Amtsgericht München Endurteil, 07. Nov. 2014 - 411 C 15579/14

bei uns veröffentlicht am07.11.2014

Tenor

I. Die Beklagten werden gesamtverbindlich verurteilt, das Mietobjekt ... bestehend aus einem Einfamilienhaus mit 7 Zimmern, 1 Wohnküche, 1 Diele, 3 Fluren, 1 Bad/WC, 1 Gäste-WC, 1 WC, 1 Bad, 1 Dachboden und 1 Kellergeschoß sowie Garten und Doppel-Garage zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

II. Die Widerklage wird abgewiesen.

III. Die Beklagten und Widerkläger tragen gesamtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 € ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abwenden.

V. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 28.02.2015 gewährt.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 41.724,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer Wohnung in .... Die Beklagten begehren im Weg der Widerklage die Feststellung, dass das streitgegenständliche Mietverhältnis sich auf unbestimmte Zeit fortsetzt, hilfsweise bis zum Ablauf einer angemessenen Zeit fortgesetzt wird.

Mit Mietvertrag vom 15./19.9.2002 mieteten die Beklagten von der Rechtsvorgängerin der Klägerin das Einfamilienhaus in der ... zu einer Nettomiete von 3.477,00 € zuzügl. 256,00 € Betriebskostenvorauszahlungen.

Mit Schreiben vom 13.12.2007 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit den Beklagten zum 30.6.2008 mit der Begründung, dass Eigenbedarf vorliege.

Das Amtsgericht München hat im Verfahren 422 C 22574/08 die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung festgestellt. Die Klage wurde jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass das Mietverhältnis nach § 574 a Abs. 1 BGB bis zum Wegfall der Räumungsunfähigkeit der Beklagten zu 2), längestens bis 30.6.2014 fortzusetzen ist, da auf Seiten der Beklagten zu 2) Härtegründe im Sinne von § 574 BGB vorliegen.

Einer Aufforderung der Klägerin, das Mietobjekt nach Ablauf der gerichtlich festgelegten Frist zu räumen, sind die Beklagten nicht nachgekommen.

Die Klägerin trägt vor, dass aus folgenden Gründen die Klage zuzusprechen und die Widerklage abzuweisen sei:

1. Eigenbedarf

Ein Eigenbedarf liege nach wie vor vor.

Zwar hat die Klägerin ihren Lebensgefährten ... nicht geheiratet. Sie werde aber in die streitgegenständlichen Räume einziehen.

Darauf komme es letztendlich aber nicht an, da die Eigenbedarfskündigung damals wirksam war und der Nutzungswille lediglich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vorliegen müsse. Ein nach Ablauf der Kündigungsfrist eintretender Wegfall des Nutzungswillens, insbesondere wegen geänderter Lebensumstände, sei unbeachtlich.

Der Klägerin stehe auch keine vergleichbare andere Immobilie zur Eigennutzung zur Verfügung. Soweit sie Eigentum an Wohnungen habe, seien diese mit einem Nießbrauchsrecht ihres Vaters belastet.

2. Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses

Aufgrund des § 574 BGB ist durch Urteil bestimmt worden, dass das Mietverhältnis längstens bis zum 30.6.2014 fortbesteht. Dieses Urteil ist rechtskräftig. Demgemäß kann der Mieter eine weitere Fortsetzung nur verlangen, wenn dies durch eine wesentliche Änderung der Umstände gerechtfertigt ist, § 574 c Abs. 1 BGB.

Schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten habe sich aber am Zustand der Beklagten zu 2) nichts geändert. Es würden vielmehr die bisherigen Härtegründe vorliegen. Etwas anderes lasse sich auch aus der Anlage B 1 (Gefälligkeitsgutachten der Ärztin ...) nicht entnehmen. Auch sei diesem Gutachten keine echte Untersuchung vorausgegangen. Vielmehr erschöpfe sich der Vortrag in der Wiederholung des Beschwerdevortrages der Beklagten. Es sei keine Schilderung eines objektiven Befundes mit einer diagnostischen Zuordnung erfolgt. Ausreichende Untersuchungen zur Frage, ob Aggravation oder sogar Simulation vorliegen, würden fehlen. Jedenfalls ergebe aber das Gutachten keine wesentliche Zustandsänderung.

