Amtsgericht München Beschluss, 08. Aug. 2016 - 721 UR III 206/16

08.08.2016

Gericht

Amtsgericht München

Tenor

Das Standesamt München wird angewiesen, die Namensangleichungserklärung der Beteiligten Burcu … vom 11.05.2016 als wirksam entgegenzunehmen.

Gründe

I.

Die Beteiligte Burcu … wurde am … 1983 in Istanbul.Türkei, geboren und besaß zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich die türkische Staatsangehörigkeit. Seitem führt sie den Vornamen „Burcu“.

Mit Wirkung vom 11.02.1999 wurde sie in Deutschland eingebürgert.

Mit Angleichungserklärung vom 11.05.2016 gegenüber dem Standesamt München möchte sie nunmehr die Vornamen „Marlene Burcu“ führen.

Das Standesamt München hat Zweifel, ob es die Angleichungserklärung als wirksam entgegennehmen kann.

II.

Die Zweifelsvorlage des Standesamts München ist gemäß § 49 Abs. 2 PStG zulässig.

Zunächst ist das Standesamt München gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 PStG für die Entgegennahme der Erklärung zuständig.

Es ist auch verpflichtet, die Angleichungserklärung der Beteiligten Burcu … vom 11.05.2016 gemäß Art. 47 Abe. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB als wirksam entgegen zu nehmen.

Die Angleichungserklärung ist an keine Frist gebunden und kann daher daher noch heute vorgenommen werden, obwohl die Einbürgerung und der damit verbundene Statutenwechsel bereits 1999 erfolgt sind (vgl. Münchner Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2015, Art. 47 EGBGB, Randnr. 22; OLG Hamm, StAZ 2014,333).

Das Amtsgericht München hält nunmehr in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 28.07.2010, Az. 722 UR III 45/10; Beschluss vom 03.03.2015, Az. 721 UR III 166/15) die verfahrensgegenständliche Vornamensangleichung für möglich.

Die Beteiligte Burcu … führt bisher einen Vornamen, für den es keine deutschsprachige Form gibt. Daher kann sie gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Halbsatz 2 EGBGB „neue Vornamen annehmen“.

Nach, dem Wortlaut des Gesetzes ("gibt es eine solche Form des Vornamens nicht, so kann sie neue Vornamen annehmen") ist es zunächst zulässig, dass statt eines bisher geführten Vornamens mehrere Vornamen angenommen werden (vgl. Münchner Kommentar, Art. 47 EGBGB, Randnr. 63; Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand 01.05.2013, Art. 47 EGBGB, Randnr.16; AG Marburg, StAZ 2010,210; a.A. Staudinger, BGB, 2013, Art. EGBGB, Randnr.79; Hochwald, StAZ 2010,335 ff.). Dem steht nicht entgegen, dass es keine solche Möglichkeit gibt, wenn der ausländische Vorname gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Halbsatz 1 EGBGB eingedeutscht werden kann. Der Wortlaut von Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Halbsatz 1 EGBGB ist eindeutig und keiner restriktiven Auslegung zugänglich, auch wenn die Vorschrift eine Gestaltungsmöglichkeit eröffnet, die im deutschen Namensrecht sonst nur noch nach § 1 TSG in Betracht kommt.

Ferner muss es sich bei den gewählten Vornamen nicht um in Deutschland übliche Vornamen handeln (vgl. Münchner Kommentar, Art. 47 EGBGB, Randnr.62; sehr weitgehend OLG Bremen, StAZ 2012,18 f.).

Dem Wortlaut lässt sich aber nicht entnehmen, ob der bisher geführte Vorname, für den es keine deutsche Entsprechung gibt, abgelegt werden muss. Der Gesetzgeber hat keine entsprechende sprachliche Klarstellung vorgenommen.

Daher ist entscheidend, wie der Begriff „neue Vornamen“ auszulegen ist.

Bei der Auslegung ist auch der Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Durch die Einführung von Art. 47 EGBGB sollte für alle Fälle, die dem deutschen Namensrecht unterliegen, die Möglichkeit eröffnet werden, eine für das deutsche Namensrecht passende Namensform zu finden (vgl. BT-Drucksache 16/1831). Im Vordergrund stand also eine Erleichterung der Integration.

Ferner sind bei der Auslegung die allgemeinen Grundsätze des deutschen Namensrechts heranzuziehen.

Danach sind die gewünschten Vornamen Marlene Burcu nach Auffassung des Gerichts als „neue Vornamen“ im Sinne des Gesetzes zu verstehen. Durch die Wahl und Voranstellung eines weiteren, typisch deutschen Vornamens wird die Namensführung insgesamt erheblich verändert und eine neue Wirkung erzielt. Auch wenn alle Vornamen gleichberechtigt sind, wird durch die Reihenfolge ihrer Anordnung üblicherweise eine Aussage über ihre Relevanz vermittelt. „Neu“ ist somit auch, wenn Altes darin enthalten ist, aber dessen Anteil - wie hier nicht überwiegt.

Außerdem spricht der das deutsche Namensrecht prägende Grundsatz der Namenskontinuität für eine weite Auslegung der Vorschrift, da durch die Möglichkeit der Beibehaltung eines bisher geführten Vornamens eine bereits entstandene Identität der Person gewahrt wird. Gleichzeitig dient die Wahl eines typisch deutschen Vornamens dem Integrationszweck.

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Referenzen - Gesetze

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Personenstandsgesetz - PStG | § 49 Anweisung durch das Gericht


(1) Lehnt das Standesamt die Vornahme einer Amtshandlung ab, so kann es auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde durch das Gericht dazu angewiesen werden. (2) Das Standesamt kann in Zweifelsfällen auch von sich aus die Entscheidung des G

Transsexuellengesetz - TSG | § 1 Voraussetzungen


(1) Die Vornamen einer Person sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn 1. sie sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet u

Referenzen

(1) Lehnt das Standesamt die Vornahme einer Amtshandlung ab, so kann es auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde durch das Gericht dazu angewiesen werden.

(2) Das Standesamt kann in Zweifelsfällen auch von sich aus die Entscheidung des Gerichts darüber herbeiführen, ob eine Amtshandlung vorzunehmen ist. Für das weitere Verfahren gilt dies als Ablehnung der Amtshandlung.

(1) Die Vornamen einer Person sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn

1.
sie sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben,
2.
mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und
3.
sie
a)
Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist,
b)
als Staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat,
c)
als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im Inland hat oder
d)
als Ausländer, dessen Heimatrecht keine diesem Gesetz vergleichbare Regelung kennt,
aa)
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt oder
bb)
eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich dauerhaft rechtmäßig im Inland aufhält.

(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will.