Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 24. Jan. 2017 - RO 5 S 16.1833
Gericht
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500.- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine behördliche Anordnung im Vollzug des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG).
Die Antragstellerin betreibt in 1... ein Seniorenzentrum, welches am
Das Gesundheitsamt im Landratsamt ... führte hierzu in einem hausinternen Bericht aus: „Die Dienstkleidung wird trotz wiederholter anderslautender Empfehlung nach wie vor von den Mitarbeitern mit nach Hause genommen und dort gewaschen. Es besteht für die Einrichtung keine Möglichkeit zu kontrollieren, ob die Vorgaben zur Wäsche zu Hause eingehalten werden. Beratung: Personal in Pflegeeinrichtungen sollte Arbeitskleidung tragen, die vom Arbeitgeber desinfizierend in der Wäscherei gewaschen wird. Bei Verschmutzung muss die Möglichkeit bestehen, die Arbeitskleidung sofort zu wechseln. Bei konkreter Kontaminationsgefahr muss zusätzlich Schutzkleidung getragen werden. Schutzkleidung und potentiell kontaminierte Arbeitskleidung darf nicht privat gewaschen werden. Es wird auf die TRBA 250 4.2.6 und 4.2.7 sowie auf die Empfehlungen der DGKH ‚Kleidung und Schutzausrüstung für Pflegeberufe aus hygienischer Sicht‘ aus dem Jahr 2008 verwiesen.“
Der schriftliche Prüfbericht wurde am
Der schriftliche Prüfbericht vom
Am
In den Prüfberichten vom
Mit Schreiben vom
Die Amtsärztin nahm telefonisch intern wie folgt Stellung (vgl. Bl. 137 der Behördenakte): Eine Kontamination an der Arbeitskleidung sei in Pflegeberufen oft nicht sichtbar, aber gleichwohl vorhanden. Es sei davon auszugehen, dass Arbeitskleidung trotz des Tragens von Schutzkleidung oft kontaminiert und diese Kontamination nicht sichtbar sei. Die Antragstellerin habe sicherzustellen, dass alle Leistungen nach dem allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse erbracht würden. Hierunter falle auch zwingend, dass die fach- und sachgerechte Aufbereitung der Dienstkleidung über den Arbeitgeber erfolge und nicht zu Hause von den Mitarbeitern gewaschen werde.
Am
1) Für das ... Seniorenzentrum 1..., ..., ... 1... wird angeordnet, dass alle notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, um die Kleidung, die das Pflege- und Reinigungspersonal während der Tätigkeit in der Einrichtung trägt (Arbeits-/Dienstkleidung), in der Einrichtung abgeworfen werden kann und unmittelbar einer nachweislich fach- und sachgerechten Aufbereitung zugeführt wird.
2) Es wird eine Frist bis
3) Die Umsetzung hat unverzüglich zu erfolgen.
4a) Für den Fall, dass die in Nummer 1) genannte Pflicht nicht bis zu den jeweils angeführten Fristen erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld zur Zahlung fällig und eingezogen. Das Zwangsgeld beträgt für diesen Fall 2.000.- EUR.
4b) Ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 2.000.- EUR wird für jeden Kalendermonat der Nichterfüllung der unter Punkt 1) genannten Pflicht fällig.
5) Die Kosten dieses Verfahrens tragen Sie als Träger des ... Seniorenzentrums 1..., ..., ... 1.... Die Gebühr für diesen Bescheid wird auf 300.-- EUR festgesetzt, als Auslagen werden 4,10 EUR erhoben.