Damit seien die Voraussetzungen des § 574 c Abs. 1 BGB nicht erfüllt.

Der Schriftsatz der Beklagten vom 16.10.2014 enthalte neuen Sachvortrag, der außerhalb nachgelassener Schriftsatzfrist nach Schluss der mündlichen Verhandlung behauptet werde. Den Beklagten sei lediglich nachgelassen worden, auf den letzten Schriftsatz der Klagepartei, also auf den darin enthaltenen Sachvortrag schriftlich Stellung zu nehmen. Im Übrigen wurde eine Schriftsatzfrist weder beantragt, noch gewährt.

Der neue Vortrag wird außerdem mit Nichtwissen bestritten.

Im Übrigen wird bestritten, dass die bisherigen Härtegründe bei der Beklagten zu 2) noch fortbestehen. Die vorgelegten Atteste seien unzureichend.

Ein mit Herzrythmusstörungen belasteter Suizidgefährdeter dürfe am Straßenverkehr gar nicht teilnehmen und könne dies auch nicht. Die Beklagte nehme aber nicht nur am gesellschaftlichen Leben in München, sondern in massiven Umfang auch unverändert im Straßenverkehr teil.

Bestritten wird die Richtigkeit des Inhalts der Stellungnahmen in Anlagen B 1–B 4 zum gesundheitlichen Zustand der Beklagten.

Der Beklagtenpartei sei es ohne Weiteres zumutbar gewesen, eine andere Wohnung zu nehmen. Dies gelte umsomehr, als der Beklagte beruflich mit Bauträgergeschäften befasst ist und ohne Weiteres selbst ein Anwesen kaufen kann.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagen gesamtverbindlich zu verurteilen, das Mietobjekt ... bestehend aus einem Einfamilienhaus mit 7 Zimmern, 1 Wohnküche, 1 Diele, 3 Fluren, 1 Bad/WC, 1 Gäste-WC, 1 WC, 1 Bad, 1 Dachboden und 1 Kellergeschoß sowie Garten und Doppelgarage zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise wird die Gewährung einer angemessenen Räumungsfrist von mindestens 1 Jahr nach § 721 ZPO begehrt.

Im Wege der Widerklage beantragen die Beklagten,

durch das Gericht festzustellen, dass das streitgegenständliche Mietverhältnis sich auf unbestimmte Zeit fortsetzt,

hilfsweise bis zum Ablauf einer angemessenen Zeit fortgesetzt wird.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, dass aus folgenden Gründen die Klage abzuweisen und die Widerklage zuzusprechen sei:

1. Kein Eigenbedarf

Zwar hat das Amtsgericht München im Verfahren 422 C 22574/08 entschieden, dass die geltendgemachte Eigenbedarfskündigung der Klägerin vom 13.12.2007 begründet ist, tatsächlich sei aber der geltendgemachte Eigenbedarf nur vorgeschoben. Der Vater der Klägerin ist der in ... für Luxusimmobilien bekannte Makler .... Sein Büro habe sich vor allem auf Immobilien in den Bestlagen ... und vor allem auf Immobilien in ... in welchem auch das streitgegenständliche Anwesen liegt, spezialisiert. Auch in vorliegendem Fall sei tatsächlich beabsichtigt, die Immobilie nach Auszug der Beklagten gewinnbringend zu verwerten, nicht sie selbst zu bewohnen.

Der Lebensgefährte der Klägerin, Herr ... habe in der damaligen Beweisaufnahme angegeben, dass die Klägerin und er beabsichtigen würden, in absehbarer Zeit zu heiraten und sich auch mindestens 1 Kind wünschen würden. Tatsächlich hat aber bisher weder eine Eheschließung noch eine Familiengründung stattgefunden. Die Umstände, auf die die Eigenbedarfskündigung gestützt wird, seien somit auch nach fast 7 Jahren nicht eingetreten. Die Klägerin sei zwischenzeitlich nach ... gezogen. Aufgrund der geschäftlichen Aktivitäten des Vaters der Klägerin hätte die Klägerin ohne Weiteres zwischenzeitlich entweder ein anderes Haus erwerben oder ein anderes Haus anmieten können, um die von ihr behaupteten Pläne bezüglich ihrer Lebensgestaltung mit ... und geplanten Kindern sowie dem Umzug ihrer Mutter nach ... realisieren zu können.

