Amtsgericht Bamberg Beschluss, 14. Sept. 2017 - 23 OWi 708/17

published on 14/09/2017 00:00
Amtsgericht Bamberg Beschluss, 14. Sept. 2017 - 23 OWi 708/17
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Gericht

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Tenor

Gegen den Betroffenen wird Erzwingungshaft in Höhe von 3 Tagen angeordnet.

Gründe

1. Der Betroffene hat weder die mit nachfolgender Entscheidung festgesetzte Geldbuße bezahlt, noch die Zahlungsunfähigkeit dargetan:

Bußgeldbescheid vom

17.02.2016

Bußgeldbehörde

Stadt B.

Az. Bußgeldbehörde

Geldbuße

100,00 EUR

Abzüglich bereits gezahlter Teilbeträge

0,00 EUR

+ Auslagen Antragsteller

28,50 EUR

+ Auslagen Gericht/StA

0,00 EUR

Restliche Geldbuße

100,00 EUR

Gesamte Restforderung

128,50 EUR

Der Betroffene ist darüber belehrt worden, dass Erzwingungshaft angeordnet werden kann, wenn weder die Geldbuße spätestens zwei Wochen nach Rechtskraft an die zuständige Kasse gezahlt, noch der Vollstreckungsbehörde schriftlich oder zur Niederschrift die Zahlungsunfähigkeit dargelegt wird.

2. Weder eine Zahlungsunfähigkeit des Betroffenen i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG noch Umstände, welche seine Zahlungsunfähigkeit ergeben i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 4 OWiG, sind erkennbar. Hieran ändert nach vorzugswürdiger Ansicht nichts, dass nach Erlass und Rechtskraft des gegenständlichen Bußgeldbescheids vom 17.02.2017 mit Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 01.08.2016 über das Vermögen des Betroffenen wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Zahlungsunfähigkeit im Sinne des Ordnungswidrigkeitsrechts bedingt, dass der Betroffene selbst bei Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Geldquellen, Einschränkung seiner Lebenshaltungskosten und unter Anspannung sämtlicher finanzieller Erwerbsobliegenheiten nicht in der Lage ist, die Geldbuße ggf. unter Bewilligung von Zahlungserleichterungen zu zahlen, weil er entweder über keine ausreichenden flüssigen Zahlungsmittel verfügt, er sich diesen Betrag nicht auf andere Weise zu beschaffen vermag - etwa durch Aufnahme von überobligationsmäßiger Arbeit, den Verkauf von unpfändbaren Gegenständen oder sonstige Einschränkung seiner Lebenshaltung - oder ihm die Zahlung aufgrund anderer Umstände nicht mehr zugemutet werden kann LG Potsdam, Beschluss vom 14. September 2006 – 21 Qs 108/06 –, juris, Rn. 5 m.w.N.; Seitz, in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2002, § 96 Rdnr. 13 m.w.N).

Das Gericht teilt in diesem Zusammenhang die verbreitete Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass allein die Durchführung eines Insolvenzbzw. Restschuldbefreiungsverfahrens der Anordnung von Erzwingungshaft gemäß § 96 Abs. 1 OWiG nicht per se entgegensteht. Es ist dem Betroffenen auch während eines Insolvenzbzw. Restschuldbefreiungsverfahrens grundsätzlich zuzumuten, offene Geldbußen - auch solche, die aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens herrühren - aus dem ihm verbleibenden Selbstbehalt bzw. aus seinem freien Vermögen in angemessenen Raten zu begleichen. Dem stehen auch die Vorschriften des Insolvenzrechts nicht entgegen (vgl. zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen unter Bezugnahme auf die dortigen ausführlichen zutreffenden Begründungen LG Deggendorf, Beschluss vom 28. März 2012 – 1 Qs (b) 62/12 –, juris, Rn. 9 ff.; LG Potsdam, Beschluss vom 14. September 2006 – 21 Qs 108/06 –, juris, Rn. 4 ff.; LG Berlin, Beschluss vom 03. Juli 2006 – 505 Qs 54/06 –, juris, Rn. 5 ff.; LG Potsdam, Beschluss vom 12. Januar 2016 – 24 Qs 52/15 –, juris, Rn. 7 ff.; Seitz, in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2002, § 96 Rdnr. 13 m.w.N; Karlsruher Kommentar zum OWiG/Mitsch, 4. Aufl. 2006, OWiG § 96 Rn. 14 m.w.N.; Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, 1. Aufl. 2014; Rn. 498 a.E.; Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl. 2014, § 89 InsO Rn. 5 m.w.N.; Lampe, jurisPR-StrafR 10/2016 Anm. 4., juris).

Erzwingungshaft gem. § 96 Absatz 1 OWiG kann daher auch dann verhängt werden, wenn dem Betroffenen nur unter den Pfändungsbzw. Haftungsgrenzen der §§ 850 bis 852 ZPO, §§ 36, 287 Absatz 2 InsO liegende Einkünfte zur Verfügung stehen. Von Zahlungsunfähigkeit i.S.d. §§ 95 Absatz 2, 96 Absatz Abs. 1 Nrn. 2 und 4 OWiG ist erst dann auszugehen, wenn es dem Betroffenen unmöglich ist, die Geldbuße unter zumutbaren Bedingungen auch aus pfändungs- und insolvenzfreiem Einkommen abzutragen. Dabei bleibt selbst das „soziokulturelle” Existenzminimum nicht völlig unangetastet (dazu zusammenfassend und erhellend Schuster, NZV 2009, 538 ff).

