Steuerrecht: Doppelte Haushaltsführung: Eheleute dürfen Familienwohnsitz verlegen

bei uns veröffentlicht am01.03.2009

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Rechtsanwalt für Steuerrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Sind beide Ehegatten berufstätig, können die Kosten für eine doppelte Haushaltsführung zeitlich unbeschränkt als Werbungskosten geltend gemacht werden. Dabei ist die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort des anderen Partners unter Beibehaltung der ursprünglichen Familienwohnung unschädlich.

Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.

Die notwendigen Mehraufwendungen können als Werbungskosten geltend gemacht werden. Hierunter fallen z.B.
  • eine wöchentliche Heimfahrt,
  • Verpflegungsmehraufwand für einen Zeitraum von drei Monaten und
  • Miete für die Zweitwohnung.

In einem aktuell vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall lebte der Mann vor der Hochzeit in seiner Eigentumswohnung am Beschäftigungsort. Die Frau wohnte an einem anderen Ort im Einfamilienhaus und war dort ebenfalls berufstätig. Nach der Heirat machte der Ehemann für drei Jahre Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend und in der Folgezeit seine Ehefrau.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Begründung eines doppelten Haushalts auch dann beruflich veranlasst, wenn Ehegatten vor ihrer Heirat an verschiedenen Orten berufstätig waren, jeweils dort wohnten und nach der Hochzeit eine der beiden Wohnungen zum Familienwohnsitz machen. Zieht der Mann ins Haus der Frau und behält er seine Wohnung am Arbeitsplatz bei, liegt doppelte Haushaltsführung vor. Dann ist es auch unerheblich, wenn das Paar den Familienwohnsitz später in die Räume des Mannes verlegt. Denn die Verlegung des gemeinsamen Hausstandes führt bei berufstätigen Eheleuten nicht zur Beendigung der beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung.

Hinweis: Als notwendige Mehraufwendungen werden in der Regel nur die üblichen Kosten einer Wohnung bis 60 qm Wohnfläche, die nach Lage und Ausstattung dem durchschnittlichen Wohnstandard am jeweiligen Beschäftigungsort entspricht, anerkannt (BFH, VI R 10/07).


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt einen Ausgleich für nach vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand nicht mehr zeitlich ausgleichbare vorgeleistete Unterrichtsstunden (Vorgriffsstunden).

2

Der 1949 geborene Kläger stand als Studienrat im Schuldienst des Landes Schleswig-Holstein. Von August 1999 bis Dezember 2006 leistete er aufgrund einer Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 1999 (Pflichtstundenerlass) über das wöchentliche Pflichtstundensoll hinaus Unterricht im Umfang von jeweils einer halben Unterrichtsstunde. Seit dem 15. Dezember 2006 war der Kläger dauerhaft erkrankt. Mit Ablauf des 30. November 2007 wurde er wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Deshalb konnten die von ihm geleisteten Vorgriffsstunden nicht mehr - wie im Erlass vorgesehen - in den Jahren vor Erreichen der Regelaltersgrenze zeitlich ausgeglichen werden. Einen Ausgleich in Geld schloss der Erlass aus.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm für die nicht zeitlich ausgeglichenen Vorgriffsstunden einen finanziellen Ausgleich zu gewähren. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

4

Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. August 2012 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger durch die Weigerung des Beklagten, ihm einen finanziellen Ausgleich für nicht zeitlich ausgeglichene Vorgriffsstunden zu gewähren, in seinen Rechten verletzt wird. Im Übrigen - soweit der Kläger für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 31. Juli 2007 einen finanziellen Ausgleich begehrt hat - hat es die Klage als unbegründet abgewiesen.

5

Auf die Berufung ausschließlich des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Eine Rechtsverletzung des Klägers liege nicht vor. Die Vorgriffsstundenregelung betreffe lediglich den Teil der Arbeitszeit, den die Lehrkräfte durch Unterricht zu erfüllen haben und lasse die in der Arbeitszeitverordnung geregelte durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Beamten unberührt.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. März 2013 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. August 2012 zurückzuweisen, mit der Maßgabe festzustellen, dass der Kläger durch die Weigerung des Beklagten in seinen Rechten verletzt wird, für die infolge seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht mehr im Wege des zeitlichen Ausgleichs kompensierbaren Vorgriffsstunden eine Regelung über einen angemessenen Ausgleich zu schaffen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

9

Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Schaffung einer angemessenen Ausgleichsregelung für geleistete, aber zeitlich nicht mehr ausgleichbare Vorgriffsstunden verneint.

