Amtsgericht Neu-Ulm Beschluss, 17. Mai 2016 - IK 130/10

bei uns veröffentlicht am17.05.2016

Gericht

Amtsgericht Neu-Ulm

Tenor

Die Erteilung der Restschuldbefreiung wird versagt.

Gründe

Über das Vermögen des Schuldners ist auf seinen Antrag vom 17.03.2010, eingegangen am 18.03.2010, hin mit Beschluss des AG Neu-Ulm vom 23.03.2010 (Bl. 57/59 d.A.) das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zur Anwendung gelangt das Recht in der Fassung vor dem 01.07.2014.

Der Schuldner hat unter dem 07.02.2010 (Bl. 5 d.A.) die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt.

Im Schlusstermin vom 10.06.2015 hat die öffentliche Hand, vertreten durch das Finanzamt …, die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt (Bl. 235/245 d.A.).

Sie beruft sich dabei im Wesentlichen zum einen auf den Versagungsgrund des § 290 I Nrn. 5 und 6 InsO. Denn der Schuldner habe eine Motoryacht und zwei Fahrzeuge mit den amtl. Kz. … und …, als ihm zustehende Vermögensgegenstände zumindest grob fahrlässig weder im Vermögensverzeichnis noch anlässlich einer Besprechung am 01.04.2010 angegeben. Zur Glaubhaftmachung wird auf Ziff. 3.3 des Schlussberichts [vom 03.03.2015, Bl. 149/164 (155/158) d.A.] verwiesen. Auch wird auf Ziff. 5 des Treuhänderberichts vom 01.02.2011 [Bl. 89/95 (91/95) d.A.] verwiesen.

Zum anderen habe der Schuldner vorsätzlich zur Leistungsvermeidung schriftlich falsche Angaben gemacht, indem er auf eine Erinnerung der „Lohnsteuer Arbeitgeber Stelle“ ein Antwortschreiben (Bl. 237 d.A.) des Inhalts dem Finanzamt … am 12.02.2007 zukommen gelassen habe, dass „2006 keine Lohnsteuer (,) kein Personal mehr und keinerlei Löhne (zu verbuchen seien).“ In Wahrheit habe der Schuldner sein Trockenbauunternehmen auch in dem Zeitraum ab 2006 schwarz weiter betrieben, was anlässlich einer Außenprüfung im Jahr 2008 entdeckt worden sei. Dieser Sachverhält ergebe sich aus den dem Versagungsantrag beigefügten Unterlagen der Steuerfahndung (Bl. 238/243 d.A.). Demnach sei auch der Versagungsgrund des § 290 I Nr. 2 InsO gegeben.

Der Schuldner war im Schlusstermin am 10.06.2015 nicht anwesend. Der statt seiner aufgetretene Prozessbevollmächtigte bestritt „vorläufig die erhobenen Vorwürfe und deren Glaubhaftmachung“ (Bl. 245 d.A.), beantragte die Zurückweisung des Antrags und gab an, dass genauere Erklärungen erst nach Rücksprache mit dem Schuldner und nach Akteneinsicht getätigt werden könnten.

In der Folge wurden der Schuldner und der Treuhänder gehört. Auf die Anhörungsschreiben vom 22.09.2015 (Bl. 290/295 d.A.) und vom 30.07.2015 (Bl. 283/284 d.A.) sei zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Ebenfalls verwiesen sei auf die relevanten Berichte des Treuhänders - Ziff. 3.3 des Schlussberichts [vom 03.03.2015, Bl. 149/164 (155/158) d.A.] und Ziff. 5 des Treuhänderberichts vom 01.02.2011 [Bl. 89/95 (91/95) d.A.].

Die gerichtlichen Ermittlungen haben ergeben, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung gem. § 290 I Nr. 5 InsO zu versagen ist, da dieser es zumindest bedingt vorsätzlich unterlassen hat, sowohl in seinem Vermögensverzeichnis (Anlagen 5A oder 5C oder 5K) als auch anlässlich der Besprechung mit dem Insolvenzverwalter am 01.04.2010 offensichtlich anfechtungsrelevante Umstände aus der Übertragung einer Motoryacht im Wert von mindestens 19.000,- € und aus der Übertragung eines PKW Mercedes Benz CLK, amtl. Kz. …, im Wert von mindestens 7.500,- €, geschehen je kurz vor Insolvenzantragstellung, anzugeben.