In den Gründen wird insbesondere ausgeführt, dass die Antragstellerin als Trägerin der Einrichtung für die Einhaltung der Qualitätsstandards verantwortlich sei (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG). Die Interessen der Bewohner müssten vor Beeinträchtigungen geschützt (Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 PfleWoqG) und die Leistungen nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse erbracht werden (Art. 3 Abs. 2 Nr. 3 PfleWoqG). Ein ausreichender und dem Konzept der stationären Einrichtung angepasster Schutz der Bewohner vor Infektionen müsse gewährleistet sein. Die Beschäftigten hätten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene einzuhalten (Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG). Die Qualitätsanforderungen nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG seien nicht erfüllt, deshalb sei eine Anordnung nach Art. 13 PfleWoqG erforderlich. Durch Schutzmaßnahmen seien Infektionsrisiken zu vermeiden. Mitentscheidend für den Umfang der Schutzmaßnahmen sei, mit welchen Erregern das Personal bei der Pflege konfrontiert sein kann und wie sich die Übertragungswege gestalten können. Bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen (z. B. durch Einatmen, Haut-/Schleimkontakt usw.) bestehe eine hohe Kontaminierungsgefahr dafür, dass jede Art von Arbeitskleidung kontaminiert sein kann. Wegen dieser Kontaminationsgefahr müsse die im Dienst getragene Kleidung spätestens vor Verlassen der Einrichtung abgeworfen werden können und sei wie jede Schutzkleidung durch den Arbeitgeber oder einen Beauftragten desinfizierend zu reinigen. Arbeitskleidung sei oft auch in nicht sichtbarer Weise kontaminiert, obwohl Schutzkleidung getragen werde. Hingewiesen werde auf die TRBA 250 und die BGR 208, welche zwar vorrangig dem Arbeitsschutz dienen, aber unmittelbare Auswirkung auf die Bewohner bei der Pflege haben würden.
Gegen diesen am
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde vom Landratsamt ... am 8. November 2016 abgelehnt, weil es dies nicht könne. Es sei eine einstweilige Anordnung bei Gericht zu beantragen.
Am
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Rechtsgrundlage existiere, welche dezidiert die Forderung stelle, dass Berufskleidung in Pflegeberufen nicht zu Hause gewaschen werde dürfe.
Die TRBA 250 beziehe sich vorwiegend auf sichere Arbeitsmittel. Ein Umgang mit Biostoffen finde in der Einrichtung nicht statt. Auch angesprochene andere Regelwerke seien Arbeitsschutzvorschriften, welche dem Gesundheitsschutz der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer dienen sollen. Sie seien aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen nicht geeignet, die unbestimmten Rechtsbegriffe in Art. 3 PfleWoqG zu konkretisieren. Die Anordnung sei unverhältnismäßig. Da keine hygienischen Mängel festgestellt worden seien, mangele es bereits an einer abstrakten Gefahr.
Das Seniorenzentrum in 1... sei eine Einrichtung, in der den Bewohnern gegenüber pflegerische Leistungen erbracht würden. Eine Pflegeeinrichtung könne nicht mit einer Seniorenwohneinrichtung im Sinne der DKHG-Empfehlungen gleichgesetzt werden. Es gebe Richtlinien der Antragstellerin für das Waschen der Arbeitskleidung. Auch in den regelmäßigen Gefährdungsbeurteilungen werde das selbstständige Waschen der Dienstkleidung durch die Mitarbeiter zu Hause als ausreichend erachtet.
Der Antragsgegner habe zudem kein Ermessen ausgeübt.
Bei der Einrichtung handle es sich um eine Wohnstätte für ältere Menschen, in der für diese auch Pflegeleistungen erbracht würden. In dieser Einrichtung würde nicht eine Vielzahl an erkrankten und multimorbid erkrankten Personen leben. Aus dem gesetzlich vorgegebenen Anwendungsbereich des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes ergebe sich dies nicht. Zur Beurteilung des allgemein anerkannten Standes der hygienischen Erkenntnisse könne auf einschlägige Veröffentlichungen zurückgegriffen werden. Die führenden Institutionen würden sich primär mit der Krankenhaushygiene beschäftigen. Vergleichbare Veröffentlichungen ausschließlich für die Altenpflege gebe es nicht. Es sei jedoch die Gefährdungslage bei der Versorgung kranker Menschen von der bei der Versorgung lediglich alter Menschen zu unterscheiden. Die Gleichstellung von „Grünen Damen und Herren“ in den Operations- und Intensivbereichen von Krankenhäusern mit Pflegekräften in Krankenhäusern und Pflegekräften in Seniorenwohneinrichtungen sei nicht sachgerecht. Die Bewohner in einer Seniorenwohneinrichtung seien nicht per se erkrankt. Daher sei das Tragen normaler Arbeitskleidung, die zuhause gewaschen werde, ausreichend. Die Annahme, dass Arbeitskleidung mikrobiologisch kontaminiert sei, treffe in der Patientenversorgung zu, könne jedoch nicht auf den Umgang mit alten Menschen übertragen werden. Die Gefahrenlage wäre eine andere, wenn es sich bei den Bewohnern in 1... primär um Erkrankte handeln würde. Im Sinne der Veröffentlichung vom Juli 2016 unterfalle die Einrichtung in 1... einem Arbeitsbereich ohne besondere Hygieneanforderungen. Der Begriff Pflegeeinrichtung sei auf die Seniorenwohnanlage in 1... nicht eins zu eins übertragbar.