Zudem sei die Klägerin Eigentümerin von 5 Wohnungen im Anwesen ... in ... in die sie ohne weiteres hätte einziehen können.

2. Härtegründe/Fortsetzung des Mietverhältnisses

Das streitgegenständliche Mietverhältnis habe nicht zum 30.06.2014 geendet.

Das Gericht sei nicht an das Gestaltungsurteil des Amtsgerichts München vom 02.06.2010, Az.: 422 C 22574/08, gebunden.

Im Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen ... vom 07.12.2009 wurde festgestellt, dass mit einer wesentlichen Besserung des Gesundheitszustandes bei fortbestehenden Belastungsfaktoren nicht vor Ablauf von zwei Jahren zu rechnen sei und eine Prognose für die nächsten 5 Jahre nicht abgegeben werden könne.

Die Richterin des Amtsgerichtes habe daher im Urteil vom 02.06.2010 bestimmt, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit bis zum Wegfall des Räumungshindernisses, längstens bis 30.06.2014, fortgesetzt wird. Da sich das Gericht bei seiner Entscheidung insbesondere auf das gerichtliche Sachverständigengutachten bezogen hat, wonach für einen Zeitraum von 2 Jahren mit keiner Verbesserung zu rechnen sei und für einen längeren Zeitraum keine Prognose abgegeben werden könne, sei der Tenor des amtsgerichtlichen Urteils dahingehend zu verstehen, dass zwar mit dem Wegfall der Räumungsunfähigkeit gerechnet werden könne, aber auf Grund der seinerzeit zusätzlichen zahlreichen weiteren ärztlichen Atteste eine Räumungsunfähigkeit für die nächsten 5 Jahre fortbestehen würde.

Das Urteil stehe eindeutig unter der Prämisse, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes der Beklagten zu 2) innerhalb des Fortsetzungszeitraumes eintritt. Dies sei jedoch nicht geschehen. Vielmehr habe sich der Gesundheitszustand durch die hinzugetretene Herzerkrankung bei der Beklagten zu 2) noch verschlechtert. Die Beklagte zu 2) müsse sich im kommenden Jahr wegen ihrer massiven Herzprobleme einer weiteren Operation unterziehen.

Wenn nicht die Möglichkeit der Besserung der Erkrankung vom Amtsgericht berücksichtigt und für möglich erachtet worden wäre, wäre die Einschränkung im Tenor des vorausgegangenen Urteils „bis zum Wegfall der Räumungsunfähigkeit“ unverständlich.

Gerade der Nichteintritt einer dauerhaften Besserung der Erkrankung, deren Zeitpunkt von niemandem bei der Art dieser Erkrankung vorhergesagt werden könne, sei aber Grundlage für die zeitliche Befristung gewesen. Durch § 574 c BGB werde vom Gesetzgeber gerade die Möglichkeit einer erneuten Verlängerung des Mietverhältnisses auf bestimmte oder unbestimmte Zeit für einen derartigen Fall eingeräumt.

Ein Wegfall der schon früher vorhandenen und noch fortbestehenden Härtegründe könnten auch in einem weiteren Verfahren immer wieder neu überprüft werden, da eine Fortsetzung nach § 574 c BGB nicht nur einmal erfolgen könne.

Die Beklagte zu 2) litt damals an einer mittelgradigen schweren depressiven Symptomatik bei inzwischen chronifizierter depressiver Störung mit lebensverneinenden Gedanken. Im Rahmen dieser Depression bestand eine Somatisierungsstörung mit daraus folgender Aktivitätseinschränkung und Schlafstörungen, die trotz kontinuierlicher jahrelanger ambulanter psychiatrischer, neurologischer und psychotherapeutischer wie auch psychopharmakologischer Behandlung fortbestehen würde.

Die depressive Symptomatik habe sich mittlerweile sogar verschlechtert.