10

1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Mit ihr kann der wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzte Kläger die Feststellung begehren, die Weigerung des Beklagten, eine Regelung über den angemessenen Ausgleich für die nicht mehr zeitlich gesondert kompensierbaren Vorgriffsstunden zu erlassen, verletze ihn in seinen Rechten. Das einer Klärung zugängliche Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO ist die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Ausgleich für geleistete, aber zeitlich nicht mehr erlassgerecht ausgleichbare Vorgriffsstunden hat und ob der Beklagte dadurch, dass er einen solchen Ausgleich ablehnt, Rechte des Klägers aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541, 542/02 - BVerfGE 115, 81 <95 f.>).

11

Dem auf Feststellung eines Anspruchs auf Normerlass gerichteten Klageantrag steht auch der Gedanke der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) nicht entgegen. Feststellungsklagen gegenüber Leistungsklagen gegen den Staat sind nur dann subsidiär, wenn andernfalls die Sonderregelungen über Fristen und Vorverfahren für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen unterlaufen würden (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 2. Juli 1976 - 7 C 71.75 - BVerwGE 51, 69 <75>, vom 25. Januar 2001 - 2 A 4.00 - Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 39 S. 2 und vom 4. Juli 2002 - 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 S. 3). Dies ist hier nicht der Fall.

12

Wegen der fehlenden normierten Rechtsgrundlage muss sich der Kläger deshalb nicht auf den unsicheren Weg des Verpflichtungsbegehrens verweisen lassen. Denn Normerlass und Zahlung sind jeweils unterschiedliche Rechtsschutzbegehren.

13

Schließlich ist - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch ein der Klärung zugängliches konkretes Rechtsverhältnis des Klägers zu dem materiell-rechtlich verpflichteten Land gegeben. Die Klage richtet sich zwar gegen das Ministerium. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass das Land Schleswig-Holstein gemäß der ihm in § 61 Nr. 3, § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingeräumten Befugnis in § 6 des Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung vom 6. März 1990 (GVOBI. Schl.-H. S. 226, ber. S. 347) bestimmt hat, dass die Klage gegen die Landesbehörde zu richten ist, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Diese Regelung bewirkt, dass die Landesbehörde in passiver Prozessstandschaft für die Körperschaft handelt. Hat ein Land von der Ermächtigung in § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht, kann die Klage nicht gegen den Rechtsträger erhoben werden, obgleich dieser allein Verpflichteter des materiell-rechtlichen Anspruchs ist und daher durch das Urteil ausschließlich der Rechtsträger, nicht aber die beklagte Behörde selbst verpflichtet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1988 - 2 C 62.85 - BVerwGE 80, 127 <128>; Brenner in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 78 Rn. 28).

14

2. Die Revision ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schaffung einer angemessenen Ausgleichsregelung für die von ihm geleisteten, aber zeitlich nicht mehr ausgeglichenen Vorgriffsstunden. Das Land ist verpflichtet, infolge von dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzten Lehrern einen angemessenen Ausgleich für erbrachte, aber nicht mehr ausgeglichene Vorgriffsstunden zu gewähren, um eine gleichheitswidrige Benachteiligung gegenüber den Vergleichsgruppen der Lehrer, die keine Vorgriffsstunden geleistet haben und der Lehrer, die einen vollständigen Zeitausgleich für erbrachte Vorgriffsstunden erhalten haben, zu vermeiden. Daher verletzt das Berufungsurteil Bundesverfassungsrecht, nämlich Art. 3 Abs. 1 GG.

15

Der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es bleibt dem Normgeber überlassen, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Die Ungleichbehandlung von Sachverhalten ist erst dann geboten, wenn eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise ergibt, dass die Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihnen Rechnung getragen werden muss. Dies setzt voraus, dass sich im Hinblick auf die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 - 2 C 50.11 - BVerwGE 149, 244 Rn. 13).

