Familienrecht: ausländische Scheidung
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I. Allgemeines
Eine Gerichtsentscheidung und vergleichbare Staatsakte entfalten nach den allgemeinen Grundsätzen des Staats- und Völkerrechtsunmittelbare verfahrens- und materiell- rechtliche Wirkungen grundsätzlich nur im Gebiet des Staates, in dem sie erlassen worden sind. Sollen die Wirkungen der Entscheidungen auch in einem anderen Staat eintreten, z.B. in Deutschland, so bedarf es insofern der Anerkennung der Entscheidung durch diesen Staat, hier also Deutschland. Dabei steht jedem Staat es frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er ausländische Urteile und Hoheitsakte anerkennt.
Unter Anerkennung wird verstanden, dass mittels dessen die Wirkungen eines ausländischen Urteils auf das Inland erstreckt wird. Der Umfang der Wirkungserstreckung sowie das Verfahren zur Anerkennung bestimmen sich nach den Staatsverträgen, also nach den zwischenstaatlichen Vereinbarungen zwischen dem jeweiligen Urteils - (Erststaat) und dem Anerkennungsstaat
(Zweitstaat). Die Anerkennung staatlicher Entscheidungen richtet sich nach völlkerrechtlichen Verträgen, soweit die Bundesrepublik Deutschland diesem beigetreten ist oder nach § 328 ZPO. Liegen die Versagungsgründe des § 328 ZPO nicht vor, so wird das Urteil anerkannt. Ausgenommen hiervon ist die Vollstreckungswirkung der ausländischen Entscheidung. Deren Erstreckung auf das Inland hängt von einem nach § 722 ZPO zu erlassenden Vollstreckungsurteil.
Völkerrechtliche Verträgegehen nach dem Günstigkeitsprinzip dem innerstaatlichen Recht vor, wenn sie erleichterte Voraussetzungen der Anerkennung enthalten. Allerdings erlaubt das Günstigkeitsprinzip nicht, einzelne Bestimmungen der völkerrechtlichen Verträge mit Regelungen der ZPO zu kombinieren. Vielmehr müssen alle Voraussetzungen des einen oder des anderen Systems für die Anerkennung vorliegen. Wichtig ist zudem, dass nur solche Entscheidungen anerkennungsfähig sind, die nach dem Recht des Erststaates wirksam geworden sind.
II. Ausländisches Scheidungsurteil
Die Scheidung bzw. die Lösung des Ehebandes ist somit zunächst nur in dem Staat wirksam, in dem sie vorgenommen wurde. Eine im Ausland gelö¶ste Ehe gilt folglich im deutschen Rechtsgebiet als bestehend ( sog. hinkende Ehe ) bis die Scheidung förmlich anerkannt wird. Vor Anerkennung wird eine im Ausland geschiedene Person in deutschen Personenstandsbüchern noch als verheiratet geführt.
1. Scheidungsurteil eines EU Mitgliedstaates
Bei der Frage der Anerkennung ausländischer Scheidungsurteil sind zwischen Scheidungsurteile der EU Mitgliedstaaten und der Nicht EU Staates zu differenzieren.
Die Anerkennung von Urteilen in Ehesachen eines EU Mitgliedstaates richtet sich nach Art. 21 I VO ( EG ) Nr.2201/2003. Hiernach werden Scheidungsurteil, die in einem Mitgliedstaat ergangen und rechtskräftig geworden sind, in allen Mitgliedsstaaten in der Regel ohne weitere Nachprüung anerkannt. Die Anerkennung setzt kein förmliches Anerkennungsverfahren im Inland voraus, sie sind automatisch anzuerkennen.
2. Scheidungsurteil eines Nicht -EU Mitgliedstaates
Die Anerkennung von derartigen Entscheidungen richtet sich materiell-rechtlich nach §§ 328,606 II ZPO, das Verfahren nach Art.7 § 1 Familienrechtsänderungsgesetzes.
Zuständig für die Anerkennung ist in der Regel die Landesjustizverwaltung des Bundeslandes, in dem ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat keines der früheren Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so ist der Antrag bei der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin zu stellen.
Die Entscheidung erfolgt nur auf Antrag. Das Anerkennungsverfahren ist dabei gebührenpflichtig.
Die Feststellung der Anerkennung wie aber auch der Nichtanerkennung der Landesjustizverwaltung bindet alle Gerichte und Behörden in Deutschland. Mit Anerkennung der ausländischen Scheidungsurteil gilt die Ehe auch für den deutschen Rechtsbereich rückwirkend, also auf den Zeitpunkt der ausländischen Lösung des Ehebandes als geschieden. Zu beachten hierbei ist, dass sich die Entscheidungen der Landesjustizverwaltung ausschließlich auf die Lösung des Ehebandes erstreckt. Regelungen zu den Folgen der Scheidung in der ausländischen Entscheidung wie etwa die Regelung über den Unterhalt oder Sorgerecht werden hiervon nicht berührt. Besteht in diesen Fragen noch Regelungsbedarf oder Streit, so sind die Zivilgerichte hierzu zuständig.
Gegen den behördlichen Feststellungsbescheid der Landesjustizverwaltung kann ein Antrag auf gerichtliche Überprüfung bei dem örtlich zuständigen Oberlandesgericht gestellt werden.
3. Anerkennungsvoraussetzungen nach § 328 ZPO
Da die Aufführung völkerrechtlicher Verträge den Rahmen dieser Darstellung sprengen würde, wird in kürzer auf die Voraussetzungen des autonomen Kollisionsrecht des §§ 328, 606 a ZPO eingegangen:
Versagungsgründe des § 328 ZPO
a) Gem. §§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO muss die internationale Zuständigkeit des Scheidungsgerichts bzw. der Scheidungsbehörde gegeben sein.
b)Dem Antragsgegner muss im ausländischen Verfahren rechtliches Gehör gewährt worden sein.
c) Eine anderweitige frühere Scheidung oder früher rechtshängig gewordenes Scheidungsverfahren darf nicht vorliegen.
d) Schließlich darf die Anerkennung nicht dazu führen, dass hierdurch gegen deutschen order public verstoßen wird. Die Anerkennung darf also nicht zu dem Ergebnis führen, dass sie mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts nicht vereinbar wäre.
Problematisch sind die Anerkennung sog. Privatentscheidungen im Ausland. Diese sind als privatrechtlicher Vorgang zu qualifizieren, so dass sich die Anerkennungsvoraussetzungen nicht nach § 328 ZPO, sondern nach Art. 17 i.V.m. Art. 14 Einführungsgesetzt zum Bürgerlichen Gesetzbuch ( EGBGB ) richten.
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(1) Die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen:
- 1.
wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind; - 2.
wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte; - 3.
wenn das Urteil mit einem hier erlassenen oder einem anzuerkennenden früheren ausländischen Urteil oder wenn das ihm zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist; - 4.
wenn die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist; - 5.
wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.
(2) Die Vorschrift der Nummer 5 steht der Anerkennung des Urteils nicht entgegen, wenn das Urteil einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch betrifft und nach den deutschen Gesetzen ein Gerichtsstand im Inland nicht begründet war.