Verfassungsrecht: Privilegien für Genesene? - Folgen eines Immunitätsnachweises im Zuge der COVID-19 Pandemie

originally published: 22/05/2020 10:21, updated: 19/10/2022 17:16
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Ist die Idee eines Immunitätsnachweises eine durchdachte politische Lösung für ein drängendes Problem? Oder ist der Nachweis gesellschaftsspaltend, unsozial und sogar verfassungswidrig?
Zurzeit wird in Deutschland im Zuge der COVID-19 Pandemie über die Einführung eines Immunitätsnachweises diskutiert. Im Folgenden wird ein solcher Nachweis kritisch hinterfragt und mögliche gesellschaftliche Folgen dargestellt.

 

Mit Einführung eines Immunitätsdokuments sollen Bürger*innen nachweisen können, dass von ihnen keine Infektionsgefahr ausgeht. 
Die Regelung solle dann für alle Arten von Krankheiten gelten, nicht nur für den Covid-19-Virus. 
Der Nachweis soll den Namen der Krankheit, das Datum der Feststellung der Immunität und ihre voraussichtliche Dauer enthalten, sowie die Testmethode und den Namen des Arztes, der die Immunität festgestellt hat.

Jedoch sollte die Einführung eines solchen Nachweises scharf diskutiert werden

Schließlich besteht die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft in Statusinhaber und Statuslose und somit die Verstärkung sozialer Unterschiede. Denn jeder Status eignet sich als Anlass für Unterscheidungen und daraus folgende Diskriminierungen.
Ein inneres Gefühl des zwangsläufigen Benötigens eines Immunitätsnachweises würde für viele Bürger*innen entstehen. Da sie ohne Immunitätsdokument der Gefahr von konkreten Diskriminierungen im Alltag nicht entgehen könnten. Ein drastisches, aber durchaus mögliches Beispiel wäre etwa eine Einlasskontrolle bei Veranstaltungen. Frei nach dem Motto: „Einlass nur mit Immunitäts-Ausweis!“. Somit wäre ein Immunitätsnachweis eine mittelbare Verpflichtung immun zu werden, um ohne negative Auswirkungen am gesellschaftlichen Leben wie gewohnt teilnehmen zu können.

Impfpflicht in Kitas und Schulen

Auch die neu geltende Impflicht für Kinder in Kitas und Schulen zum Schutz vor hoch ansteckenden Masern wird scharf kritisiert. Und insbesondere unter einem verfassungsrechtlichen Standpunkt infrage gestellt.
Diese Impflicht beinhaltet, dass Eltern nun vor der Aufnahme in Kita oder Schule nachweisen müssen, dass ihre Kinder geimpft sind. Für die Kinder, die schon zur Kita oder zur Schule gehen, muss der Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erfolgen. Kinder ohne Masernimpfung können vom Besuch einer Kita ausgeschlossen werden.
Mehrere Eltern haben beim Bundesverfassungsgericht Eilanträge und Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz zur Masern-Impfpflicht eingereicht. Sie sehen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder, das Erziehungsrecht der Eltern und Gleichheitsgrundsätze verletzt. Die Impfpflicht lasse eine selbstbestimmte Entscheidung auf Basis sachgerechter, unabhängiger und neutraler Informationen nicht mehr zu.

Immunitätsnachweise und Impflichten sollten immer hinterfragt werden! 

Sie bringen zwangsläufig Unterscheidungen und Freiheitseinschränkungen mit sich, welche nicht nur unerheblich in Grundrechte eingreifen. Solche Entwicklungen sollten in einer freiheitlichen Demokratie nicht ohne Weiteres hingenommen werden und genaustens anhand rechtlicher, sozialer und politischer Normen bewertet werden.
Denn jeder Status droht die Gesellschaft noch weiter zu spalten. In Statusinhaber und Statuslose, Immune und potentiell Infizierte. Das soziale Misstrauen würde in einer Zeit wachsen, in der innerer Zusammenhalt essentiell ist, um die Herausforderungen gemeinsam bewältigen zu können.

Die konkreten Pläne für einen Immunitätsausweis im Zuge der COVID-19 Pandemie sind vorerst gestoppt. 
Wir werden die weiteren Entwicklungen diesbezüglich selbstverständlich mit Besonnenheit beobachten und Sie über neuste Entwicklungen informieren.

 

Haben Sie Fragen zum Thema Verfassungsrecht oder zu konkreten Rechten im Zuge der COVID-19 Maßnahmen? Nehmen Sie Kontakt zu den Rechtsanwälten bei Streifler & Kollegen auf und lassen sich fachkundig beraten.

 

 

 

[S.F.]

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28/05/2020 11:06

Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 06.07.2010 die Entscheidung des EuGH im sog. „Mangold“-Fall bestätigt und die, ihr zugrundeliegende, Verfassungsbeschwerde verworfen. Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das BVerfG setzt einen hinreichend qualifizierten Kompetenzverstoß der europäischen Organe voraus. Dieser ist gegeben, wenn das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist. Weiterhin muss der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedsstaaten und Union im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzgebung erheblich ins Gewicht fallen. Das BVerfG ist demnach nur berechtigt schwerwiegende Verstöße zu überprüfen. Es wird angehalten vor der Annahme eines Ultra-vires Akts den EuGH anzurufen. Das Schaffen eines Verbots der Altersdiskriminierung durch den EuGH stellt weiterhin keinen ausbrechenden Rechtsakt dar. Der EuGH habe mit seiner Entscheidung lediglich eine neue Fallgruppe geschaffen, wie Rechtsnormen behandelt werden, welche richtlinienwidrig erlassen wurden. Streifler & Kollegen - Rechtsanwälte - Anwalt für Verfassungsrecht
18/04/2021 20:02

Der Mietendeckel wurde gekippt. Darüber entschied das Bundesverfassungsgericht am 15. April 2021. Letztlich entschied er aber nicht über den Inhalt der von der rot-grünen Landesregierung getroffenen Regelungen, sondern stellte klar, dass das Land Berlin in der Sache nicht zuständig sei. In Ermangelung der Gesetzgebungskompetenz Berlins sei der Mietendeckel verfassungswidrig – Streifler & Kollegen, Anwalt für Zivilrecht.
24/09/2020 16:50

Ein Schaufensterbild, das mit der Aufschrift „Asylanten müssen draußen bleiben“ inklusive dem Bild eines Hundes aufgestellt wird, ist wegen Volksverhetzung strafbar. Ein solches Bild setzt die Asylanten als Bevölkerungsgruppe mit Hunden als Tiere, die wegen Ihrer Unreinlichkeit Läden nicht betreten dürfen, auf dieselbe Stufe. Das Wort „Hunde“ mit „Asylanten“ zu ersetzen sei nach Ansicht des AG Wunsiedel eine böswillige Herabwürdigung – Streifler & Kollegen, Anwalt für Strafrecht
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