Dabei ist ein Versagungsantrag zunächst von Amts wegen auf seine Zulässigkeit hin zu prüfen. Er muss schlüssig, form- und fristgerecht gestellt sein und der behauptete Versagungsgrund muss glaubhaft gemacht sein. Hiernach ist in einem gleichsam kontradiktorischen Verfahren die Begründetheit zu prüfen. Zu beachten gilt dabei, dass es dem Schuldner, der es - wie hier - versäumt hat, im Schlusstermin anwesend zu sein, und seinem anwesenden Prozessbevollmächtigten gleichermaßen prozessual versagt ist, nach Beendigung des Schlusstermins schlüssig dargelegte Versagungsgründe zu bestreiten oder ergänzend vorzutragen. Grund hierfür ist, dass der Gläubiger seinerseits gehindert ist, nach dem Ende des hier mündlich durchgeführten Schlusstermins die Versagungsgründe des § 290 InsO geltend oder glaubhaft zu machen, der Schuldner also nicht nachträglich Behauptungen aufstellen kann, die den Gläubiger zu einer prozessual unzulässigen -weitergehenden - Glaubhaftmachung zwingen würden.

Zu Recht greift der Schuldner daher im Wesentlichen mit Schriftsatz vom 22.09.2015 (Bl. 290/294 d.A.) die Zulässigkeit der Versagungsanträge an. Denn materiell ist sein unqualifiziertes Bestreiten der - soweit qualifiziert vorgetragenen - Versagungsgründe unbeachtlich. Aus diesem Grund gilt das durch die Gläubigerin glaubhaft Gemachte als zugestanden. Dem Schuldner ist es zuzumuten, gerade auch bei hier anklingenden Verdunkelungshandlungen größeren Ausmaßes, sofort und unverzüglich qualifiziert Stellung zu nehmen. Gläubiger sollen - so die gesetzliche Wertung - vor juristischer Haarspalterei, die Einlassungsfristen gelegentlich mit sich zu bringen neigen, gerade verschont bleiben.

Mit seinem Vorbringen hat der Schuldner teilweise Erfolg. Der auf § 290 I Nr. 2 InsO gestützte Versagungsantrag ist unschlüssig, da das Vorbringen nicht den Tatbestand erfüllt. Voraussetzung ist demnach, dass der Schuldner innerhalb vor drei Jahren vor Antragstellung die sanktionierte Handlung vornimmt. Als offensichtliche Tatsache zu berücksichtigen, ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst am 23.03.2010 eingegangen. Nach dem Vortrag der Gläubigerin fand die verwerfliche Handlung jedoch bereits am 12.02.2007 mithin eine kurze Zeitspanne vor dem Sanktionszeitraum statt.

Anders das Vorbringen betreffend die Motoryacht und den PKW mit dem amtl. Kz. … . Hier beruft sich die Gläubigerin zutreffend darauf, dass der Schuldner diese Vermögensgegenstände weder in seinem Verzeichnis noch in der Erstbesprechung angegeben habe. Irrelevant ist dabei die Frage, ob der Schuldner nun das Eigentum, ein etwaiges Nutzungsrecht oder die offensichtlich anfechtungsrelevante Tatsache der Vermögensverschiebung vor Antragstellung (hierfür ist Anlage 5K der durch den Schuldner eingereichten Anlagen vorgesehen), nach Vortrag und nach Sachlage jedenfalls bedingt vorsätzlich verschwiegen hat. Denn alle drei Möglichkeiten erfüllen die Voraussetzungen des § 290 I Nr. 5 InsO.