Vorgelegt wurde die für das Seniorenzentrum 1... geltende interne Richtlinie „Personalhygiene und Dienstkleidung“
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom
Hilfsweise: Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO untersagt, gegen die Antragstellerin Zwangsmaßnahmen, insbesondere in Form eines Zwangsgeldes, zu verhängen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsgegner nahm im Schriftsatz vom
Das Seniorenzentrum 1... stelle eine stationäre Einrichtung im Sinne des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes dar und zwar eine stationäre Einrichtung für pflegebedürftige Menschen. Am
Unerlässlich sei ein effektiver Schutz vor Infektionen. Arbeitskleidung sei in einem nachgewiesenen wirksamen desinfizierenden Waschverfahren aufzubereiten. Eine Haushaltswaschmaschine sei hierzu nicht geeignet. Dies ergebe sich aus neueren fachlichen Einschätzungen. Ein Abweichen von diesen Einschätzungen impliziere eine Gefährdung des Wohls der Bewohner.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behörden- und der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Anordnung nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG (vgl. Art. 13 Abs. 5 PfleWoqG) und die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung (vgl. Art. 21 a VwZVG) anzuordnen, ist zulässig und begründet.
Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht die wechselseitigen Interessen abzuwägen. Maßgeblichen Einfluss auf die Interessenabwägung des Gerichts haben die Erfolgsaussichten eines eingelegten Rechtsbehelfs, welche summarisch zu prüfen sind. Im konkreten Fall sieht sich das Gericht nicht in der Lage, eine eindeutige Aussage zu den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gegen den angefochtenen Bescheid in einem Hauptsacheverfahren zu machen, weil im noch laufenden Widerspruchsverfahren noch zugunsten des Antragsgegners nachgebessert werden kann.
a) Rechtsgrundlage der Anordnung in Nr. 1 des Bescheids ist Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde unter bestimmten Voraussetzungen Anordnungen gegenüber einem Einrichtungsträger erlassen. Anordnungen sind folglich nach pflichtgemäßem Ermessen zu erlassen. Insoweit ist die gerichtliche Kontrolle nach § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt möglich.
Ausgangspunkt der behördlichen Anordnung ist die amtsärztliche Aussage, dass das Waschen der Arbeitskleidung durch die jeweiligen Mitarbeiter in Eigenverantwortung eine Abweichung von den Anforderungen des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes, d. h. nach der Legaldefinition in Art. 12 Abs. 2 Satz 1 PfleWoqG einen Mangel, darstelle. Ein derartiger Mangel kann sich bei einer Abweichung von den in Art. 3 PfleWoqG genannten Anforderungen ergeben. Vom Antragsgegner werden im angefochtenen Bescheid ausdrücklich die Nummern 1, 3 und 5 des Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG benannt. Zur Nr. 1 finden sich keine weiteren Erläuterungen. Das Gericht sieht daher auch keinen Anlass, näher auf die Voraussetzungen der Nr. 1 einzugehen. Die Erwähnung der Nr. 3 beruht wohl auf der Aussage der Amtsärztin in ihrer telefonischen Stellungnahme. Auch speziell zur Nr. 3 machte der Antragsgegner keine erläuternden Angaben. Dessen Begründung bezieht sich vom Inhalt her schwerpunktmäßig auf die Nr. 5. Es geht darum, dass der Träger und die Leitung einer stationären Einrichtung sicherzustellen haben, dass ein ausreichender und dem Konzept der stationären Einrichtung angepasster Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gewährleistet wird und von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden. Zielrichtung der behördlichen Anordnung ist die Vermeidung eines Infektionsrisikos für die Bewohner der Einrichtung durch mit Erregern sichtbar oder unsichtbar kontaminierte Arbeitskleidung der Mitarbeiter der Einrichtung, d. h. sie will mit der Anordnung eine drohende Gefährdung des Wohls der Bewohner durch die Beseitigung eines Mangels abwenden. Dazu hält die Behörde es für erforderlich, dass die Arbeitskleidung in der Verantwortung des Arbeitgebers, d. h. der Antragstellerin, einer Wäsche oder Reinigung unterzogen wird.