Eine Änderung der Umstände liege auch dann vor, wenn sich ein ursprünglich vorhandener Härtegrund in der Verlängerungszeit wesentlich verschärft oder zum Nachteil des Mieters anders entwickelt habe, als erwartet wurde. An das Kriterium der wesentlichen Änderung der Umstände dürften keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genüge, wenn auf Grund der neuen Sachlage ein Überdenken des bisherigen Abwägungsergebnisses angezeigt erscheint.

Durch das Hinzutreten einer schweren Herzerkrankung habe sich die Gefahr für den Gesundheitzustand der Beklagten zu 2) noch verschärft. Die Operation am 12.05.2014 sei erforderlich gewesen, da die Beklagte kurz vor einem Herzinfarkt gestanden habe. Im kommenden Jahr müsse sie sich erneut einer Herzoperation unterziehen. Das Infarktrisiko durch Aufregung in Folge des Räumungsprozesses und daraus resultierender latenter Zukunftsängste bestehe erhöht. Die Beklagten hätten diesen Vortrag auch rechtzeitig erbracht. Bereits in der Klageerwiderung sei die Herzerkrankung unter Beweisantritt vorgetragen worden.

Damit seien die Voraussetzungen für die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 BGB gegeben.

Im Gegensatz zum bestehenden Fortsetzungsinteresse auf Seiten der Beklagtenpartei bestehe kein nachhaltiges oder zwingendes Erlangungsinteresse seitens der Klagepartei.

3. Räumungsfrist

Ein Räumungsschutzantrag gemäß § 721 ZPO sei in der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2014 gestellt worden, da der Antrag aus dem Schriftsatz vom 29.07.2014 gestellt wurde.

Den Beklagten sei jedenfalls eine ausreichend lange Räumungsfrist von nicht unter einem Jahr zu gewähren. Allein die schwere Erkrankung, insbesondere die hinzutretende Herzerkrankung rechtfertige diese Räumungsfrist.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, da streitgegenständlich Ansprüche aus einem Wohnungsmietverhältnis in München sind, §§ 29 a ZPO, 23 Nr. 2 a GVG.

Die Klage ist im Übrigen auch begründet.

Im rechtskräftigen Endurteil des Amtsgerichtes München vom 11.05.2010, Az. 422 C 22574/08, wurde die erste Räumungsklage der Klägerin, die sich auf eine Kündigung vom 13.12.2007 stützte, abgewiesen, obwohl das Gericht von einer wirksamen Eigenbedarfskündigung ausgegangen ist, da es zur Überzeugung gelangte, dass die Beeindigung des Mietverhältnisses für die Beklagte zu 2) eine ungerechtfertigte Härte darstellen würde, da diese an einer mittelgradigen bis schweren depressiven Symptomatik bei inzwischen chronifizierter depressiver Störung mit lebensverneinenden Gedanken leide und im Rahmen der Depression eine Somatisierungsstörung mit daraus folgender Aktivitätseinschränkung und Schlafstörungen bestehe, die trotz kontinuierlicher jahrelanger ausreichender ambulanter psychiatrischer, neurologischer und psychotherapeutischer Behandlung fortbesteht. Eine weitere Verschlechterung der depressiven Symptomatik entnahm das Gericht den ihm vorliegenden ärztlichen Unterlagen. Das Gericht ging entsprechend dem Gutachten der Sachverständigen davon aus, dass mit einer wesentlichen Besserung vor Ablauf von zwei Jahren nicht zu rechnen ist. Eine Prognose für die nächsten 5 Jahre konnte von der Sachverständigen nicht abgegeben werden.

Unter Berücksichtigung dieser Feststellung und unter Abwägung der widerstreitenden Interessen von Vermieter und Mieter entschied das Gericht, dass das Mietverhältnis „auf unbestimmte Dauer bis zum Wegfall der Räumungsunfähigkeit der Beklagten zu 2), längstens bis 30.06.2014, fortgesetzt“ wird.

