Initiativbewerbungen in der Kanzlei: professionell und rechtssicher reagieren

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1. Keine Pflicht zur Reaktion – aber eine Erwartungshaltung
Rechtlich gesehen besteht keine Verpflichtung, auf Initiativbewerbungen zu antworten. Weder das Zivilrecht noch das Arbeitsrecht enthalten eine entsprechende Norm (vgl. §§ 145 ff. BGB, § 611a BGB). Eine Bewerbung stellt noch kein Angebot im juristischen Sinne dar, das einer Annahme oder Ablehnung bedürfte.
Gleichwohl erwarten viele Bewerber:innen zumindest eine kurze Rückmeldung – vor allem im professionellen Umfeld. Gerade kleinere Kanzleien können mit einer höflichen Absage einen bleibenden, positiven Eindruck hinterlassen. Der Aufwand ist gering, die Wirkung oft nachhaltig.
2. Datenschutz: Was bei Bewerberdaten zu beachten ist
Juristisch bedeutsamer als eine etwaige Antwortpflicht ist der Umgang mit personenbezogenen Daten nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Denn Bewerbungen enthalten in der Regel Lebenslauf, Foto, Kontaktdaten und weitere sensible Informationen.
Nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn sie auf einer zulässigen Rechtsgrundlage beruht. In Betracht kommen insbesondere:
- Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO: Datenverarbeitung zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen, etwa bei ernsthaftem Interesse an einer Einstellung.
- Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO: berechtigtes Interesse, z. B. zur Sichtung und Zwischenspeicherung im Bewerberpool.
Liegt kein konkreter Bedarf vor, entfällt die Rechtsgrundlage – und eine Speicherung wäre unzulässig. In diesem Fall sind die Unterlagen unverzüglich zu löschen, sofern keine Aufbewahrungspflichten bestehen.
Tipp: Die Datenschutzkonferenz (DSK) hat 2020 eine „Orientierungshilfe zur Verarbeitung von Bewerberdaten“ veröffentlicht – ein nützliches Dokument für die praktische Umsetzung.
3. AGG-Fallen vermeiden: Vorsicht bei Absagen
Wer Initiativbewerbungen absagt, sollte dies mit Sorgfalt und Neutralität tun. Denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt auch in Bewerbungsverfahren vor Diskriminierung (§§ 1, 7, 15 AGG). Bereits missverständliche oder diskriminierende Formulierungen können Schadensersatzforderungen auslösen.
Empfehlung für die Praxis: Verwenden Sie standardisierte, neutrale Absageschreiben, z. B.:
„Vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr Interesse. Leider können wir Ihnen derzeit keine geeignete Position anbieten.“
Konkrete Ablehnungsgründe sollten vermieden werden – selbst bei offensichtlich unpassenden Bewerbungen.
4. Praxis-Tipps für Kanzleien: Automatisierung und Compliance
Ein strukturierter Bewerbungsprozess hilft, Fehler zu vermeiden und professionell aufzutreten. Folgende Maßnahmen haben sich bewährt:
- Einrichtung einer zentralen E-Mail-Adresse für Bewerbungen (z. B. [email protected])
- Automatisierte Eingangsbestätigung und (bei Bedarf) standardisierte Absagen
- Interne Löschfristen für nicht weiterverfolgte Bewerbungen (z. B. nach 3–6 Monaten)
- Datenschutzhinweise zur Bewerberdatenverarbeitung in der allgemeinen Datenschutzerklärung der Kanzlei
So wird der Bewerbungsprozess rechtssicher, effizient und imagefördernd zugleich.
5. Für Bewerber:innen: So gelingt eine überzeugende Initiativbewerbung
Auch Bewerber:innen können viel dafür tun, dass ihre Initiativbewerbung Wirkung zeigt. Diese Punkte sind entscheidend:
- Individuelle Ansprache: Kein Serienbrief, sondern Bezug zur konkreten Kanzlei
- Klare Motivation: Warum genau hier?
- Greifbarer Mehrwert: Welche Fähigkeiten oder Erfahrungen könnten von Nutzen sein?
- Realistische Erwartungen: Initiativbewerbungen sind kein Selbstläufer – eine gezielte Nachfrage ist manchmal hilfreich
Gerade kleinere Kanzleien schätzen Initiative – sofern sie authentisch und sinnvoll formuliert ist.
FAQ: Häufige Missverständnisse
- Muss ich Bewerbungen speichern oder archivieren?
Nein – wenn kein Verfahren daraus entsteht, ist eine Löschung nach spätestens 6 Monaten (oft früher) geboten.
- Darf ich Bewerbungen für spätere Stellen vormerken?
Nur mit Einwilligung oder bei nachweisbarem berechtigtem Interesse (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO). Eine Speicherung „auf Vorrat“ ist heikel.
- Muss ich eine Absage begründen?
Nein – und es ist meist sogar klüger, dies zu unterlassen, um AGG-Risiken zu vermeiden.
Fazit
Initiativbewerbungen verpflichten rechtlich nicht zur Reaktion – wohl aber zu einem sorgsamen Umgang mit den übermittelten Daten. Für Kanzleien ist ein strukturierter Bewerbungsprozess eine Chance, professionell aufzutreten und juristische Risiken zu minimieren. Und Bewerber:innen sollten gezielt, ehrlich und individuell formulieren – so entstehen manchmal auch ohne Ausschreibung echte Perspektiven.

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