Zur Stützung ihrer Auffassung erwähnt die Behörde mehrere allgemeine fachliche Regelungen/Empfehlungen.
Das Gericht hält es für möglich, die Hygieneanforderungen bzw. den Schutz vor Infektionen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG durch Bezugnahme auf allgemeine fachliche Regelungen zu definieren. Auch die Antragstellerin ist dieser Auffassung (vgl. Schriftsatz vom 16. Januar 2017, Seite 3). Es erscheint auch möglich, arbeitsschutzrechtliche Vorschriften mit der Zielrichtung „Schutz der Mitarbeiter“ heranzuziehen, denn es ist nicht einsehbar, dass die Bewohner einen geringeren Schutz genießen als die Mitarbeiter. Fachliche Aussagen, welche nicht aufgrund irgendeiner Vorschrift im konkreten Fall verbindlich sind, sind jedoch, quasi wie die Ausführungen eines Sachverständigen einer Überprüfung zu unterziehen. Insbesondere sind die Sachkunde und die Schlüssigkeit bei derartigen fachlichen Aussagen nicht unerheblich. Sind fachliche Aussagen unklar, nicht nachvollziehbar, wurden diese inhaltlich geändert oder werden substantiierte Argumente dagegen vorgebracht, könnte es sich anbieten, bei dem Urheber der fachlichen Aussage wegen einer ergänzenden Erläuterung nachzufragen.
Im konkreten Fall werden im Wesentlichen folgende Regelwerke/Empfehlungen/Äußerungen etc. erwähnt:
Die Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 250, Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege, vom März 2014 mit späteren Änderungen, sind gemäß § 19 Abs. 4 der Biostoffverordnung (BioStoffV) im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht und von einem Arbeitgeber im Bereich des Arbeitsschutzes nach § 8 Abs. 5 BioStoffV bei der Festlegung und Ergreifung von dem Stand der Technik sowie gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechenden Schutzmaßnahmen quasi als Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. Auf die Frage, ob die TRBA 250 im Fall der Einrichtung unmittelbar oder mittelbar Schutzwirkungen für die Bewohner entfalten, muss nicht näher eingegangen werden, da, selbst wenn dies der Fall wäre, deren Regelungsbereich auf die Arbeitskleidung im Allgemeinen nicht anwendbar ist. Nach Nr. 2.4 TRBA 250 ist Arbeitskleidung eine Kleidung, die anstelle oder in Ergänzung der Privatkleidung bei der Arbeit getragen wird, allerdings ohne spezielle Schutzfunktion. Arbeitskleidung ist eine berufsspezifische Kleidung, welche auch als Standes- oder Dienstkleidung, z. B. Uniform, getragen werden kann. Kontaminiert ist eine Arbeitskleidung, wenn sie mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe in Kontakt gekommen ist. Die Kontamination ist nicht immer bereits mit bloßem Auge erkennbar. Von der Arbeitskleidung wird die Schutzkleidung unterschieden. Diese ist nach Nr. 2.5 TRBA 250 jede Kleidung, die dazu bestimmt ist, Beschäftigte vor schädigenden Einwirkungen bei der Arbeit zu schützen oder die Kontamination der Arbeits- oder Privatkleidung zu vermeiden. Nach Nr. 4.2.6 TRBA 250 hat der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen Persönliche Schutzausrüstung (PSA), einschließlich Schutzkleidung, zur Verfügung zu stellen. PSA sind nach dem Begriffsglossar zu den Regelwerken der Betriebssicherheitsverordnung, der Biostoffverordnung und der Gefahrstoffverordnung, Stand: April 2009, (veröffentlicht auf der Homepage des Ausschusses für Betriebssicherheit, des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe und des Ausschusses für Gefahrstoffe) Ausrüstungen, die zum Schutz vor Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bestimmt sind und von den Beschäftigten benutzt oder getragen werden, sowie jede mit demselben Ziel verwendete und mit der persönlichen Schutzausrüstung verbundene Zusatzausrüstung. PSA und Schutzkleidung sind vom Arbeitgeber zu reinigen/desinfizieren. Nach Nr. 4.2.7 TRBA 250 muss die Schutzkleidung getragen werden, wenn bei einer Tätigkeit mit der Kontamination der Arbeitskleidung gerechnet werden muss. Wird gleichwohl Arbeitskleidung kontaminiert, ist sie vom Arbeitgeber wie Schutzkleidung zu behandeln. Schutzkleidung und kontaminierte Arbeitskleidung darf von den Beschäftigten nicht zur Reinigung nach Hause mitgenommen werden. Die TRBA 250 enthält demnach nur Regelungen für das Reinigen von kontaminierter Arbeitskleidung oder von Schutzkleidung.