Das Gericht hat damit bereits damals rechtskräftig entschieden, dass das Mietverhältnis, sobald die Räumungsunfähigkeit wegfällt, nicht mehr fortgesetzt werden muss. Insofern wurde von einer unbestimmten Dauer gesprochen, da der Zeitpunkt der gesundheitlichen Genesung zum Entscheidungspunkt nicht prognostiziert werden konnte. Längstens wurde aber eine Fortsetzung bis zum 30.06.2014 ausgesprochen. Das bedeutet, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach diesem Urteil auch bei Fortbestehen der der damaligen Entscheidung zu Grunde liegenden Umstände maximal bis zum 30.06.2014 gelten soll. Aus dem Tenor des Urteils ergibt sich somit eindeutig, dass die Fortsetzung zwar bereits früher wegfallen kann, wenn schon zu einem früheren Zeitpunkt die Räumungsunfähigkeit wegfällt, spätestens aber – und hier uneingeschränkt ohne irgendwelche zusätzliche Voraussetzungen – mit Ablauf des 30.06.2014.

Auch aus den Gründen des Urteils ergibt sich hierzu nichts anderes, insbesondere ist mit keinem Wort zum Ausdruck gebracht worden, dass damit zu rechnen sei, dass die Beklagte zum 30.06.2014 nicht mehr an den Erkrankungen leide, die Urteilsgrundlage waren. Vielmehr wurde die absolute Frist auf Grund Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gesetzt. Im Urteil wird sogar ausdrücklich ausgeführt, dass eine über zwei Jahre hinausgehende Prognose nicht zuverlässig abgegeben werden könne, und dass die Beklagte zu 2) an einer chronifizierten depressiven Störung leidet.

Damit besteht mit Ablauf der im Urteil absolut gesetzten zeitlichen Frist kein titulierter Anspruch mehr auf Fortsetzung des Mietverhältnisses. Der Ablauf der Fortsetzungszeit hat zur Folge, dass der Mieter die Mietsache herausgeben muss. Eine erneute Kündigung durch den Vermieter ist hierfür nicht erforderlich, weil das Mietverhältnis mit dem Ablauf der Fortsetzungszeit ohne Weiteres endet. Gibt der Mieter die Sache zu diesem Zeitpunkt nicht zurück, kann der Vermieter ohne Weiteres Räumungsklage erheben.

Zwar kann der Mieter nach § 574 c Abs. 1 BGB, wenn aufgrund der §§ 574 ff BGB durch Urteil bestimmt worden ist, dass das Mietverhältnis auf bestimmte Zeit fortgesetzt wird, dessen weitere Fortsetzung verlangen, dies jedoch nur in den gesetzlich hierzu geregelten Ausnahmefällen. Voraussetzung hierzu ist entweder, dass dies durch eine wesentliche Änderung der Umstände gerechtfertigt ist, oder, dass Umstände nicht eingetreten sind, deren vorgesehener Eintritt für die Zeitdauer der Fortsetzung bestimmend gewesen war.

Die zweite Voraussetzung liegt – wie bereits oben ausgeführt – nicht vor. Dem Urteil aus dem Jahr 2010 lässt sich mit keinem Wort entnehmen, dass die Frist bis zum 30.06.2014 gesetzt worden ist, weil das Gericht davon ausging, dass die Beklagte zu 2) spätestens zu diesem Zeitpunkt entsprechend gesundet sein würde, es wurde vielmehr ein Datum ohne weitere Voraussetzungen im Hinblick auf die Gesamtabwägung der Interessen von Vermieter und Mieter gesetzt.

Im Übrigen ist vorliegend auch keine Fortsetzung deswegen gerechtfertigt, weil sich Umstände wesentlich geändert haben.

Die Beklagtenseite hat selbst in der ersten Klageerwiderung ausgeführt, dass „die Härtegründe in unveränderter Form auf Seiten der Beklagten zu 2.“ vorliegen würden. Nach einem Gutachten von ... vom 10.06.2014 sei seit der Begutachtung im Jahr 2009 keine Verbesserung eingetreten und auch in Zukunft trotz ausreichender Therapiemaßnahmen nicht zu erwarten.

Es wird Bezug genommen u.a. auf eine fachärztliche Stellungnahme von ... vom 27.02.2014, indem ebenfalls festgehalten ist, dass sich der Gesundheitszustand der Beklagten zu 2) seit dem „Amtsgerichtlichen Gutachten vom 7.12.2009 von ... nicht verbessert“ hat. „Aufgrund des chronifizierten Beschwerdebildes ist auf absehbare Zeit eine Verbesserung des Gesundheitszustandes“ ... „nicht zu erwarten, obwohl die bisherigen und aktuellen Therapemaßnahmen ausreichend und geeignet waren“.

