Internetrecht: Haftung bei ungesichertem WLAN und Tor-Exit-Node
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Rechtslage: Haftung von WLAN-Betreibern
Nach der alten Fassung des TMG konnten Betreiber von Hotspots dafür verantwortlich gemacht werden, wenn Nutzer darüber rechtswidrige Inhalte ins Internet stellen. Mit der am 13.10.2017 in Kraft getretenen Änderung des TMG wurde diese sogenannte Störerhaftung für WLAN-Betreiber überwiegend abgeschafft. Unternehmer und Privatpersonen, die ihr WLAN frei zur Verfügung stellen, haften nicht länger für rechtswidrige Handlungen der Nutzer. Im Ergebnis müssen Inhaber offener Internetanschlüsse nicht länger die Kosten für die Abmahnung bzw. Unterlassung ersetzen. Die Kosten verbleiben beim Rechteinhaber, sofern es nicht gelingt, den tatsächlichen Täter in Anspruch zu nehmen.
Um den Schutz des geistigen Eigentums weiterhin effektiv zu gewährleisten, steht dem Rechteinhaber jedoch gegebenenfalls ein Anspruch auf Sperrung zu, § 7 IV TMG. Der WLAN-Betreiber ist dann verpflichtet, durch technische Maßnahmen den Zugriff auf bestimmte Internetseiten oder –dienste zu verhindern. Eine solche Sperrung kommt allerdings nur in Betracht, wenn sie zumutbar und verhältnismäßig ist und keine andere Möglichkeit besteht, die Rechtsverletzung zu verhindern.
Urteil des BGH zur Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen
In seinem aktuellen Urteil hat der BGH das oben Dargelegte bestätigt. Der Betreiber eines Internetzugangs über WLAN und eines Tor-Exit-Nodes hafte nicht als Störer auf Unterlassung für von Dritten im Wege des Filesharings begangene Urheberrechtsverletzungen. Dem Rechtsinhaber könne jedoch ein Sperranspruch zustehen. Das sei dann der Fall, wenn es um Verletzung von Rechten am geistigen Eigentum geht, für den Rechtsinhaber keine andere Abhilfemöglichkeit besteht und die Sperrung zumutbar und verhältnismäßig ist.
Sachverhalt
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island". Der Beklagte unterhält einen Internetanschluss. Am 06.01.2013 wurde das Programm "Dead Island" über den Internetanschluss des Beklagten in einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die Klägerin mahnte den Beklagten im März 2013 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zuvor hatte die Klägerin den Beklagten zweimal wegen im Jahr 2011 über seinen Internetanschluss begangener, auf andere Werke bezogener Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing anwaltlich abgemahnt. Der Beklagte hat geltend gemacht, selbst keine Rechtsverletzung begangen zu haben. Er betreibe unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und drahtgebunden zwei eingehende Kanäle aus dem Tor-Netzwerk ("Tor-Exit-Nodes"). Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, das Computerspiel oder Teile davon der Öffentlichkeit mittels seines Internetanschlusses über eine Internettauschbörse zur Verfügung zu stellen.
Entscheidung des BGH
Der BGH hat auf die Revision des Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandessgericht zurückverwiesen. Die gegen die Zuerkennung der Abmahnkostenforderung gerichtete Revision hat der BGH zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BGH ist der Beklagte nach dem hierfür maßgeblichen, im Zeitpunkt der Abmahnung geltenden Recht zum Ersatz der Abmahnkosten verpflichtet, weil er als Störer für die Rechtsverletzung Dritter haftet. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, sein WLAN durch den Einsatz des im Kaufzeitpunkt aktuellen Verschlüsselungsstandards sowie eines individuellen Passworts gegen missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu sichern. Für den Fall der privaten Bereitstellung durch den Beklagten habe diese Pflicht ohne Weiteres bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses bestanden. Sofern der Beklagte den Internetzugang über WLAN gewerblich bereitgestellt habe, sei er zu diesen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet gewesen, weil er zuvor bereits darauf hingewiesen worden sei, dass über seinen Internetanschluss im Jahr 2011 Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharings begangen worden seien. Der Annahme einer Störerhaftung stehe es nicht entgegen, dass das im Hinweis benannte Werk nicht mit dem von der erneuten Rechtsverletzung betroffenen Werk identisch sei. Die Haftungsvoraussetzungen lägen ebenfalls vor, wenn die Rechtsverletzung über den vom Beklagten betriebenen Tor-Exit-Node erfolgt sei. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, der ihm bekannten Gefahr von Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing mittels technischer Vorkehrungen entgegenzuwirken. Nach den revisionsrechtlich einwandfreien Feststellungen des Oberlandesgerichts sei die Sperrung von Filesharing-Software technisch möglich und dem Beklagten zumutbar.
Die Verurteilung zur Unterlassung hat der BGH aufgehoben, weil nach der seit dem 13.10.2017 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG der Vermittler eines Internetzugangs nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden könne. Sei eine Handlung im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung nicht mehr rechtswidrig, komme die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.
Gegen die Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. bestünden keine durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken. Zwar seien die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 3 der RL 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der RL 2004/48/EG verpflichtet, zugunsten der Rechtsinhaber die Möglichkeit gerichtlicher Anordnungen gegen Vermittler vorzusehen, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Der deutsche Gesetzgeber habe die Unterlassungshaftung des Zugangsvermittlers in § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. zwar ausgeschlossen, jedoch zugleich in § 7 Abs. 4 TMG n.F. einen auf Sperrung des Zugangs zu Informationen gerichteten Anspruch gegen den Betreiber eines Internetzugangs über WLAN vorgesehen. Diese Vorschrift sei richtlinienkonform dahin fortzubilden, dass der Sperranspruch auch gegenüber den Anbietern drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden könne. Der Anspruch auf Sperrmaßnahmen sei nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt und könne auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder – im äußersten Fall – zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen.
Zur Prüfung der Frage, ob der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Sperrung von Informationen gemäß § 7 Abs. 4 TMG n.F. zustehe, hat der BGH die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
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