Sofern der Antragsgegner den Berufsgenossenschaftlichen Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit - BG Regel (BGR) 208, Reinigungsarbeiten mit Infektionsgefahr in medizinischen Bereichen, vom Oktober 2001, aktualisiert Oktober 2006, jetzt DGUV Regel 101-017, Regelungen zum Waschen von Arbeitskleidung entnehmen will, müsste er dies erläutern.
Auch in der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene „Kleidung und Schutzausrüstung für Pflegeberufe aus hygienischer Sicht“, Fassung 2008, wird zwischen verschiedenen Bekleidungsbegriffen unterschieden. In der Tabelle 1 wird in Spalte 1 zwischen Arbeitskleidung, privater Arbeitskleidung, Überjacke ggf. Sweat-Shirt, Bereichskleidung und Dienstschuhen unterschieden. Private Arbeitskleidung solle nur in der Einrichtung, in Arbeitsbereichen mit geringen Hygieneanforderungen (z. B. Psychiatrie, Seniorenwohneinrichtungen) und nicht bei Gefahr von Kontamination getragen werden. In Tabelle 2 wird nach Einsatzbereichen unterschieden und dargestellt, welche Bekleidung in welcher Einrichtungsart bei welchen Tätigkeiten etc. getragen werden soll. In Spalte 1 sind als Einrichtungsarten genannt: Krankenhaus, Reha-Kliniken, Psychiatrie, Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflege. Private Kleidung wird in Spalte 2 nur in den Einsatzarten „Psychiatrie, Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflege“ als quasi alternative Arbeitskleidung erwähnt. In Tabelle 1 wird in Spalte 5 hinsichtlich des Waschens insofern deutlich zwischen Arbeitskleidung und privater Arbeitsbekleidung unterschieden als erstere nicht im häuslichen Bereich gewaschen werden darf. Die Angaben in den Empfehlungen seien als Mindeststandard zu verstehen.
Diese Empfehlung wurde im Juli 2016 aktualisiert. Die Angaben in der Empfehlung sollen ausweislich der Vorbemerkung zum Tabellenteil nach wie vor als Mindeststandard im beruflichen Alltag zu verstehen sein. In der Tabelle 1 a wird in Spalte 1 zwischen Arbeitskleidung, privater Arbeitskleidung, Überjacke ggf. Sweat-Shirt, Bereichskleidung und Dienstschuhen unterschieden. Private Arbeitskleidung solle nur in der Einrichtung, in Arbeitsbereichen ohne besondere Hygieneanforderungen entsprechend der Gefährdungsanalyse und nicht bei Gefahr von Kontamination getragen werden. Die frühere Tabelle 2 wurde in die Tabellen 2 a und 2 b geteilt. Tabelle 2 a betrifft die Einsatzbereiche „Krankenhaus und Reha-Kliniken“, während in Tabelle 2 b nunmehr die Einsatzbereiche „Arbeitsbereiche ohne besondere Hygieneanforderungen, z. B. Psychosomatik, Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflege“ behandelt werden. Private Kleidung soll nur noch in den Arbeitsbereichen ohne besondere Hygieneanforderungen und bei der ambulanten Pflege getragen werden. In Pflegeeinrichtungen soll, wie in den Bereichen „Krankenhaus und Reha-Kliniken“, nur Arbeitskleidung, die vom Betrieb zur Verfügung zu stellen ist, getragen werden. Diese Arbeitskleidung darf, wie gehabt, nach Tabelle 1 a, Spalte 5, Zeile 1, nicht im häuslichen Bereich gewaschen werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene hat sich im Dezember 2015 auch zur Versorgung von bestimmten in Krankenhäusern und Pflegeinrichtungen o.ä. arbeitenden Personen mit Arbeitskleidung geäußert und dabei u. a. ausgeführt, dass in der Pflege eine Übertragung von Infektionserregern auf die Arbeitskleidung trotz des Gebrauchs zusätzlicher Schutzkleidung nicht ausgeschlossen werden könne. Arbeitskleidung in der Pflege sei letztlich als Schutzkleidung zu betrachten und entsprechend vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitsstätte zur Verfügung zu stellen und aufzubereiten. Das Waschen der Arbeitskleidung durch die Bediensteten zu Hause sei aus hygienischer Sicht nicht akzeptabel, da die Aufbereitung in der Regel zu Hause nicht sachgerecht mit nachgewiesen desinfizierenden Waschverfahren erfolgen könne.