Gleichbleibende Umstände rechtfertigen aber keine erneute Fortsetzung des Mietverhältnisses. Über § 574 c BGB wollte der Gesetzgeber nicht die Möglichkeit schaffen, eine frühere Entscheidung nachträglich zu korrigieren.

Das Gericht hat vorliegend deswegen nicht zu prüfen, ob das Ergebnis in der damaligen Entscheidung, die rechtskräftig ist, richtig war oder ob das Gericht damals bereits eine insgesamt zeitlich unbefristete Fortsetzung hätte aussprechen müssen.

Soweit sich die Beklagten somit darauf stützen, dass die Beklagte zu 2) sich auf Grund ihrer Depression nach wie vor nicht in der Lage sieht, aus dem von ihr und dem Beklagten zu 1) angemieteten Haus auszuziehen, kann dies dem Räumungsanspruch der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Dass sich diese Depression im Verhältnis zum damaligen Entscheidungszeitpunkt wesentlich verschlimmert hat, haben die Beklagten nicht ausreichend nachvollziehbar vorgetragen. Die Beklagtenseite bestreitet nicht, dass sie – wenn auch eingeschränkt – am gesellschaftlichen Leben und am Straßenverkehr teilnimmt und auch gelegentlich Reisen unternimmt. Auf Nachfrage des Gerichts wurde dies vom Beklagten zu 1) in der Sitzung vom 26.09.2014 bestätigt. Schon damals war diese Erkrankung so massiv, dass Ärzte der Beklagten zu 2) Räumungsunfähigkeit bescheinigten.

Auch, wenn man also die Behauptung der Beklagten als wahr unterstellen würde, dass die Beklagte zu 2) immer noch durch diese Erkrankung sich nicht in der Lage sieht, das angemietete Haus zu räumen, ist damit keine nach § 574 c BGB erforderliche wesentliche Änderung der Umstände eingetreten, die eine erneute Fortsetzung des Mietverhältnisses rechtfertigen würde.

Die Beklagten sind Ende 2002 in das angemietete Haus eingezogen. Ende 2007 erfolgte die Eigenbedarfskündigung durch die Klägerin. Am 30.06.2014 befanden sich die Beklagten somit bereits über 6 Jahre nach der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung auf Grund Härtegründe immer noch in dem der Klägerin gehörenden Haus.

Soweit die Beklagten einwenden, der Eigenbedarf der Klägerin sei von vornherein und noch immer vorgeschoben, ist dies aus zweierlei Gründen nicht zu berücksichtigen:

Zum einen wurde im damaligen Urteil rechtskräftig festgestellt, dass die Eigenbedarfskündigung wirksam ist, da das Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme insoweit von Richtigkeit der klägerischen Behauptung überzeugt war. Eine erneute Überprüfung steht dem Gericht damit auf Grund der bereits vorliegenden rechtskräftigen Entscheidung in vorliegendem Verfahren nicht zu. Über einen Antrag auf Fortsetzung des Mietverhältnisses aus Härtegründen kann nicht rückwirkend eine rechtskräftige Entscheidung korrigiert werden.

Zum anderen muss ein Eigenbedarf der Klägerin derzeit überhaupt nicht mehr vorliegen.

In Rechtssprechung und Literatur ist zwar streitig, bis zu welchem Zeitpunkt der Wegfall des Nutzungswillens zu berücksichtigen ist. Nach herrschender Meinung, die das Gericht teilt, kommt es jedoch lediglich auf den Ablauf der Kündigungsfrist an. Eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nach diesem Zeitpunkt spielt keine Rolle mehr. Andernfalls würde derjenige Mieter, der zu Unrecht den Eigennutzungswillen und Eigennutzungsbedarf des Vermieters im Zeitpunkt der Kündigung und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bestreitet, ungerechtfertigt besser gestellt werden, weil er durch ein langes Gerichtsverfahren auf Grund durchzuführender Beweisaufnahme ungerechtfertigt erreichen könnte, doch noch zu gewinnen, wenn auf Grund des langen Zeit ablaufs der Eigenbedarf weggefallen ist, gegenüber einem Mieter, der von Anfang an rechtstreu der Kündigung innerhalb der Räumungsfrist nachkommt. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass diese Ansicht der herrschenden Meinung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Vorliegend ist die Kündigungsfrist bereits längst abgelaufen. Damit ist es irrelevant, ob die Klägerin derzeit tatsächlich noch einen Eigenbedarf an dem Haus hat.