16

Die vorliegend aufgrund des Pflichtstundenerlasses aus dem Jahr 1999 zu beurteilenden Sachverhalte betreffen den bis zum Ende des Schuljahres 2013/2014 reichenden Übergangszeitraum, bis zu dem die Rechtsprechung die Regelung von Pflichtstunden für Lehrer durch Verwaltungsvorschrift unbeanstandet gelassen hat. Seither sind Pflichtstundenzahlen durch Rechtsverordnung auf gesetzlicher Grundlage festzulegen (BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 2 C 23.10 - BVerwGE 144, 93 Rn. 15 f.).

17

Nach dem Pflichtstundenerlass dient die Regelung der Vorgriffsstunden der Deckung eines vorübergehenden Personalmehrbedarfs. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Vorgriffsstunden wegen des späteren zeitlichen Ausgleichs die Regelarbeitszeit für Lehrer nicht erhöhen. Die vorübergehende Erhöhung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl und deren späterer zeitlicher Ausgleich durch die Ermäßigung der Arbeitszeit nach Wegfall des Mehrbedarfs stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Durch die Einführung von Vorgriffsstunden wird die insgesamt gleich bleibende Arbeitszeit langfristig ungleichmäßig verteilt (BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 - 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219 <222 f.>).

18

Der Beklagte hat bewusst einen Ausgleichsmechanismus durch die konkrete Verknüpfung zwischen Vorgriffsstunden und Ausgleichsstunden geschaffen. Zwischen der Vorleistung und dem späteren Ausgleich besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Nach der Verwaltungsvorschrift soll nur derjenige Beamte in den Genuss des Ausgleichs kommen, der zuvor entsprechende Vorleistungen erbracht hat. Die Verpflichtung, Vorgriffsstunden zu leisten, unterliegt einer Altersbegrenzung, die den Zweck hat, die Möglichkeit eines späteren zeitlichen Ausgleichs der geleisteten Vorarbeit sicherzustellen. Im Übrigen sieht die Verwaltungsvorschrift vor, dass der zeitliche Ausgleich nur in dem Umfang erfolgen soll, in dem zuvor Vorgriffsstunden erteilt wurden. Dieser Gedanke kommt in § 8 Abs. 3 zum Ausdruck, der nur einen zeitanteiligen Ausgleich vorgeleisteter Stunden vorsieht. Der Ausgleichsmechanismus funktioniert, wenn der Lehrer die Regelaltersgrenze erreicht. Auch den Fall des Antragsruhestandes etwa bei Altersteilzeit im Blockmodell löst der Mechanismus mit der Verblockung des zeitlichen Ausgleichs der Vorgriffsstunden sachgerecht.

19

Gestört wird der besondere, auf Kompensation ausgerichtete Mechanismus indes, wenn der Ersatz erbrachter Vorgriffsstunden durch Ausgleichsstunden ganz oder teilweise nicht mehr möglich ist, weil die Dienstleistungspflicht des Lehrers ohne vorherigen Ausgleich endet. Dazu kommt es bei der dauernden Dienstunfähigkeit des Lehrers. In diesen Fällen werden die betroffenen Lehrer sowohl gegenüber der Vergleichsgruppe der Lehrer, die keine Vorgriffsstunden geleistet haben, als auch gegenüber denjenigen, die einen vollständigen Zeitausgleich für erbrachte Vorgriffsstunden erhalten haben, ungleich behandelt. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen sachlichen Grund. Der Dienstherr muss sich an der von ihm gewählten Konstruktion festhalten lassen. Das gilt insbesondere dann, wenn dieser Ausgleichsmechanismus aus Gründen scheitert, die der betroffene Beamte nicht zu vertreten hat, hier die vorzeitige Zurruhesetzung infolge dauernder Dienstunfähigkeit. Andernfalls käme es bei dieser Gruppe von Lehrern faktisch zu einer Erhöhung der Pflichtstundenzahl und damit der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht ein Ausgleichsanspruch, den der Beamte durch "Vorarbeit" erdient hat, wenn die Inanspruchnahme der Gegenleistung - hier: der spätere zeitliche Ausgleich - nachträglich unmöglich geworden ist (vgl. zur Altersteilzeit im Blockmodell BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2008 - 2 C 15.07 - Buchholz 237.7 § 78b NWLBG Nr. 2 Rn. 20 sowie zuletzt Beschluss vom 23. April 2015 - 2 B 69.14 - juris Rn. 9, 13).

