Wegweisender BGH-Beschluss: Einflussnahme auf Strafunmündige als Anstiftung statt nur mittelbare Täterschaft

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In einem wegweisenden Beschluss vom 13. September 2023 (Az. 5 StR 200/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine langjährige Kontroverse bezüglich der Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung im Strafrecht geklärt. Der Beschluss, der erst kürzlich veröffentlicht wurde, bezieht sich auf einen Fall, in dem ein Mann versuchte, seinen minderjährigen Neffen dazu zu bewegen, die eigene Mutter im Frauenhaus mit einem Küchenmesser zu töten. Der Bundesgerichtshof sollte entscheiden, ob der minderjährige Angeklagte als mittelbarer Täter oder (versuchter) Anstifter bestraft werden sollte.
Dirk Streifler – Streifler&Kollegen – Rechtsanwälte Berlin
Die Tat: Junge soll Mutter mit Küchenmesser töten
Ende April 2018 holte der Angeklagte den minderjährigen Jungen aus der väterlichen Wohnung ab und fuhr mit ihm in die Kieler Innenstadt. Dort forderte er den Jungen auf, nach der Rückkehr ins Frauenhaus seine Mutter zu töten, indem er abends ein scharfes Messer aus der Küche holen sollte. Der Angeklagte zeigte dem Kind ein Video, in dem ein Mord verübt wurde und machte keine weiteren Vorgaben zur Tat. Diese sollte der Junge "eigenmächtig zu einer von ihm selbst bestimmten Zeit begehen". Der Angeklagte versprach dem Kind Süßigkeiten, die Rückgabe von Spielsachen und den Kauf eines Motorrades als Gegenleistung. Der Junge ging auf das Ansinnen des Angeklagten zum Schein ein, aus Angst, andernfalls seine Mutter nicht wiederzusehen. Der Junge gab scheinbar dem ernsthaften Anliegen des Angeklagten nach, aus Angst, seine Mutter andernfalls nicht wiedersehen zu dürfen. Nach der Aktion brachte der Angeklagte den Jungen zurück in die väterliche Wohnung, ohne später erneut Kontakt aufzunehmen.
Mittelbare Täterschaft oder Anstiftung?
Der Bundesgerichtshof (BGH) musste klären, ob der Angeklagte als mittelbarer Täter eines versuchten Mordfalls angesehen werden kann, weil er das Geschehen durch seinen steuernden Willen beeinflusst hat, oder ob er lediglich als (versuchter) Anstifter betrachtet werden sollte.
Die Vorinstanz verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft. Der Bundesgerichtshof (BGH) kam in seiner für die Veröffentlichung in der BGHSt vorgesehenen Entscheidung zu einem anderen Schluss.
Mittelbare Täterschaft nur, wenn der Täter steuernden Einfluss auf das Tatgeschehen hat
Die dogmatische Frage, ob der Angeklagte als mittelbarer Täter oder (versuchter) Anstifter betrachtet werden sollte, wurde vom BGH umfassend behandelt. Dabei betonte das Gericht, dass eine mittelbare Täterschaft nur dann vorliegt, wenn das Kind ohne Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit handelt. Im vorliegenden Fall verneinte das Gericht die Tatherrschaft des Angeklagten, da dieser keinen steuernden Einfluss auf das weitere Tatgeschehen ausübte und dem Kind die Entscheidung überließ, wann und wie die Tat begangen werden sollte. Nach Ansicht des BGH´s hatte er 11-jährige Junge genug Reife um das Unrecht der Tat einzusehen. So erköärte der Angeklagte dem verängstigten Kind unter anderen, dass er ins Gefägnis müsste, sollte er die Tat selbst ausführen würde.
Damit verpasst der der BGH der bisher in der strafrechtlichen Fachliteratur vertretenen Ansicht, wonach der die Tat veranlassende Hintermann stets als mittelbarer Täter angesehen wird, sofern die angestiftete Person strafunmündig ist, eine Abfuhr. Nach Ansicht des Gericht soll in diesen Fällen eine mittelbare Täterschaft nur dann angenommen werden, wenn das strafunmündige Kind tatsächlich ohne Einsichts- und Steuerungsfähigkeit handelt.
Fazit: Einsicht und Reife sind entscheidende Faktoren
Die Entscheidung des BGH, dass die Einflussnahme auf einen Strafunmündigen auch als Anstiftung bewertet werden kann, klärt eine seit langem umstrittene Frage im Strafrecht. Der Beschluss trägt dazu bei, die rechtliche Einordnung solcher Fälle zu präzisieren und wirft gleichzeitig einen Blick auf die Einsicht und Reife des Kindes als entscheidende Faktoren bei der Beurteilung von Tatherrschaft.
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