Letztlich kommt auch keine Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen der behaupteten zusätzlichen Herzerkrankung in Betracht. Bereits nach eigenem Vortrag der Beklagten stehen derzeit keine besonderen Behandlungsmaßnahmen bzgl. der behaupteten Erkrankung an. Zunächst wurde auch nur von ungeklärten Herz-Rhythmus-Störungen gesprochen. Nachdem das Gericht die Rechtsmeinung äußerte, dass nur wesentliche Änderungen der Umstände eine Fortsetzung des Mietverhältnis rechtfertigen, wurde dann weiter ausgeführt, dass auf Grund der Herzerkrankung bei Aufregung ein erhöhtes Herzinfarktrisiko bestehe. Selbst wenn man den Vortrag zu dieser Erkrankung als wahr unterstellen würde, ist aber zu berücksichtigen, dass ein Umzug generell noch kein herzinfarktauslösendes Ereignis darstellt. Anders verhält es sich wohl bei einer zwangsweisen Räumung durch einen Gerichtsvollzieher. Eine solche Räumung können die Beklagten jedoch durch einen freiwilligen Umzug vermeiden. Die Beklagten wussten jedoch seit Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 422 C 22574/08, d.h. seit mehreren Jahren, dass das Mietverhältnis am 30.06.2014 endet. Die Beklagten sind zudem finanziell in der Lage, für ein gemietetes Haus über 3.400 € zu bezahlen. Sie wären sogar auf Grund ihrer guten wirtschaftlichen Verhältnisse bereit gewesen, das Anwesen käuflich zu erwerben. Dies bestätigte der Beklagte zu 1) in der Sitzung vom 26.09.2014 im Rahmen der Überlegungen zu einer gütlichen Beendigung des Verfahrens. Zudem ist unstreitig, dass der Beklagte zu 1) selbst beruflich mit Bauträgergeschäften befasst ist. Auch wenn man in München von einer gespannten Immobiliensituation ausgehen muss, ist bei derartigen Voraussetzungen davon auszugehen, dass die Beklagten ohne größere Schwierigkeiten eine angemessene Ersatzwohnung auch in der Nähe der bisherigen Wohnung finden können, denn die Wohnungsknappheit betrifft weniger die hochpreisigen Immobilien. Die Beklagten tragen ihrerseits auch selbst vor, dass es der Klägerin leicht gelingen würde, ein anderes Haus zu kaufen. Wenn man weiter bedenkt, dass ein Umzug in vorliegendem Fall auch vollständig von dem Beklagten zu 1) selbst, der unter keinerlei gesundheitlichen Einschränkungen leidet, bzw. durch Beauftragung Dritter vorgenommen werden kann, sind mit einem derartigen Umzug keine größeren gesundheitsgefährdenden Aufregungen verbunden.

Zwar tritt bei der Beklagten zu 2) nach deren Vortrag die depressive Erkrankung hinzu, deren Krankheitsbild gerade den Umzug für sie unmöglich machen soll, diese besondere Situation wurde aber bereits bei dem ersten Urteil berücksichtigt und stellt insoweit eben gerade keine wesentliche Änderung im Sinne von § 574 c BGB dar.

Die Beklagten sind daher verpflichtet, das streitgegenständliche Anwesen zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Unter Abwägung aller von den Parteien vorgetragener Umstände war den Beklagten jedoch vorliegend noch eine Räumungsfrist bis Ende Februar 2015 zu gewähren. Dabei hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass zum einen die Beklagten offenbar davon ausgegangen sind, sie könnten eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bereits dann erreichen, wenn die bisherige Erkrankung der Beklagten zu 2) fortbesteht, was aus ihrer Sicht jedenfalls der Fall war, und dass andererseits die Klägerin keine besondere Dringlichkeit ihres Räumungsanspruchs dargetan hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708, 711, 712 ZPO. Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO wurde gewährt im Hinblick auf den nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Vollstreckung im konkreten Fall.