Nach allgemeiner Ansicht (statt aller BGH, Beschluss v. 08.03.2012, IX ZB 70/10) muss der Schuldner alle „Umstände von sich aus offenbaren, die offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage treten.“ Dies sind gerade auch solche, die Insolvenzanfechtungen nach den §§ 129 ff InsO begründen können (MüKo/Stephan, 3. Auflage 2014 - die Rechtslage ist unverändert - und dort § 290 Rdnr 59). Hier übertrug der Schuldner zumindest in zeitlicher Nähe zur Insolvenzantragstellung eine hochpreisige Motoryacht und einen PKW Mercedes Benz, Letzteren an eine nahe Angehörige. Dies sind mindestens Umstände, die offensichtlich Anfechtungen begründen können.

Die Gläubigerin hat die Verschleierung dieser beiden Vermögensgegenstände auch durch Verweis auf die Treuhänderberichte vom 01.02.2011 (Bl. 89/95, auf Ziff 5 wurde explizit Bezug genommen) und vom 03.03.2015 (149/164, auf Ziff. 3.3 wurde explizit Bezug genommen) hinreichend glaubhaft gemacht. Der Verweis auf bestimmte Teile von Berichten der Insolvenzverwalter oder Treuhänder ist ein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung (BGH, Beschluss vom 17.01.2008, IX ZB 183/07). Ohne Erfolg beruft sich der Schuldner darauf, dass die Bezugnahme zu unbestimmt sei. Die Gläubigerin selber, der Treuhänder und das Gericht können nicht aufklären, ob der Schuldner das Eigentum nach Antragstellung im Stillen übertragen, das Eigentum vor Antragstellung übertragen und diese Tatsache verschwiegen hat oder etwa Surrogate erhalten und deren Erhalt verschwiegen hat. Genauso bestimmt oder unbestimmt ist auch die Bezugnahme auf die konkreten Passagen. In jedem Einzelfall würde es sich um offensichtlich überragend relevante Umstände handeln, die der Schuldner zu offenbaren gehabt hätte und zu keinem Zeitpunkt offenbart hat. Diese Unsicherheiten gehen zulasten des Schuldners, dessen oberste Pflicht (§ 1 Satz2 InsO) die redliche Mitwirkung am Verfahren ist, um in die Wohltat der Restschuldbefreiung zu gelangen.

Aus dem Bericht vom 03.03.2015 ergibt sich eindeutig (Ziff 3.3.1 und 3.3.2 am Ende), dass die Anfechtungen der Übertragungen der Yacht und des PKW Mercedes-Benz erfolgreich waren. Im Übrigen ist nicht erforderlich, dass die verschwiegenen Sachverhalte tatsächlich zur erfolgreichen Anfechtungen führen. Ausreichend ist, dass sie dazu führen können (MüKo Stephan aaO).

Lediglich zugunsten des Schuldners wurde davon Abstand genommen, auch die Verschleierungen betreffend den PKW Jeep, amtl. Kz. …, der Versagungsentscheidung zugrunde zu legen.

Auch so ergibt sich das Bild eines unredlichen Schuldners, der wiederholt Vermögenwerte, sei es den Sachwert oder den Anfechtungswert, erheblichen Ausmaßes dem Gläubigerzugriff entziehen wollte, die erst mit erheblichen Mühen der Masse zugeführt werden konnten.

Auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtpunkten ergibt sich daher kein anderes.

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Insolvenzordnung - InsO | § 129 Grundsatz


(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechts

Insolvenzordnung - InsO | § 290 Versagung der Restschuldbefreiung


(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn 1. der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolv

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2012 - IX ZB 70/10

bei uns veröffentlicht am 08.03.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 70/10 vom 8. März 2012 in dem Restschuldbefreiungsverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Amtsgericht Neu-Ulm Beschluss, 17. Mai 2016 - IK 130/10.

Landgericht Memmingen Beschluss, 12. Sept. 2016 - 44 T 935/16

bei uns veröffentlicht am 12.09.2016

Tenor I. Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 14.06.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neu-Ulm – Abteilung für Insolvenzsachen – vom 17.05.2016 (Az.: IK 130/10) wird kostenfällig als unbegründet zurückgewie

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(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn

1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(weggefallen)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.