Eine etwaige Zahlungsunfähigkeit gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG hat der Betroffene mithin in jedem Fall auch während eines Insolvenzbzw. Restschuldbefreiungsverfahrens substanziiert vorzutragen und gegebenenfalls nachzuweisen, woran es vorliegend gänzlich fehlt.

Zudem kommt hinzu, dass die gegenständliche Geldbuße i.H.v. 100 EUR nicht exorbitant ist und dass der Betroffene offenkundig trotz laufender Insolvenz über finanzielle Mittel verfügt, in hiesiger Sache einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Warum der Betr. nicht in der Lage sein soll, die gegenständliche überschaubare Geldbuße wenigstens in monatlichen Raten zu begleichen, erhellt demnach nicht im Ansatz.

3. Wichtiger Hinweis: Die Erzwingungshaft kann durch Zahlung der Geldbuße abgewendet werden. Andererseits befreit die Verbüßung der Erzwingungshaft nicht von der Verpflichtung die Geldbuße zu bezahlen.

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(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnun

(1) Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, kann nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i gepfändet werden. (2) Arbeitseinkommen im Sinne dieser Vorschrift sind die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne, Ruhegelder u

Annotations

(1) Nach Ablauf der in § 95 Abs. 1 bestimmten Frist kann das Gericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde oder, wenn ihm selbst die Vollstreckung obliegt, von Amts wegen Erzwingungshaft anordnen, wenn

1.
die Geldbuße oder der bestimmte Teilbetrag einer Geldbuße nicht gezahlt ist,
2.
der Betroffene seine Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan hat (§ 66 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b),
3.
er nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 belehrt ist und
4.
keine Umstände bekannt sind, welche seine Zahlungsunfähigkeit ergeben.

(2) Ergibt sich, daß dem Betroffenen nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, den zu zahlenden Betrag der Geldbuße sofort zu entrichten, so bewilligt das Gericht eine Zahlungserleichterung oder überläßt die Entscheidung darüber der Vollstreckungsbehörde. Eine bereits ergangene Anordnung der Erzwingungshaft wird aufgehoben.

(3) Die Dauer der Erzwingungshaft wegen einer Geldbuße darf sechs Wochen, wegen mehrerer in einer Bußgeldentscheidung festgesetzter Geldbußen drei Monate nicht übersteigen. Sie wird, auch unter Berücksichtigung des zu zahlenden Betrages der Geldbuße, nach Tagen bemessen und kann nachträglich nicht verlängert, jedoch abgekürzt werden. Wegen desselben Betrages darf die Erzwingungshaft nicht wiederholt werden.

(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Verfügungen des Schuldners über Guthaben, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nicht von der Pfändung erfasst wird, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter.

(2) Zur Insolvenzmasse gehören jedoch

1.
die Geschäftsbücher des Schuldners; gesetzliche Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bleiben unberührt;
2.
im Fall einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach § 811 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b und Tiere nach § 811 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b der Zivilprozessordnung; hiervon ausgenommen sind Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, welche in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht.

(3) Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehören nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, daß durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht.

(4) Für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zuständig. Anstelle eines Gläubigers ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt. Für das Eröffnungsverfahren gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 zu stellen. Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Fall des § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorliegt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung nach Satz 3 hat der Schuldner zu versichern.

(2) Dem Antrag ist die Erklärung des Schuldners beizufügen, dass dieser seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30. September 2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre; der Schuldner hat dem Antrag eine entsprechende Abtretungserklärung beizufügen.

(3) Vereinbarungen des Schuldners sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 vereiteln oder beeinträchtigen würden.

(4) Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, sind bis zum Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören.

(1) Nach Ablauf der in § 95 Abs. 1 bestimmten Frist kann das Gericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde oder, wenn ihm selbst die Vollstreckung obliegt, von Amts wegen Erzwingungshaft anordnen, wenn

1.
die Geldbuße oder der bestimmte Teilbetrag einer Geldbuße nicht gezahlt ist,
2.
der Betroffene seine Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan hat (§ 66 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b),
3.
er nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 belehrt ist und
4.
keine Umstände bekannt sind, welche seine Zahlungsunfähigkeit ergeben.

(2) Ergibt sich, daß dem Betroffenen nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, den zu zahlenden Betrag der Geldbuße sofort zu entrichten, so bewilligt das Gericht eine Zahlungserleichterung oder überläßt die Entscheidung darüber der Vollstreckungsbehörde. Eine bereits ergangene Anordnung der Erzwingungshaft wird aufgehoben.

(3) Die Dauer der Erzwingungshaft wegen einer Geldbuße darf sechs Wochen, wegen mehrerer in einer Bußgeldentscheidung festgesetzter Geldbußen drei Monate nicht übersteigen. Sie wird, auch unter Berücksichtigung des zu zahlenden Betrages der Geldbuße, nach Tagen bemessen und kann nachträglich nicht verlängert, jedoch abgekürzt werden. Wegen desselben Betrages darf die Erzwingungshaft nicht wiederholt werden.