Die Streitwertfestsetzung erging nach § 41 GKG.

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(1) Wird auf Räumung von Wohnraum erkannt, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Der Antrag ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das

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(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.

(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

(3) Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben nach § 573 Abs. 3 angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Wird auf Räumung von Wohnraum erkannt, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Der Antrag ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht. Ist der Antrag bei der Entscheidung übergangen, so gilt § 321; bis zur Entscheidung kann das Gericht auf Antrag die Zwangsvollstreckung wegen des Räumungsanspruchs einstweilen einstellen.

(2) Ist auf künftige Räumung erkannt und über eine Räumungsfrist noch nicht entschieden, so kann dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewährt werden, wenn er spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Urteil zu räumen ist, einen Antrag stellt. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.

(3) Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Der Antrag auf Verlängerung ist spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist zu stellen. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.

(4) Über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3 entscheidet das Gericht erster Instanz, solange die Sache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Gegner zu hören. Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.

(5) Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen. Die Jahresfrist rechnet vom Tage der Rechtskraft des Urteils oder, wenn nach einem Urteil auf künftige Räumung an einem späteren Tage zu räumen ist, von diesem Tage an.

(6) Die sofortige Beschwerde findet statt

1.
gegen Urteile, durch die auf Räumung von Wohnraum erkannt ist, wenn sich das Rechtsmittel lediglich gegen die Versagung, Gewährung oder Bemessung einer Räumungsfrist richtet;
2.
gegen Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden.

(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.

(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

(3) Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben nach § 573 Abs. 3 angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Wird auf Räumung von Wohnraum erkannt, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Der Antrag ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht. Ist der Antrag bei der Entscheidung übergangen, so gilt § 321; bis zur Entscheidung kann das Gericht auf Antrag die Zwangsvollstreckung wegen des Räumungsanspruchs einstweilen einstellen.

(2) Ist auf künftige Räumung erkannt und über eine Räumungsfrist noch nicht entschieden, so kann dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewährt werden, wenn er spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Urteil zu räumen ist, einen Antrag stellt. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.

(3) Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. Der Antrag auf Verlängerung ist spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist zu stellen. §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.

(4) Über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3 entscheidet das Gericht erster Instanz, solange die Sache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Gegner zu hören. Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.

(5) Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen. Die Jahresfrist rechnet vom Tage der Rechtskraft des Urteils oder, wenn nach einem Urteil auf künftige Räumung an einem späteren Tage zu räumen ist, von diesem Tage an.

(6) Die sofortige Beschwerde findet statt

1.
gegen Urteile, durch die auf Räumung von Wohnraum erkannt ist, wenn sich das Rechtsmittel lediglich gegen die Versagung, Gewährung oder Bemessung einer Räumungsfrist richtet;
2.
gegen Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.

(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.

(1) Ist das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig, ist der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung maßgebend. Das Entgelt nach Satz 1 umfasst neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden.

(2) Wird wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, ist ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend, wenn sich nicht nach Absatz 1 ein geringerer Streitwert ergibt. Wird die Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, ist der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend.

(3) Werden der Anspruch auf Räumung von Wohnraum und der Anspruch nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Fortsetzung des Mietverhältnisses über diesen Wohnraum in demselben Prozess verhandelt, werden die Werte nicht zusammengerechnet.

(4) Bei Ansprüchen nach den §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist auch für die Rechtsmittelinstanz der für den ersten Rechtszug maßgebende Wert zugrunde zu legen, sofern nicht die Beschwer geringer ist.

(5) Bei Ansprüchen auf Erhöhung der Miete für Wohnraum ist der Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Miete, bei Feststellung einer Minderung der Miete für Wohnraum der Jahresbetrag der Mietminderung, bei Ansprüchen des Mieters auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung und bei Ansprüchen des Vermieters auf Duldung einer Durchführung von Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung, in Ermangelung dessen einer sonst möglichen Mietminderung durch den Mieter maßgebend. Endet das Mietverhältnis vor Ablauf eines Jahres, ist ein entsprechend niedrigerer Betrag maßgebend.