Die Empfehlungen/Äußerungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene aus den Jahren 2015 und 2016 weichen inhaltlich von denen aus dem Jahr 2008 ab. Sollte es sich bei dem Seniorenzentrum der Antragstellerin um eine Pflegeeinrichtung im Sinne der Empfehlungen/Äußerungen handeln, dann könnte man nunmehr als Mindeststandard die Verwendung von Arbeitskleidung und die Unzulässigkeit privater Arbeitskleidung annehmen. Aus den Empfehlungen des Jahres 2008 lässt sich dies nicht herauslesen. Zwar stellen diese Empfehlungen nur Mindestanforderungen dar. Das Stellen höherer Anforderungen unter gleichzeitigem Hinweis auf diese Empfehlungen bedarf aber näherer Ausführungen. Derartige hat das Gericht an maßgeblicher Stelle nicht gefunden. Maßgebliche Stelle in diesem Sinne ist die Begründung des angefochtenen Bescheids vom 27. September 2016.
Anders würde sich die Sache wohl darstellen, wenn die Einrichtung in 1... ein Arbeitsbereich ohne besondere Hygieneanforderungen wäre und die Gefährdungsanalyse das Tragen von privater Arbeitskleidung zulassen würde. Allein daraus, dass die Seniorenwohneinrichtung sich nunmehr nicht mehr in der beispielhaften Aufzählung findet, kann man wohl nicht mit hinreichender Sicherheit den Schluss ziehen, eine solche könne kein Arbeitsbereich ohne besondere Hygieneanforderungen mehr sein.
Soweit ersichtlich stützen die vom Antragsgegner benannten allgemeinen Regeln/Empfehlungen sein Begehren, die Antragstellerin solle auch die normale Arbeitskleidung der Mitarbeiter in der Einrichtung sammeln und in ihrer Verantwortung einer fachkundigen Reinigung zuführen anstatt diese durch die Mitarbeiter jeweils zu Hause waschen zu lassen, nicht. Die TRBA 250 betrifft nur Schutzkleidung und kontaminierte Arbeitskleidung und deren Reinigung. Die Erwähnung der BGR 208 in diesem Zusammenhang erschließt sich dem Gericht nicht. Von den Mindestanforderungen in den Empfehlungen aus dem Jahre 2008 kann man abweichen. Dies würde aber voraussetzen, dass man konkret benennt, von welcher Empfehlung man aus welchem Grund „nach oben“ abweicht. Derartiges ist im angefochtenen Bescheid nicht erfolgt und kann den vorgelegten Akten auch im Übrigen nicht entnommen werden. Die neueren Empfehlungen/Äußerungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene aus den Jahren 2015 und 2016 haben keinen Eingang in die Begründung des angefochtenen Bescheids oder in die Akten der Behörde gefunden.
Nach summarischer Prüfung kann demnach derzeit anhand allgemeiner fachlicher Aussagen nicht festgestellt werden, dass ein ausreichender und dem Konzept der stationären Einrichtung angepasster Schutz der Bewohner vor Infektionen nicht gewährleistet und von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene nicht eingehalten werden.
Das Gericht sieht sich nicht in der Lage, die in den Akten enthaltenen fachlichen Aussagen der Amtsärztin einzelfallbezogen als tragenden Grund für die Feststellung eines entsprechenden Mangels zu werten, denn diese stützen sich letztlich wiederum auf die oben bereits erwähnten allgemeinen fachlichen Aussagen.
