Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Mai 2016 - W 3 S 16.30590

published on 30.05.2016 00:00
Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Mai 2016 - W 3 S 16.30590
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Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Mai 2016 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller, nach eigenen Angaben äthiopischer Staatsangehöriger, meldete sich am 29. November 2013 in Zirndorf als asylsuchend. Bei seiner vorbereitenden Befragung gab er an, er sei am 27. November 2013 mit einem Direktflug von Addis Abeba nach Frankfurt geflogen.

Der Antragsteller wurde am 20. Januar 2016 in der Außenstelle Zirndorf des Bundesamtes zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinen Asylgründen angehört. Er gab im Wesentlichen an, er sei wegen politischer Probleme aus Äthiopien ausgereist. Er sei von der Regierung in Äthiopien massiv unterdrückt worden. Er sei einen Monat inhaftiert gewesen und verfolgt worden. Nach seiner Freilassung aus der Haft habe er sich bedroht und verfolgt gefühlt und sei deshalb ausgereist.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab. Der Antrag auf subsidiären Schutz wurde abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Äthiopien aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. Auf die Gründe des Bescheides wird Bezug genommen.

Am 19. Mai 2016 ließ der Antragsteller Klage erheben (Nr. W 3 K 16.30589). Am gleichen Tag ließ er beantragen,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Mai 2016 anzuordnen.

Auf die Antragsbegründung wird Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG (i. d. F. v. 20.10.2015) gestellt.

Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 30 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Bei dieser Prüfung hat das Verwaltungsgericht die Einschätzung des Bundesamts, dass der geltend gemachte Asylanspruch offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Bezugspunkt der Wahrscheinlichkeitsprognose ist nicht der Erfolg in der Hauptsache. Es geht allein um die Frage, ob die Feststellung, dass der Antrag offensichtlich unbegründet ist, wahrscheinlich einer Prüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 36 Rn. 43).

Vorliegend bestehen derartige ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil und an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung des Bundesamtes. Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag gemäß § 30 Abs. 1 AsylG, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn nach vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes vernünftigerweise kein Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 21.2.1992 - 2 BvR 1477/90; B. v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - beide: juris). Dabei ist es nicht möglich, abstrakte Anforderungen an die Evidenzentscheidung zu bestimmen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles, vorwiegend die Tatsachenfeststellung und Tatsachenwürdigung.

Vorliegend werden die Zweifel an dem Vorbringen des Antragstellers hauptsächlich damit begründet, dass die Angaben zu seiner Ausreise nicht glaubhaft sind. Dabei wird einerseits bezweifelt, dass der Antragsteller überhaupt auf dem Luftweg aus Äthiopien ausgereist ist. Andererseits wird aber ausgeführt, der Antragsteller habe offensichtlich keine Verfolgungsfurcht gehabt, weil die Ausreise mit einem gefälschten Reisepass auf seine eigenen Personalien (- obwohl der Antragsteller dies nie behauptet hat) über den gut kontrollierten Flughafen zeige, dass der Antragsteller keine Verfolgungsfurcht gehegt habe. Auch wird das Vorbringen des Antragstellers zu seiner Inhaftierung als substanzlos bezeichnet. Es ist also offensichtlich, dass der Entscheider davon ausgegangen ist, dass die Angaben des Antragstellers nicht glaubhaft sind.

Vorliegend wurde eine verfahrensrechtliche Trennung zwischen der Anhörung (Außenstelle Zirndorf) und der Entscheidung (Außenstelle Frankfurt) vorgenommen. Zwar existiert kein gesetzliches Erfordernis, dass der Anhörer und der Entscheider in einem Asylverfahren identisch sein müssen. Dennoch muss sich der zur Entscheidung über den Asylantrag Berufene aufgrund des Umstandes, dass die Art der Einlassung des Asylsuchenden, seine Persönlichkeit und insbesondere seine Glaubwürdigkeit eine maßgebliche Rolle bei der Würdigung und Prüfung seines Vorbringens spielen, darüber klar werden, ob er dem Asylsuchenden glaubt. Aufgrund dieses subjektiven Einschlags des Asylverfahrens beruht die Entscheidung ganz wesentlich auf einer Glaubwürdigkeitsprüfung. Eine solche Glaubwürdigkeitsprüfung ist aber zur Überzeugung des Gerichts nicht durch einen Entscheider möglich, der sich nicht auch in der Anhörung einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers verschafft hat (vgl. VG München, B. v. 17.11.1995 - M 21 S 95.60469 -; BayVGH, U. v. 23.7.1997 - 24 B 96.32748 -; VG Düsseldorf, U. v. 13.12.2001 - 23 K 714/97.A - alle: juris).

Auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG lässt sich die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet nicht stützen. Danach ist ein einfach unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Hiermit soll wie in den anderen in § 30 Abs. 3 AsylG geregelten Fällen ein Missbrauchstatbestand sanktioniert werden (vgl. BVerwG, U. v. 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris). Das Asylverfahren muss in wesentlichen Punkten so unsubstantiiert und widersprüchlich sein, das die Berufung auf das Asylgrundrecht sich als rechtsmissbräuchlich darstellt. Hiervon kann im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen nicht die Rede sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche. (2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Ent

(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. (2) Ein Asylantrag ist

Annotations

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen.

(2) Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.

(3) Ein unbegründeter Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn

1.
in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird,
2.
der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert,
3.
er unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat,
4.
er den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen,
5.
er seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich,
6.
er nach §§ 53, 54 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausgewiesen ist oder
7.
er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.

(4) Ein Asylantrag ist ferner als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 vorliegen oder wenn das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.

(5) Ein beim Bundesamt gestellter Antrag ist auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn es sich nach seinem Inhalt nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 handelt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.