Amtsgericht Magdeburg Beschluss, 02. Feb. 2016 - 5 Gs 3398/15, 5 Gs 254 Js 39963/15 (3398/15)

ECLI:ECLI:DE:AGMAGDE:2016:0202.5GS3398.15.0A
bei uns veröffentlicht am02.02.2016

Tenor

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Leipzig vom 03.12.2015 gegen o. g. Beschuldigten, Geschäftszeichen 280 ER 10 Gs 4280/15, wird aufgehoben.

Gründe

1

Der Haftbefehl war aufzuheben, da dem Verteidiger trotz Antrag vom 08.12.2015 (Bl. 1389 Bd. III d. A.) bislang keine Akteneinsicht gewährt wurde.

2

Mit Schreiben vom 16.12.2015 hat die Staatsanwaltschaft Leipzig dem Verteidiger mitgeteilt, dass dem Akteneinsichtsgesuch nach Rücklauf der Duplikatsakten, die derzeit versandt sind, f schnellstmöglich entsprochen werde.

3

Der Vorgang u. a. bezüglich des hier Beschuldigten ist von der Staatsanwaltschaft Leipzig an die Staatsanwaltschaft Magdeburg abgegeben und dort am 21.12.2015 übernommen worden.

4

Dem Akteneinsichtsgesuch des Verteidigers ist im Ergebnis (offenbar versehentlich) bis heute nicht entsprochen worden.

5

Mit Schreiben vom 21.01.2016 beantragte der Verteidiger die Durchführung einer Haftprüfung in mündlicher Verhandlung.

6

Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 28.01.2016 wurden die Akten dem Amtsgericht Magdeburg mit einem Antrag zum Haftprüfungstermin übersandt.

7

Akteneinsicht ist bis heute nicht gewährt worden.

8

Der Haftbefehl war daher aufzuheben.

9

Der Grundsatz eines fairen rechtstaatlichen Verfahrens und der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehörs gebietet es, dem Verteidiger eines inhaftierten Beschuldigten Einsicht zumindest in die Aktenbestandteile zu geben, auf welche der Haftbefehl gestützt ist. Zur Gewährung von Akteneinsicht ist im vorbereitenden Verfahren gemäß § 147 Abs. 5 StPO die Staatsanwaltschaft befugt.

10

Aufgrund des oben genannten Grundsatzes kann der Haftbefehl gegen einen Beschuldigten und die einen Haftbefehl aufrechterhaltenden Entscheidungen des Gerichts im Haftprüfungsverfahren nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die dem Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger vorher bekannt waren, so dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf eine gerichtliche Haftentscheidung effektiv einwirken zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.07.1994, NStZ 1994 S. 551 ff.; OLG Köln, NStZ 2002, S. 659).

11

Allein deshalb weil nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft die Akten erst am  von dem  zur Staatsanwaltschaft zurückgelangt sind, kann dem Verteidiger die Akteneinsicht nicht versagt werden. Es wäre vielmehr erforderlich gewesen, auf eine frühere Aktenrücksendung hinzuwirken bzw. Doppelakten zu führen, welche dem Verteidiger zur Verfügung gestellt werden können. Dies ist nicht erfolgt.

12

Mithin war der Haftbefehl aufzuheben.


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Strafprozeßordnung - StPO | § 147 Akteneinsichtsrecht, Besichtigungsrecht; Auskunftsrecht des Beschuldigten


(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. (2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht

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(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

(2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

(3) Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

(4) Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.

(7) (weggefallen)