(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 70/10
vom
8. März 2012
in dem Restschuldbefreiungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Fischer
am 8. März 2012

beschlossen:
Der Schuldnerin wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden vom 11. November 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der vorbezeichnete Beschluss aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wirdauf 908,41 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Schuldnerin beantragte am 25. Februar 2008 die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen und die Bewilligung der Restschuldbefreiung. Ihrem Antrag war ein Vermögensverzeichnis beigefügt, in welchem sie die Frage nach Schenkungen an Dritte in den letzten vier Jahren und Veräußerungen von Vermögensgegenständen an nahestehende Personen in den letzten zwei Jahren vor Antragstellung verneint hatte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die weitere Beteiligte zu 2 mit Schreiben vom 24. April 2008 eine Forderung aus unerlaubter Handlung zur Insolvenztabelle an. In der beigefügten Begründung bezog sie sich auf einen unentgeltlichen Übertragungsvertrag an einem Waffengeschäft der Schuldnerin und ihres getrennt lebenden Ehemanns zugunsten des Sohnes vom 25. Juli 2006.
2
Das Insolvenzgericht ordnete die Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren an. Innerhalb der gesetzten Frist beantragte die weitere Beteiligte zu 2, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, weil sie die unentgeltliche Übertragung ihres Gesellschaftsanteils an dem Waffengeschäft im Eröffnungsantrag verschwiegen habe. Diesen Übergabevertrag habe die Schuldnerin auch nicht nachträglich angezeigt, nachdem die weitere Beteiligte zu 2 mit ihrer Forderungsanmeldung die Schenkung bei ihr wieder in Erinnerung gerufen habe.
3
Das Insolvenzgericht hat den Versagungsantrag zurückgewiesen und der Schuldnerin Restschuldbefreiung angekündigt. Auf die dagegen erhobene sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 hat das Beschwerdegericht den Beschluss aufgehoben und der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihren Antrag auf Restschuldbefreiung weiter.

II.


4
Nach Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe hat die Schuldnerin fristgerecht im Sinne von § 234 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumten Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde nach § 575 Abs. 1, 2 ZPO beantragt. Zudem hat sie die versäumten Rechtshandlungen binnen der in § 236 Abs. 2 Satz 2, § 234 Abs. 1 ZPO geregelten Fristen nachgeholt, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war.

III.


5
Die nach § 6 Abs. 1, §§ 7, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO in Verbindung mit Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
6
1. Das Beschwerdegericht ist der Meinung, dass die sofortige Beschwerde fristgerecht erhoben worden sei. Der Beschwerdeschriftsatz vom 7. Oktober 2009 sei vorab per Telefax übersandt worden. Aufgrund einer Störung des Empfangsgerätes, welches den Eingang des Schriftsatzes fälschlich am 1. Januar 2002 vermerkt habe, könne allerdings nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob die sofortige Beschwerde vor Ablauf der Beschwerdefrist am 6. Oktober 2009 eingegangen sei. Dieser fristgerechte Eingang sei jedoch zugunsten der Beschwerdeführerin zu unterstellen. Die sofortige Beschwerde sei auch begründet, weil der Schuldnerin die beantragte Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu versagen sei. Die weitere Beteiligte zu 2 habe in ihrem Versagungsantrag zwar nicht glaubhaft gemacht, dass es die Schuldnerin grob fahrlässig unterlassen habe, in ihrem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die unentgeltliche Übertragung ihrer Anteile am Waffengeschäft auf ihren Sohn anzugeben. Hierauf komme es aber nicht an, weil es ausreiche, dass sie die Schenkung nach Eingang des Versagungsantrags der weiteren Beteiligten zu 2 nicht offengelegt habe, obwohl diesem Antrag eine Kopie des Übergabevertrags beigefügt gewesen sei.
7
2. Diese Begründung trägt den angefochtenen Beschluss nicht. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts durfte nicht unterstellt werden, dass die weitere Beteiligte zu 2 die sofortige Beschwerde rechtzeitig binnen der zweiwöchigen Beschwerdefrist nach §§ 4, 6 Abs. 2 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhoben hat.
8
a) Der Beschluss des Insolvenzgerichts ist der weiteren Beteiligten zu 2 am 22. September 2009 zugestellt worden, so dass die Beschwerdefrist am 6. Oktober 2009 ablief. Da die auf dem Postwege übersandte Beschwerdeschrift vom 7. Oktober 2009 erst am 10. Oktober 2009 beim Insolvenzgericht eingegangen ist, hängt die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde davon ab, ob das Telefax das Insolvenzgericht fristgerecht erreicht hat. Da das Empfangsprotokoll offenkundig falsch ist, können hieraus keine Rückschlüsse auf den rechtzeitigen Eingang der sofortigen Beschwerde gezogen werden.