20

Daraus folgt die Verpflichtung des Dienstherrn, für Lehrer, die den zeitlichen Ausgleich in dem dafür vorgesehenen Zeitraum aus von ihnen nicht zu vertretendem Grund nicht in Anspruch nehmen können, einen angemessenen anderen Ausgleich vorzusehen (BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 - 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219 <227>). Bei derartigen Störungen eines besonderen, vom Dienstherrn gewählten Ausgleichsmechanismus kann aus Art. 3 Abs. 1 GG indes nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf Ausgleich durch finanzielle Entschädigung hergeleitet werden. Vielmehr obliegt dem Dienstherrn zu entscheiden, welche angemessene Ausgleichsmaßnahme an die Stelle des nicht (vollständig) möglichen zeitlichen Ausgleichs in dem dafür vorgesehenen Zeitraum treten soll (BVerwG, Beschluss vom 15. September 2011 - 2 B 33.11 - juris Rn. 7).

21

In welcher Form der Rechtsverletzung abgeholfen wird, steht in der Entscheidungsfreiheit des Beklagten. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Senats kommt etwa der Erlass einer Verordnung und eine (Rechtsfolgen-)Verweisung auf die Landesverordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für schleswig-holsteinische Beamtinnen und Beamte (Mehrarbeitsvergütungsverordnung) vom 8. Juni 2010 (GVOBI. Sch.-H. 2010, 483) in Betracht. Auf die Besoldung als Ausgleichssurrogat kann nicht zurückgegriffen werden, da die Besoldung kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste darstellt, sondern vielmehr die Gegenleistung des Dienstherrn dafür ist, dass sich der Beamte mit voller Hingabe der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet. Sie ist nicht auf den Ausgleich oder die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39 m.w.N.).

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin kann keinen Erfolg haben. Der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

2

Die Klägerin stand als beamtete Grundschullehrerin im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. Mit Wirkung vom 1. August 2008 wechselte sie in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Bis zum Ende des Schuljahres 2004/2005 hatte die Klägerin nach den Vorgaben des Pflichtstundenerlasses des Beklagten über die regelmäßige wöchentliche Pflichtstundenzahl hinaus zusätzlichen Unterricht erteilt (sog. Vorgriffsstunde). Der Pflichtstundenerlass sieht einen zeitlichen Ausgleich der Vorgriffsstunden durch entsprechende Absenkung der Pflichtstundenzahl ab dem Schuljahr 2009/2010 vor. Bei bevorstehender Versetzung zu einem anderen Dienstherrn sollen die geleisteten Vorgriffsstunden in einem kürzeren Zeitraum als dem Erteilungszeitraum durch Dienstbefreiung ausgeglichen werden. Ein Ausgleich in Geld ist ausgeschlossen. Die Klage mit dem Antrag festzustellen, dass die Klägerin durch die Ablehnung eines finanziellen Ausgleichs für die zeitlich nicht mehr ausgleichbaren Vorgriffsstunden in ihren Rechten "aus Art. 3 und 33 GG" verletzt wird, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil heißt es, die beantragte Feststellung komme nicht in Betracht, wenn die Festsetzung der Vorgriffsstunden als Konkretisierung der Arbeitszeit angesehen werde. Unabhängig davon verlange das Gebot der Gleichbehandlung jedenfalls in den Fällen des Dienstherrnwechsels aus persönlichen Gründen nicht, dass eine finanzielle Entschädigung an die Stelle des zeitlichen Ausgleichs trete.

3

Mit der Beschwerde wirft die Klägerin als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob das Land Schleswig-Holstein zur Wahrung der Rechte "aus Art. 3 und Art. 33 GG" verpflichtet ist, auch in den Fällen des Dienstherrnwechsels aus persönlichen Gründen einen finanziellen Ausgleich für die nicht mehr durch Zeitausgleich kompensierbaren Vorgriffsstunden zu gewähren.

4

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18; stRspr).

5

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil über die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden wäre. Denn das Berufungsurteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis als richtig. Der Senat macht daher von der Möglichkeit Gebrauch, die Regelung des § 144 Abs. 4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anzuwenden (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 22. August 1996 - BVerwG 8 B 100.96 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 62 und vom 10. Juni 2009 - BVerwG 2 B 26.09 - juris Rn. 8).