Soweit nicht bereits auf die umfangreichen Ausführungen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren eingegangen wurde, ist dieses im Rahmen dieser Entscheidung nicht erforderlich. Gegebenenfalls veranlasst das weitere Vorbringen der Beteiligten die Widerspruchsbehörde auf dieses näher einzugehen.
b) Die übrigen Regelungen im angefochtenen Bescheid teilen als Annex zur Anordnung in Nr. 1 des Bescheids deren rechtliches Schicksal.
c) Bei offenen Erfolgsaussichten eines Hauptsacherechtsmittels überwiegen derzeit die Interessen der Antragstellerin das öffentliche Interesse, welches der Gesetzgeber in Art. 13 Abs. 5 PfleWoqG zum Ausdruck brachte. Es ist davon auszugehen, dass, sofern der Mangel tatsächlich gegeben sein sollte, dieser auch nach Auffassung des Antragsgegners kein erheblicher Mangel ist. Eine sofortige Mängelbeseitigung (vgl. Art. 13 Abs. 2 PfleWoqG) erscheint daher nicht geboten. Andererseits wird durch die Anordnung in ein seit Jahren praktiziertes Bekleidungssystem der Antragstellerin eingegriffen. Durch den gesetzlichen Sofortvollzug wäre diese gehalten, dieses System kurzfristig zu ändern, obwohl durchaus die Möglichkeit besteht, dass sie nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens wieder zum bisherigen System zurückkehren könnte. Der damit für die Antragstellerin und wohl auch für die Bediensteten verbundene logistische und finanzielle Aufwand steht der vorübergehenden Beseitigung des behaupteten Mangels während der Dauer des Verfahrens in der Hauptsache entgegen.
2. Da der Hauptantrag bereits Erfolg hat, braucht über den Hilfsantrag nicht mehr entschieden zu werden.
3. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: § 53 Abs. 2 GKG.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) gebildet, in dem fachlich geeignete Personen vonseiten der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Länderbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und weitere fachlich geeignete Personen, insbesondere der Wissenschaft, vertreten sein sollen. Die Gesamtzahl der Mitglieder soll 16 Personen nicht überschreiten. Für jedes Mitglied ist ein stellvertretendes Mitglied zu benennen. Die Mitgliedschaft im Ausschuss ist ehrenamtlich.
(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beruft die Mitglieder des Ausschusses und die stellvertretenden Mitglieder. Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung und wählt die Vorsitzende oder den Vorsitzenden aus seiner Mitte. Die Geschäftsordnung und die Wahl des oder der Vorsitzenden bedürfen der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
(3) Zu den Aufgaben des Ausschusses gehört es,
- 1.
den Stand der Wissenschaft, Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Biostoffen zu ermitteln und entsprechende Empfehlungen auszusprechen einschließlich solcher Beiträge, die in öffentlich nutzbaren Informationssystemen über Biostoffe genutzt werden können, - 2.
zu ermitteln, wie die in dieser Verordnung gestellten Anforderungen erfüllt werden können und dazu die dem jeweiligen Stand von Technik und Medizin entsprechenden Regeln und Erkenntnisse zu erarbeiten, - 3.
wissenschaftliche Bewertungen von Biostoffen vorzunehmen und deren Einstufung in Risikogruppen vorzuschlagen, - 4.
das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Fragen der biologischen Sicherheit, insbesondere zu epidemischen Lagen von nationaler Tragweite im Sinne von § 5 Absatz 1 Satz 6 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) in der am 31. März 2021 geltenden Fassung, zu beraten.
(4) Nach Prüfung kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
- 1.
die vom Ausschuss ermittelten Regeln und Erkenntnisse nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 sowie die Einstufungen nach § 3 Absatz 3 im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt geben, - 2.
die Empfehlungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 sowie die Beratungsergebnisse nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 in geeigneter Weise veröffentlichen.
(5) Die Bundesministerien sowie die zuständigen obersten Landesbehörden können zu den Sitzungen des Ausschusses Vertreter entsenden. Diesen ist auf Verlangen in der Sitzung das Wort zu erteilen.