9
b) In einem solchen Fall kann nicht ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen unterstellt werden, dass die Rechtsmittelfristen gewahrt sind, insbesondere dann nicht, wenn der Beschwerdeschriftsatz - wie im Streitfall - ein Datum trägt, welches außerhalb der Beschwerdefrist liegt.
10
Ist zweifelhaft, ob ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist, so muss das Gericht hierüber Beweis erheben (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01, NJW-RR 2002, 1070) und gegebenenfalls auf das Erfordernis eines geeigneten Beweisantritts hinweisen (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VI ZB 80/06, NJW 2007, 3069 Rn. 15 f). Lässt sich der rechtzeitige Eingang nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststellen , gehen verbleibende Zweifel zu Lasten desjenigen, der sich auf die Fristwahrung beruft (BGH, Beschluss vom 26. März 1981 - IVa ZB 4/81, NJW 1981, 1789, 1790; vom 30. Januar 1991 - VIII ZB 44/90, VersR 1991, 896). Es genügt nicht die Glaubhaftmachung oder gar die bloße Möglichkeit, dass die Frist gewahrt wurde (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2000 - XII ZB 110/00, NJWRR 2001, 280; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., Vor § 230 Rn. 2). Somit hätte das Beschwerdegericht weitere Ermittlungen anstellen müssen, um sich die hinreichende Überzeugung vom rechtzeitigen Eingang der sofortigen Beschwerde zu verschaffen.

IV.


