, BGB, 7. Aufl. 2017, § 827 Rn. 11-12 - Wagner).

Anhaltspunkte dafür, dass er für seinen Zustand aufgrund Alkoholgenusses nicht verantwortlich gewesen sein könnte, ergeben sich aus der Akte und dem Sachvortrag des Beklagten nicht.

Der Beklagte hat somit für den entstandenen Schaden gern. § 249 II BGB Ersatz zu leisten.

Die von der Klägerseite vorgetragenen Kosten für die Reparatur des Fahrzeuges in Höhe von 863,30 € sind der Höhe nach angemessen und von dem Beklagten der Höhe nach auch nicht bestritten worden.

Für die Ermittlung der Schadenshöhe mußte der Kläger die Kosten eines Gutachtens in Höhe von 428,40 EUR aufwenden; auch diese Kosten sind vom Schadensersatzanspruch umfasst und nach § 249 Abs. 1 BGB erstattungsfähig, ebenso die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Es ergibt sich danach eine berechtigte Forderung von

Reparaturkosten lt. GA: 863,30 EUR netto

GA-Kosten: 428,40 EUR  br.

1.291,70 EUR
 

Die vom Kläger darüber hinaus geltend gemachten 20 € stehen dem Kläger nicht zu. Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen.

 

Nebenforderungen:

Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB und steht dem Kläger seit dem 18.10.2018 zu.

Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II Nr. 1 ZPO.

 

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S.2 ZPO.

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