(6) Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin führt die Geschäfte des Ausschusses.
(1) Der Arbeitgeber hat die Belange des Arbeitsschutzes in Bezug auf Tätigkeiten mit Biostoffen in seine betriebliche Organisation einzubinden und hierfür die erforderlichen personellen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Dabei hat er die Vertretungen der Beschäftigten in geeigneter Form zu beteiligen. Insbesondere hat er sicherzustellen, dass
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bei der Gestaltung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsverfahrens und des Arbeitsplatzes sowie bei der Auswahl und Bereitstellung der Arbeitsmittel alle mit der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zusammenhängenden Faktoren, einschließlich der psychischen, ausreichend berücksichtigt werden, - 2.
die Beschäftigten oder ihre Vertretungen im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten beteiligt werden, wenn neue Arbeitsmittel eingeführt werden sollen, die Einfluss auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten haben.
(2) Der Arbeitgeber hat geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um bei den Beschäftigten ein Sicherheitsbewusstsein zu schaffen und den innerbetrieblichen Arbeitsschutz bei Tätigkeiten mit Biostoffen fortzuentwickeln.
(3) Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Biostoffen erst aufnehmen lassen, nachdem die Gefährdungsbeurteilung nach § 4 durchgeführt und die erforderlichen Maßnahmen ergriffen wurden.
(4) Der Arbeitgeber hat vor Aufnahme der Tätigkeit
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gefährliche Biostoffe vorrangig durch solche zu ersetzen, die nicht oder weniger gefährlich sind, soweit dies nach der Art der Tätigkeit oder nach dem Stand der Technik möglich ist, - 2.
Arbeitsverfahren und Arbeitsmittel so auszuwählen oder zu gestalten, dass Biostoffe am Arbeitsplatz nicht frei werden, wenn die Gefährdung der Beschäftigten nicht durch eine Maßnahme nach Nummer 1 ausgeschlossen werden kann, - 3.
die Exposition der Beschäftigten durch geeignete bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen auf ein Minimum zu reduzieren, wenn eine Gefährdung der Beschäftigten nicht durch eine Maßnahme nach Nummer 1 oder Nummer 2 verhindert werden kann oder die Biostoffe bestimmungsgemäß freigesetzt werden, - 4.
zusätzlich persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen, wenn die Maßnahmen nach den Nummern 1 bis 3 nicht ausreichen, um die Gefährdung auszuschließen oder ausreichend zu verringern; der Arbeitgeber hat den Einsatz belastender persönlicher Schutzausrüstung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken und darf sie nicht als Dauermaßnahme vorsehen.
(5) Der Arbeitgeber hat die Schutzmaßnahmen auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung nach dem Stand der Technik sowie nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen festzulegen und zu ergreifen. Dazu hat er die Vorschriften dieser Verordnung einschließlich der Anhänge zu beachten und die nach § 19 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. Bei Einhaltung der Regeln und Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die gestellten Anforderungen erfüllt sind (Vermutungswirkung). Von diesen Regeln und Erkenntnissen kann abgewichen werden, wenn durch andere Maßnahmen zumindest in vergleichbarer Weise der Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gewährleistet wird. Haben sich der Stand der Technik oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse fortentwickelt und erhöht sich die Arbeitssicherheit durch diese Fortentwicklung erheblich, sind die Schutzmaßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist anzupassen.
(6) Der Arbeitgeber hat die Funktion der technischen Schutzmaßnahmen regelmäßig und deren Wirksamkeit mindestens jedes zweite Jahr zu überprüfen. Die Ergebnisse und das Datum der Wirksamkeitsprüfung sind in der Dokumentation nach § 7 zu vermerken. Wurde für einen Arbeitsbereich, ein Arbeitsverfahren oder einen Anlagetyp in einer Bekanntmachung nach § 19 Absatz 4 ein Wert festgelegt, der die nach dem Stand der Technik erreichbare Konzentration der Biostoffe in der Luft am Arbeitsplatz beschreibt (Technischer Kontrollwert), so ist dieser Wert für die Wirksamkeitsüberprüfung der entsprechenden Schutzmaßnahmen heranzuziehen.
(7) Der Arbeitgeber darf in Heimarbeit nur Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 1 ohne sensibilisierende oder toxische Wirkung ausüben lassen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.