11
Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben; sie ist nach § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO aufzuheben. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Eine ersetzende Sachentscheidung des Senats nach § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO kommt nicht in Betracht , weil tatrichterliche Feststellungen fehlen. Sollte der weiteren Beteiligten zu 2 der Beweis des fristgerechten Eingangs ihres Beschwerdeschriftsatzes gelingen, wird für das weitere Verfahren auf Folgendes hingewiesen:
12
1. Die Auffassung des Beschwerdegerichts, die Versagung der Restschuldbefreiung könne darauf gestützt werden, dass die Schuldnerin nach Erhalt des Versagungsantrags eine weitere Auskunftserteilung über den Übertragungsvertrag unterlassen habe, begegnet Bedenken.
13
Dabei geht das Beschwerdegericht allerdings im Ansatz zutreffend davon aus, dass die Nichtangabe eines verschenkten Vermögenswertes - etwa eines Gesellschaftsanteils - einen Versagungsgrund im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO darstellen kann. Auskunft ist nach §§ 20, 97 InsO über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen. Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfahren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Die Verpflichtung zur Auskunft ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände von sich aus, ohne besondere Nachfrage, offen legen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010 - IX ZB 126/08, WM 2010, 524 Rn. 5; vom 15. April 2010 - IX ZB 175/09, WM 2010, 976 Rn. 9; vom 17. März 2011 - IX ZB 174/08, WM 2011, 760 Rn. 7).
14
Zu den Umständen, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können, zählen auch solche, die eine Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff InsO begründen können, weil diese zur Mehrung der Insolvenzmasse führen kann (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010, aaO Rn. 6; MünchKommInsO /Stephan, 2. Aufl., § 290 Rn. 76a). Die Pflicht zur Auskunft setzt in einem solchen Fall nicht voraus, dass die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung tatsächlich vorliegen. Bereits konkrete Anhaltspunkte, die eine Anfechtbarkeit möglich erscheinen lassen, begründen die Pflicht des Schuldners, den Sachverhalt zu offenbaren (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010, aaO Rn. 6). Somit hätte die Schuldnerin im Streitfall von sich aus auf den Übergabevertrag mit ihrem Sohn vom 25. Juli 2006 hinweisen müssen, weil der Vertrag möglicherweise der insolvenzrechtlichen Rückabwicklung unterlag.
15
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann allerdings nicht auf eine Auskunftsverpflichtung der Schuldnerin nach Erhalt des Versagungsantrags der weiteren Beteiligten zu 2 abgestellt werden. Zum einen wäre eine Offenbarungspflicht über Umstände, welche nunmehr allen Beteiligten bekannt waren, ohne Sinn. Zum anderen stützt das Beschwerdegericht die Versagung der Restschuldbefreiung damit entgegen der gefestigten Rechtsprechung des Senats (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2007 - IX ZB 88/06, WM 2007, 661 Rn. 8; vom 25. Oktober 2007 - IX ZB 187/03, WM 2007, 2252 Rn. 3) von Amts wegen auf Umstände, welche im Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 2 nicht genannt waren. Diese hatte sich nur auf das Verschweigen des Übergabevertrages im Zeitpunkt des Eröffnungsantrags und des Erhalts ihrer Forderungsanmeldung bezogen. Auf ein späteres Fehlverhalten der Schuldne- rin hätte das Beschwerdegericht daher bei der Prüfung des Versagungsgrundes nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht abstellen dürfen.
16
2. Das Beschwerdegericht hat es allerdings bislang unterlassen, den Versagungsantrag unter dem geltend gemachten Gesichtspunkt einer Pflichtverletzung nach Erhalt der Forderungsanmeldung der weiteren Beteiligten zu 2 zu überprüfen. Die Schuldnerin hat im Verfahren nicht bestritten, die schriftliche Forderungsanmeldung der weiteren Beteiligten zu 2 erhalten zu haben. Dieser Anmeldung war eine Begründung des Vorwurfs der unerlaubten Handlung sowie ein Hinweis auf den Übergabevertrag zugunsten des Sohnes beigefügt. Die Schuldnerin widersprach daraufhin nur der Anmeldung dieser Forderung der weiteren Beteiligten zu 2 als Forderung aus unerlaubter Handlung, ohne sich zur unentgeltlichen Weitergabe ihres Anteils am Waffengeschäft an den Sohn zu äußern. Die weitere Beteiligte zu 2 weist mit Recht darauf hin, dass die Schuldnerin hierzu in der Lage war, nachdem ihr der Vertrag nunmehr wieder in Erinnerung gerufen worden war. Selbst wenn die Angaben der Schuldnerin zutreffen sollten, den Vertrag nur unter Druck und in Unkenntnis seines genauen Inhalts unterschrieben zu haben, wäre es angezeigt gewesen, spätestens jetzt auf den Übergabevertrag einzugehen.
17
Nach den bisherigen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Pflichtverletzung der Schuldnerin zumindest auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Hierunter ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschobenwurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängt hätte (BGH, Beschluss vom 17. März 2011, aaO Rn. 8 f). Die bisherigen Angaben der Schuldnerin, wonach sie der Auffassung gewesen sei, nur formal am Waffengeschäft des Ehemannes beteiligt gewesen zu sein, ohne hieraus eine eigene Vermögensposition erworben und diese an den Sohn weitergegeben zu haben, hindert die Annahme eines grob fahrlässigen Pflichtverstoßes jedenfalls nicht. Grundsätzlich ist es nicht Sache des Schuldners, seine Aktiva zu bewerten und vermeintlich "für die Gläubiger uninteressante" Positionen zu verschweigen (vgl. näher BGH, Beschluss vom 23. Juli 2004 - IX ZB 174/03, WM 2004, 1840, 1841; vom 7. Dezember 2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96 Rn. 8; vom 10. Februar 2011 - IX ZB 250/08, WM 2011, 503 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl., § 290 Rn. 76a). Es müssten deshalb hier besondere Umstände hinzukommen, aufgrund derer die Schuldnerin darauf vertrauen durfte, Angaben zur Übertragung ihrer Anteile am Waffengeschäft gegenüber dem Insolvenzgericht verschweigen zu dürfen.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
AG Baden-Baden, Entscheidung vom 17.09.2009 - 11 IN 105/08 -
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 11.11.2009 - 3 T 92/09 -