6

Vorgriffsstundenregelungen dienen der Deckung eines vorübergehenden Personalmehrbedarfs, der durch die zwischenzeitliche Steigerung der Schülerzahlen entstanden ist. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass damit wegen des späteren zeitlichen Ausgleichs keine allgemeine Erhöhung der Arbeitszeit für Lehrer verbunden ist. Die vorübergehende Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit der Lehrer (Pflichtstundenzahl) und der zeitliche Ausgleich durch die Ermäßigung der Arbeitszeit nach Wegfall des Mehrbedarfs stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Durch Vorgriffsstundenregelungen wird die insgesamt gleich bleibende Arbeitszeit langfristig ungleichmäßig verteilt (Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219 <222 f.> = Buchholz 237.6 § 80 NdsLBG Nr. 3 S. 4 f.).

7

Daraus folgt die Verpflichtung des Dienstherrn, Lehrern, die den zeitlichen Ausgleich in dem dafür vorgesehenen Zeitraum nicht mehr in Anspruch nehmen können, aus Gründen der Gleichbehandlung einen anderen Ausgleich anzubieten (vgl. Urteil vom 28. November 2002 a.a.O. S. 227 bzw. S. 7 f.). Allerdings liegt auf der Hand, dass bei derartigen Störungen des Austauschverhältnisses aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf Ausgleich durch finanzielle Entschädigung hergeleitet werden kann. Vielmehr obliegt dem Dienstherrn zu entscheiden, welche Ausgleichsmaßnahme an die Stelle des nicht (vollständig) möglichen zeitlichen Ausgleichs in dem dafür vorgesehenen Zeitraum treten soll. So kann der Dienstherr in diesen Fällen den zeitlichen Ausgleich vorziehen und in komprimierter Form gewähren. Ein finanzieller Ausgleich ist dann nur erforderlich, wenn und soweit auch dieser besondere zeitliche Ausgleich nicht in Betracht kommt. Nehmen Lehrer diesen vorrangigen Ausgleich aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht in Anspruch, können sie nicht stattdessen finanzielle Entschädigung verlangen.

8

Der Pflichtstundenerlass des Beklagten sieht einen besonderen zeitlichen Ausgleich vor, wenn wegen des Antragsruhestandes, des Erreichens der Altersgrenze, des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis, der Versetzung zu einem anderen Dienstherrn oder eines Wechsels in Bereiche, in denen die Vorgriffsregelung nicht gilt, ein zeitlicher Ausgleich über einen kürzeren Zeitraum als den Erteilungszeitraum erforderlich wird (sog. Verblockung des zeitlichen Ausgleichs). Nach der vom Beklagten dargelegten Verwaltungspraxis sind Lehrer, die einen Wechsel zu einem anderen Dienstherrn anstreben, gehalten, dies möglichst bis zum 15. November eines Jahres mitzuteilen. Ergeben die Verhandlungen mit dem anderen Dienstherrn, dass ein Wechsel zum neuen Schuljahr in Betracht kommt, so wird der Lehrer im laufenden Schuljahr im Umfang der geleisteten Vorgriffsstunden von seiner Unterrichtsverpflichtung entbunden.

9

Die von der Klägerin geleisteten Vorgriffsstunden hätten vor ihrem Wechsel nach Nordrhein-Westfalen durch Dienstbefreiung ausgeglichen werden können, wenn sie dem Beklagten ihre Wechselabsichten mitgeteilt hätte. Die Klägerin hat diese Möglichkeit des vorgezogenen zeitlichen Ausgleichs aber nicht in Anspruch genommen. Sie hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie sich ab 12. Februar 2008 bis zu ihrem Wechsel in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen zum 1. August 2008 ohne Dienstbezüge hat beurlauben lassen. Aufgrund dessen ist es sachlich gerechtfertigt, ihr eine finanzielle Entschädigung zu versagen, sodass sie durch deren Ausschluss im Pflichtstundenerlass des Beklagten nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wird. Die Frage, ob dieser generelle Ausschluss auch in denjenigen Fällen, in denen der Lehrer die Unmöglichkeit des besonderen zeitlichen Ausgleichs nicht zu vertreten hat, mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, stellt sich im Fall der Klägerin nicht.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.